Descartes und Glaube

Novas
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#181 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Novas » Fr 29. Apr 2016, 07:17

Pluto hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Alles lange her. Gibt es nicht genug zeitgenössische Philosophen?
Wahrscheinlich nicht. - Seit ca. 100 Jahren ist die Philosophie im wesentlichen materialistisch geprägt.
Sie hat sich einfach weiter entwickelt

Materiellen Fortschritt hat es gegeben, aber das bedeutet noch lange nicht, dass sich auch in gleichem Maße ein geistiger Fortschritt ereignete. Ich persönlich denke, dass Glaube und Vernunft, Wissenschaft und Religion zusammengehören, auch wenn das heute gerne geleugnet wird (je blinder der Glaube an den Materialismus, desto religionsfeindlicher die Einstellung eines Menschen ;) ). Ich zitiere G.K. Chesterton: „Es ist müßig, ständig von dem Gegensatz zwischen Glauben und Vernunft zu reden. Die Vernunft selbst ist eine Sache des Glaubens. Davon auszugehen, daß unsere Gedanken überhaupt in einer Beziehung zur Wirklichkeit stehen, ist ein Glaubensakt.

Hier gibt es für uns also gar keinen Unterschied, wir alle benötigen diesen Glaubensakt, weil das die Bedingung all unsres Denkens ist.

Pluto hat geschrieben:Man kann das Rad der Zeit nicht zurück drehen.

Fortschritt ist ein schönes Wort, aber ein Wanderer kann doch auch gegen einen Abgrund fortschreiten? Fortschritt - wenn es dem Wohl des Menschen wirklich dient - ist sicher bejahenswert. Das Gestern ist aber nicht schlecht und falsch, nur weil es gestern war und das Morgen nicht grundsätzlich besser und richtig, nur weil es morgen sein wird. Sicher schreiten wir immer weiter fort, aber die entscheidende Frage ist wohin wir eigentlich schreiten.

Menschen können auch singend und mit wehenden Fahnen in den Untergang marschieren und vollkommen davon überzeugt sein, dass es ein guter Einfall und die richtige Richtung ist. Im Hintergrund läuft dann die Marseillaise interpretiert von Edith Piaf :wave: :

Zuletzt geändert von Novas am Fr 29. Apr 2016, 11:01, insgesamt 1-mal geändert.

Novas
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#182 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Novas » Fr 29. Apr 2016, 08:22

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Das Problem ist, du kannst mit deinem Modell (deiner Vorstellung) die Unterschiede zwischen einer Lähmung der linken und der rechten Hirnhälfte schlichtweg nicht erklären.
Mein Modell fühlt sich dafür überhaupt nicht berufen - wie sollte es?
Pluto hat geschrieben:Ein Modell was nicht in der Lage ist, Fakten zu erklären muss verworfen werden, ganz egal aus welcher Systemecke es kommt

Da stimme ich Dir zu. Nur besteht die menschliche Existenz – tut mir leid, aber diese Worte gehören zu meiner Rolle :) - aus wesentlich mehr, als toten Fakten und Pragmatismus. Eben aus diesem Grund gibt es auch keinen Ersatz für Kunst und Religion. Das ganze Leben kann erzählt werden (wie es Religion macht), aber niemals kann es mit rationalen Begriffen eingefangen werden - das wäre der Tod und nicht das Leben.

Der Mythenforscher Joseph Campbell in seinem Werk „The Power of Myth“:
“I think that what we’re seeking is an experience of being alive, so that our life experiences on the purely physical plane will have resonances with our own innermost being and reality, so that we actually feel the rapture of being alive.”
Das ist eigentlich der Sinn von Religion, die Rückbindung an das Lebendige und die Berührung mit dem Geheimnis der Existenz, an dem wir teilhaben, als eine Berührung mit dem Sakralen. Das ist etwas, was schon die – wie wir sie heute gerne nennen - „primitiven“ Urmenschen mit uns teilten, das gehört wirklich essenziell zu unsrem Mensch-Sein u. Mensch-Werdung.

Was sind graue Theorien angesichts dieser Erfahrung? Ausgangspunkt jeder menschlichen Existenz – unsrer Existenz – sind jedenfalls die eigenen Erfahrungen.


Die Wissenschaft, die die Religion als eine frühe Stufe der menschlichen Geschichte betrachtet und ihren Erkenntwert bestreitet, kann sie nicht als eine in der Erfahrung des Menschen existente Größe verstehen. Wenn sie deshalb die Religionen der Vergangenheit als etwas Unverständliches und Befremdliches beschreibt, unterläßt sie es, ihren Bezug zum existierenden Leben herzustellen und ihre Funktion in ihm zu untersuchen: „As it is here intended to kill the mystical nerve and deaden us to the wonder of religion, it is irrational rubbish. It pretends to find something incomprehensible in the feelings that we all comprehend. Who does not find dreams mysterious, and feel that they lie on the dark borderland of being? Who does not feel the death and resurrection of the growing things of the earth as something near to the secret of the universe? Who does not understand that there must always be the savour of something sacred about authority and the solidarity that is the soul of the tribe? (G.K. Chesterton)

Religion ist kein Kennzeichen einer vergangenen Entwicklungsstufe des Menschen, sondern ein Merkmal seiner Existenz überhaupt. Sie ist nicht vom Fortschritt der Wissenschaft überholt, sondern weiterhin ein legitimer Versuch des Lebens, sein eigenes Geheimnis zu erkennen und zu bewahren. Die Religion gehört zu seiner Natur: „It needed a certain sort of mind to see that there was anything mystical about dreams or the dead, as it needed a particular sort of mind to see that there was anything poetical about the skylark or the spring. That mind was presumably what we call the human mind, very much as it exists to this day...“ Als Ausdruck der kreativen Fähigkeit des Menschen, mit sich und der Welt umzugehen, ist sie ein Versuch der Bewältigung der menschlichen Situation: „The materials for religion had lain there for countless ages like the materials for everything else; but the power of religion was in the mind.
http://woerther.reliprojekt.de/files/002.pdf

So gesehen ist es kein wirklicher Fortschritt, wenn man dafür keinen Sinn und Geschmack mehr besitzt, so wie es kein wirklicher Fortschritt ist, wenn man Musik und Poesie nicht mehr begreift. Ich setze das voraus. Gerade wenn ein Atheist sich das Recht heraus nimmt eine fundamentale Kritik zu üben.

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#183 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Pluto » Fr 29. Apr 2016, 09:33

Novalis hat geschrieben:Nur besteht die menschliche Existenz – tut mir leid, aber diese Worte gehören zu meiner Rolle :) - aus wesentlich mehr, als toten Fakten und Pragmatismus.
Beides sind wichtige Komponenten, die man durchaus als Produkte einer komplizierten "chemischen Fabrik" verstehen kann.
Aber ich stimme dir zu, das erlebte Leben besteht auch aus geistigen Fähigkeiten und Errungenschaften.

Novalis hat geschrieben:Das ganze Leben kann erzählt werden (wie es Religion macht), aber niemals kann es mit rationalen Begriffen eingefangen werden - das wäre der Tod und nicht das Leben.
Warum wäre das Tod und nicht Leben? Hat ein Regenwurm denn Religion? Ist er lebendig?
Sind Pflanzen und Pilze nicht ohne Religion lebendig?
Wie definiert man Leben?

Novalis hat geschrieben:Der Mythenforscher Joseph Campbell in seinem Werk „The Power of Myth“:
“I think that what we’re seeking is an experience of being alive, so that our life experiences on the purely physical plane will have resonances with our own innermost being and reality, so that we actually feel the rapture of being alive.”
Campbell sagt im Grunde, dass wir, die das Leben kosten dürfen, die Glücklichen sind.

Novalis hat geschrieben:Das ist etwas, was schon die – wie wir sie heute gerne nennen - „primitiven“ Urmenschen mit uns teilten, das gehört wirklich essenziell zu unsrem Mensch-Sein u. Mensch-Werdung.
Ich würde sagen, dass was uns Menschen von anderen Lebensformen abhebt (unterscheidet) ist die Tatsache, das wir ein Gewissen haben. Ein weiterer Faktor den ich zu den Besonderheiten des Menschen zählen würde, ist dass er nicht nur Lust verspürt, sondern auch Schönheit empfinden kann.

Novalis hat geschrieben:Was sind graue Theorien angesichts dieser Erfahrung? Ausgangspunkt jeder menschlichen Existenz – unsrer Existenz – sind jedenfalls die eigenen Erfahrungen.
Theorien sind farblos. Wenn sie eine Farbe hätten, dann wären sie bunt wie ein Kaleidoskop aber sicher nicht grau. Deshalb halte ich solche Aussagen für eine Verballhornung wissenschaftlicher Theorien.

Novalis hat geschrieben:Religion ist kein Kennzeichen einer vergangenen Entwicklungsstufe des Menschen, sondern ein Merkmal seiner Existenz überhaupt.
Nee. Religion ohne Glaube ist eine leere Hülle von Riten und Regeln. Erst in Zusammenhang mit Glauben ergibt Religion einen Sinn.

Novalis hat geschrieben:Sie ist nicht vom Fortschritt der Wissenschaft überholt, sondern weiterhin ein legitimer Versuch des Lebens, sein eigenes Geheimnis zu erkennen und zu bewahren. Die Religion gehört zu seiner Natur: „It needed a certain sort of mind to see that there was anything mystical about dreams or the dead, as it needed a particular sort of mind to see that there was anything poetical about the skylark or the spring. That mind was presumably what we call the human mind, very much as it exists to this day...“ Als Ausdruck der kreativen Fähigkeit des Menschen, mit sich und der Welt umzugehen, ist sie ein Versuch der Bewältigung der menschlichen Situation: „The materials for religion had lain there for countless ages like the materials for everything else; but the power of religion was in the mind.
Auch hier ein Einspruch meinerseits.
Das Problem ist nicht der Tod, denn diesen kann man durchaus als "Normalzustand" des Universums betrachten.
Das eigentliche Problem ist das Leben. Wer einmal von der Süße des Lebens gekostet hat, möchte daran festhalten; fürchtet sich fortan vor dem Tod.

Novalis hat geschrieben:So gesehen ist es kein wirklicher Fortschritt, wenn man dafür keinen Sinn und Geschmack mehr besitzt, so wie es kein wirklicher Fortschritt ist, wenn Musik und Poesie nicht begreift. Ich setze das voraus. Gerade wenn ein Atheist sich das Recht heraus nimmt eine fundamentale Kritik zu üben.
Meinst du damit, dass ein Atheist nicht in der Lage sei, die Schönheit von Literatur, Musik, Kunst oder Natur zu erfahren?
Wozu braucht es dazu Glaube oder Religion?

I don't want to believe. I want to know. - Carl Sagan
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#184 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von closs » Fr 29. Apr 2016, 09:34

sven23 hat geschrieben:Ja, ja die Transzendenz, der letze Zufluchtsort für die Heilsuchenden.
Eigentlich nicht der letzte, sondern der erste. :lol:

sven23 hat geschrieben:Auch im juristischen Sinn wird die persönliche Schuld festgestellt, weil sich danach das Strafmass ergibt.
Natürlich kommt das erfreulicherweise AUCH vor - aber doch auch wieder im Rahmen des juristischen Rahmens.

sven23 hat geschrieben: Was du möglicherweise meinst, ist eine moralische/ethische Schuld, die gar nicht justiziabel ist.
Der Spur nach ja. - Noch konkreter:

Stelle Dir vor, Du hättest aus irgendwelchen geheimnisvollen Gründen die Fähigkeit, WIRKLICH beurteilen zu können, was in einem vorgegangen ist, als er dieses oder jenes gemacht hat - bspw:
* Kinder umbringen
* Irak-Krieg anfangen
* Drowning machen
* Köpfe von Gefangenen abschneiden
* Börsenkurse manipulieren
* Frauen vergewaltigen
* Banken überfallen
* das Finanzamt bescheißen
* Briefkastenfirmen gründen
* Dieselmotoren manipulieren
* Flüchtlinge abweisen
* etc.

Das war nun ein sehr heterogenes Gemisch an "Verbrechen" im universalen Sinne - ohne diese jetzt miteinander zu vergleichen. - Fakt ist: Bei fast allen diesen Dingen sind Tote direkt oder indirekt die Folge.

Und DU kannst nun direkt in die Leute hineingucken, die diesbezüglich etwas getan haben - hier im Gedankenspiel bist Du als irrtumsfrei anzunehmen (also fast so wie im wirklichen Leben :lol: :angel: ).

Was würdefst Du feststellen? Du würdest feststellen, dass mindestens ein großer Anteil der "Täter" nicht im geringsten eine Ahnung hätte, Täter zu sein. - Weiterhin würdest Du feststellen, dass nur ein Teil der aufgeführten Verbrechen justiziabel ist.

Und jetzt sind wir in der Realität:
Von diesen aufgeführten Verbrechen sind knapp die Hälfte justiziabel - in DIESEN Fällen kann das Gericht im Rahmen seiner beschränkten Möglichkeiten nach SEINEN Einschätzungen über "persönliche SChuld" befinden. - Also vielleicht bei 1 von 4 Fällen gibt es eine Dokumentierung (die auch noch falsch sein) von Verbrechen und persönlicher Schuld.

Verstehst Du jetzt, warum ich "Verbrechen" von juristisch festgestellter persönlicher SChuld abkoppele?

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#185 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Novas » Fr 29. Apr 2016, 10:25

Pluto hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:Was sind graue Theorien angesichts dieser Erfahrung? Ausgangspunkt jeder menschlichen Existenz – unsrer Existenz – sind jedenfalls die eigenen Erfahrungen.
Theorien sind farblos. Wenn sie eine Farbe hätten, dann wären sie bunt wie ein Kaleidoskop aber sicher nicht grau. Deshalb halte ich solche Aussagen für eine Verballhornung wissenschaftlicher Theorien.

Hier habe ich keineswegs wissenschaftliche Theorien gemeint. Wissenschaft ist selbst ein Erlebnis, wenn man sich damit beschäftigt, sie praktiziert, ja, es gibt eine eigene wissenschaftliche Spiritualität. Ich habe nur auf eine einfache Tatsache hingewiesen, die vollkommen unabhängig von unsrer Bejahung oder Verneinung der Religion ist: entscheidend sind nicht graue Theorien, sondern das religiöse Erleben, die Erfahrung; also das Bewusstsein.

Wäre es nicht viel interessanter darüber zu reden?

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#186 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Pluto » Fr 29. Apr 2016, 10:27

closs hat geschrieben:Stelle Dir vor, Du hättest aus irgendwelchen geheimnisvollen Gründen die Fähigkeit, WIRKLICH beurteilen zu können, was in einem vorgegangen ist, als er dieses oder jenes gemacht hat - bspw:
* Kinder umbringen
* Irak-Krieg anfangen
* Drowning machen
* Köpfe von Gefangenen abschneiden
* Börsenkurse manipulieren
* Frauen vergewaltigen
* Banken überfallen
* das Finanzamt bescheißen
* Briefkastenfirmen gründen
* Dieselmotoren manipulieren
* Flüchtlinge abweisen
* etc.

Das war nun ein sehr heterogenes Gemisch an "Verbrechen" im universalen Sinne - ohne diese jetzt miteinander zu vergleichen. - Fakt ist: Bei fast allen diesen Dingen sind Tote direkt oder indirekt die Folge.
Tote sind sicher ein Problem. Obwohl nicht alle deine Beispiele zu Todesfällen führen.
Das Gemeinsame an deiner List sehe ich in der mangelnden intellektueller Redlichkeit der "Täter".

closs hat geschrieben:Von diesen aufgeführten Verbrechen sind knapp die Hälfte justiziabel...
Eben. Leider kann die Justiz nicht jede Unredlichkeit ahnden. Dafür muss erst ein Gesetzt geschrieben werden.

closs hat geschrieben:Verstehst Du jetzt, warum ich "Verbrechen" von juristisch festgestellter persönlicher SChuld abkoppele?
Stimmt. Deshalb gibt es im eigentlichen Sinn keine Schuld, sonder nur Verantwortung für unsere Taten. Und diese Verantwortung kann uns keiner nehmen oder Vergeben, auch dann nicht wenn er an ein Kreuz genagelt wird.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#187 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von closs » Fr 29. Apr 2016, 10:46

Pluto hat geschrieben:Das Gemeinsame an deiner List sehe ich in der mangelnden intellektueller Redlichkeit der "Täter".
Das ist überhaupt nicht das Problem. - Das Problem ist, dass Du offensichtlich "Täter" gleichsetzt mit "justiziabel". - Genau das ist aber nur ein kleiner Ausschnitt.

Pluto hat geschrieben: Leider kann die Justiz nicht jede Unredlichkeit ahnden.
Es ist auch nicht ihre Aufgabe. Ihre Aufgabe ist es, als Ordnungs-System für den Staat zu fungieren.

Pluto hat geschrieben: Deshalb gibt es im eigentlichen Sinn keine Schuld, sonder nur Verantwortung für unsere Taten.
Diesen Umweg muss man nicht gehen, wenn man "Schuld" universal versteht und nicht als einen exklusiven Begriff aus der Rechtssprechung.

Spirituell/christlich ist dieser Begriff universal gemeint - also völlig unabhängig von staatlichen Befindlichkeiten, SOGAR unabhängig von eigenem bewussten Zutun. - Verstehst Du jetzt, warum es ständig eine Durcheinander gibt, wenn hier von "Schuld" gesprochen wird.

Das führt unter anderem dazu, dass man dann auch "Gesetz" nur staatlich versteht und nicht universal geistig - welcher Unfung dabei herauskommen kann, sieht man an den Zitaten von Augstein und Kubitza. - Das ist so, als würde ich in der Physik "Quarks" als Milchspeise verstehen (naja, jetzt habe ich etwas übertrieben - mehr aber leider nicht. :lol:

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#188 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Pluto » Fr 29. Apr 2016, 11:22

closs hat geschrieben:Das Problem ist, dass Du offensichtlich "Täter" gleichsetzt mit "justiziabel".
Ich verstehe nicht wie du das aus meinen Worten schließen kannst?

closs hat geschrieben:wenn man "Schuld" universal versteht und nicht als einen exklusiven Begriff aus der Rechtssprechung.

Spirituell/christlich ist dieser Begriff universal gemeint - also völlig unabhängig von staatlichen Befindlichkeiten, SOGAR unabhängig von eigenem bewussten Zutun. - Verstehst Du jetzt, warum es ständig eine Durcheinander gibt, wenn hier von "Schuld" gesprochen wird.
Ich denke du legst bei diesen Vergehen zu viel Wert auf die christliche Sicht. Wieso sollte sie so wichtig sein?

closs hat geschrieben:Das führt unter anderem dazu, dass man dann auch "Gesetz" nur staatlich versteht und nicht universal geistig
Also...
Ich habe überhaupt kein Problem, Verantwortung für alle unsere Handlungen universal zu verstehen.
Aber was soll daran spirituell-geistig sein?
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#189 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von sven23 » Fr 29. Apr 2016, 12:11

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Auch im juristischen Sinn wird die persönliche Schuld festgestellt, weil sich danach das Strafmass ergibt.
Natürlich kommt das erfreulicherweise AUCH vor - aber doch auch wieder im Rahmen des juristischen Rahmens.
In wessen Rahmen denn sonst? Doch wohl nicht im religiösen Rahmen. Oder wollen wir uns der Türkei anschliessen, die eine stärkere Einbindung der Religion in die Verfassung anstrebt? Das wäre eine Rückschritt ins finstere Mittelalter.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Was du möglicherweise meinst, ist eine moralische/ethische Schuld, die gar nicht justiziabel ist.
Der Spur nach ja. - Noch konkreter:

Stelle Dir vor, Du hättest aus irgendwelchen geheimnisvollen Gründen die Fähigkeit, WIRKLICH beurteilen zu können, was in einem vorgegangen ist, als er dieses oder jenes gemacht hat - bspw:
* Kinder umbringen
* Irak-Krieg anfangen
* Drowning machen
* Köpfe von Gefangenen abschneiden
* Börsenkurse manipulieren
* Frauen vergewaltigen
* Banken überfallen
* das Finanzamt bescheißen
* Briefkastenfirmen gründen
* Dieselmotoren manipulieren
* Flüchtlinge abweisen
* etc.

Das war nun ein sehr heterogenes Gemisch an "Verbrechen" im universalen Sinne - ohne diese jetzt miteinander zu vergleichen. - Fakt ist: Bei fast allen diesen Dingen sind Tote direkt oder indirekt die Folge.

Und DU kannst nun direkt in die Leute hineingucken, die diesbezüglich etwas getan haben - hier im Gedankenspiel bist Du als irrtumsfrei anzunehmen (also fast so wie im wirklichen Leben :lol: :angel: ).

Was würdefst Du feststellen? Du würdest feststellen, dass mindestens ein großer Anteil der "Täter" nicht im geringsten eine Ahnung hätte, Täter zu sein. - Weiterhin würdest Du feststellen, dass nur ein Teil der aufgeführten Verbrechen justiziabel ist.

Und jetzt sind wir in der Realität:
Von diesen aufgeführten Verbrechen sind knapp die Hälfte justiziabel - in DIESEN Fällen kann das Gericht im Rahmen seiner beschränkten Möglichkeiten nach SEINEN Einschätzungen über "persönliche SChuld" befinden. - Also vielleicht bei 1 von 4 Fällen gibt es eine Dokumentierung (die auch noch falsch sein) von Verbrechen und persönlicher Schuld.

Verstehst Du jetzt, warum ich "Verbrechen" von juristisch festgestellter persönlicher SChuld abkoppele?
Nicht wirklich. Ich sehe nur 3, die nicht justiziabel sind, wobei mir unklar ist, was Drowning sein soll. Gegen das letzte gäbe es theoretisch noch den Klageweg, wenn die Bedingungen für Asyl gegeben sind.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#190 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Novas » Fr 29. Apr 2016, 12:16

sven23 hat geschrieben:Oder wollen wir uns der Türkei anschliessen, die eine stärkere Einbindung der Religion in die Verfassung anstrebt? Das wäre eine Rückschritt ins finstere Mittelalter

Achherje, ihr neuen Atheisten neigt wirklich zu einer gewissen Paranoia :D

Die Religionsfreiheit ist klassischer Teil der menschenrechtlichen Verbürgungen im Völkerrecht. Sie ist in Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UNO festgehalten:

Jeder Mensch hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder seine Überzeugung zu wechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder seine Überzeugung allein oder in Gemeinschaft mit anderen in der Öffentlichkeit oder privat durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Vollziehung eines Ritus zu bekunden.

https://de.wikipedia.org/wiki/Religionsfreiheit

Das ist das geltende Recht. Wo erwartest Du einen Rückschritt in das „finstere Mittelalter“? Ich würde hier von einer Religionsphobie sprechen. Vielleicht wäre es angebracht, dass Du deine Vorurteile und Ängste mal hinter fragst und Dich mit Religion tiefergehend beschäftigst.

Manche Vertreter des neuen Atheismus haben nach Ansicht des deutschen Religionssoziologen Gert Pickel aus ihrer Abneigung gegenüber dem Glauben eine Religionsphobie entwickelt. Religionsphobie ist auch Thema einer Tagung in Salzburg.

Zu den Ursachen für diese Angst zählten neben einem generellen Nichtverstehen der Haltungen gläubiger Menschen, die Sorge vor religiös motivierter Gewalt sowie vor einer möglichen Einschränkung individueller Freiheit, schilderte der an der Universität Leipzig lehrende Wissenschaftler im Interview mit den „Salzburger Nachrichten“ (SN) am Dienstag. Religion gelte „per se als etwas Antimodernes“, so Pickel: „Man befürchtet, dass damit das Rad der Zeit zurückgedreht wird. Da ist die Sorge groß, dass Religion und Kirche zu enge Grenzen setzen und den Einzelnen übermäßig kontrollieren.“
Von Abneigung bis Angstzustand

Die Abneigung gegen jedwede Religion sei bei manchen „so stark, dass man sie auch als Angstzustand beschreiben kann“, sagte der Religionssoziologe und verwies dazu etwa auf den britischen Wissenschaftler und Atheisten Richard Dawkins.
http://religion.orf.at/stories/2766749/
Zuletzt geändert von Novas am Fr 29. Apr 2016, 12:44, insgesamt 1-mal geändert.

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