Theodizee

Rund um Bibel und Glaube
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Münek
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#171 Re: Theodizee

Beitrag von Münek » So 11. Sep 2016, 18:35

closs hat geschrieben: "Solus Spiritus" - man kann die Bibel nur substantiell verstehen, wenn man es geistig angeht.
Nö - für den nüchtern arbeitenden Bibelwissenschaftler und Historiker bleiben bei seiner professionellen Exegesetätigkeit der Spiritus im Schrank und die Glaubensbrille in der Schublade.

Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps. In seiner Freizeit kann sich der Theologe bequem in seinen Lieblingssessel setzen, sich einen Lütten einschütten, seine Glaubensbrille aufsetzen und beispielsweise die anrührende Weihnachtsgeschichte des Lukas substanziell zu Gemüte führen.

Da hat es ein Pfarrer, der seine Sonntagspredigt vorbereitet, natürlich einfacher. Der darf immer zum Spiritus greifen und die Glaubensbrille nimmt er sowieso nicht ab.

R.F.
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#172 Re: Theodizee

Beitrag von R.F. » So 11. Sep 2016, 19:51

closs hat geschrieben: - - -
R.F. hat geschrieben:Wie aber reagierten die Vertreter der Katholischen Kirche bzw. SPON?
Was war das Ziel? Waren sie gegen die Möglichkeit von "Wundern"?
Also Wunderheilungen machen sich ja gut. Würde die naturalistisch orientierte Wissenschaft darüber spotten, käme das bei den Gläubigen nicht gut an.

Anders sieht das aus, wenn eine so herausragende Persönlichkeit wie Joseph Ratzinger allen Ernstes an das berichtete Brot-Wunder glaubt. Das kommt einer schallende Ohrfeige nicht allein gegenüber den meist naturalistisch orientierten Kirchenmitgliedern gleich, sondern bescheinigt gleichzeitig der naturalismusgläubigen Wissenschaft Dummheit. Damit hat Joseph Ratzinger zwar völlig recht. Er bekam aber recht schnell die Macht der Naturalisten zu spüren, machte dann den Rückzieher.

Die Vatikan-Vertretern wissen selbstverständlich um die Machtverhältnisse und bestanden gegenüber SPON auf die Schließung des Threads. Ein anderer Grund dafür war jedenfalls nicht erkennbar.

closs
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#173 Re: Theodizee

Beitrag von closs » So 11. Sep 2016, 20:43

sven23 hat geschrieben:Wissenschafliche Vorgehensweise hat nichts mit Dogmen zu tun.
Die "Vorgehensweise" ist nicht dogmatisch - aber die methodischen Grundlagen sind es.

sven23 hat geschrieben:Dogmen sind willkürliche Setzungen
Falsch - sie sind alles andere als "willkürlich".

sven23 hat geschrieben:die dazu noch nicht mal überprüfbar sind.
Logisch - sonst müsste man sie ja nichts setzen. - Die Setzungen des Kritischen Rationalismus sind ebenfalls weder willkürlich noch überprüfbar. - Deshalb SIND es doch Setzungen.

sven23 hat geschrieben:Vielleicht hat sich die Theolgie, zumindest die historisch-kritische Forschung, weiterentwickelt.
Kann sein - aber es ist hier auf dem Forum nicht erkennbar. - Hier sieht es eher nach Rückschritt aus.

sven23 hat geschrieben:Was er wollte oder vermeintlich wollte, läßt sich nur anhand der Quellen nachvollziehen.
Die Entscheidung liegt nicht in den Quellen, sondern im geistig beurteilenden Menschen. Richtig ist, dass man die Quellen braucht, um eine Entscheidungs-Grundlage zu haben. - Aber diese Entscheidungs-Grundlage ist in diesem Fall nicht HKM-mäßig, sondern kanonisch oder systematisch.

Man kann dies absolut wertfrei verstehen: "Wir machen es so - Ihr macht es so. Mal schauen, wo wir übereinstimmen und wo nicht". - In der unaufgeregten Praxis ist das auch so - solange keine ideologischen Sperrfeuer (siehe Metzinger) kommen.

sven23 hat geschrieben:Ich meinte eher heutige Phänomene, wo wir ja noch die Möglichkeit einer Überprüfung haben.
Heutige, physikalisch greifbare Phänomene sollte man naturwissenschaftlich klären.

sven23 hat geschrieben:Das ist Stand und breiter Konsens der theologischen Forschung
Aber doch nur dann, wenn man den Begriff "Wissenschaft" solange ideologisch einschnürt, bis nicht mehr anderes übrigbleibt.

sven23 hat geschrieben:Da müßte man erst mal klären, was als gut betrachtet wird.
Stimmt - ein ständiger Kampf.

Münek hat geschrieben:für den nüchtern arbeitenden Bibelwissenschaftler und Historiker bleiben bei seiner professionellen Exegesetätigkeit der Spiritus im Schrank
Somit kann er im verbleibenden Rahmen wertvolle Sacharbeit leisten - das ist akzeptiert.

closs
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#174 Re: Theodizee

Beitrag von closs » So 11. Sep 2016, 20:51

R.F. hat geschrieben:Damit hat Joseph Ratzinger zwar völlig recht. Er bekam aber recht schnell die Macht der Naturalisten zu spüren, machte dann den Rückzieher.
Ich würde es mal anders formulieren: Auch innerhalb der Kirche ist es schwer vermittelbar, dass Gott in aller Konsequenz wesensmäßig nicht Teil der Natur ist.

Natürlich stimmt dem jeder zu, aber man hält sich nicht daran, weil man in einer Zeit lebt, die in der Tat so durchdringend naturalistisch geprägt ist, dass man dagegen nicht ankommt - und man will ja "auf die Menschen zugehen".

Es wird in aller Regel nicht zu Ende gedacht - das habe ich oft in Gesprächen mit Theologen (auch an Unis lehrenden Theologen) gemerkt. Man denkt bis zu einem gewissen Punkt, ab dem es nicht mehr weiter geht, und nennt den Rest "göttliches Geheimnis". - Aus meiner Sicht ist das schwach.

Aus meiner Sicht sollten sich nur wenige mit Fundamental-Theologie beschäftigen, weil man damit auch dialektische und ontologische Fragestellungen abdecken muss, um sattelfest zu sein. - Solche Theologen gibt es, aber nicht viele.

Insofern komme ich immer mehr zum ERgebnis: Pastorale first. - Denn in der pastoralen Arbeit gibt es viele gescheite Menschen, die mit ihrem Denken dem großen fundamental-theologischen Denken sehr nahe kommen, ohne dies strukturiert formulieren zu können. Weil sie den HG spüren. - Bei uns vermessen sich zu viele Menschen, über Dinge nachzudenken und gar eine Meinung zu profilieren, denen sie nicht gewachsen sind.

R.F. hat geschrieben:Die Vatikan-Vertretern wissen selbstverständlich um die Machtverhältnisse und bestanden gegenüber SPON auf die Schließung des Threads.
Meinst Du wirklich, dass sich der Vatikan für SPON interessiert? Was ist eigentlich "SPON"?

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#175 Re: Theodizee

Beitrag von Pluto » So 11. Sep 2016, 21:48

SPON = Spiegel - Online
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#176 Re: Theodizee

Beitrag von R.F. » So 11. Sep 2016, 21:54

closs hat geschrieben: - - -
R.F. hat geschrieben:Die Vatikan-Vertretern wissen selbstverständlich um die Machtverhältnisse und bestanden gegenüber SPON auf die Schließung des Threads.
Meinst Du wirklich, dass sich der Vatikan für SPON interessiert? Was ist eigentlich "SPON"?
Mit SPON ist Spiegel Online gemeint. Auf einen Einwand von katholischer Seite reagiert der Spiegel wohl schon. Das mag zu Augsteins Zeit anders gewesen sein.

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sven23
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#177 Re: Theodizee

Beitrag von sven23 » Mo 12. Sep 2016, 06:31

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wissenschafliche Vorgehensweise hat nichts mit Dogmen zu tun.
Die "Vorgehensweise" ist nicht dogmatisch - aber die methodischen Grundlagen sind es.
Welche Dogmen hat denn ein Physiker? :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dogmen sind willkürliche Setzungen
Falsch - sie sind alles andere als "willkürlich"..
Natürlich sind sie willkürlich, sonst müssten alle zwingend und logisch von selbst drauf kommen. Davon sind die teilweise bizarren Festlegungen Lichtjahre entfernt.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Vielleicht hat sich die Theolgie, zumindest die historisch-kritische Forschung, weiterentwickelt.
Kann sein - aber es ist hier auf dem Forum nicht erkennbar. - Hier sieht es eher nach Rückschritt aus.".
Das ist jetzt wirklich eine Frage der Perspektive. Für die einen ist die kritische Aufarbeitung von Glaubenslegenden ein Fortschritt, für die anderen Teufelszeug.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Was er wollte oder vermeintlich wollte, läßt sich nur anhand der Quellen nachvollziehen.
Die Entscheidung liegt nicht in den Quellen, sondern im geistig beurteilenden Menschen. Richtig ist, dass man die Quellen braucht, um eine Entscheidungs-Grundlage zu haben. - Aber diese Entscheidungs-Grundlage ist in diesem Fall nicht HKM-mäßig, sondern kanonisch oder systematisch.
Also pure Rezeption, ohne diese zu hinterfragen. Die Forschung dagegen seziert die Rezeption, um authentisches von nicht authentischen unterscheiden zu können. Das können und wollen Kanoniker gar nicht und da liegt der große Unterschied zur Forschung.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ich meinte eher heutige Phänomene, wo wir ja noch die Möglichkeit einer Überprüfung haben.
Heutige, physikalisch greifbare Phänomene sollte man naturwissenschaftlich klären.
Eben, und andere gibt es heute genau so wenig wie vor 2000 Jahren oder irgendeinem anderen Zeitpunkt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das ist Stand und breiter Konsens der theologischen Forschung
Aber doch nur dann, wenn man den Begriff "Wissenschaft" solange ideologisch einschnürt, bis nicht mehr anderes übrigbleibt.
Nein, nur dann, wenn man Wissenschaft nicht mit Esoterik verwechselt. :lol:
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#178 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Mo 12. Sep 2016, 09:07

sven23 hat geschrieben:Welche Dogmen hat denn ein Physiker?
Dass seine Wahrnehmung kohärent ist mit dem Objekt seiner Beobachtung. - Dass die Welt als Ganzes eine physikalische ist, die nicht mit geistigen Welten interagiert. - Etc.

Wobei ich hier nicht das ideologisch aufgeladene Wort "Dogmen" verwenden würde, sondern einfach "Setzungen" sagen würde - Arbeitsgrundlagen. - Ganz nüchtern und gar nicht kritisch gemeint.

sven23 hat geschrieben:Natürlich sind sie willkürlich, sonst müssten alle zwingend und logisch von selbst drauf kommen.
Vollkommenes Fehlverständnis. - Hast Du schon mal dran gedacht, dass kirchliche Dogmen die FOLGE davon sind, dass man zwingend auf etwas gekommen ist? Aber ganz sicher nicht "alle". :)

sven23 hat geschrieben: Für die einen ist die kritische Aufarbeitung von Glaubenslegenden ein Fortschritt, für die anderen Teufelszeug.
Das Problem ist nicht "das Kritische", sondern "das Ideologische".

sven23 hat geschrieben:Also pure Rezeption, ohne diese zu hinterfragen.
Hä? - Wie soll man dann das eine vom anderen unterscheiden? :?:

sven23 hat geschrieben:andere gibt es heute genau so wenig wie vor 2000 Jahren oder irgendeinem anderen Zeitpunkt.
Materialistische Ideologie. - Davon abgesehen: Natürlich findet jede Offenbarung im natürlichen Raum statt - das ist ja gerade der Sinn von "Offenbarung" - und ist somit physikalisch erklärbar oder nicht erklärbar. - Aber so meinst Du es ja nicht.

Wir zelebrieren hier im Kleinen die großen philosophischen Auseinandersetzungen seit mindestens zwei-einhalb tausend Jahren. - Dieser Kampf zwischen Anthropozentrismus und Theozentrismus wird wohl "immer" so bleiben. :)

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#179 Re: Theodizee

Beitrag von Münek » Mo 12. Sep 2016, 15:56

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Was er wollte oder vermeintlich wollte, läßt sich nur anhand der Quellen nachvollziehen.
Die Entscheidung liegt nicht in den Quellen, sondern im geistig beurteilenden Menschen. Richtig ist, dass man die Quellen braucht, um eine Entscheidungs-Grundlage zu haben. - Aber diese Entscheidungs-Grundlage ist in diesem Fall nicht HKM-mäßig, sondern kanonisch oder systematisch.
Die "Entscheidungs-Grundlage" für die Exegese sind und bleiben die auszulegenden Bibeltexte. Sie sind das A und O. Mehr haben wir nicht.

Die systematische Theologie hat im Übrigen nichts mit der Textauslegung zu tun; die kanonische Exegese, sollte sie jemals praktiziert werden, wäre unwissenschaftlich.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das ist Stand und breiter Konsens der theologischen Forschung
Aber doch nur dann, wenn man den Begriff "Wissenschaft" solange ideologisch einschnürt, bis nicht mehr anderes übrigbleibt.
Dein Vorwurf ist grotesk. Aber - was stört es den Mond, wenn ihn der Hund anbellt?! Die Karawane zieht weiter....

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:für den nüchtern arbeitenden Bibelwissenschaftler und Historiker bleiben bei seiner professionellen Exegesetätigkeit der Spiritus im Schrank
Somit kann er im verbleibenden Rahmen wertvolle Sacharbeit leisten - das ist akzeptiert.
Der "verbleibende Rahmen" ist der historisch-wissenschaftliche Rahmen. Glaubensvorstellungen haben innerhalb dieses Rahmens nichts zu suchen. So ist es richtig.

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#180 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Mo 12. Sep 2016, 18:42

Münek hat geschrieben:Die "Entscheidungs-Grundlage" für die Exegese sind und bleiben die auszulegenden Bibeltexte.
Natürlich sind die Texte die Grundlage für die Auslegung ihrer selbst - aber die Bewertung dieser Grundlage hängt von der Weltanschauung des Bewertenden ab.

Münek hat geschrieben:die kanonische Exegese, sollte sie jemals praktiziert werden, wäre unwissenschaftlich.
Es gibt sicherlich wissenschafts-theoretische Dinosaurier, die noch so denken. - Aber auch da ist die Karawane weitergezogen.

Münek hat geschrieben:Die Karawane zieht weiter....
Hier ziehen ZWEI Karawanen weiter - insofern ist der Versuch Ratzingers gescheitert.

Münek hat geschrieben:Der "verbleibende Rahmen" ist der historisch-wissenschaftliche Rahmen.
Nichts dagegen - aber es ist dann unter theologischen Gesichtspunkten ein Rähmchen.

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