Alles Teufelszeug? III

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sven23
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#571 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Do 14. Jul 2016, 06:12

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Was dann andere später daraus basteln, nennt man Rezeption
Beim NT ist es aber so, dass selbst die ältesten Quellen insofern Rezeption sind, dass sie das eigentliche Original, nämlich Jesus, interpretieren. - Was danach kommt, sind dann Rezpetionen dieser Erst-Rezeption. - Immer wieder: Es gibt kein Autograph..
Deshalb sind die ursprünglichsten Quellen am wichtigsten und nicht die Rezeption der Rezeption der Rezeption.
Denn ein Muster ist eindeutig erkennbar. Je weiter sich die Texte vom Ursprung zeitlich entfernen, desto phantastischer und ausgeschmückter werden sie.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das ist von der Forschung als späteres Konstrukt identifiziert worden.
Und wenn schon. - Entscheidend ist doch, ob es authentisch ist zu dem, was Jesus gemeint hat. - Es ist doch vollkommen offen, welche Rezeption in welcher Zeit die authentischste zur "Realität Jesus"..
So kann man das nicht sagen. Im Falle der Naherwartung hält die Forschung es schon für sehr authentisch, auf Grund der Quellen, und was anderes haben wir nicht. Wunschdenken darf hier keine Rolle spielen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:es kommt daher, dass Theologen einen Blick hinter die Kulissen werfen können und wenig historisches übrigbleibt, die Kirche aber dennoch auf Historizität besteht
Aus dem Munde der mir bekannten katholischen Theologen klingt das anders. - Sie meinen, dass es um die Historizität der Auferstehung Jesu gehe, diese also nicht ein literarisches Produkt ist, sondern wirklich stattgefunden hat - darauf beharrt man. - Peanuts wie "Bethlehem" oder "3 Weise" werden möglicherweise historisch angenommen - aber da ist es wurscht, es kann auch metaphorisch wahr sein.
Peanuts wie Bethlehem, also die Geburtslegenden, sind Teil der Vergottungsgeschichte und insofern nicht irrelevant. Aber wie ein Zeitgenosse kritisch bemerkte: nicht mal das habt ihr geschickt auszuführen vermocht.

closs hat geschrieben: Es geht darum, dass es insgesamt ein reales Geschehen ist und keine literarische Erfindung - mehr nicht. -.
Da kommt es dir sicher entgegen, dass die Forschung gerade wegen der Naherwartung Jesus als echte historische Person versteht. Eine rein literarische Figur hätte man sicher nicht mit dem Geburtsfehler einer enttäuschten Naherwartung ausgestattet.
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#572 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Do 14. Jul 2016, 09:45

sven23 hat geschrieben:Deshalb sind die ursprünglichsten Quellen am wichtigsten und nicht die Rezeption der Rezeption der Rezeption.
Das ist HKM-Usus und hat sich in der Tat bewährt in Bezug auf einen festen Bezugspunkt, also eine verbindliche Urschrift. Da gibt es bspw. einen Erstverfasser des "Nibelungenlieds" und dessen spätere Bearbeitungen - in solchen Fällen ist dieser Ansatz verlässlich.

Dieser Ansatz ist aber beim NT NICHT verlässlich, wenn es eine verbindliche Urschrift nicht gibt, weil diese Urschrift sozusagen Jesus selber ist. - Dieser Ansatz funktioniert in diesem Fall nur dann, wenn man setzt, dass der Erst-Quellen-Verfasser Jesus am besten verstanden hat. - Genau das steht aber - historisch-kritisch belegbar - in Frage, weil das neue Denken Jesu erst nach und nach verstanden wurde. Somit kann auch eine spätere Quelle die authentischste zu dem sein, was Jesus tatsächlich gemeint hat. - Und genau dafür spricht sehr, sehr viel.

sven23 hat geschrieben:Wunschdenken darf hier keine Rolle spielen.
Dieser Vorwurf trifft die HKM am stärksten - manche haben dort das Wunschdenken, sie könne hier nach SChema F vorgehen.

sven23 hat geschrieben:Da kommt es dir sicher entgegen, dass die Forschung gerade wegen der Naherwartung Jesus als echte historische Person versteht.
Aber halt genau an der falschen Stelle - Begründung siehe oben.

Pluto
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#573 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Pluto » Do 14. Jul 2016, 10:00

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wen ich deinen Argumenten folge soll, dann tut sie nichts anderes.
Das liegt wahrscheinlich daran, dass man heute unter "Fakten" versteht, wenn man Korrelationen weltanschaulich deutet. :devil:
Das ist falsch.
Fakten sind kausal, nicht korreliert.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Bevor man von Sichtweisen redet, sollte man zunächst einmal die Existenz Gottes klären.
Das wird NIE möglich sein. Da "Gott" nur Sinn macht, wenn er wesens-mäßig eine nicht-naturalistische Größe ist, ist er wissenschaftlich-methodisch nicht annäherbar.
Dann sollte man gar nicht erst anfangen über Sichtweisen zu reden.

closs hat geschrieben: - Aber hier war der Punkt ein anderer: Die HKM sollte nicht über POSITIV Festellbares hinaus interpretieren, weil es nicht ihre Sache ist - aber sie tut es (siehe bspw. "Naherwartung").
Fesststellbar ist das was in der Bibel berichtet wird. Insofern verlässt die HKM auch niemals den Boden des real Feststellbaren.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Es geht um das intellektuelle Verständnis von Texten, nicht um die Sicht einer Maus.
Es geht um das geistige Verständnis, wenn es um die Bibel geht - und das kann man intellektuell nicht erzwingen - auch methodisch nicht.
Immer wieder das alte Problem: Geistiges Verständnis ist demnach losgelöst von irgend welchen Gründen. Dann lässt es sich von willkürlichen Aussagen nicht unterscheiden.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Selbstverständlich ist die Naherwartung ein Fakt!
Nein - die "Naherwartung Jesu" ist nicht einmal historisch-kritisch ein Fakt (wobei ich unter "Fakt" verstehe, dass eine gegenteilige Behauptung falsch wäre. - Sogar historisch-kritisch kann man (gesamt-kanonisch) belegen, warum der historische Jesus trotz abweichendem Verständnis der Urchristen und mancher Textverfasser selbstverständlich KEINE Naherwartung hatte.

Wenn Du "Naherwartung Jesu" als FAKT in diesem Sinne darstellst, ist das eine ideologisch-weltanschaulich begründete Aussage - also im Grunde dasselbe, was Du den Dogmatikern vorwirfst.
Ich habe mich schlecht ausgedrückt. Die Naherwartung Jesus' wird in der Bibel festgeschrieben. Aus biblischer Sicht ist sie also ein Fakt den jeder nachlesen kann. Dass dies in den Schriften später abgeschwächt, bzw. in die Zukunft verschoben wurde, ist auch klar.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wie kann man das nachweisen?
Hatten wir schon x-mal: Man untersuche (anhand der Bibel"!) das Verhältnis zwischen Jüngern und Jesus und korreliere es mit der Meinung Jesu und dem, was die Jünger davon verstanden haben.
Das haben wir gemeinsam getan. Was übrig bleibt, ist Jesus' Naherwartung, die die Bibelschreiber später immer mehr nach hinten schoben, weil nichts geschah.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Was soll das überhaupt sein?
Du stehst früh auf - denkst so, wie Du denkst - und kannst nicht wissen, dass man früher mal anders gedacht hat, weil es Dir ja selbstverständlich ist, wie es ist.
Beantworte bitte zunächst die Frage: Was ist eine inneres Bewusstseinsbild? Und wie verändert es sich?

closs hat geschrieben:Das betone ich doch auch immer. - Selbstverständlich sind Glaubenfragen immer Weltanschauungsfragen.
Nee. Bisher hast du lediglich kritischen Rationalismus Weltanschaulichkeit unterstellt. Dabei entspricht das nicht einmal der Wahrheit.

closs hat geschrieben:Aber das gilt eben auch für den kritischen Rationalismus, der wiederum Grundlage für wissenschaftliche Methodik ist, welche wiederum Maßstab für Interpretationen (hier:) der Bibel ist - das ist genauso eine Weltanschauung wie der Katholizismus.
Du willst spirituelle und weltliche Interpretationen ständig auf gleicher Höhe sehen. Das können sie aber nicht sein.
Spirituelle Interpretationen sind grundsätzlich nicht nachweisbar; kritisch/rationale Interpretationen sind hingegen empirisch überprüfbar.

Es gibt also sehr wohl einen riesigen Unterschied zwischen unbelegbaren Vermutungen, und Solchen die man falsifizieren kann.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#574 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Do 14. Jul 2016, 14:48

Pluto hat geschrieben:Fakten sind kausal, nicht korreliert.
Aus meiner Sicht sind Fakten erst mal Phänomene und Kausalitäten sind Deutungen. - Für mich ist ein Fakt: "Intersubjekiv nachweisbar steht hier ein Baum".

Im nächsten Schritt kann man beobachten: Immer, wenn x passiert, folgt y - auch das ist Fakt. - Ob das Verhältnis zwischen x und y kausal ist, ist Deutung (was ja nicht heisst, dass es falsch ist).

Pluto hat geschrieben:Dann sollte man gar nicht erst anfangen über Sichtweisen zu reden.
Doch - diese Sichtweisen gibt es doch. Sie sind nur nicht intersubjektiv nachweisbar.

Pluto hat geschrieben:Fesststellbar ist das was in der Bibel berichtet wird. Insofern verlässt die HKM auch niemals den Boden des real Feststellbaren.
WENN sie dabei bleibt. Die HKM kann sagen: "Bei Kalibrierung auf das Geschriebene der Rezipienten hat Jesus einmal eine Naherwartung und ein andermal nicht". - Weiterhin kann man sagen: "Bei Kalibirierung auf das älteste Geschriebene gibt es eine Tendenz, dass Jesus eine Naherwartung hatte". - Man spricht also ausschließlich über die Rezeptions-Entwicklung über die Zeit. - WELCHE Rezeption näher an Jesu Meinung ist, ist damit unberührt.

Pluto hat geschrieben: Geistiges Verständnis ist demnach losgelöst von irgend welchen Gründen.
Ganz und gar nicht: Es ist sogar historisch-kritisch hart begründbar - wurde hier oft genug zelebriert. - Allerdings muss man die Perspektive einnehmen können, in der es hart begründbar ist.

Pluto hat geschrieben:Die Naherwartung Jesus' wird in der Bibel festgeschrieben.
Auch das ist nicht richtig. - Die Bibel schreibt fest, wie Rezipienten im Lauf der Zeit ihre Haltung dazu geändert haben. Wer von den Rezipienten recht hat, ist dabei vollkommen unberührt.

Pluto hat geschrieben:Was übrig bleibt, ist Jesus' Naherwartung, die die Bibelschreiber später immer mehr nach hinten schoben, weil nichts geschah.
Das ist EINE Begründung. - Die andere Begründung ist, dass die Textverfasser mit der Zeit näher an das gekommen sind, was Jesus gemeint hat.

Pluto hat geschrieben:Was ist eine inneres Bewusstseinsbild? Und wie verändert es sich?
Das, was Du als selbstverständliche Reflexions-Grundlage verstehst. Diese Selbstverständlichkeits-Ebene ist je nach Kultur und Zeit unterschiedlich. - Es verändert sich durch Einflüsse und/oder eigene Entwicklung - Deine Erkenntnis kann dadurch anders werden - ein ganz normaler hermeneutischer Vorgang.

Teste einmal, was Koreaner, Russen, Türken, Deutsche, Portugiesen und Amerikaner unter "Mann" und "Frau" verstehen. - Würdest Du sie interviewen, hätten alle - ihrem kulturellen Status gemäß - unterschiedliche innere Bewusstseins-Bilder.

Pluto hat geschrieben:Bisher hast du lediglich kritischen Rationalismus Weltanschaulichkeit unterstellt. Dabei entspricht das nicht einmal der Wahrheit.
Stimmt - so ist es auch nicht gemeint. - Der KR ist eine METHODIK - als Methodik ist er natürlich KEINE Weltanschauung. - Macht man daraus jedoch eine Philosophie, wird er zur Weltanschauung.

Beispiel:
Eine Aufgabe könnte lauten: "Überprüfen Sie die Bibel unter strenger Einhaltung kritiisch-rationaler Methodik". - Täte man dies, käme in etwa das heraus, was die HKM tut. - Dann MÜSSTE Jesus nur ein Wanderprediger sein, weil Nicht-Falsifizierbares für den KR nicht relevant ist. - Es wäre also ein Szenario für den Fall: "Was wäre die Bibel, wenn es Gott nicht gäbe" - kann man echt machen. - Nur: Das hat nichts mit Theologie zu tun - es ist lediglich ein perspektivischer Versuch.

Die Aufgabe könnte genauso lauten: "Was ist unter strenger Einhaltung kritisch-rationaler Methodik zu Bachs Musik zu sagen?" - auch das kann man machen. - Dabei würden strukturelle Erkenntnisse zu Tage treten - sicherlich interessant. - Aber es gäbe keine substantielle Aussage zur Botschaft der bachschen Musik wie es bei der Bibel keine substantielle Aussage gäbe.

Deshalb immer wieder: KR/HKM können in geistigen Dingen, sei es Bibel oder Bach, nur begleitende Informations-Geber sein, aber keine ZENTRALE Rolle spielen - es sind Hilfsdisziplinen, deren Dienste beendet sind, bevor die eigentliche spirituelle Deutung bei der Bibel und künstlerische Deutung in der Musik überhaupt erst losgeht.

Pluto hat geschrieben:Du willst spirituelle und weltliche Interpretationen ständig auf gleicher Höhe sehen. Das können sie aber nicht sein.
So ist es - aber in der Gewichtung exakt umgekehrt, wie Du es gerne sehen würdest.

Pluto hat geschrieben:Es gibt also sehr wohl einen riesigen Unterschied zwischen unbelegbaren Vermutungen, und Solchen die man falsifizieren kann.
Aber die Substanz bei Bibel und Bach ist nun mal ausschließlich im Nicht-Falsifizierbaren. - Zwar gut belegbar, aber nicht intersubjektiv belegbar.

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sven23
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#575 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Do 14. Jul 2016, 16:00

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Deshalb sind die ursprünglichsten Quellen am wichtigsten und nicht die Rezeption der Rezeption der Rezeption.
Das ist HKM-Usus und hat sich in der Tat bewährt in Bezug auf einen festen Bezugspunkt, also eine verbindliche Urschrift. Da gibt es bspw. einen Erstverfasser des "Nibelungenlieds" und dessen spätere Bearbeitungen - in solchen Fällen ist dieser Ansatz verlässlich.

Dieser Ansatz ist aber beim NT NICHT verlässlich, wenn es eine verbindliche Urschrift nicht gibt, weil diese Urschrift sozusagen Jesus selber ist. - Dieser Ansatz funktioniert in diesem Fall nur dann, wenn man setzt, dass der Erst-Quellen-Verfasser Jesus am besten verstanden hat. - Genau das steht aber - historisch-kritisch belegbar - in Frage, weil das neue Denken Jesu erst nach und nach verstanden wurde. Somit kann auch eine spätere Quelle die authentischste zu dem sein, was Jesus tatsächlich gemeint hat. - Und genau dafür spricht sehr, sehr viel..
Nein, das kann man in der Regel vergessen. Spätere Veränderungen sind immer Veränderungen im Sinne der Verfasser, die den historischen "Kernjesus" für ihre Zwecke vereinnahmen oder auch instrumentalisieren. Das hat die Forschung auch sehr schön nachgezeichnet. Je weiter sich die Schreiber zeitlich von Jesus entfernen, desto phantastischer werden die Geschichten. Die Schreiber haben versucht, ihre eigene Theologie in Eigenkompositionen (siehe Bergpredigt von Matthäus) einzubringen. Mit zunehmender Zeit werden die Geschichten immer mehr ausgeschmückt, vielleicht auch deshalb, weil es in den Gemeinden einen Bedarf danach gab.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wunschdenken darf hier keine Rolle spielen.
Dieser Vorwurf trifft die HKM am stärksten - manche haben dort das Wunschdenken, sie könne hier nach SChema F vorgehen..
Die Forschung geht nach der historisch-kritischen Methode vor. Alles andere wäre grobe Fahrlässigkeit.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Da kommt es dir sicher entgegen, dass die Forschung gerade wegen der Naherwartung Jesus als echte historische Person versteht.
Aber halt genau an der falschen Stelle - Begründung siehe oben.
Für dich und die Kirche mag das an der falschen Stelle sein. Aber nur, weil es ein Irrtum war. Aber darauf kann die Forschung keine Rücksicht nehmen. Sie muss ergebnisoffen bleiben und darf Ergebnisse nicht aus ideologischen Gründen unter den Teppich kehren.
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#576 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Do 14. Jul 2016, 18:09

sven23 hat geschrieben: Spätere Veränderungen sind immer Veränderungen im Sinne der Verfasser
Natürlich - die Frage ist doch, ob "der Sinn des Verfassers" näher an Jesus oder weiter weg davon ist.

sven23 hat geschrieben:die den historischen "Kernjesus" für ihre Zwecke vereinnahmen oder auch instrumentalisieren
Willkürliche Interpretation - beides kann der Fall sein.

sven23 hat geschrieben:Die Forschung geht nach der historisch-kritischen Methode vor. Alles andere wäre grobe Fahrlässigkeit.
Dieser Satz ist schief. - Natürlich geht die historisch-kritische Forschung nach der HKM vor - aber dann sollte sie sich diszipliniert an Aussagen halten, die im Rahmen der HKM möglich sind.

sven23 hat geschrieben:Sie muss ergebnisoffen bleiben und darf Ergebnisse nicht aus ideologischen Gründen unter den Teppich kehren.
Du sprichst derart aus dem Glashaus, dass man die Scheiben geradezu scheppern hört. - Dein Postulat der Ergebnisoffenheit ist Pfeifen im Walde. - Diese Ergebnisoffenheit gilt nur dann, wenn sich die HKM streng danach hält, Beobachtetes zu beschreiben - interpretiert sie, wird es leicht (wie wir sehen) zur ideologischen Disziplin.

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sven23
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#577 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Fr 15. Jul 2016, 06:08

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Spätere Veränderungen sind immer Veränderungen im Sinne der Verfasser
Natürlich - die Frage ist doch, ob "der Sinn des Verfassers" näher an Jesus oder weiter weg davon ist..
Es ist unwahrscheinlich, dass spätere Phantasiegeschichten näher am "echten" Jesus sind. Es ist doch wohl eher genau umgekehrt, wie die Forschung gezeigt hat.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Forschung geht nach der historisch-kritischen Methode vor. Alles andere wäre grobe Fahrlässigkeit.
Dieser Satz ist schief. - Natürlich geht die historisch-kritische Forschung nach der HKM vor - aber dann sollte sie sich diszipliniert an Aussagen halten, die im Rahmen der HKM möglich sind..
Tut die Forschung doch. Und nach den Quellen hatte Jesus eine Naherwartung. Sie stand im Zentrum seiner Verkündigung.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Sie muss ergebnisoffen bleiben und darf Ergebnisse nicht aus ideologischen Gründen unter den Teppich kehren.
Du sprichst derart aus dem Glashaus, dass man die Scheiben geradezu scheppern hört. - Dein Postulat der Ergebnisoffenheit ist Pfeifen im Walde. - Diese Ergebnisoffenheit gilt nur dann, wenn sich die HKM streng danach hält, Beobachtetes zu beschreiben - interpretiert sie, wird es leicht (wie wir sehen) zur ideologischen Disziplin.
Wo ist denn die Forschung nicht ergebnisoffen? Ich darf daran erinnern, dass es nicht ihre Absicht oder Auftrag ist, Gott zu beweisen oder zu widerlegen. Sie untersucht alte Texte.
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#578 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Fr 15. Jul 2016, 08:39

sven23 hat geschrieben:Es ist doch wohl eher genau umgekehrt, wie die Forschung gezeigt hat.
Die Forschung hat zu Recht beobachtet, dass sich die Rezeption verändert - mit welcher Motivation auch immer. - Sie hat NICHT gezeigt (kann sie auch nicht), welche Version näher an Jesu Meinung ist.

sven23 hat geschrieben:Und nach den Quellen hatte Jesus eine Naherwartung.
Nein - sondern nach säkularer Interpretation der Quellen.

sven23 hat geschrieben:Sie stand im Zentrum seiner Verkündigung.
Im Zentrum stand "Das Gottesreich ist nah", nicht aber eine Naherwartung in Deiner säkularen Interpretation.

sven23 hat geschrieben:Wo ist denn die Forschung nicht ergebnisoffen?
Wenn sie methodische Wege so wählt, dass nur ein Teil möglicher Realität beschreibbar ist.

2Lena
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#579 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von 2Lena » Fr 15. Jul 2016, 10:02

Sven23 hat geschrieben: Eine Jenseitshistorie ist mir nicht bekannt.
Ist doch logisch, denn es ist stets nur im "Heute" verborgen.
Kein Tag kennt den vorigen und auch den nächsten nicht.

Sven23 hat geschrieben: Was nicht historisch ist, haben die Schreiber erfunden, um den Eindruck von Historie zu erwecken.
Beim Lesen des NT wirst du feststellen, dass der Anteil der historischen Erläuterungen sehr gering ausfällt, in der uns bekannten Form. Das hat seine Gründe in dem ganz anderen Schreibstil und dem Sinn der Evangelien. Historisch wurde geforscht, aber nicht ihr SINN herausgearbeitet und UMGESETZT.

Es wird dir sicher auch aufgefallen sein, dass auch die landwirtschaftlichen Zusammenhänge nicht eben der uns bekannten Ausdrucksweise entstammen. Also - bitte mal hier rumknobeln ... und nicht nur Leute zitieren (wegen deren Titel). Kritisches gibts mehr als genug - aber wo bleibt die Auflösung?

Du klagst zu Recht rum: "Wo ist eigentlich die versprochene Prophezeiung?"
Leider bringt dir das wenig Anhänger für den Umschwung, sondern nur zahllose Diskussionen. Jede Prophezeiung (im AT und im NT) ist an ein bestimmtem Schema gehalten. Die Propheten sagen WIE etwas kommt. Wenn ich an das Glas stoße, das am Rand meines Schreibtisches steht, dann fällt es runter. Tue ich es nicht, so bleibt es stehen. So etwa in dem Schema kommt es bei der Auflösung der Denkaufgaben rüber.

Ein bestimmter Schreibstil macht es möglich, dass der Text in jene, und auch in die andere Richtung gelesen werden kann. Deshalb sind die restlichen Daten so von "ungefähr", sonst können die Regeln nicht nach beiden Seiten hin und her, dagegen und dafür - was kam oder kommt heraus - und nach mehreren Seiten "offen" gelesen werden.

Wenn du historische Daten willst, dann lies die Historiker. Willst du die Hintergründe, die richtige Runde und Möglichkeit zu ändern, dann lies die Bibel! Dann fallen dir auch plötzlich die Hinweise zum "WIE" und zu den Regeln auf.

Liest du das NT unverschleiert, so kommt zum Vorschein was getan werden soll. ... und damit ist schon der Weg zu den allerpositivsten Perspektiven offen. Das Reich Gottes ist nahe ... Wie die Welt sich dreht, und ein Tag den nächsten nicht kennt (und trotzdem die Voraussetzung für ihn schuf) so geht es auch mit den Leuten. Falsch rum gedreht, an der Rückseite was getan, schiebt's nur mehr her von der Ferne.

Sven23 hat geschrieben:... dass Theologen einen Blick hinter die Kulissen werfen können und wenig historisches übrigbleibt, die Kirche aber dennoch auf Historizität besteht, um ihr Dogmenkonstrukt behaupten zu können. (Conzelmann läßt grüßen)
Nimm mal die Erklärung her:
Auch wenn das Historische der Bibel nicht so dasteht, wie du es willst, so ist es doch wahr. Die Kritik dran (und vor allem das Nichterklärenkönnen der Zusammenhänge) macht bei dem unnützen "Vielwissen" der Universitätsausbildung die Ungläubigen aus. Der junge Pfarrer muss dann gespalten arbeiten. Er weiß die Zweifel, soll aber Glauben predigen. Das geht rein gar nicht.

Würde jedoch die Ausbildung auf einem richtigen Grund stehen, so können nach und nach all die Ungereimtheiten beiseite geschoben werden. Bei einer Schieflage geht das nicht. Da wird nur alles noch mehr kaputt was angefasst wird. Bei Gradlinigkeit passt jedoch alles.

Ich hatte neulich ein heftiges Problem mit dem "Lot". Ich baute ein Regal (ohne Brille) an einer schiefen Säule. Von meiner (relativen) Sicht war es grad. Die Wasserwaage hat gelogen oder ich wusste nicht, wie ich sie ansetzen sollte. Dann befestigte ich ein Brett mit Waage. Das war eindeutig schief, zumal ich das Andere im Kontrast sah. Ich erinnerte mich, dass mir ohne Brille schon mal die Zeilen durcheinander gerieten. Mit Brille wurde mir alles "schief", nur das Brett war gerade. Kurzum, was ich damit sagen will: Es ist zuerst eine Frage nach dem Lot zu stellen, nicht nach Kritik, nach Ausarbeitung oder subjektivem "gelehrtem" Eindruck.

Die Frage sollte so gehen: Was beinhalten die Dogmen. Wie kam es zu dem Schluss. Wo stecken die vielseitigen Inhalte der Bibel? Wenn du die Kirchenväter liest, so wirst du kaum ihre Schlüsse mit der heutigen Bibelsicht nachvollziehen. Da fragt sich, wo das Kopfschütteln ist - bei denen oder bei uns Heutigen? (Weitere Schieflagen und Fehler müssten auch schon dort aus der Abweichung verstanden werden ... und wo haben sie begonnen?)

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#580 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Fr 15. Jul 2016, 20:54

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es ist doch wohl eher genau umgekehrt, wie die Forschung gezeigt hat.
Die Forschung hat zu Recht beobachtet, dass sich die Rezeption verändert - mit welcher Motivation auch immer. - Sie hat NICHT gezeigt (kann sie auch nicht), welche Version näher an Jesu Meinung ist.
Gerade weil die Naherwartung ein Irrtum war und die Schreiber diesen Irrtum anfangs mitschleppen mußten, gilt die Naherwartung als höchst authentisch. Warum sonst sollten gottgläubige Theologen wie Theißen sonst schreiben:
„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Sie stand im Zentrum seiner Verkündigung.
Im Zentrum stand "Das Gottesreich ist nah", nicht aber eine Naherwartung in Deiner säkularen Interpretation.
Wieso säkulare Interpretation? Es ist eine höchst spirituelle Interpretation, wenn auch mit dem Makel des Irrtums behaftet. Aber Propheten haben nun mal das Schicksal, dass sie an ihren Prophetien gemessen werden.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wo ist denn die Forschung nicht ergebnisoffen?
Wenn sie methodische Wege so wählt, dass nur ein Teil möglicher Realität beschreibbar ist.
Deshalb hält sich die Forschung an die Quellen, und die sprechen eine deutliche Sprache. Die Foederung der Glaubensdogmatiker ist nun: der "echte" Jesus möge doch gefälligst anders sein, als in den Quellen beschrieben. Das ist schon reichlich bizarr.
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