Das macht Sinn, klärt aber nicht die Frage, ob das Rohmaterial selber Vorstellung oder "echt" ist.Thaddäus hat geschrieben:Dieses rohe und ganz und gar unspezifzierbare Material wird erst durch die Kategorien unseres Verstandes und die Urteile unserer Vernunft zu Etwas.
Das sehe ich wirklich anders, weil die Aussage, die "Res cogitans" könne nur das Ich als zweifelsfrei erkennen, impliziert, dass etwas anderes NICHT zweifelsfrei erkannt werden kann.Thaddäus hat geschrieben:Vor allem solltest du erst einmal akzeptieren, dass dies eine erkenntnistheoretische Frage ist, die nicht im Zentrum von Descartes Untersuchungen steht, sondern nur am Rande und innerhalb seines methodischen Zweifelns auftaucht.
Es ist also impliziert, dass die naturalistische Wirklichkeit NICHT zweifelsfrei erkannt werden kann - dabei nur den epistemologischen Aspekt, aber nicht den ontologischen Aspekt heraus zunehmen, ist willkürlich.
Aber das stimmt doch auch nur deshalb, weil er die naturalistische Wirklichkeit als "echt" setzt. Nach meinem Verständnis geht er von einer NICHT hinterfragten "echten" naturalistischen Wirklichkeit aus und fragt DANN, ein Hirn im Tank unterscheidbar ist - mit dem Ergebnis JA.Thaddäus hat geschrieben:Und Putnam beweist in einem komplizierten sprachlogischen Beweis, dass wir nicht lediglich Gehirne in einem Tank sein können, denen die Welt nur als Simulation vorgegaukelt wird.
Wie würde es aussehen, wenn er ergebnisoffen herangehen würde? Dann müsste er auch den Fall annehmen, dass bis auf das Cogito alles unsichere Vorstellung ist, müsste also auch aus geistiger Sicht fragen: "Kann man aus geistiger Sicht nachweisen, dass die Wirklichkeit auch naturalistisch echt sein kann?" - Was käme dann raus? Zumindest nicht notwendig dasselbe wie in seinem Versuch.
Darin sind wir uns ja einig. - Aber dieser Beweis geht nur beim "Cogito" - er ginge bspw. nicht beim Mond oder bei der Sonne.Thaddäus hat geschrieben:Das Cogito wird bei Descartes zum fundamentum inconcussum, weil es am Ende allen methodischen Zweifelns logisch unmittelbar evident ist, dass Der- oder Dasjenige, welches an allem zweifelt, nicht daran zweifeln kann, dass es zweifelt.
Doch - Gott selbst wird als existent gesetzt und mit Eigenschaften bedacht, die er haben müsse. - Ich stimme übrigens Descartes hier inhaltlich voll zu - das war auch mein Weg, um Gott zu definieren und darauf hin die Bibel zu lesen.Thaddäus hat geschrieben:Einfach gesetzt wird in dieser Argumentation gar nichts, auch dann nicht, wenn man sie für falsch hält.
ABER: Sage das mal einem modernen Agnostiker - er wird fragen: "Warum setzt Du überhaupt Gott? - Wir können alles auch so erklären". - Mit anderen Worten: Naturlich setzt Descartes etwas.
Eigentlich schon - denn es geht doch nicht nur um Philosphisch-Wissenschaft, sondern auch um Philosophie.Thaddäus hat geschrieben:Das steht nicht zur Debatte.
Wenn er das selber so gemeint hat, würde ich ihm auch nicht zustimmen. - Verstanden habe ich ihn immer so, dass er christlich argumentiert, also aus der Grundlage, dass Materie ohnehin Folge von Geist ist, es sich also um verschiedene Aggregatszustände desselben handelt.Thaddäus hat geschrieben:Der ontologische Grundgedanke Descartes ist, die Welt in res cogitans und res extensa aufzuteilen, die substanziell nichts miteinander zu tun haben.
Deshalb schließt sich die Frage an:
Wird ihm sein "katastrophaler ontologischer Fehler" angelastet, weil er es so verstanden hat oder er so verstanden wird. Eine Antwort weiss ich nicht, erneuere aber meinen immer stärker werdenden Verdacht, dass Descartes grundsätzlich unter epistemonologischen Gesichtspunkten verstanden wird, was impliziert, dass man materialistisch unterstellt, dass die naturalistische Wirklichkeit selber in ihrer "Echtheit" gar nicht in Frage gestellt werden kann. - Dies aber bedeutet aus meiner Sicht, dass man damit Descartes seine Zähne zieht - wäre Descartes das, was Du unter ihm verstehst, würde mich das langweilen - ein Vorläufer der Aufklärung so wie Nils Bohr ein Vorläufer der modernen Physik war. - Geschichte.
Aus meiner Sicht jedoch ist Descartes bei konsequentem Durchdenken des "Cogito" als EINZIGE sichere Wahrnehmung den heutigen ontologischen Auffassungen voraus, die anscheinend gar nicht auf die Idee kommen, die materielle Welt als solche in Frage zu stellen. - Da war aus meiner Sicht Descartes weiter (und hat ja, wie wir beide wissen, trotzdem an eine materielle Welt geglaubt - aber eben GEGLAUBT).
Theologische Analogie:
Descartes erkennt wie Hiob/heute erkennt man wie die Freunde Hiobs.
Deswegen setzt Descartes "Gott" UND verbindet mit ihm (sehr gut nachvollziehbare) Eigenschaften, die zu seinen Schlussfolgerungen führen. - Lässigerweise ist es aus meiner Sicht relativ egal, wo genau bei einer Setzung die Setzung als solche benennt - aber da darfst Du mich schlampig nenne. - Substantiell ändert sich nichts.Thaddäus hat geschrieben:weisen sie explizit darauf hin und achten darauf, dass das, was sie setzen, logisch so unmittelbar einleuchtend und evident wie möglich ist.
Nochmals:
HEUTE würde man Gott NICHT brauchen - mit anderen Worten: Gott ist eine Setzung, sondern wäre er argumentativ nicht ersetzbar (etwa durch die Gegensetzung: "Der Ursprung des Universums ist die (physikalische) Evolution selbst" - oder so ähnlich.
Das ist jetzt Sprach-Gestocher - wollen wir es "nicht-falsifizierbare Annahme" nennen? - Ich bin sprachlich ganz offen.Thaddäus hat geschrieben:Nein, denn eine Setzung und eine Annahme sind nicht dasselbe. Eine Setzung wird nicht weiter begründet
OK - dann meinen wir wirklich etwas anderes. - Wie würdest Du eine "Setzung" nennen, die sich dadaurch auszeichnet, dass sie NICHT falsofizierbar ist? - Etwa:Thaddäus hat geschrieben:(so z.B. die theoretische Annahme Wolfgang Paulis, es müsse Neutrinos geben, was schließlich empirisch auch bewiesen wurde
* Es gibt Gott.
* Geist ist Folge aus Materie.
* Materie ist Folge aus Geist.
* etc.
Also Ausgangspunkte weltanschaulicher Art, die nicht ersetzbar sind durch "nichts", also in irgendeiner Form sein müssen, weil jede Argumentation auf einer Basis beruht.
Erfreulich ist es wirklich nicht, geht aber weit über Befindlichkeiten hinaus.Thaddäus hat geschrieben:Diese Aussage bedeutet in Wahrheit, dass du frustriert darüber bist, dass die Philosophie deine Überzeugungen nicht bestätigt.
Auch Dein Post hier reiht sich ein in Gesamtbild, das grob umschreibbar wäre wie folgt:
Die heutige Philosophie geht (bewusst oder unbewusst?) davon aus,
* dass das, was wir als naturalistische Welt bezeichnen, NICHT Vorstellung sein KANN, sondern "echt" sein MUSS.
* dass das, was wir Geist nennen, Produkt der Materie sein MUSS.
* dass Gott keine wahrnehmungs-unabhängige Größe ist (folglich vor 3 Milliarden Jahren nicht existiert haben kann), sondern Folge von Wahrnehmung ist.
Auf dieser Basis interpretiert man bspw. Descartes rein unter epistemologischen und NICHT unter ontologischen Gesichtspunkten - zieht ihm also die Zähne. - Auf dieser Basis untersucht man "Dualismus" - und kommt (natürlich sogar zu Recht) zu den einschlägig bekannten Urteilen. - Auf dieser Basis liest man die Bibel (HKM) - und kommt (natürlich sogar zu Recht) zu den einschlägig bekannten Urteilen.
In sich geschlossen ist das alles ok - ein Philosophie-Historiker in 200 Jahren wird dann sagen: "Ja, damals hat man folgendes angenommen/gesetzt und daraus in sich schlüssige Schlüsse gezogen, welche zum entsprechenden Weltbild geführt haben". - So weit alles im grünen, bestenfalls gelben Bereich.
In den roten Bereich gerät es aus meiner Sicht, wenn man sie heute einredet, die eigene Philosophie sei setzungs-frei, da sie sich auf allgemein anerkannte Parameter stütze (meinetwegen "Ratio im Sinne Kants") - verkennend, dass das "allgemein Anerkannte" doch gerade Setzungs-Folge ist. - Denn dann ist der nächste Schritt: "Wenn wir setzungsfrei philosophieren, haben wir eine objektive, also prinzipiell nicht verbesserbare Philsophie". - Und das ist nun Selbst-Immunisierung vom Feinsten.
Es scheint heute keine Philosophie zu geben (nachdem, was hier im Forum angedeutet wird und was man sonst so hört), die sich in die Lage versetzen WOLLTE, EIGENEN Grundlagen in Frage zu stellen. - Mit dem Ergebnis, dass man sich über philosophische und spirituelle Einsichten der Vergangenheit stellen kann, selbst wenn diese einem voraus sind. - Puuh.
Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren - dazu müsste aber ein Paradigmenwechsel für mich erkennbar sein.