Alles Teufelszeug? II

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sven23
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#1191 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » Sa 9. Apr 2016, 20:56

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und zu diesem Zweck stand dichterische Freiheit höher im Kurs als historische Wahrheit.
Dies sieht Thiede insofern anders, dass er die Evangelien als vergleichsweise sehr historische Werke versteht - ich kann es nicht beurteilen..
Thiede sagt, dass es "absichtslose, tendenzfreie und propagandafreie Literatur" nicht gegeben hat. Von Objektivität im heutigen Sinn kann man in keinem Fall ausgehen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es gibt nur Abschriften.
Eben - das kann doch heißen, dass diese Abschriften auf Quellen aus meinetwegen 40 n.Chr. zurückgegriffen haben. - Und dann ist naheliegend, dass sie in der Hype-Zeit der naherwartung geschrieben wurden.
Auch Abschriften kann man verändern und das wurde ja auch gemacht. Doch im Falle der Naherwartung schreckte man anfangs sicherlich davor zurück, weil die Verkündigung des nahen Gottesreiches wohl zur Kernbotschaft Jesu gehörte und man sie nicht einfach ignorieren oder umdeuten konnte. Und theoretisch bestand ja noch eine kleine Hoffnung, dass sich die Botschaft noch zu Lebzeiten erfüllen konnte.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Höchstens als Vorgriff des nahen, hereinbrechenden Gottesreiches.
Nachvollziehbar, aber nur EINE Interpretation. - Es wird mir immer noch zu wenig berücksichtigt, dass Jesus etwas ganz Neues entgegen dem Hype gesagt hat - was DANN (und nur dann) plausibel ist, wenn er wirklich göttlichen Wesens ist. - Anders gesagt: Wäre Jesus nur ein Wanderprediger gewesen, würde ich Dir insgesamt recht geben - DAFÜR ist die HKM wirklich das Mittel der Wahl.
Egal, wer er war. Die Quellenlage gibt nichts anderes her.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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closs
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#1192 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Sa 9. Apr 2016, 21:23

sven23 hat geschrieben:Von Objektivität im heutigen Sinn kann man in keinem Fall ausgehen.
Ja - es gab keine Geschichtsschreibung im heutigen Sinne - das gilt auch für den Bellum Gallicum, obwohl er zum Teil historisch sehr genau ist.

sven23 hat geschrieben:Auch Abschriften kann man verändern
Natürlich - ist ja auch passiert.

sven23 hat geschrieben: Doch im Falle der Naherwartung schreckte man anfangs sicherlich davor zurück, weil die Verkündigung des nahen Gottesreiches wohl zur Kernbotschaft Jesu gehörte und man sie nicht einfach ignorieren oder umdeuten konnte.
Aber dann vielleicht doch schlau geworden ist und die Irrigkeit der frühen Rezeption verstanden hat - das wäre die andere Interpretation.

sven23 hat geschrieben:Egal, wer er war. Die Quellenlage gibt nichts anderes her.
Schlicht falsch. - Du willst nicht verstehen, dass die Quellenlage bei entsprechender Interpretation beides hergibt.

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Münek
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#1193 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Münek » So 10. Apr 2016, 02:36

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Egal, wer er war. Die Quellenlage gibt nichts anderes her.
Schlicht falsch. - Du willst nicht verstehen, dass die Quellenlage bei entsprechender Interpretation beides hergibt.

Erzähle doch bitte keinen Unsinn.

Die von DIR gewünschte, bevorzugte, favorisierte, glaubensgeprägte "Interpretation" biblischer Schriften findest Du in Reinkultur in den dogmatischen Glaubenslehren der Katholischen Kirche. Die theologische Wissenschaft lässt sich hin-
gegen nicht in ein ideologisch-hermeneutisches Glaubens-Gefängnis sperren, aus dem es mangels Widerspruchsmöglich-
keit kein Entrinnen mehr gäbe.


Glaubenswünschen und -vorstellungen wird kein Zutritt zum wissenschaftlichen Bereich gestattet.
Dogmatiker sollen gefälligst in ihrem Glaubens-Sandkasten spielen, bis die Mutti sie zum Abendes-
sen ruft. Im wissenschaftlichen Sandkasten haben sie mangels Kompetenz absolut nichts zu suchen.

Da kann Ratzinger vom "Antichristen" faseln oder Berger die Zertrümmerung des Glaubens beklagen. Alles nur dummes Zeug!

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sven23
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#1194 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » So 10. Apr 2016, 07:27

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Auch Abschriften kann man verändern
Natürlich - ist ja auch passiert.
Und nicht zu knapp.

"Wie die Textgeschichte lehrt, wurde am meisten und vor allem absichtlich in der ältesten Zeit geändert, weil nämlich die Evangelien, wie wir gleich sehen werden, fast ein Jahrhundert lang gar nicht als heilig und unantastbar gegolten haben. Man strich und setzte zu, paraphrasierte und erging sich in der Ausmalung von Details, man erzählte überhaupt mehr nach, als dass man korrekte Kopien lieferte. Bis gegen 200 verfuhr man mit den Evangelien nach Bedarf und Geschmack. Doch haben sie auch spätere Abschreiber noch verändert, neue Wunder eingefügt oder die vorhandenen weiter gesteigert.
Um der heillosen Verwilderung ein Ende zu machen, beauftragte im Jahre 383 Bischof Damasus von Rom den Dalmatiner Hieronymus, mit der Herstellung eines einheitlichen Textes der lateinischen Bibeln, von denen auch nicht zwei in längeren Abschnitten übereinstimmten. Der päpstliche Sekretär änderte dabei den Wortlaut der Vorlage, die er als Basis für seine "Berichtigung" der vier Evangelien benutzte, an etwa 3500 Stellen. Diese Übersetzung des Hieronymus, die Vulgata, die allgemein Verbreitete, von der Kirche jahrhundertelang abgelehnt, wurde im 16. Jahrhundert auf dem Konzil von Trient für authentisch erklärt."

Quelle: Glauben&Wissen

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Doch im Falle der Naherwartung schreckte man anfangs sicherlich davor zurück, weil die Verkündigung des nahen Gottesreiches wohl zur Kernbotschaft Jesu gehörte und man sie nicht einfach ignorieren oder umdeuten konnte.
Aber dann vielleicht doch schlau geworden ist und die Irrigkeit der frühen Rezeption verstanden hat - das wäre die andere Interpretation.
Den Irrtum der Jesusworte hat man erkannt. Das nennt man dann Parusieverzögerung.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Egal, wer er war. Die Quellenlage gibt nichts anderes her.
Schlicht falsch. - Du willst nicht verstehen, dass die Quellenlage bei entsprechender Interpretation beides hergibt.
Eben nicht, es sei denn man verwendet hier in unzulässiger Weise die kanonische Exegese. Das tut aber kein ernst zu nehmender Forscher der Leben-Jesu-Forschung.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#1195 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » So 10. Apr 2016, 09:58

Münek hat geschrieben:Die von DIR gewünschte, bevorzugte, favorisierte, glaubensgeprägte "Interpretation"
Wenn eine Untersuchungsmethode in sich die Setzung hat, dass etwas unseren heute bekannten Naturgesetzen Widersprechendes nicht historisch passiert sein könne ("leibliche Auferstehung"), ist eine "glaubensgeprägte 'Interpretation' " automatisch die Folge. - Wir sprechen also nicht von "glaubensgeprägt" versus "ergebnisoffen", sondern von "glaubensgeprägt 1" versus "glaubensgeprägt 2".

sven23 hat geschrieben:Und nicht zu knapp.
Einverstanden - und vor allem bekannt. - Die Frage wäre nun: Welche Version, egal ob alt oder nein, sind authentisch zu dem, was Jesus gemeint hat? - Und diese Frage lässt sich per Altersanalyse eben NICHT entscheiden.

sven23 hat geschrieben:Den Irrtum der Jesusworte hat man erkannt.
Nein - man hat ihn nicht erkannt, sondern interpretiert.

sven23 hat geschrieben:Eben nicht, es sei denn man verwendet hier in unzulässiger Weise die kanonische Exegese.
Et tu, Brute. - Auch hier stehen Glaube gegen Glaube - con variazione. - Denn wenn man setzt, dass durch "normale" literarische Texte herausgearbeitete Analogie-Regeln auch für einen einmaligen historischen Vorgang ("Gott kommt auf die Welt") gelten, werden damit Ergebnisse präjudiziert.

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#1196 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » So 10. Apr 2016, 10:40

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und nicht zu knapp.
Einverstanden - und vor allem bekannt. - Die Frage wäre nun: Welche Version, egal ob alt oder nein, sind authentisch zu dem, was Jesus gemeint hat? - Und diese Frage lässt sich per Altersanalyse eben NICHT entscheiden.
Eigentlich doch. Je näher man zeitlich ran kommt, desto größer die Wahrscheinlichkeit einer noch nicht völlig verfälschten Version.
Wie würde amazon dazu sagen: Gläubige, die glauben, dass man mit zeitlicher Entfernung vom Original näher an das Original kommt, die glauben auch, dass der Weihnachtsmann die Ostereier bringt oder dass Zitronenfalter Zitronen falten. :lol:


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Eben nicht, es sei denn man verwendet hier in unzulässiger Weise die kanonische Exegese.
Et tu, Brute. - Auch hier stehen Glaube gegen Glaube - con variazione. - Denn wenn man setzt, dass durch "normale" literarische Texte herausgearbeitete Analogie-Regeln auch für einen einmaligen historischen Vorgang ("Gott kommt auf die Welt") gelten, werden damit Ergebnisse präjudiziert.
Nein, wenn man sauber mit der historisch-kritischen Methode arbeitet - wie das ja auch in der Forschung gemacht wird - dann kommt man zu diesem Ergebnis, unabhängig davon, ob der Forscher gläubig ist oder nicht. Die Ergebnisse sind transparent und logisch nachvollziebar, auch für einen Laien.
Dass die Ergebnisse nicht jedem gefallen, ist eine ganz andere Geschichte. Dafür sind aber nicht die Untersuchenden verantwortlich, sondern die Quellen, die nun mal so sind, wie sie sind.
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#1197 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » So 10. Apr 2016, 11:21

sven23 hat geschrieben: Je näher man zeitlich ran kommt, desto größer die Wahrscheinlichkeit einer noch nicht völlig verfälschten Version.
Das ist auch prinzipiell richtig:

Quelle 1: Urquelle = Autograph = Original (die Abschrift des originären Verfassers - wäre hier: Jesus-Evangelium)
Quelle 2: 50 Jahre später. - Jemand schreibt ab und "verbessert" das, was er meinetwegen nicht versteht und so "verbessert", dass es jetzt nach seiner Ansicht verstanden wird.
Quelle 3: 100 Jahre später und auf Basis von Quelle 2: Man schreibt wieder ab und es ist wieder nicht identisch mit der Vorlage. - Logisch, dass Quelle 2 dann authentischer ist als Quelle 3.

Das ist die Regel (wie man mit der Zeit aus vielen Beispielen aus der HKM weiss), weshalb eine Analogie-Bildung bei anderen, neuen Beispielen naheliegend ist:
"Wir haben 5 Quellen aus den Jahren 50, 70, 120, 150 und 180 n.Chr. - die damit einhergehenden Änderungen deuten wir so, dass sich eine jüngere immer un-authentischer ist als eine ältere Quelle". - Wirklich naheliegend - so war es bei uns in den Literaturwissenschaft auch.

Aber es ist kein Automatismus. - Denn wir hatten auch mal in den Literatur-Wissenschaften folgenden Fall:
Quelle 1: Urquelle = Autograph
Quelle 2: 50 Jahre später. - Der Schreiber hat ein dezidiertes Interesses, sachliche Änderungen vorzunehmen. - Vielleicht war es ein Mönch, der Sex-Szenen im Text streichen wollte :lol: .
Quelle 3: 100 Jahre später, aber auf Basis von Quelle 1: Jemand hat dieses Interesse des Mönchs NICHT und lässt diese Szenen drin - und ist somit authentischer zum Urtext als die ältere Quelle 2.

Solche Fälle gibt es - UND: Die HKM hat solche Sachen normalerweise im Griff - zumindest weiss sie um solche Möglichkeiten. - Also auch hier ein Hoch auf die HKM. - So - bei der Bibel haben wir aber einen ganz besonderen Fall:

Quelle 1: Autograph. - Gibt's nicht - das Original hat nichts geschrieben.
Geistiger Hintergrund: Es geht hier nicht nur um ein literarisches Werk, sondern um einen gesellschaftlichen/religiösen Paradigmen-Wechsel, der nicht auf Anhieb verstanden wird. - Es wird also darum gerungen: Was ist eigentlich damit gemeint? - Was hat er gemeint? - Was soll das mit "Erlösung"? - Wer war Jesus eigentlich? - Was hat das alles zu bedeuten.

Quelle 2: Das könnte die Quelle "Q" sein. - Gibt es nicht, könnte aber mal gefunden werden.
Quelle 3: Eine Abschrift, in der der Verfasser das Gehörte (life von Jesus von gehört von Jüngern, die Jesus gehört haben) niederschreibt sowie das, was nach dessen Tod passiert, gedacht und von Evangelisten/Jüngern geschrieben wurde, nach seinem Verständnis interpretiert.
Quelle 4: Beschäftigung damit und geistige Verarbeitung desselben - also im Grunde eine Mischung aus Abschrift und Interpretation.
Quelle 5: Abschrift mit bewusster Absicht der Fälschung in diese oder jene Richtung.
Quelle 6: Abschrift auf Basis Q5 oder Q3 oder sonstwas. - Ab hier läuft es dann "normal" weiter.

Das Besondere hier:
Die Analogie "je älter, desto authentischer" kann hier genau falsch gedacht sein, weil die Verfasser erst mit der Zeit gecheckt haben, was das eigentlich geistig zu bedeuten hatte, was Jesus gemeint hat. - Und was wäre "Authentizität" anderes als Übereinstimmung mit dem Original Jesus?

Wie die HKM solche Konstellationen inhaltlich auflösen soll, ist mir ein Rätsel. - Bis auf weiteres sage ich: Sie KANN es nicht lösen, weil ihre eigenen Regeln dies nicht zulassen können. - Und das ist dann die Stunde der kanonischen Exegese - oder um es zu entschärfen: der spirituellen Fraktion.

Insofern immer wieder mein Plädoyer: HKM und kanonische Exegese müssen Hand in Hand arbeiten, weil keiner der beiden alles leisten kann, was zur authentischen Entschlüsselung der Bibel nötig ist.

sven23 hat geschrieben: unabhängig davon, ob der Forscher gläubig ist oder nicht
"Gläubig" muss man nicht sein - aber man muss in spirituellen Dimensionen "daheim" sein können.

sven23 hat geschrieben:wenn man sauber mit der historisch-kritischen Methode arbeitet - wie das ja auch in der Forschung gemacht wird - dann kommt man zu diesem Ergebnis
Dann hat man halt das Ergebnis einer Methodik - manche interessiert aber auch, wie es WIRKLICH gewesen sein könnte. :)

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sven23
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#1198 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » So 10. Apr 2016, 11:54

closs hat geschrieben: Insofern immer wieder mein Plädoyer: HKM und kanonische Exegese müssen Hand in Hand arbeiten, weil keiner der beiden alles leisten kann, was zur authentischen Entschlüsselung der Bibel nötig ist.
Nein, das wird nichts, deshalb lehnt die Forschung das ja auch ab. Dann kommt nämlich genau das heraus, was man bei Glaubensdogmatikern immer wieder beobachten kann: pure Willkür im Sinne der eigenen Glaubensdogmatik.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: unabhängig davon, ob der Forscher gläubig ist oder nicht
"Gläubig" muss man nicht sein - aber man muss in spirituellen Dimensionen "daheim" sein können.
Da in der Forschung Theologen arbeiten, kann man schon davon ausgehen. Es sind ja nicht alles Atheisten, die aus purer Boshaftigkeit dem Papst in die Suppe spucken wollen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:wenn man sauber mit der historisch-kritischen Methode arbeitet - wie das ja auch in der Forschung gemacht wird - dann kommt man zu diesem Ergebnis
Dann hat man halt das Ergebnis einer Methodik - manche interessiert aber auch, wie es WIRKLICH gewesen sein könnte. :)
Das interessiert die Leben-Jesu-Forschung auch. Dazu ist aber nur die historisch-kritische Methode geeignet.
Die kanonische Exegese interessiert sich nur für die Rezeption und nicht den ursprünglichen Sinn eines Textes. Und wie du selbst sagst, ist das ganze Neue Testament ja nur Rezeption. Mit kanonischer Exegese kommt man da nicht weiter.
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#1199 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » So 10. Apr 2016, 18:07

sven23 hat geschrieben:Nein, das wird nichts
Das heisst, dass die HKM darauf verzichtet, die Bibel substantiell auszulegen - ob das so gemeint ist?

sven23 hat geschrieben:Da in der Forschung Theologen arbeiten, kann man schon davon ausgehen.
Nicht unbedingt. - Die Aussage von Linnemann, dass er etwas anderes als wirklich glaubt, als was er aus methodischen Gründen bei der HKM herausbringt, spricht Bände. - Da ist wohl Thaddäus zuzustimmen, dass die HKM tatsächlich setzt, dass eine Verletzung unseres Natur-Verständnisses ("Naturgesetze") aus methodischen Gründen von vorneherein auszuschließen sei.

sven23 hat geschrieben:Dazu ist aber nur die historisch-kritische Methode geeignet.
So weit ihre Methodik trägt.

Anton B.
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#1200 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Anton B. » So 10. Apr 2016, 20:21

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Solange Du Deinen "ontologischen" Ansatz einer gegebenen Realität als closs'sche Setzung folgst, werden wir wohl sprachlich und inhaltlich nie zusammen kommen.
Das ist nicht ganz korrekt formuliert: Mein Ansatz ist nicht, dass - bspw. - die leibliche Auferstehung "Realität" im wörtlich Sinne ist, sondern dass es die Wissenschaft nicht erkennen könnte, selbst wenn es so wäre. - Und da ist mein Axiom: Das, was ist (egal, was) steht über den Erkennungs-Möglichkeiten von welchen Methodiken auch immer. - DAS ist die "closs'sche Setzung" - sonst nichts.
Aber mit "Das, was ist (egal, was) steht über ..." hast Du doch inhaltlich wieder genau das ausgedrückt, was auch ich als "closs'sche Setzung" bezeichne. Ich habe es doch allerhöchstens etwas anders formuliert.

Die Wissenschaften, auch die Naturwissenschaften, um da mal etwas tiefer darauf einzugehen, setzen nichts derartiges voraus. Ausgehend von dem Wissensbegriff und dem, was wir als Eigenschaften daraus abgeleitet haben, werden "stabile Beobachtungen" gefordert. Wie die zustande kommen, ob etwas Stabiles wirklich dahinter steht, ist völlig offen. Es kann so sein, muss aber nicht. Möglicherweise konstruieren wir uns auch "stabile" Beobachtungen zusammen, beziehungsweise interpretieren manche Beobachtungen so, dass sie uns stabil erscheinen. Und weil das logisch-philosophisch erkannt und begründet wurde, können wir aus unseren stabilen Beabachtungen nicht direkt auf eine stabile Realität dahinter schließen. Höchstens indirekt, und das wird auch tatsächlich durch Philosophen versucht.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Außerdem scheint mir, Du nutzt das Konstrukt "Realität" als Vehikel, um zu einer "vereinheitlichten" Theorie von Glaube und Wissenschaft zu kommen.
Wirklich nicht - mir geht es eigentlich darum, dass es diese Theorie aus methodischen Gründen nicht geben kann, sich das, was dann aber wirklich "ist", nicht darum schert.
Genau! Du "setzt" etwas "Höheres", was erkannt werden will. Daran sollen sich die verschiedenen Disziplinen und Methoden versuchen. Und manche Methoden, so stellt sich dann heraus, können dieses Höhere nicht erkennen, sind da limitiert. Aber wenn sich eine geeignete Methode fände, dann wäre das Höhere erkannt, die Wahrheit offen gelegt, und die Trennung zwischen Wissenschaft und Glaube egalisiert. Das ist das Denken, welches ich aus Deinen Beiträfgen heraus lese.

closs hat geschrieben:Ich habe angeregt, dass die HKM die Schlussfolgerungen aus Quellen-ERkenntnissen unter zwei Prämissen zieht:
a) Was wären dei Schlussfolgerungen, wenn Jesus NICHT leiblich auferstanden wäre? (Das Szenario eines möglichen "es ist so")
b) dito wenn er leiblich auferstanden wäre (Gegenszenario)

Und da vermute ich stark, dass die Schlkussfolgerungen DERSELBEN HKM mit DERSELBEN Methodik unterschiedlich wären.
Die HKM macht da als Wissenschaft aber eben weder die eine noch die andere Prämisse. Sie nimmt aus anderen Disziplinen die Nicht-Verfügbarkeit der Modelloption einer leiblichen Auferstehung entgegen und arbeitet damit. Das magst Du genauso als Prämisse bezeichnen, wie das Wachsen von Olivenbäumen, die Handlung im Nahen Osten, die Oxidation von elementarem Eisen unter Sauerstoff und Wasserzufuhr zu Eisen-Hydroxiden usw. usf. Im Rahmen alleine der HKM magst Du all dies "Prämissen" nennen, mit den anderen Wissenschaften und deren Wissen dabei sind es aber für die HKM anderenorts gerechtfertigte Prämissen.

closs hat geschrieben:Ich halte diesen Ansatz für angebracht; denn die jetzige Setzung der HKM, die leibliche Auferstehung könne eh nicht stattgefunden haben, weil sie gegen Naturgesetze verstößt, ist genauso dogmatisch wie Ratzis Glaubensentscheidung in gegenteilige Richtung.
Nö und nochmals nö! Als Wissenschaft muss sich die HKM konsistent in die anderen Wissenschaften einfügen. Die Geologie schiebt auch nicht das physikalische, chemische und biologische Wissen beiseite, genau so wie es die Chemie nicht bezüglich des physikalischen Wissens macht. Nach Deinem Verständnis gibt es überall nur Dogmatismus.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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