Alles Teufelszeug? III

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sven23
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#951 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Mo 1. Aug 2016, 08:18

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:. Die Verfassernamen der Evangelien sind zumindest arglistige Täuschung.
Das kann ganz anders begründet sein - da müsste man Leute wie Tiedje (?) fragen. - Plagiate waren nicht zu allen Zeiten ein no-go - es kann auch als Verneigung vor einem großen Vorbild verstanden werden (siehe heute: China). Aber wie gesagt: Dazu gibt es Fachleute.
Und diese Fachleute publizieren bisweilen, man müßte es halt nur mal lesen. Es war in der Antike durchaus üblich, unter einem bekannten Namen zu schreiben, wenn man von seinem Ruf profitieren wollte.
Die Schreiber der Evangelien haben aber anonym geschrieben. Die Namenszuordung war eine Idee der späteren Kirche, um den Eindruck zu erwecken, es handele sich um Apostel, also Augen- und Ohrenzeugen. Das waren sie aber definitiv nicht, weshalb man hier schon von einer Täuschungsabsicht sprechen muss. Und die Täuschung hält bis heute an, wenn man dies nicht offen kommuniziert. (Conzelmann läßt wieder mal grüßen)

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Selbst Paulus als historische Person ist umstritten.
Kann ich nicht mitreden. - Viel wichtiger: Es ist irrelevant. Denn die eigentliche Frage ist, ob die Texte, die da mit Paulus oder Cunnilingus oder Anonymus geschrieben sind, geistig mit Jesus kohärent sind.
Genau das sind sie ja in vielen Punkten nicht. Was meinst du, warum das Nietzsche so auf die Palme bringt?
Die Forschung hat nun mal große Differenzen zwischen Jesu Lehre und der des Paulus ausgemacht.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nietzsche kritisierte, dass Paulus den Scherpunkt seiner Theologie ins Jenseits verschob.
"Verschieben" unterstellt, dass dies eine Änderung gegenüber Jesu Auffassung sei - wie will man das per HKM ermitteln?
Mag sein, dass es schon bei Jesus eine gewisse Diesseitsverachtung gab, aber Paulus hat sie mit seiner Kreuzestheologie auf die Spitze getrieben.

"Es gab eine Vielzahl von Meinungen und Philosophien, wie es auch eine bunte Vielfalt an religiösen
Kulten gab, die sich in der Regel gegenseitig akzeptierten und tolerierten.
Der Siegeszug des Christentums hat dem allen ein Ende gesetzt. Viele Kirchenväter verachteten die
antike, heidnische Bildung und beschworen den Glauben statt der Vernunft. Sie sorgten dafür, dass
die alten Kulte verboten, ihre Kultstätten geschleift, die Priesterschaften vertrieben und Götterstatuen
geköpft wurden. Unersetzliche Werke heidnischer Schriftsteller wurden alleine schon dadurch
vernichtet, dass sie nicht mehr kopiert wurden. Das Christentum mit seiner Diesseitsverachtung und
religiösen Rechthaberei hat der antiken Kultur, die eine überaus reiche und vielseitige Kultur war,
vielleicht mehr den Todesstoß versetzt als die üblicherweise hierfür verantwortlich gemachten
Germanenhorden oder die vielbeschworene spätrömische Dekadenz. Rolf Bergmeier jedenfalls
erkennt im Christentum den Hauptgrund für den Untergang der antiken Bildung und Kultur.

Nur in einer solcherart geistig entvölkerten Kultur, einem Tal der geistesgeschichtlichen
Entwicklung des Abendlands, konnte die Theologie die Königin der Wissenschaften werden.
Ausgelacht hätte man im ersten Jahrhundert noch jeden, der diesen Anspruch ernsthaft im Namen
dieses Ablegers des Judentums erhoben hätte, so wie man Paulus (wenn die Geschichte historisch ist;
vermutlich nicht) in Athen ausgelacht hat, als er sein Evangelium vom unbekannten Gott unter die
Leute bringen wollte. „Den Griechen eine Torheit“ (1. Kor 1,23), so beschreibt Paulus selbst treffend
die Resonanz, die eine Lehre auf die gebildeten Schichten haben musste, die einer der vielen
umlaufenden Mysterienreligionen viel zu ähnlich sah, als dass man sie ernst nehmen konnte. Gebildete
rümpften die Nase über die religiöse Niveaulosigkeit, die von Christen hier angepriesen wurde; man
war Besseres gewohnt. Doch nach den langen Jahrhunderten geistiger Trockenheit, die auf die
Spätantike folgten, und wo selbst findige Historiker Mühe haben, Vertreter von Geistigkeit und
höherer Bildung namhaft zu machen, war der Erwartungshorizont so herabgesetzt, dass die Theologie
auch als Aschenputtel den Schönheitspreis gewann. Wenn die Sonne tief steht, werfen auch Zwerge
lange Schatten."

Kubitza, Der Dogmenwahn

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Weil du den Fehler der meisten Gläubigen machst und den biblischen, verkündeten Jesus mit dem historischen gleichsetzt.
Andersrum: Der geistig folgerichtige Jesus (so viele Möglichkeiten gibt es da nicht) muss auch der reale, also historische gewesen sein. -
Und schon hat Kubitza wieder Recht:
"Erneut begegnet uns der Zirkelschluss, die beliebteste logische Operation in der Theologie."


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Quelle: Glauben&Wissen
Dieses Medium erweckt nicht den Eindruck, fundamental-theologisch firm zu sein. - Ich tippe auf einen verweltlichten Theologie-Strang, dem es entspringt.
Ich weiß, alle, die die alten Texte nicht mit verklärten Augen lesen, sind säkular verdorben. :lol:
Zum Glück geht die Forschung da neutraler ran.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und was hat die historisch-kritische Methode mit dem Kerygma zu tun?
Weil es ein säkular-methodisches Evangelium verkündet.
Also erstens kann eine Methode nichts verkünden, höchstens die Theologen, die diese Methode anweden, und zweitens kann man den Terminus "Kerygma" auch mal googeln, um dann festzustellen, dass er überhaupt nichts mit der historisch-kritischen Methode zu tun hat.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Übrigens spricht Kubitza von "Flucht ins Kerygma".
Da trifft er einen empfindlichen Punkt, der ihn aber selbst mit am meisten trifft.
Wo vertritt Kubitza die Flucht ins Kerygma? Er kritisiert sie doch. :roll:


closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Nur eine solche Vorgehensweise entspricht dem Gebot der "intellektuellen Redlichkeit".
Ich gebe Dir insofern recht, dass man "intellektuell" und "geistig" klar unterscheiden sollte. - Es wäre unredlich, beides zu vermischen.
So wie hier "geistig" immer dargestellt wird, kann man sogar zustimmen. Geistig ist hier das Gegenteil von intellektueller Vernunft und Klarheit. ;)
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#952 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Mo 1. Aug 2016, 08:25

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Wer kann schon kompetent beurteilen, wer "spirituell kompetent" ist?
Eine schwierige Frage, um deren Beantwortung man aber nicht rumkommt. - Einig sind wir uns sicherlich darüber, dass die HKM dafür nicht zuständig sein kann.
Immer wieder das gleiche Mißverständnis. Es ist nicht Aufgabe der Forschung, mit verklärten Augen ein Glaubenszeugnis abzugeben. Sie untersucht alte Texte und die Entstehung eines Glaubenskonstukts. Sie kann sich dabei in die damalige Glaubenswelt hineinversetzen, was nicht heißt, dass sie alles inhaltlich nachbeten muss.
Dein Credo ist doch: nur wer alles glaubt, ist "geistig" in der Lage, Forschung zu betreiben. Das ist Pervertierung von Forschung.
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#953 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Mo 1. Aug 2016, 08:33

Pluto hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Sollten wir das nicht lieber den Experten überlassen?
Ja - aber welche? - Die säkular orientierten oder die spirituell orientierten?
Das ist ein Strohmann Argument, denn die Bibel wurde mindestens bis zu ihrer Kanonisierung immer wieder gerade spirituell verändert um die Botschaft zu "schärfen". Darüber sind sich alle heutigen Bibelwissenschaftler einig.
"Schärfen" ist gut, man könnte auch sagen: verändern, verfälschen.

"Heilige Schriften der Christen gab es noch nicht. Zwar kursierten
zwischen den Gemeinden zuweilen Abschriften der Paulusbriefe und in der zweiten Hälfte des ersten
Jahrhunderts entstanden die ersten Evangelien. Doch niemand wäre darauf gekommen, darin heilige
Texte zu sehen. Die Briefe des Paulus waren oft Gelegenheitsschreiben, und Paulus selbst hätte sich
vermutlich vehement dagegen verwahrt, dass fromme Christen seinen Briefen später einmal
quasigöttlichen Charakter zuerkennen würden. Paulus, der betonte, dass nicht der Buchstabe, sondern
der Geist lebendig mache, wäre über die Bibelvergötzung heutiger evangelikaler Christen entsetzt
gewesen, von den Inhalten ihres Glaubens (Trinitätslehre, Zweinaturenlehre etc.) ohnehin. Und was
die ersten Evangelien anbelangte: Hier war die Überlieferung so im Fluss, dass Evangelisten keine
Probleme damit hatten, Worte Jesu bei Bedarf hinzuzuerfinden oder vorgefundene Worte bei Bedarf
wegzulassen. Dies bezeugen die biblischen Evangelien an Hunderten von Stellen, ganz zu schweigen
von den ins Kraut schießenden anderen Evangelien, die es nicht in den neutestamentlichen Kanon
geschafft haben."

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#954 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Mo 1. Aug 2016, 08:40

Münek hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Im Übrigen: Wieso hält sich die römisch-katholische Kirche nicht an diese "Anstands- und Demutsregel"?
In Fundamental-Theologischen Fragen tut sie das in der Regel. - Sie besteht NICHT auf Wissen, sondern versucht im Vertrauen, dass der eigene spirituelle Zugang keine Täuschung ist, Jesus zu beschreiben.
Entschuldigung - willst Du mich verarschen?

Du selbst hast doch von der HKM verlangt: "EINE Anstands- oder Demuts-Regel sollte es geben: Bitte keine direkten Aussagen zu Jesus selbst, sondern nur zu den Quellen". Darum ja meine Frage, wieso sich die Kirche nicht an diese Regel hält. Und dann Deine pflaumenweiche Ausrede.

Im "katholischen Katechismus" wimmelt es geradezu von "direkten Aussagen zu Jesus" - und in den Gottesdiensten werden selbstverständlich weltweit "Aussagen zu Jesus selbst" zuhauf gemacht. Seine überlieferten Worte werden selbstverständlich von den Kanzeln zitiert.

Mein lieber Schwan. Das war mal wieder ein satter Schuss in den Ofen! Mann, o Mann!
Ja, der liebe Kurt ist ein großer Pippi-Langstrumpf Fan.
Widdewiddewitt bumbum. :lol:
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#955 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Mo 1. Aug 2016, 09:12

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Natürlich inhaltlich. Hast du dich überhaupt schon mal mit der Theologie des Paulus beschäftigt?
Mit seinen Texten habe ich mich intensiv beschäftigt (nicht mit der Sekundär-Literatur dazu). - Mir erscheint Paulus als das intellektuelle Gegenstück zum eher mystisch erscheinenden Johannes. - In beiden sehe ich das, was ich unter NT/Jesus erkenne, sehr klar.
Dann solltest du dir vielleicht mal die Brille putzen.
"Die Übereinstimmung der Theologie des Paulus mit der Lehre Jesu wird von der Forschung als
äußerst gering angesehen. Paulus als Hauptpropagandist des neuen Glaubens hatte sich schon weit
von seinem Herrn entfernt. Auf das irdische Leben Jesu legte Paulus keinen Wert."

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#956 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Mo 1. Aug 2016, 09:19

Münek hat geschrieben:Wenn die Wissenschaft z.B. zu dem Ergebnis kommt, bei den Geburtsgeschichten Jesu (einschließlich Jungfrauengeburt, Stern von Bethlehem, Engelscharen, drei Magier etc.) handelt es sich nicht um historische Geschehnisse, sondern lediglich um "fromme Legenden", dann können das Gläubige natürlich als unchristlich abtun
Falls dies Ratzinger tut irrt er sich auch aus meiner Sicht - das ist das eine. - Das andere ist: Ob geistige Chiffren historisch oder metaphorisch vermittelt werden, ist nicht entscheidend.

Münek hat geschrieben: Es ging mir nur darum, Dir meine Auffassung von "intellektueller Redlichkeit" klarzumachen
Da scheinst Du irgendwie verhakt zu sein - als ob es um die Frage "intellektuelle Redlichkeit oder nicht" ginge. - Die unterschiedlichen Ergebnisse sind nicht Folge von "Redlichkeit ja oder nein", sondern von den unterschiedlichen Disziplin-Perspektiven.

Münek hat geschrieben:Aber Kurt unterlässt es schon mal gern, wichtige Sätze seines Gesprächspartners NICHT zu zitieren.
Auch hier bist Du verhakt. - Wenn ein Forist generalisierende Kern-Aussagen macht, muss man das Rumedum nicht mitzitieren. - Entweder die Kernaussage ist durchdacht oder nicht.

Münek hat geschrieben:einerseits kann niemand beanspruchen, über "spirituelle Kompetenz" zu verfügen, aber Du probierst es halt trotzdem aus
Ohne spirituelle Kompetenz kann man die Bibel nicht substantiell deuten - es gibt niemanden, der genügend davon hat - mit dem, was man hat, schaut man, wie weit man kommt. - Entscheidend ist, dass man sich überhaupt um spirituelle Kompetenz bemüht, wenn man sich an die Bibel ranmacht.

Münek hat geschrieben:Darum ja meine Frage, wieso sich die Kirche nicht an diese Regel hält.
Sorry - da hatte ich schlampig gelesen. - Die kirchliche Theologe macht mit Vorbehalt direkte Aussagen zu Jesus, weil deren Vertreter sich zu einem geistigen Zugang bekennen. - Also nicht nur intellektuell, sondern auch geistig.

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#957 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Mo 1. Aug 2016, 09:56

sven23 hat geschrieben: Die Namenszuordung war eine Idee der späteren Kirche, um den Eindruck zu erwecken, es handele sich um Apostel, also Augen- und Ohrenzeugen.
Wenn die Kirche dies gewusst hat, hätte sie es nicht tun dürfen. - Trotzdem müsste ich darüber mit kirchlichen Theologen sprechen, um beide Seiten zu kennen.

sven23 hat geschrieben:Genau das sind sie ja in vielen Punkten nicht.
Ich spreche nicht von historisch-kritischer, sondern von geistiger Kohärenz. Wer sollte dies entscheiden? Sicherlich nicht die historisch-kritische Forschung, die dies bauartbedingt gar nicht in ihrem Portfolio hat.

Davon abgesehen nehme ich hier Nietzsche ernst, weil er ein großer Kopf war. - Wie an anderer Stelle gesagt: Gerade 1.Kor. 13 ist aus meiner Sicht sehr jesuanisch - ansonsten scheint mir Paulus der Übersetzer der einfachen geistigen Botschaft Jesu in die intellektuelle Welt des damaligen Griechentums zu sein. - Davon abgesehen: Widersprüche sehe ich zwischen Jesus und Paulus auch - aber die sehe ich überall.

sven23 hat geschrieben:Mag sein, dass es schon bei Jesus eine gewisse Diesseitsverachtung gab
Diesseits-Verachtung ist NICHT neu-testamentarisch. - Die Öffnung in das "Reich Gottes" heisst nicht, dass man das Diesseits verachtet.

sven23 hat geschrieben: „Den Griechen eine Torheit“ (1. Kor 1,23), so beschreibt Paulus selbst treffend die Resonanz, die eine Lehre auf die gebildeten Schichten haben musste
Kubitza argumentiert hier naiv-intellektuell-aufgeklärt. - Die eigentliche Frage wäre, ob die Griechen mit ihrer Selbstmaß-Philosophie auf dem rechten Dampfer waren - aber diese Frage überfordert sogar unsere Gegenwart. Also verbrüdert man sich mit den Griechen.

Unabhängig davon ist die Frage, die hinter dieser Paulus-Szene steht, philosophisch höchst anspruchsvoll und ganz sicherlich nicht so plump zu lösen, wie das Kubitza macht.

sven23 hat geschrieben:Und schon hat Kubitza wieder Recht
Das hat hier mit Zirkelschluss aber überhaupt nichts zu tun.

sven23 hat geschrieben:Zum Glück geht die Forschung da neutraler ran.
DIese Selbst-Immunisierungs-Nachimpfungen nerven manchmal schon.

sven23 hat geschrieben: um dann festzustellen, dass er überhaupt nichts mit der historisch-kritischen Methode zu tun hat
Mir ist schon klar, dass dieser Kontext unüblich ist - es geht hier allein um die Aussage, dass im Namen der HKM ein säkularer Verkündigungs-Jesus aufgebaut wurde, der als "wissenschaftlich neutral" dargestellt ist, aber keinen Deut weniger weltanschaulicher ist als der theologische.

sven23 hat geschrieben:Wo vertritt Kubitza die Flucht ins Kerygma? Er kritisiert sie doch.
Bei anderen tut er es - bei sich sieht er es nicht.

sven23 hat geschrieben:Geistig ist hier das Gegenteil von intellektueller Vernunft und Klarheit.
Oje - so weit ist man auseinander, dass nicht einmal die Klarheit des anderen in dessen Perspektive gesehen wird.

sven23 hat geschrieben:Dein Credo ist doch: nur wer alles glaubt, ist "geistig" in der Lage, Forschung zu betreiben.
Nein - nur wer glaubt, kann auf "technische" Forschung substantielle Kompetenz setzen.

sven23 hat geschrieben:"Schärfen" ist gut, man könnte auch sagen: verändern, verfälschen.
"Schärfen" ist der positive Fall - "verfälschen" der negative Fall. - Beide Fälle gibt es.

sven23 hat geschrieben:Die Übereinstimmung der Theologie des Paulus mit der Lehre Jesu wird von der Forschung als äußerst gering angesehen.
Kann ich geistig nicht nachvollziehen - aber das meint Kubitza ja nicht.

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#958 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Mo 1. Aug 2016, 10:40

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Die Namenszuordung war eine Idee der späteren Kirche, um den Eindruck zu erwecken, es handele sich um Apostel, also Augen- und Ohrenzeugen.
Wenn die Kirche dies gewusst hat, hätte sie es nicht tun dürfen.
Bist du wirklich so naiv? :lol:

closs hat geschrieben: - Trotzdem müsste ich darüber mit kirchlichen Theologen sprechen, um beide Seiten zu kennen.
Aber bitte nicht den Dorfpfarrer um die Ecke. Es gibt jede Menge theologische Literatur dazu. Einiges habe ich schon verlinkt. Man müßte es halt nur mal lesen. :roll:

closs hat geschrieben: Davon abgesehen nehme ich hier Nietzsche ernst, weil er ein großer Kopf war. - Wie an anderer Stelle gesagt: Gerade 1.Kor. 13 ist aus meiner Sicht sehr jesuanisch - ansonsten scheint mir Paulus der Übersetzer der einfachen geistigen Botschaft Jesu in die intellektuelle Welt des damaligen Griechentums zu sein. -
Bei den griechischen Philosophen erntete Paulus wohl nur Gelächter, worüber ja der Schreiber in einer vermutlich unhistorischen Begegnung berichtet.


closs hat geschrieben: Davon abgesehen: Widersprüche sehe ich zwischen Jesus und Paulus auch - aber die sehe ich überall.
Das wäre ja schon mal ein Fortschritt. :thumbup:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Mag sein, dass es schon bei Jesus eine gewisse Diesseitsverachtung gab
Diesseits-Verachtung ist NICHT neu-testamentarisch. - Die Öffnung in das "Reich Gottes" heisst nicht, dass man das Diesseits verachtet.
Eine gewisse Relativierung des Diesseits gab es schon bei Jesus durch die Naherwartung. Irdische Lebenssicherung ist nicht mehr so wichtig. Verkaufe deinen ganzen Besitz und folge mir nach, war sein Ratschlag. Aber auch das Versprechen auf Belohnung im Jenseits für seine Anghänger aus dem Prekariat. Die Letzten werden die Ersten sein, usw.
Bei Paulus steigert sich das Ganze, weil er den Tod am Kreuz zum heilsgeschichtlich notwendigen Akt zur Erlösung aller Menschen von der Sünde stilisiert. Dazu später mehr.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: „Den Griechen eine Torheit“ (1. Kor 1,23), so beschreibt Paulus selbst treffend die Resonanz, die eine Lehre auf die gebildeten Schichten haben musste
Kubitza argumentiert hier naiv-intellektuell-aufgeklärt. -
Nicht Kubitza hat 1.Kor. 1,23 geschrieben, sondern der Schreiber des Korintherbriefes. Er sah sich genötigt, auf die Kritik der Griechen zu reagieren.
Wer will es den Griechen, die ja einiges an mythologischen Erzählungen gewohnt ware, verdenken, wenn sie sich über jemanden lustig machen, der eine mythologische Erzählung zu einem historischen Fakt erklären will?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und schon hat Kubitza wieder Recht
Das hat hier mit Zirkelschluss aber überhaupt nichts zu tun.
Wenn ein Zirkelschluss noch nicht mal als solcher erkannt wird, dann wäre Nachsitzen angesagt. :lol:


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wo vertritt Kubitza die Flucht ins Kerygma? Er kritisiert sie doch.
Bei anderen tut er es - bei sich sieht er es nicht.
Wo tritt Kubitza die Flucht ins Kerygma an? Weißt du überhaupt, was der Begriff bedeutet? :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:"Schärfen" ist gut, man könnte auch sagen: verändern, verfälschen.
"Schärfen" ist der positive Fall - "verfälschen" der negative Fall. - Beide Fälle gibt es.
Und wie kann es sein, dass ein angeblich vom Heiligen Geist inspiriertes Buch der Wahrheit auf Fälschung angewiesen sein soll? Dringt da wieder die Theologie eines Paulus durch, der meint, auch die Lüge sei erlaubt, wenn sie nur der der Verherrlichung Gottes dient? Also ein Gott, der angeblich nie lügen kann und die Lüge verachtet, soll sie hier akzeptieren? :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Übereinstimmung der Theologie des Paulus mit der Lehre Jesu wird von der Forschung als äußerst gering angesehen.
Kann ich geistig nicht nachvollziehen - aber das meint Kubitza ja nicht.
Natürlich meint die Forschung, dass es inhaltliche Unterschiede gibt. Die kannst du von mir aus als geistig bezeichnen, das ändert aber nichts an den Unterschieden.
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#959 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Mo 1. Aug 2016, 12:19

closs hat geschrieben: Paulus als "Genie im Hass" zu bezeichnen ist dem Verfasser von 1.Kor. 13 nicht angemessen.
Gläubige sind bekannt dafür, dass sie Texte nur sehr selektiv lesen.
Aber die Hasstiraden des Paulus gegen Nicht- und Andersgläubige sind ja legendär.

"Schaut man also etwas genauer hin, finden sich auch im Neuen Testament fragwürdige
Vorstellungen, inhumane und ethisch bedenkliche Vorstellungen und Passagen. Nur eine
idealisierende Sicht und eine selektierende und tendenziöse Auswahl biblischer Stellen
führen dazu, dass das Neue Testament in seiner eben auch vorhandenen rückständigen
Weltsicht nicht oder nur unvollständig wahrgenommen wird. Ethisch fragwürdige
Positionen finden sich auch in der Briefliteratur des Neuen Testamentes, unter anderem
auch bei Paulus. Auch Paulus, auf den im eigentlichen Sinne die Kirche gebaut ist (und
nicht auf Petrus, wie es im Matthäusevangelium steht und wie die katholische Kirche
noch heute glaubt), erweist sich in vielen seiner Äußerungen als ein Kind seiner Zeit und
deren Anschauungen. Wie in den Evangelien finden wir hier ein Nebeneinander von
Zuckerbrot und Peitsche. Auf der einen Seite Aufrufe zu gegenseitiger Liebe und
Verständnis, andererseits aber schwerste Schmähungen für alle diejenigen, die sich
weigern, die neue Lehre von Christus anzunehmen. Oder sich auch nur erlauben, als
Juden bei ihrem alten Glauben zu bleiben. Auch bei Paulus finden wir das bekannte
Schwarz-Weiß-Denken, und wenn man die Reichweite seiner Schriften und seiner
Theologie bedenkt, hat dieser Missstand später zu gravierenden Konsequenzen geführt.
An einer bekannten Stelle im Römerbrief „überführt“ er zunächst die Ungläubigen der
Sünde. Der Unglaube ist unentschuldbar."

Kubitza, Der Dogmenwahn

Licht und Schatten liegen bei Paulus- wie bei der Bibel generell- eng beianander.

"Nach Paulus kann also jeder Mensch durch eigene Bemühungen Gott erkennen. Wenn er
Gott nicht erkennt, ist dies ein Zeichen seiner Sünde. Es versteht sich von selbst, dass bei
dieser Grundanschauung es auch bei Paulus keine Werte wie Toleranz oder die
Respektierung von Andersgläubigen gibt. Und so finden sich neben positiven Passagen in
seinen Briefen auch viele Hasstiraden gegen Andersgläubige. Es wurde in der
altchristlichen Literatur und bei den Kirchenvätern später geradezu üblich, den
Andersgläubigen alle möglichen sittlichen Verfehlungen pauschal zuzuweisen und alle
Schlechtigkeit auf ihnen zu vereinigen.
...
Auch für Paulus ist es unstrittig, dass die derart Abqualifizierten das Gericht zu erwarten
haben, dass ihnen ewiges Verderben droht; auch sie enden im flammenden Feuer der
Hölle. Es ist erschütternd zu sehen, dass auch bei Paulus, der mit seiner Lehre von der
Rechtfertigung allein aus dem Glauben einen theologischen Entwurf vorgelegt hat, der
durchaus bemerkenswert ist, das Bedürfnis zu richten (das selbstverständlich nicht
sein Bedürfnis ist, sondern das unterstellte Bedürfnis Gottes) so ausgeprägt ist, dass es seine
eigene Gnadenlehre konterkariert."

Kubitza, Der Jesuswahn

Der Psychologe Franz Buggle schreibt dazu:
"Wir haben hier eines der zahlreichen Beispiele undifferenzierter Schwarzweißmalerei und Verteufelung gegenüber
Außengruppen, wie es weniger entwickelte, unreife psychische Strukturen generell kennzeichnet [...].“

(Franz Buggle, Denn sie wissen nicht was sie glauben, S. 85)
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#960 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Mo 1. Aug 2016, 15:50

sven23 hat geschrieben:Bist du wirklich so naiv?
Wieso "naiv" - das ist ein nüchterner "wenn - dann"-Satz.

sven23 hat geschrieben:Aber bitte nicht den Dorfpfarrer um die Ecke.
Deine Strategie, einigen Dir genehmen Forschern gegen die Masse der Theologen von Dorfpfarrer bis Papst eine Alleinvertretungsrecht der Bibel-Auslegung zuzusprechen, ist nicht durchhaltbar.

sven23 hat geschrieben:Das wäre ja schon mal ein Fortschritt.
Den die RKK seit Jahrhunderten hinter sich hat.

sven23 hat geschrieben:Irdische Lebenssicherung ist nicht mehr so wichtig.
Stimmt.

sven23 hat geschrieben:Bei Paulus steigert sich das Ganze, weil er den Tod am Kreuz zum heilsgeschichtlich notwendigen Akt zur Erlösung aller Menschen von der Sünde stilisiert.
Er hat es intellektuell so dargestellt - das Kreuz als nahes Gottesreich. - Anklänge dazu gibt es schon bei Hiob und den Propheten des AT.

sven23 hat geschrieben:Wer will es den Griechen, die ja einiges an mythologischen Erzählungen gewohnt ware, verdenken, wenn sie sich über jemanden lustig machen, der eine mythologische Erzählung zu einem historischen Fakt erklären will?
Aus ihrem philosophischen Status heraus war dies nachvollziehbar - wie es heute aus materialistischer Sicht nachvollziehbar ist, wenn man Geist als Folge von Materie versteht. - Geklärt ist damit aber nicht, wer in Bezug auf die Wahrheit aufgeklärter ist.

sven23 hat geschrieben:Nicht Kubitza hat 1.Kor. 1,23 geschrieben, sondern der Schreiber des Korintherbriefes.
Aber Kubitza versteht es nicht.

sven23 hat geschrieben:Wo tritt Kubitza die Flucht ins Kerygma an? Weißt du überhaupt, was der Begriff bedeutet?
Sonst würde ich doch damit nicht kommen. - Kubitza ist ein Vertreter materialistischer Bibel-Verkündigung, der genauso einen weltanschaulichen Jesus erstellt wie andersrum die spirituelle Seite.

sven23 hat geschrieben:Und wie kann es sein, dass ein angeblich vom Heiligen Geist inspiriertes Buch der Wahrheit auf Fälschung angewiesen sein soll?
Wieso "angewiesen"? - Auch die Bibel befreit nicht vom "Prüfet und behaltet das Gute". - In der Bibel steht alles an Wahrheit drin, aber ist auch durch Tradierung, Quellenstand, Übersetzungen, Interpretationen, etc. kontaminiert - es gibt keine reine Version der Bibel.

WIR sollen geistiges Eigen-Bewusstsein entwickeln und nicht Texte ablesen und auswendig lernen.

sven23 hat geschrieben:Natürlich meint die Forschung, dass es inhaltliche Unterschiede gibt.
Da müsste genau dargestellt werden, was in Deinem Forschungs-Verständnis "Inhalt" ist.

sven23 hat geschrieben:Gläubige sind bekannt dafür, dass sie Texte nur sehr selektiv lesen.
Das gilt für alle Seiten - je nach weltanschaulicher Einstielung. - Bevor man die Bibel liest, müsste man sich überhaupt erst mal klar werden, was "Sünde", "Schuld", "Geist", etc. ist - da hapert's doch schon.

sven23 hat geschrieben:"Nach Paulus kann also jeder Mensch durch eigene Bemühungen Gott erkennen. Wenn er Gott nicht erkennt, ist dies ein Zeichen seiner Sünde".
"Sündig" sind auch Menschen, die Gott erkennen - da passt was nicht.

sven23 hat geschrieben:"Wir haben hier eines der zahlreichen Beispiele undifferenzierter Schwarzweißmalerei und Verteufelung gegenüber Außengruppen, wie es weniger entwickelte, unreife psychische Strukturen generell kennzeichnet [...].“
Buggle argumentiert hilflos-aggressiv - er scheint genauso wenig wie Kubitza verstanden zu haben, worum es überhaupt geht.

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