Alles Teufelszeug? III

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sven23
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#721 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » So 24. Jul 2016, 13:34

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: es heißt: wenn Wissenschaft gegen kirchliche Lehrmeinung verstößt
Zur Zeit Galileis hat man wohl tatsächlich nicht zwischen "WIssenschaft" und "weltanschauliche Interpretation aus Wissenschaft" unterschieden - dies muss man der Kirche anlasten. - Wiewohl immer wieder zu betonen ist, dass diese Galileo-Geschichte weit komplizierter war, als sie heute tumb dargestellt wird.
Im Grunde war es ganz einfach: Galileos (richtige) Interpretion der Planetenbewegungen wurde von der Kirche bekämpft, weil sie gegen die biblischen Darstellungen verstiess.
Kopernikus hatte ein ähnliches Problem. Er wußte als Theologe, welcher Sprengstoff gegen Kirche und Bibel in seinen Erkenntnissen steckte und zögerte bis kurz vor seinem Tod mit der Veröffentlichung.
Thaddäus hatte mal auf den historisch falschen Mythos der Kirche als Wahrer der Wissenschaft hingewiesen. Unterm Strich hat die Kirche den wissenschafltlichen Fortschritt eher behindert, als gefördert, besonders dann, wenn er biblischen oder kirchlichen Lehrmeinungen zuwider lief.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Zu Zeiten Darwins war es noch anders
Weiß ich nicht. - Es wäre zu prüfen, ob es damals um die rein wissenschaftlichen Aussagen der ET gibt oder weltanschaulichen Ableitungen daraus.
Die Evolution ist eine Weltanschauung, besonders dann, wenn man sich die Welt mal genauer angeschaut hat. Aber vor allem ist sie eine gut bestätigte Theorie, gegen die die Kirche nur christlich-biblische Polemik anzuführen wußte.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:"Die Orthodoxe Kirche definiert immer noch strikt nach der ursprünglichen Bedeutung, dass ein Anathema keine Verfluchung durch die Kirche ist, sondern der Betreffende wird außerhalb der Kirche sich selbst überlassen."
Bravo - das entspricht meinem Kenntnisstand.
Es ist der Kenntnisstand gem. orthodoxer Kirche, nicht der römisch-katholischen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das tut ja nicht nur Ratzinger, sondern die Evangelisten, außer Markus, der als ältester Schreiber noch nichts von den Geburtslegenden wußte, und die Kirche im allgemeinen.
Hier wieder die Frage: Wie hat man das damals gemeint? Geht es um eine genealogische, biologische Aussage, oder um eine geistige Folge? - Ist damals "Sohn des Sven" rein biologisch zu verstehen oder drückt es eine Nachfolge aus? - Müsste man Fachleute fragen.
Fachleute publizieren auch, man müßte es halt nur mal lesen und nicht nur den Dorfpfarrer um die Ecke befragen. :roll:


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dazu noch eine Anmerkung von Kubitza, die deine Frage nach den Gepflogenheiten in der Antike beantwortet
Gut nachvollziehbar - nur der entscheidende Punkt fehlt: Was war der Sinn dieser Gestaltungs-Art? - Fälschungsabsicht im modernen Sinn? - Aufwertung durch Belegung mit Autoritäten? - Absicht der Geschichtsschreibung? -
Manchmal zweifele ich an deiner Lesekompetenz.

closs hat geschrieben: Absicht der geistigen Auslegung der Realität Jesus?
Was ist das denn wieder für ein Geschwurbele? :roll:


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dass sich beide geirrt haben, ist ausdrücklich kein Kritierium dagegen.
Du formulierst ständig (absichtlich?) falsch.
Ich formuliere den Stand der Forschung, der in dieser Frage auf einem breiten Konsens beruht, den ich übrigens sehr gut nachvollziehen kann. Die Gegenargumente von Laien überzeugen mich überhaupt nicht.

closs hat geschrieben: Du hast nach wie vor damit recht, dass "Naherwartung" HKM-methodisch und weltanschaulich aus den Quellen die wahrscheinlichste Interpretation sein kann. - Sobald man nicht ausschließt, dass Jesus "Gottes Sohn"/Gott war, sieht es ganz anders aus.
Genau das hat Strauss doch versucht. Das hat aber am Ergebnis nicht viel geändert. Im Gegensatz zu einem Laien wußte Strauss natürlich, dass "es kann nicht sein, was nicht sein darf" kein ernst zu nehmendes Argument in der Forschung ist.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Was ist denn an der Naherwartung von Johannes dem Täufer und Jesus "undiszipliniert"?
Diese Auslegung des Satzes "Das Gottesreich ist nah" ist undiszipliniert, wenn man sie monopolistisch darstellt. - Man kann natürlich sagen "Ich verstehe es persönlich im apokalyptischen Sinne", wenn man gleichzeitig hinzufügt "Ich weiss und kann nachvollziehen, dass es ganz andere Ansätze geben kann, die dasselbe ganz anders interpretieren". - Das Monopolistisch-Ideologische im Anspruch des Faktentums ist das Problem.
Es ist so wie die Forschung sagt: der Interpretationsspielraum ist im Falle der Naherwartung sehr begrenzt. Anders ist der breite Konsens auch nicht verständlich.
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Münek
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#722 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Münek » So 24. Jul 2016, 15:34

closs hat geschrieben: Der Ausdruck "Parusie-Verzögerung" ist in sich schon raffiniert falsch, weil damit unterstellt wird, eine Naherwartung sei Fakt. Dies kann man zwar gut für einzelne Schreiber und den Zeit-Stimmungen belegen, aber Jesus hatte "diese" Art der Naherwartung (mit Wahrscheinlichkeit nahe 1) gerade NICHT - das IST doch der Gag des NT.
Nö - ein "Gag des NT" ist nicht erkennbar. Erkennbar ist dagegen, dass Du Dir aus rein persönlichen Glaubensgründen ganz kräftig in die Tasche zu lügen scheinst.

closs hat geschrieben:Insofern kann die kanonische Exegese gar nicht diesbezüglich unredlich sein, weil sie von vorne herein erst gar nicht auf diesem Gaul sitzt.
Die sog. "kanonische Exegese" hat sich meines Wissens an den theologischen Fakultäten nicht etabliert. Nichtsdestotrotz wäre es für unsere Diskussion außerordentlich hilfreich, wenn Du einen "kanonischen Exegeten" präsentieren und zitieren könntest, der sich hinsichtlich Jesu Naherwartung klar und begründet gegen den wissenschaftlichen Konsens in dieser Frage ausspricht.

Dann könnte man sich dessen Gründe mal genauer anschauen. Es wirkt naiv, wenn Du als theologischer Nichtexperte unermüdlich versuchst, mit laienhaft-falschen Argumenten gegen Forschungsergebnisse der neutestamentlichen Wissenschaft zu polemisieren. Dieses trotzige Bemühen hat schon fast was Tragisches.

Also - kannst Du einen "kanonischen Exegeten" präsentieren, der gegen den Konsens der wissenschaftlichen Theologie eindeutig und begründet Stellung bezieht?

closs hat geschrieben:Wenn hier etwas unredlich ist, dann folgendes: Man stellt HKM-seits auf Basis methodischer Grundlagen erstellte Ergebnisse als Fakten hin, setzt die kanonische Exegese auf diesen Gaul und erwartet dann von ihr, damit redlich umzugehen.
Du Scherzkeks. Das Letzte, was der HKM einfiele wäre, die "sog. kanonische Exegese auf ihren wissenschaftlichen Gaul zu setzen".

Das fehlte gerade noch. Salopp gesagt kann der HKM die "sog. kanonische Exegese" (wenn es sie in der universitären Praxis tatsächlich gäbe) mangels Wissenschaftlichkeit schlicht gestohlen bleiben. So siehts doch aus!

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#723 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » So 24. Jul 2016, 16:21

Münek hat geschrieben:Nichtsdestotrotz wäre es für unsere Diskussion außerordentlich hilfreich, wenn Du einen "kanonischen Exegeten" präsentieren und zitieren könntest
Es ist in der kirchlichen Theologie allgemeiner Konsens, dass Jesus KEINE Naherwartung hatte - siehr dazu kathpedia, woraus ich diesbezüglich x-mal zitiert habe. - Als Namen kannst Du für den Anfang Ratzinger und Berger nennen. - Die Analyse dessen, was HKM ist, hast Du aus Bergers Mund sicherlich in Halmans Zitat gelesen - Berger trifft dabei in wissenschaftlich fairer Weise exakt den Nagel auf den Kopf.

Wir sollten endlich einvernehmlich zur Kenntnis nehmen, dass unterschiedliche Wissenschaften bei gleicher Fragestellung und gleichen Quellen zu ganz unterschiedlichen ERgebnissen kommen (müssen).

Münek hat geschrieben:Es geht hier um die von DIR angezweifelte Naherwartung des Täufers
Bei der ich keine dezidierte eigene Meinung mangels Kenntnis habe. - Meine Aussage bezieht sich auf die Einstellung derer Aussage "Das REich Gottes ist nah", die auch J.d.Täufer zugeschrieben wird. - Diese Aussage bringt nicht weiter, weil sie ohnehin allerseits anerkannt ist. - Die Frage hier lautet, ob er es im Sinne des Zeitdenkens oder im Sinne Jesu gemeint hat.

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#724 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » So 24. Jul 2016, 16:39

Münek hat geschrieben:Nö - ein "Gag des NT" ist nicht erkennbar.
Tja - wie will man dann das NT auf dessen Aussagewert auslegen?

sven23 hat geschrieben:Unterm Strich hat die Kirche den wissenschafltlichen Fortschritt eher behindert, als gefördert, besonders dann, wenn er biblischen oder kirchlichen Lehrmeinungen zuwider lief.
Es ist beides richtig - aber dass die Kirche bei gewähntem Zuwiderlaufen die Wissenschaft behindert hat, entspricht auch meiner Auffassung. - Es war ein Fehler der Kirche, beides überhaupt auf Kollisionskurs zu bringen. - NT-mäßig gedacht wäre es nicht nörig gewesen. - Theologisch gesprochen: Es war eine Kleingläubigkeit, Naturwissenschaft und geistige Wahrheit auf gleicher Ebene zu sehen.

sven23 hat geschrieben:Die Evolution ist eine Weltanschauung
Dann kann sie keine Wissenschaft mehr sein.

sven23 hat geschrieben:Aber vor allem ist sie eine gut bestätigte Theorie
Stimmt - und ist deshalb unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten von der kirchlichen Theologie anerkannt. Dass es heute noch (und in den USA immer mehr) Menschen gibt, die ihr auf biologischer Ebene widersprechen, ist ein Missverständnis des Christentums, wie ich meine. - Da musste die Kirche durch und da müssen jetzt einige Nachzüglicher durch.

sven23 hat geschrieben:Es ist der Kenntnisstand gem. orthodoxer Kirche, nicht der römisch-katholischen.
Da ist mir die orthodoxe Haltung näher - leider weiss ich nicht, was die RKK genau meint (oft werden bestehende Lehrsätze erstaunlich fundamental und somit pragmatisch liberal interpretiert).

sven23 hat geschrieben:Fachleute publizieren auch
Ich kenne dazu nicht alle Seiten - man müsste Experten aus der säkularen und aus der theologischen Seite befragen. - Erst dann kann man ein Urteil halbwegs fällen.

sven23 hat geschrieben:Manchmal zweifele ich an deiner Lesekompetenz.
Halte es für möglich, dass ich deshalb so genau differenziere, WEIL ich genau lesen kann. - Diese oberflächliche weltanschauliche Hau-Drauf-Marotte in wissenschafts-anmutendem Gewand ist nicht so meines. - Lies einmal Buber und Du weißt, was genaues Übersetzen ist und somit genaues Lesen erfordert. - Für die ersten 15 Bücher stehe ich Dir gerne zur Verfügung.

sven23 hat geschrieben:Ich formuliere den Stand der Forschung, der in dieser Frage auf einem breiten Konsens beruht, den ich übrigens sehr gut nachvollziehen kann.
Wenn ich mich in die methodischen Voraussetzungen und die weltanschauliche Verortung einfühle, kann ich das auch sehr gut nachvollziehen - aber das reicht halt nicht.

sven23 hat geschrieben:Die Gegenargumente von Laien überzeugen mich überhaupt nicht.
Die kirchliche Theologie besteht nicht aus Laien - Ratzinger und Berger sind allemal keine Laien. - Warum hebst Du nicht das Problem auf eine Sach-Ebene, von der diese unterschiedlichen Ergebnisse doch leicht erklärbar sind?

sven23 hat geschrieben:Genau das hat Strauss doch versucht. Das hat aber am Ergebnis nicht viel geändert.
Soweit ich mich eingelesen habe, liegt das daran, dass er ganz einfach genauso interpretiert hat für den Fall, dass Jesus nicht nur Wanderprediger, sondern Gott wäre. Da kommt natürlich auch nichts anderes raus.

sven23 hat geschrieben:Es ist so wie die Forschung sagt
Es ist nicht DIE Forschung, sondern die historisch-kritische Forschung. - Allein mit Deinem Ausdruck "DIE Forschung" drückst Du doch schon wieder Deinen Monopolismus-Anspruch aus.

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#725 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » So 24. Jul 2016, 16:47

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Nichtsdestotrotz wäre es für unsere Diskussion außerordentlich hilfreich, wenn Du einen "kanonischen Exegeten" präsentieren und zitieren könntest
Es ist in der kirchlichen Theologie allgemeiner Konsens, dass Jesus KEINE Naherwartung hatte - siehr dazu kathpedia, woraus ich diesbezüglich x-mal zitiert habe. - Als Namen kannst Du für den Anfang Ratzinger und Berger nennen.
Na ja, das hast du dir ja 2 Kapazitäten ausgesucht. "Ich bin hier der Exeget" ist natürlich eine knallharte, sachliche Begründung. :shock:

closs hat geschrieben: Wir sollten endlich einvernehmlich zur Kenntnis nehmen, dass unterschiedliche Wissenschaften bei gleicher Fragestellung und gleichen Quellen zu ganz unterschiedlichen ERgebnissen kommen (müssen).
Nein, wir sollten zur Kenntnis nehmen, dass die kanonische Exegese in der historischen Jesusforschung nichts verloren hat.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Es geht hier um die von DIR angezweifelte Naherwartung des Täufers
Bei der ich keine dezidierte eigene Meinung mangels Kenntnis habe.
Das macht nichts, dafür gibt es die Fachleute in der Forschung und man kann die Ergebnisse nachlesen. Toll, gell.

closs hat geschrieben: - Meine Aussage bezieht sich auf die Einstellung derer Aussage "Das REich Gottes ist nah", die auch J.d.Täufer zugeschrieben wird. - Diese Aussage bringt nicht weiter, weil sie ohnehin allerseits anerkannt ist. - Die Frage hier lautet, ob er es im Sinne des Zeitdenkens oder im Sinne Jesu gemeint hat.
Natürlich ist es zeitlich nahe gemeint. Anders macht die Mahnung zur Umkehr - weil die Gottesherrschaft unmittelbar bevorsteht- überhaupt keinen Sinn. Mit laienhafter, selektiver Exegese kommt man einfach nicht weiter. Peinlich wird es allerdings, wenn ein Laie meint, sich über 200 Jahre historisch-kritischer Forschung hinwegsetzen zu können.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#726 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Münek » So 24. Jul 2016, 16:54

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dass es die einzige mögliche Antwort ist, sagt die Forschung doch gar nicht. Es ist immerhin auch möglich, dass Jesus eine rein literarische Fiktion ist.
Auf die naheliegende Antwort, dass Jesus historisch ist und keine Naherwartung im zitierten Sinn hatte, kommt man wohl nicht?
Welche naheliegende Antwort?! :shock: In welcher Fantasiewelt lebst Du?

Wie wäre es, wenn Du Jesu authentische Worte und Botschaft ernster nehmen würdest? Dass er und Johannes der Täufer sich ge-
irrt haben, sollte aus Gründen der intellektuellen Redlichkeit einer Akzeptanz der historischen Fakten nicht im Wege stehen.

Deine Glaubensannahme, Jesus sei der Sohn Gottes gewesen, würde ja nichts daran ändern, dass er sich trotzdem geirrt hat.
Das scheinst Dir nicht bewusst zu sein.

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#727 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » So 24. Jul 2016, 17:06

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es ist der Kenntnisstand gem. orthodoxer Kirche, nicht der römisch-katholischen.
Da ist mir die orthodoxe Haltung näher - leider weiss ich nicht, was die RKK genau meint (oft werden bestehende Lehrsätze erstaunlich fundamental und somit pragmatisch liberal interpretiert).
Besser wäre es, alten Müll zu entsorgen. Dann müßte die Kirche aber vergangene Irrtümer eingestehen. Dazu fehlt ihr aber die Kraft und auch die Größe.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Manchmal zweifele ich an deiner Lesekompetenz.
Halte es für möglich, dass ich deshalb so genau differenziere, WEIL ich genau lesen kann.
Und warum fragst du dann genau dasselbe, was im vorstehenden Link schon beantwortet wurde? :roll:


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ich formuliere den Stand der Forschung, der in dieser Frage auf einem breiten Konsens beruht, den ich übrigens sehr gut nachvollziehen kann.
Wenn ich mich in die methodischen Voraussetzungen und die weltanschauliche Verortung einfühle, kann ich das auch sehr gut nachvollziehen - aber das reicht halt nicht.
Für den Glaubensdogmatiker reicht das nicht, weil sein Glaubenskonstrukt Risse bekommt. Aber das ist ausdrücklich nicht das Problem der forschenden Theologen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Gegenargumente von Laien überzeugen mich überhaupt nicht.
Die kirchliche Theologie besteht nicht aus Laien - Ratzinger und Berger sind allemal keine Laien.
Als Glaubensdogmatiker sind es keine Laien. Als Forscher in der historischen Jesusforschung sind sie untauglich.

closs hat geschrieben: - Warum hebst Du nicht das Problem auf eine Sach-Ebene, von der diese unterschiedlichen Ergebnisse doch leicht erklärbar sind?
Das habe ich doch auch bemängelt, dass von Ratzinger und Berger auf der sachlichen Ebene nichts kommt. "Ich bin hier der Exeget" ist keine sachliche Begründung. :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Genau das hat Strauss doch versucht. Das hat aber am Ergebnis nicht viel geändert.
Soweit ich mich eingelesen habe, liegt das daran, dass er ganz einfach genauso interpretiert hat für den Fall, dass Jesus nicht nur Wanderprediger, sondern Gott wäre. Da kommt natürlich auch nichts anderes raus.
Ich kann mir schon denken, wie du dir das vorstellst. Man setzt, dass Jesus Gott, demzufolge kann er sich nicht geirrt haben und hatte keine Naherwartung. Das ist die Vorgehensweise der kanonischen Exegese, weshalb sie als zirkelreferente Methode in der historischen Jesusforschung völlig untauglich ist.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es ist so wie die Forschung sagt
Es ist nicht DIE Forschung, sondern die historisch-kritische Forschung. - Allein mit Deinem Ausdruck "DIE Forschung" drückst Du doch schon wieder Deinen Monopolismus-Anspruch aus.
Wir sprechen hier ja von der historischen Jesusforschung. Und da ist nun mal die historisch-kritische Methode die Standardmethode, aus wohl bedachten Gründen. Das hat nichts mit Monopolismus-Ansprüchen zu tun. Es gibt einfach keine andere ebenbürtige Methode, die Ergbnisoffenheit gewährleistet.
Zuletzt geändert von sven23 am So 24. Jul 2016, 19:01, insgesamt 1-mal geändert.
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#728 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » So 24. Jul 2016, 17:44

closs hat geschrieben: Wir sollten endlich einvernehmlich zur Kenntnis nehmen, dass unterschiedliche Wissenschaften bei gleicher Fragestellung und gleichen Quellen zu ganz unterschiedlichen ERgebnissen kommen (müssen).
Zunächst mal gibt es keine "unterschiedlichen" Wissenschaften. Entweder arbeitet man nach wissenschafltichen Kriterien oder läßt es bleiben.
Nimm einmal die Offenbarung des Johannes. Dieses Buch steht nicht nur am Ende, weil es sich mit der Endzeit befasst, es konterkariert auch jegliches positive Gottesbild, so es sich denn in den Evangelien finden läßt.
Nun kommt ja gerade aus der historisch kritischen Forschung Entlastung für Jesus. Hier hat ein etwas gestörter Schreiber seine eigenen Gewaltphantasien ausgelebt. Auch ist dieser Johannes nicht identisch mit dem Schreiber des Johannesevangeliums. Aber gerade das glaubte man, als die Bibel kanonisiert wurde und man meinte deshalb, es handele sich hier um besonders authentische Jesusworte.
Also Entlastung kommt von Seiten der Forschung. Was sagt die kanonische Exegese dazu? Sie läßt Jesus im Regen stehen und stört sich nicht daran, dass hier ein ziemlich sadistisches Gottesbild entworfen wird.

"Der Verfasser der Apokalypse des Johannes wurde in der alten Kirche mit dem
Jesusjünger Johannes, dem Sohn des Zebedäus, identifiziert, was dieser Schrift eine
vergleichsweise hohe Wertschätzung zukommen ließ, meinte man doch damit der
Verkündigung Jesu ganz nahe zu sein. Die neutestamentliche Forschung hat jedoch
ergeben, dass der Verfasser der Offenbarung, der sich selbst nur Johannes nennt, kein
Augenzeuge des Lebens Jesu gewesen sein kann. Die Forschung verortet ihn am ehesten
zur Zeit der Kaiserschaft Domitians (81–96). Dem Sprach- und Gedankengut nach ist
dieser Johannes auch nicht identisch mit dem Verfasser des Johannesevangeliums.
...
Die Offenbarung des Johannes ist jedoch rein eschatologisch ausgerichtet, d. h., die
Vergangenheit spielt für sie keine Rolle, sie ist nur an der Endzeit interessiert. Johannes
bildete sich ein, in der Endzeit zu leben. Für ihn ist die Welt von bösen mythologischen
Mächten bestimmt, und der Geschichte liegt ein Plan zugrunde, der die Geschicke der
Menschen bestimmt. Wer von den übrigen Büchern des Neuen Testaments kommt, wo
die Geschehen der Endzeit zwar angedeutet, aber kaum ausgemalt werden, der findet bei
Johannes das volle Programm. Und wer etwas von Liebe und Vergebung des
neutestamentlichen Gottes zu wissen meint, der wird hier eines Schlechteren belehrt.
Denn der Gott der Apokalypse bringt Tod und Vernichtung, er bringt Folter und
sadistische Quälereien."

Kubitza, Der Jesuswahn
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#729 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » So 24. Jul 2016, 19:36

sven23 hat geschrieben:das hast du dir ja 2 Kapazitäten ausgesucht
Ja - zwei von vielen.

sven23 hat geschrieben:dafür gibt es die Fachleute in der Forschung und man kann die Ergebnisse nachlesen
Wenn man es redlich macht, liest man nicht nur irgendwelche Interpretations-SChulen - da muss man tiefer rein.

sven23 hat geschrieben: Mit laienhafter, selektiver Exegese kommt man einfach nicht weiter.
Dein Ansatz IST Ausdruck selektiver Exegese.

Münek hat geschrieben:Deine Glaubensannahme, Jesus sei der Sohn Gottes gewesen, würde ja nichts daran ändern, dass er sich trotzdem geirrt hat.
Mit Wahrscheinlichkeit nahe 1 doch, weil man dann dasselbe anders interpretieren würde.

sven23 hat geschrieben:Und warum fragst du dann genau dasselbe, was im vorstehenden Link beantwortet wurde?
Weil es keine ausreichende Antwort war, wenn man das Oberflächliche verlässt.

sven23 hat geschrieben:Für den Glaubensdogmatiker reicht das nicht, weil sein Glaubenskonstrukt Risse bekommt.
Darüber macht sich die systematische Theologie keine Sorgen - es geht um Sinnfragen von Texten und Aussagen, die die HKM "bauartbedingt" nicht stellt.

sven23 hat geschrieben:Als Forscher in der historischen Jesusforchung sind sie untauglich.
Man kann auch dann ein guter Architekt sein, wenn man kein Maurer ist.

sven23 hat geschrieben:Man setzt, dass Jesus Gott, demzufolge kann er sich nicht geirrt haben und hatte keine Naherwartung.
Die HKM setzt verdeckt, dass Jesus nicht Gott gewesen sein kann - die Ergebnisse sind ähnlich zirkelreferent. - Das ist übrigens IMMER so.

sven23 hat geschrieben:Wir sprechen hier ja von der historischen Jesusforschung. Und da ist nun mal die historisch-kritische Methode die Standardmethode
Kein Problem damit - alles, was innerhalb der disziplinierten Deutungs-Möglichkeiten der HKM möglich ist, kann da verarbeitet werden. - Insofern schreibt ja auch Berger, dass er die HKM in vielen Bereichen außerordentlich schätzt. - Streitpunkt sind die Überlappungen durch Disziplinlosigkeiten.

Uneachtet dessen hat keiner etwas dagegen, wenn jemand sagt:
Der Jesus nach der HKM hatte eine Naherwartung - dann kommt halt dieser Wissenschaftszweig unter seinen Bedingungen zu diesen Ergebnissen. - Andere Disziplinen können zu anderen Ergebnissen kommen. - Das ist ganz normal in den Wissenschaften. - Der ideologische Monopol-Anspruch auf WIrklichkeits-Darstellung ist das Problem der HKM (zumindest in einigen Vertretern).

sven23 hat geschrieben:Zunächst mal gibt es keine "unterschiedlichen" Wissenschaften.
Doch. - Kritisch-rational arbeitet man anders als hermeneutisch - und trotzdem sind beides Wissenschaften, wenn sie standardisierte und intersubjektiv nachvollziehbare Abbildungs-Strukturen haben.

Nach Deiner (monopolistischen) Auffassung hätte Wissenschaft nichts in der Theologie zu suchen, weil sie dann nur assistierend wirken könnte. - Willst Du das?

sven23 hat geschrieben:Aber gerade das glaubte man, als die Bibel kanonisiert wurde und man meinte deshalb, es handele sich hier um besonders authentische Jesusworte.
Bei der Offenbarung bin ich persönlich auch kritisch - nur: Was kann hier die HKM beitragen, außer Entstehung und Sprache zu analysieren?

sven23 hat geschrieben:Was sagt die kanonische Exegese dazu? Sie läßt Jesus im Regen stehen und stört sich nicht daran, dass hier ein ziemlich sadistisches Gottesbild entworfen wird.
Die HKM ist nicht in der Lage, so etwas inhaltlich zu beurteilen - da geht es um ganz andere Kaliber.

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#730 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Münek » So 24. Jul 2016, 20:20

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Nichtsdestotrotz wäre es für unsere Diskussion außerordentlich hilfreich, wenn Du einen "kanonischen Exegeten" präsentieren und zitieren könntest
Es ist in der kirchlichen Theologie allgemeiner Konsens, dass Jesus KEINE Naherwartung hatte - siehr dazu kathpedia, woraus ich diesbezüglich x-mal zitiert habe.
Kathpedia ist kein offizielles Organ der katholischen Kirche, sondern eine private Enzyklopädie zur Darstellung des katholischen Glaubens. Ihr Eigentümmer ist lt. Wiki der "Verein Kath.net" in Linz. Primär sind katholische Christen zur aktiven Mitarbeit aufgerufen.

Ich kann mich gut daran erinnern, dass es dem von Dir vor längerer Zeit präsentierten Beitrag ganz erheblich an Professionalität mangelte und er darüberhinaus auf den bestehenden wissenschaftlichen Konsens zu Jesu Naherwartung mit keinem Wort einging. Gerade letzteres wäre von großer Wichtigkeit und sehr aufschlussreich gewesen.

Deine Behauptung, in der "katholischen Theologie" bestünde allgemeiner Konsens, dass Jesus KEINE Naherwartung hatt, ist demnach schlicht falsch.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Es geht hier um die von DIR angezweifelte Naherwartung des Täufers
Bei der ich keine dezidierte eigene Meinung mangels Kenntnis habe. - Meine Aussage bezieht sich auf die Einstellung derer Aussage "Das REich Gottes ist nah", die auch J.d.Täufer zugeschrieben wird. - Diese Aussage bringt nicht weiter, weil sie ohnehin allerseits anerkannt ist. - Die Frage hier lautet, ob er es im Sinne des Zeitdenkens oder im Sinne Jesu gemeint hat.

Deine Frage stellt sich nicht.

Die Botschaften der beiden "Verkünder der nahen Gottesherrrschaft" sind - wie meine Zitate belegen - identisch. Was willst Du mehr? Hätte es inhaltliche Differenzen gegeben, hätte Jesus seinen Lehrer Johannes nicht als den größten unter den Propheten bezeichnet.
Zuletzt geändert von Münek am So 24. Jul 2016, 20:38, insgesamt 1-mal geändert.

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