Alles Teufelszeug? IV

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Halman
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#101 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von Halman » Mi 7. Sep 2016, 19:43

closs hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Das Beste scheint mir zu sein, zu diesem Punkt einen agnostischen Standpunkt einzunehmen, wenn man ergebnisoffen wissenschaftlich arbeiten will.
Prinzipiell richtig - oder scharf formuliert: Auch ein Christ hat sich an den methodischen Atheismus zu halten, wenn es um reine Sachfragen geht - die da sein können:
* Von wann stammt diese Quelle?
* Was bedeutete damals in der Umgangssprache das Wort "logos"?
* Was passierte historisch in der Zeit, in der Jesus lebte?
* Was waren die sozialen Umstände?
* etc.
Der mothodische Atheismus impliziert keine Weltanschauung. Weltanschaulich ist diese Methode "agnostisch".

Natürlich werden die von Dir gestellen Fragen ohne Gott beantwortet. Daraus folgt aber kein realer Atheismus. Wäre dem so, so könnte man auch heute sagen: Dieses und jenes aus der Alltagserfahrung wird profan und gottfrei beschrieben, also setze ich gottfrei (unzulässigerweise) analog zu gottlos und folgere (logisch unzulässig), dass es keinen Gott gäbe.
Natürlich lässt sich auch die Vergangenheit gottfrei rekonsturieren und im allgemeinen ist dies auch methodisch sinnvoll. Daraus können wir aber nicht zwingend ableiten, dass Gott nicht doch mal geschichtsmächtig - hier denke ich an Jesus Christus - auftrat. Die rationialen Fragen führen zu rationialen Antworten und diese können uns nichts über Gott enthüllen.

closs hat geschrieben:Aber bei geistigen Fragen, die nur unter Einbeziehung von Begriffen wie "NT-Paradigmen-Wechsel"/"heilsgeschichtliche Abläufe"/etc. beantwortbar sind, KANN man aus meiner Sicht nur sehr bedingt agnostisch rangehen. - Scharf formuliert: Wie will man das Wesen Jesu erkennen, wenn es methodisch irrelevant ist, ob er "Gottes Sohn"/"Gott" ist oder nicht?
Diese Dimension kann in der Tat nur im Glauben erkannt werden. Agnostiker und Atheisten haben gemeinsam ungläubig zu sein, daher werden sie auch oft gemeinsam genannt, so verschieden ihre Weltanschauungen vom philosophischen Standpunkt aus betrachtet auch sind.
Vielleicht ist ein Agnostiker etwas freier darin, als neutraler Beobachter über den "NT-Paradigmen-Wechsel" und die "heilsgeschichtliche Abläufe" zu referieren, ähnlich wie es Historiker und Archäologen im Umgang mit alten Texten handhaben.
So kann man die Gründungsgeschehen von Judentum (Torah) und Christentum (biblische Evangelien) gegenüberstellen und z.B. feststellen, dass bereits "Moses" den Geist Gottes (ruach, Heiliger Geist) kennt und Elohim auch als "Vater" bezeichnet, doch Jesus diese Aspekte mehr fokussiert usw. Darüber kann man referieren, unabhängig davon, woran man glaubt.

closs hat geschrieben:Hier sehe ich das stärkste Argument, warum die HKM innerhalb der Theologie nur flankierend wirken kann. - Nicht, weil die HKM Mängel hätte, sondern weil sie selbstgesetzte methodische Grenzen hat.
Dies kann man durchaus so sehen. Ich sehe das Problem im Rationalismus. Denn rational betrachtet erscheint vieles in der Bibel als Zumutung, ja unzumutbar. Insbesondere die Auferstehung Jesu Christie, welche für das Christentum zwingender Glaubensinhalt ist.
Mein Eindruck ist, dass der Rationalismus oft positivistisch geprägt ist, auch wenn dies den Rationalisten nicht bewusst ist. Und der Positivismus lehnt "Glauben" ohnehin ab.

closs hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:"Unter dem Stichwort „Kanon“ wird es möglich, die Funktion(en) biblischer Literatur für bestimmte Gruppen wahrzunehmen und zu erforschen".
Dies würde ich interpretieren als: "Es muss auch möglich sein, Jesus unter dem Aspekt wissenschaftlich zu untersuchen, dass er "Gottes Sohn"/Gott ist.
Schwerlich, weil Gott sich der wissenschaftlichen Untersuchung und dem Rationalen entzieht. Ich halte es für methodisch besser, diesen Aspekt offen zu lassen, also weltanschaulich neutral zu bleiben.

closs hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:"Der „kanonische Zugang“ verändert die grundlegenden Ansichten über den Text"
So ist es. - Man interpretiert DENSELBEN Text grundlegend anders, ob Jesus nur Wanderprediger ist oder "Gottes Sohn"/Gott ist.
Dies stimmt freilich. Und genau hierin liegt auch die Problematik vieler Diskussionen hier im Forum, welche Du mit einem Satz so schön zusammengefasst hast.

closs hat geschrieben:
Halman hat geschrieben: "Historische Untersuchungen zum Bibeltext sind damit nicht ausgeschlossen; sie werden in den theologischen Fokus integriert".
So ist es - in meinen Worten: Historische Untersuchungen können innerhalb der Theologie zwar ein wichtige, aber letztlich nur flankierende Rolle spielen. Im Mittelpunkt steht die substanziell geistige Aussage des Textes - dieser ist mit Mitteln der HKM "bauartbedingt" nicht adäquat interpretierbar.
Der historische Kontext redet aber schon zurecht hinein in die geistliche Verkündung des Textes und sollte daher berücksichtigt werden. Sie können das Verständnis sehr vertiefen. So ist die Erkenntnis, dass Jesus sich überwiegend an Tagelöhner wandte, schon relevant und kann besser verstanden werden, wenn man mehr historisches Hintergrundwissen hat.
Ein Beispiel für die Bedeutsamkeit der historischen Dimension ist die die Geburtsgeschichte von Jesus aus Nazareth. Mehr Wissen für Kaiser Augustus ist hilfreich, um die Dramatik dieser Geburtsschichte zu erfassen.


closs hat geschrieben:
Halman hat geschrieben: Die kanonische Lektüre steht hermeneutisch und methodisch jüdischem und altkirchlichem Schriftverständnis und deren Praxis der Schriftauslegung nahe
Das glaube ich auch - es würde sich lohnen, die lakonische Darstellung des Phänomens in jüdischer Denkweise (ich halte hier Buber für repräsentativ) der kausalitäts-orientierten Denkweise in griechischer Denkweise gegenüberzustellen. - Großer Sprung: Ich vermute, dass es mit den Erkenntnissen der QM zukünftig eher eine Tendenz zur jüdischen Denkweise geben wird.
Darf ich Dich bitten deine Andeutung, die in mir Neugier weckt, genauer auszuführen?
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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Ska'ara
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#102 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von Ska'ara » Mi 7. Sep 2016, 20:31

Münek hat geschrieben: An dem ehrlichen Glauben an Götter ist NICHTS unredlich und laienhaft.
Kann es denn deiner Meinung nach einen ehrlichen Glauben überhaupt geben?


Was weiß der Papst von Gott mehr als das Mütterchen auf der Kirchenbank?
Der Papst ist wie ein Politiker beruflich organisiert, während das Mütterchen noch hofft.


In der wissenschaftlichen Theologie geht es darum zu versuchen, historische Ereignisse anhand der Quellen zu rekonstruieren. Hier kann ein gläubiger Laie mangels Fachwissens nicht dazwischenreden, wenn ihm das eine oder andere Ergebnis der Forschung nicht passt.


Das ist doch der Punkt.
Wenn man anhand der Quellen etwas wissenschaftlich oder nachweislich rekonstruieren will, kann man doch gar keinen Erfolg haben. Ein Theologie, der dies versucht, müsste dann ungläubig werden.

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Münek
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#103 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von Münek » Mi 7. Sep 2016, 22:11

Ska'ara hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: An dem ehrlichen Glauben an Götter ist NICHTS unredlich und laienhaft.
Kann es denn deiner Meinung nach einen ehrlichen Glauben überhaupt geben?
Selbstverständlich. Ich wüsste nicht, was dagegen spräche.

Ska`ara hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Was weiß der Papst von Gott mehr als das Mütterchen auf der Kirchenbank?
Der Papst ist wie ein Politiker beruflich organisiert, während das Mütterchen noch hofft.
Das Mütterchen GLAUBT und hofft - wissen kann sie natürlich NICHTS, genausowenig wie der Papst. Insofern hat das Oberhaupt der katholischen Kirche dem einfachen Gläubigen an "Gotteswissen" nichts voraus. Das wollte ich zum Ausdruck bringen.

Ska`ara hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:In der wissenschaftlichen Theologie geht es darum zu versuchen, historische Ereignisse anhand der Quellen zu rekonstruieren. Hier kann ein gläubiger Laie mangels Fachwissens nicht dazwischenreden, wenn ihm das eine oder andere Ergebnis der Forschung nicht passt.Das ist doch der Punkt.
Wenn man anhand der Quellen etwas wissenschaftlich oder nachweislich rekonstruieren will, kann man doch gar keinen Erfolg haben.
Hast Du eine Ahnung! Niemand bestreitet ernsthaft, dass die historisch-kritische Bibelforschung seit ihrem Bestehen vor ca. 200 Jahren AUSSERORDENTLICH erfolgreich war. Niemand - bis auf dogmatisch erstarrte, engstirnige Fundamentalisten!

Diese lehnen es strikt ab, biblische Texte mit historisch-kritisch-wissenschaftlichen Methoden zu untersuchen.

Ska`ara hat geschrieben: Ein Theologie, der dies versucht, müsste dann ungläubig werden.
In HISTORISCHEN Fragen haben persönliche Glaubensvorstellungen zwingend außen vor zu bleiben, sonst verlässt der Exeget den Bereich der ergebnisoffen forschenden Wissenschaft. Da ein seriös arbeitender Wissenschaftler das aus guten Gründen nicht will, lässt er seinen persönlichen Gottesglauben bei seiner Forschungstätigkeit außen vor.

Gottesglaube und Wissenschaft sind nicht kompatibel. Das bedeutet aber nicht, dass die universitäre Theologie "am Stock" geht bzw. von der "Exegese" am Gängelband geführt wird. Es gibt an der Uni schließlich noch die systematische Theologie mit ihrer "Glaubensdogmatik" und "Fundamentaltheologie".

Hier wird "GLAUBE" ganz groß geschrieben. Also keine Angst. :thumbup:

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Zeus
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#104 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von Zeus » Do 8. Sep 2016, 01:11

Pluto hat geschrieben:
Ska'ara hat geschrieben:Was ist an einem ehrlichen Glauben an einen (all)mächtigen Gott denn unredlich und laienhaft?
Wie es der große Philosoph des 20. Jahrhunderts, Bertrand Russel sagte: "Zu wenig Beweise, Herr, zu wenig Beweise.
Meine diesbezügliche Frage ist immer, wenn es Gott gibt, warum versteckt er sich vor uns?

Was intellektuelle Redlichkeit angeht, verweise ich auf einen Philosophen des 21. Jahrhunderts...
Hier ist die Synthese obigen etwas langen, aber sehr interessanten, Videos (für alle, die es nicht angeschaut haben).
Bild
e^(i*Pi) + 1 = 0
Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

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Münek
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#105 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von Münek » Do 8. Sep 2016, 04:05

Der Philosoph Thomas Metzinger bringt es in seinem Vortrag "Spiritualität und intellektuelle Redlichkeit" exakt auf den Punkt.

Dieser Vortrag müsste für alle halbwegs intelligente Gläubige Pflichtlektüre sein.

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Münek
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#106 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von Münek » Fr 9. Sep 2016, 01:10

Halman hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Das Beste scheint mir zu sein, zu diesem Punkt einen agnostischen Standpunkt einzunehmen, wenn man ergebnisoffen wissenschaftlich arbeiten will.
Prinzipiell richtig -
Der methodische Atheismus impliziert keine Weltanschauung. Weltanschaulich ist diese Methode "agnostisch". Natürlich werden die von Dir gestellen Fragen ohne Gott beantwortet.
Diese simple Tatsache wird unser lieber Kurt aus apologetischen Glaubensgründen immer wieder versuchen, mit
(für mich offenkundig) fadenscheinigen Gründen wegzuinterpretieren.


Er kann Fakten auf Teufel komm raus nicht akzeptieren, die nicht in sein Glaubensbild passen. Er hat sich festgebissen
und will/kann nicht mehr loslassen.

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sven23
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#107 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von sven23 » Sa 10. Sep 2016, 12:00

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Er behauptet, Kubitza hätte in seinen Bezügen und Schlussfolgerungen unrecht - ohne das Buch überhaupt gelesen zu haben.
Die häufigen Zitate sind, falls sie charakteristisch für ihn sind, ausreichend. - Um es auch mal deutlich zu sagen: K. arbeitet auf RTL-II-Niveau - oder wenn Du willst: Trump-Niveau.
Also das ist völliger Unsinn und das weißt du auch. Die inhaltlose Kritik ist doch lediglich dem Umstand geschuldet, dass Kubitza den Finger in die wunden Stellen der Theologie legt. Das wollen ihm manche nicht verzeihen.

closs hat geschrieben: Und wie immer liegt es an den Setzungen:
K. geriert sich so, als ginge er davon aus, dass es Gott nicht gibt. - Auf dieser Basis zieht er Schlussfolgerungen - und hat dann durchaus recht mit seinen Bezügen. - Man kann ihn also kaum an Einzelaussagen packen - es ist insgesamt schräg.
Setzungen oder Prämissen sind schon wichtig, aber es gibt Dinge, die sind einfach unabhängig von Setzungen. Die Atombombe ist nun mal über Hisroshima explodiert, das bekommt man auch mit Setzungen nicht vom Tisch.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#108 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von closs » Sa 10. Sep 2016, 13:47

Münek hat geschrieben: In der wissenschaftlichen Theologie geht es darum zu versuchen, historische Ereignisse anhand der Quellen zu rekonstruieren.
Dieser Ansatz ist nicht das Problem. Natürlich kann man probieren, rauszufinden, was rauskommt, wenn man auf HKM-Ebene die Bibel durchdekliniert.

Der entscheidende Punkt ist ein anderer: Auch die HKM muss sich bewusst sein, dass es ein "Was-wäre-wenn"-Szenario bleibt - also eine Ergebnis-Projektion auf Basis einer Methodik/Perspektive. Insofern kann jeder HKM-ler, sogar ein Kubitza, mit Fug und Recht für sich beanspruchen: "Wenn man es SO anpackt, wie ich es tue, kommt folgendes ERgebnis heraus".

Es passiert aber etwas anderes - man sagt ideologisch: "Das, was ICH perspektivisch per HKM ermittle, ist Fakt, während das, was (meinetwegen) die kanonische Exegese ermittelt, NICHT Fakt ist." - "Fakt "zu verstehen als "das, was wirklich vor 2000 Jahren historisch passiert ist".

Münek hat geschrieben:Diese lehnen es strikt ab, biblische Texte mit historisch-kritisch-wissenschaftlichen Methoden zu untersuchen.
Das ist einfach falsch und wird nicht durch ideologische Hämmerei wahrer. - Die christliche Theologie verbittet sich lediglich, dass ERgebnisse per HKM zum Besten gegeben werden, die sie per methodischem Ansatz nicht erbringen kann.

Münek hat geschrieben:Der Philosoph Thomas Metzinger bringt es in seinem Vortrag "Spiritualität und intellektuelle Redlichkeit" exakt auf den Punkt. Dieser Vortrag müsste für alle halbwegs intelligente Gläubige Pflichtlektüre sein.
Ich kenne diesen Vortrag sehr gut. - Er hat mir deutlich gemacht, wie ideologisch Metzinger eigentlich ist.

Man setze, dass der Kritische Rationalismus (also der anthropozentrische Weg) der einzige Weg ist, um "dem, was der Fall ist", gerecht zu werden. - Danach bezeichne man daraus abgeleitete Disziplinen als "redlich" und andere als "unredlich".

Auch Metzinger bleibt beim klassischen Kant stehen und folgt ihm nicht einmal in seinen späten Erkenntnissen, wonach hinter dem, was per menschlicher Vernunft ist, noch etwas ist. - Metzinger hat so gesehen substantiell den Schritt ins 19. Jh. nicht gemacht, sondern ist auf dem Level des reinen menschlichen Vernunft-Vermögens verblieben. - Sogar der späte Schiller hätte ihn dafür ausgelacht.

Nichtsdestoweniger: Er ist (noch) im Trend, weil viele moderne Philosophien ("Analytische Philosophie", bspw.) diesen Schritt nicht gemacht haben. - Aber die Karawane ist unbemerkt von ihm bereits weiter gezogen.

sven23 hat geschrieben:Die inhaltlose Kritik ist doch lediglich dem Umstand geschuldet, dass Kubitza den Finger in die wunden Stellen der Theologie legt.
Das hat er AUCH gemacht - wunde Stellen gab und gibt es genug. Aber seine Haupt-"Leistung" besteht darin, die Bibel aus einer konsequent substanz-fernen Warte aus zu interpretieren - gleichzeitig ist er geschickt genug, dies in sich schlüssig darzustellen. - Wer es nicht merkt, ist selbstw dafür verantwortlich.

closs
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#109 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von closs » Sa 10. Sep 2016, 14:28

Halman hat geschrieben:Der mothodische Atheismus impliziert keine Weltanschauung. Weltanschaulich ist diese Methode "agnostisch".
So ist es. Und genau deshalb kann sie in geistigen Belangen nicht mitreden.

Halman hat geschrieben: Die rationialen Fragen führen zu rationialen Antworten und diese können uns nichts über Gott enthüllen.
So ist es. - Rein sachliche Fragen auf menschlich-rational lösbarer Ebene sind das Terrain der HKM - aber nicht Fragen, ob Jesus selbst tatsächlich eine Naherwartung hatte.

Halman hat geschrieben:Diese Dimension kann in der Tat nur im Glauben erkannt werden.
Damit ist alles gesagt. - Was läge näher, dass dies methodisch-agnistische/atheistische Disziplinen unterstreichen?

Warum sagen sie nicht:
"Nach unseren bewährten, quellen-orientierten Verfahren liegt der Schluss nahe, dass Jesus eine Naherwartung hatte. Aber selbstverständlich wissen wir, dass dieser Schluss dann ausgehebelt wird, wenn Jesus WIRKLICH (also historisch) "Gottes Sohn"/Gott war. - Aber da dies nicht unsere methodisch-atheistische Ebene betrifft, untersuchen wir diesen historisch ebenfalls möglichen Fall nicht".

Warum sagen sie das nicht? - Weil sie es nicht wissen? - Weil sie ideologisch so verhärtet sind, dass sie es gar nicht wissen dürfen? - Was meinst Du?

Halman hat geschrieben:Schwerlich, weil Gott sich der wissenschaftlichen Untersuchung und dem Rationalen entzieht.
Und jetzt sind wir bei Ratzinger, der im Grunde sagt: "Wir können Wissenschaft so weit definieren ("geistige Öffnung"), dass auch Gott in Teilen wissenschaftlich untersuchbar ist".

Alternative dazu:
"Wissenschaft" ist ein Teilgebiet der Erkenntnis-Ermittlungs-Disziplinen, das methodisch streng von Fragestellungen abgetrennt sind, die den Teil dessen, "was der Fall ist", betreffen, der nicht intersubjektiv darstellbar ist.

Mir ist beides gleich recht - letzteres ist wahrscheinlich realistischer. - Aber dann sollte ein Wissenschaftler in der Uni geschult werden, was seine Disziplin eigentlich kann und was nicht. - Dies scheint heute weitgehend NICHT der Fall zu sein. Denn "Wissenschaft" wird heute gerne als EINZIGE Statthalterin dessen, was der Fall ist, dargestellt.

Halman hat geschrieben:Der historische Kontext redet aber schon zurecht hinein in die geistliche Verkündung des Textes und sollte daher berücksichtigt werden.
Aber doch nur bei denen, die geistig ansprechbar sind. DENEN ist die HKM eine große Hilfe. - Für diejenigen, die geistig NICHT ansprechbar sind, ist die HKM "die" Instanz - mangels anderer Masse.

Halman hat geschrieben:Darf ich Dich bitten deine Andeutung, die in mir Neugier weckt, genauer auszuführen?
Bruchstückhaft und sehr unvollständig kann ich es versuchen:

Durch M. Buber habe ich gelernt, dass das AT eine PHÄNOMENOLOGISCHE und NICHT wertende Darstellung ist. Der Unterschied? - Es ist der Unterschied zwischen Klassik und Romantik - und scheint auch ein Unterschied zwischen griechischer und jüdischer Denkweise zu sein.

Beispiel:
Als Dresden zerbombt wurde und all die Feuer in den Nachthimmel geleuchtet haben, hätte ein Romantiker sagen können:" Geil - welch ein schönes Schauspiel". Warum? Weil er Phänomen (Glitzern, Lodern, "Feuerwerk") NEBEN die Moral stellt. - Ein Klassiker würde sagen "Das KANN nicht schön sein, weil es böse ist" - viele Tote, Leid, Zerstörung, etc. - Verkopplung von Moral und "was da gerade passiert".

Beispiel:
Wenn Jahwe zu den Juden sagt "Ihr habt die Wahl: Ihr könnt aus dem 2 Stock springen oder die Treppen runtergehen", tritt bei Buber das rein Phänomenologische in den Vordergrund: "Runterspringen = Platsch --- Treppen runtergehen = Euch geht's dann immer noch gut". - Ich, Jahwe, "heische" darum, dass Ihr die Treppe runtergeht, weil ich Euch nicht leiden sehen will.

In den ("normalen") griechisch/hellenistisch, da europäischen Übersetzungen des AT kommt das anders rüber: "Wenn Ihr das macht, seid Ihr selber schuld und deshalb selbst verantwortlich und zu verurteilen und werdet gerichtet". - Man ersetzt also das Phänomen durch eine Kausalität, zu der der "aufgeklärte" Mensch in der Lage ist. - Babel.

Beispiel:
In der QM gibt es immer mehr Fakten, die phänomenologisch erkennbar sind, aber menschlich-"vernünftig" nicht erklärbar sind. Aber sie "sind". - Hier entzieht sich etwas dem menschlichen Maßstab - gut so. :) (Obwohl aus meiner Sicht mit wenigen geistigen Kniffen allerhand verstehbar wäre - aber eben nicht im Rahmen des anthropozentrischen kritischen Rationalismus).

Unterm Stich sehe ich Anzeichen, dass wir "zurück in die Zukunft" kommen, indem "die formative Macht des Faktischen" ("ES-IST-SO") wieder mehr Gewicht gewinnt gegenüber den kausalen Versuchen des Menschen, sich das Sein/die Realität selbst-maßstäblich zurecht-zu-biegen. - M.Buber (und in der Literatur die Romantik) haben mir gezeigt, dass es das schon mal gab - und vor allem, dass das AT so zu verstehen ist. - Und die Kausalität der Physik (= Kausalität eigentlich nicht der Physik, sondern der menschlichen physikalischen Modelle) scheint ja auch zu wackeln. - Vielleicht kommt doch wieder eine nach-babelsche Zeit,.

Das war jetzt sehr bruchstückhaft - kommt da was rüber?

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sven23
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#110 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von sven23 » Sa 10. Sep 2016, 16:20

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die inhaltlose Kritik ist doch lediglich dem Umstand geschuldet, dass Kubitza den Finger in die wunden Stellen der Theologie legt.
Das hat er AUCH gemacht - wunde Stellen gab und gibt es genug. Aber seine Haupt-"Leistung" besteht darin, die Bibel aus einer konsequent substanz-fernen Warte aus zu interpretieren - gleichzeitig ist er geschickt genug, dies in sich schlüssig darzustellen. - Wer es nicht merkt, ist selbstw dafür verantwortlich.
Sagen wir mal so: Kubitza entlarvt, wo Substanz vorgegaukelt wird. Als Kronzeugen kann er namhafte Theologen in den Zeugenstand rufen, die sich selber desavouieren. Wer das nicht begreift, ist selber schuld.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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