Anton B. hat geschrieben:Sie müsse "die" "reale wahre Wirklichkeit hinter allem" erkenne und darstellen. Und sofort hast Du gerade die gelobte Abgrenzung wieder nieder gerissen. Denn Dir verlangt innerlich nach einer holistischen Erkenntnis, gemäß der -- wie auch immer -- Wissen und Glaube sich konsistent zueinander verhalten.
Da geht einiges durcheinander:
I.
Nein, jegliche Wahrnehmung, auch wissenschaftliche Wahrnehmung, kann nur möglichst authentisch, also im Rahmen der selbst-gesetzten Methodik "der realen Wirklichkeit hinter allem" nahekommen - mehr nicht. Wissenschaft kann nicht einmal überprüfen, ob sie der "realen Wirklichkeit" gegenüber authentisch ist, sondern nur überprüfen, ob sie ihrer Methodik gerecht wird.
Allerdings reicht dies für den "Alltagsgebrauch" der Naturwissenschaft, da die Methodik ja wirklich gut ist. Sie ist gut für das Naturalistische (aber selbst das ist ein Glaube meinerseits). Descartes hat alles Notwendige dazu gesagt, gilt aber heute als "überholt", weil er der Selbstgerechtigkeit naturalistischer Philosophien im Wege steht.
II.
Ja, Wissen und Glauben sind im Idealfall konsistent, indem beide dann zu Eins werden, wenn der Mensch "erkennt, wie er erkannt ist" (1.Kor. 13,12). - Aber sie sind nie im Dasein als konsistent überprüfbar, sondern nur glaubbar.
Anton B. hat geschrieben:Es tut mir leid, Dich da zu enttäuschen, aber Aufgrund der Eigenständigkeit der Kategorien von "Wissen" und "Glauben" kenne ich zumindest keinen erfolgversprechenden Ansatz, wie diese Kompatibilität formal und sachlich hergestellt werden kann.
Zustimmung - das strebe ich auch nicht an. - Denn diese Kompatibilität ist nur geistig erschließbar (und hier könnte man sogar sagen: "kanonisch erschließbar").
Dies ist keine Niederlage, sondern (aus meiner Glaubenssicht) ein Faktum, das man aber als solches immer im Auge behalten sollte - im Sinne von: "Jede menschengemachte Methodik ist nicht mehr als ein organisierter Wahrnehmungs-Versuch, der a) SEINE Grenzen hat und b) nie "das, was wirklich das Fall ist" zu seiner abhängigen Größe machen darf.
Wir müssen doch gar nicht alles wissen können - wir sollen uns vielmehr bewusst bleiben, wie wenig das Viele ist, was wir wissen.
Anton B. hat geschrieben:Du glaubst offensichtlich, über das Postulat einer "realen, wahren Wirklichkeit hinter allem" den gemeinsamen Bezugspunkt gefunden zu haben.
Ja, richtig beobachtet. - Doch - Achtung! - NICHT in dem Sinn, dass damit alle Probleme gelöst sind, sondern dass damit ein prinzipiell unlösbares Problem offengelegt wird.
Der Bezugspunkt ist derselbe - in der Tat. - Aber dieser Bezugspunkt ist für uns nicht wahrnehmungs-mäßig erreichbar - prinzipiell. Warum? - Weil es keine absolute Methodik gibt. - Nehmen wir ein einfaches und hier längst eingeführtes Beispiel: Naherwartung:
Die HKM kommt nach ihren Regeln (möglicherweise) zum Ergebnis: Jesus hatte eine Naherwartung. - Der korrekte Satz lautet also: "Nach unserer Methodik hatte Jesus eine Naherwartung". - Die Systematische Theologie/die kanonische Exegese kommt möglicherweise zum Ergebnis: Jesus hatte KEINE Naherwartung. - Der korrekte Satz lautet also hier: "Nach unserer Methodik hatte Jesus KEINE Naherwartung".
Der Bezugspunkt zu beidem ist Jesus selbst: Hatte er nun selber eine Naherwartung oder nicht (er hatte sicherlich nicht beides gleichzeitig). - Dies wäre die "reale, wahre Wirklichkeit hinter allem" (ich würde präzisieren: "hinter allen methodischen Wahrnehmungs-Ansätzen"). - Und diese Wirklichkeit lautet entweder "ja" oder "nein" - und ist methodisch/menschlich/ wahrnehmungs-mäßig nicht verifizierbar/falsifizierbar/nachweisbar/etc.
Und hier glaube ich, dass die Theologen ehrlicher und intellektuell anspruchsvoller sind, wenn sie sagen: "Unsere Aussage NEIN (zur Naherwartungs-Frage) gilt nur vor dem Hintergrund unserer philosophischen/theologischen/exegetischen Erkenntnissen UND unseres Glaubens, dass es Gott gibt und er in Jesus wirkt. - Wir erkennen also unsere Setzungen, die uns - nichtsdestoweniger auf systematischem Weg - zu unserem Ergebnis führen".
Wissenschafts-Vertreter sind diesbezüglich oft unehrlicher bzw. intellektuell weniger anspruchsvoll, wenn sie sagen: "Wir sind ergebnisoffen - wir haben keine Satzungen". - Denn dieser Satz ist schlicht falsch.
Anton B. hat geschrieben:Und wie sollen sie es Dir vermitteln, wenn Du selber einen Anspruch an Wissenschaft hast, der die Grenzen dessen, was wir unter Wissenschaft verstehen, sprengt?
Genau das Gegenteil ist mein Ansinnen: Die Wissenschaft auf das beschränken, was ihre Grenzen sind.
Anton B. hat geschrieben:Also ich übersetze "jenseits der Vernunft" erstmal einfach mit "außerhalb der Vernunft".
Kann man machen, ist aber leicht missverständlich. - Denn Du wirst nicht lange warten müssen, bis einer kommt und meint, damit sei gemeint: "Der Vernunft nicht gewachsen" im Sinne von "Hintendran". - Genau so ist es aber nicht gemeint.
Nehmen wir uns die Quantenmechanik vor: Meinst Du, dass Dinge, die laut Physikern dort nicht vernünftig erklärt werden können, bedeuten, dass sie deshalb "esoterisch" sind? - Oder könnte es nicht vielleicht sein, dass das, was der Mensch als "Vernunft" versteht, nur ein kleiner Teil dessen ist, was "Vernunft" "ist"? - Letzterer Gedankengang ginge wahrscheinlich in die richtige Richtung.