closs hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben:Plausibilität ist nicht von weltanschaulichen Maßstäben abhängig, sondern sie IST selbst der Maßstab.
Das geht doch gar nicht. - Deine Begründung, dass "plausibel" stehe für "vernünftig nachvollziehbar", etc. setzt doch voraus, dass "etwas" begründet "vernünftig nachvollziehbar", etc. ist. - Und diese Begründung ist doch gerade eben weltanschaulich bedingt.
Ihr habt beide sowohl Recht als auch Unrecht, aber in verschiedener Hinsicht.
Der Begriff "plausibel" hat sich eingebürgert auf der Basis der Vernunft, nicht auf der Basis einer Weltanschauung.
Soweit hat Thaddäus Recht.
Aber diese Einbürgerung beruht auf Übereinkunft der Bürger: es wurde festgelegt - durch den Gebrauch -, was als plausibel zu gelten hat, was nicht.
Es wurde sprachlich geregelt. Insofern hat closs Recht. Plausibilität gibt es nicht ohne Bezugspunkt.
Aber diese "Übereinkunft der Bürger" muss nachgewiesen werden. Es kann nicht jemand kommen und sagen: 'ich verstehe unter "plausibel" aber, dass Gott eine Frau ist', - nur weil es ihm selber plausibel erscheint.
Wenn jemand sich auf Logik bezieht, dann muss er diese Regeln anwenden. Er kann sie nicht nach Belieben brechen und dafür eine Mehrheit in Anspruch nehmen, die er nur behauptet, sich möglicherweise nur wünscht, aber nicht belegt.
Aber selbst die Regel "auf der Basis der Vernunft" muss erst geregelt haben, was "Vernunft" ist. Und diese Regelung geschieht in jahrhundertelangen Prozessen. Sie ist den meisten in Fleisch und Blut übergegangen, daher empfindet er sie möglicherweise als selbsterklärend.
Selbsterklärend ist der Begriff aber nicht. Er ist nur eben von den Bürgern - durch den Gebrauch - geklärt worden.
Hinzu kommt, dass ein introvertierter Mensch - und noch mehr ein zum Autismus neigender Mensch - ganz andere Plausibilitäten erkennt als einer, der sich leicht an die stillschweigenden Übereinkünfte der Bürger anpasst.
closs hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben:...
Nehmen wir unser Beispiel:
Aus naturwissenschaftlicher/säkularer/materialistischer/etc. Sicht (suche Dir das Dir als am besten geeignet erscheindende Wort aus) ist es unplausibel, dass Jesus leiblich auferstanden ist - dies trifft auf meine uneingeschränkte Zustimmung. - Aus spiritueller/christlicher/gesamt-kanonischer/systematischer/etc. Sicht ist es dagegen plausibel.
Hier müsste man sorgfältig argumentieren.
Zum einen: Es gibt keine "christliche Sicht". Soviel Denkgenauigkeit muss sein. Es gibt nur viele unterschiedliche Sichtweisen der Christen.
Wem und wie vielen es "plausibel" erscheint, dass Jesus leiblich auferstanden sei, müsste erst überprüft werden, bevor man in unsauberer Argumentation und ohne Untersuchung irgendetwas behauptet.
Ich halte es für ausgeschlossen, dass es der Mehrheit der Christen "plausibel" erscheint, denn auch Christen leben in einer Gesellschaft, wo es Übereinkünfte gibt.
Ich halte es allerdings für nicht ausgeschlossen, dass oben erwähnte sehr stark introvertierte oder zum Autistischen neigende Menschen
- zum einen ganz andere Dinge für plausibel halten als Normalverbraucher, die von ihrer Natur her gesellschaftliche Konventionen leichter und genereller zum eigenen Maßstab nehmen
- zum zweiten ihr ganz eigenes Verständnis von Plausibilität anderen automatisch unterstellen.
Wenn man weiterhin berücksichtigt, dass es ganze Kulturen gibt, die mehr introvertiert ausgerichtet sind, andere - wie die unsere - extrem extravertiert ausgerichtet sind, dann kommen verschiedene generalisierte Auffassungen von "Plausibilität" entsprechend in verschiedenen Kulturen vor.
Zieht man weiter in Betracht, dass introvertierte Kulturen selbstredend auch extravertierte Menschen in ihrer kulturellen Gemeinschaft haben, so wie umgekehrt eine extravertierte Kultur selbstredend auch introvertierte Menschen in ihrer kulturellen Gemeinschaft hat:
dann ist klar, dass nur die sich in iherer Kultur - und in ihrem Zeitalter - heimisch fühlen, wo die beiden Veranlagungen jeweils deckungsgleich sind.
Ansonsten sind sie in ihrer eigenen Heimat Fremdlinge. Und werden oft auch als solche angesehen.
Insofern kann ich mir zumindest vorstellen und vor Augen führen, dass ein zum Autismus neigender Mensch es als völlig plausibel ansieht, dass Jesus leiblich auferstanden ist. Die Innenwelt ist ihm deutlicher und plastischer als die Außenwelt.
In einer extravertierten Kultur muss er lernen, dass "draußen" andere Plausibilitätsvorstellungen herrschen, er muss das lernen wie Vokabeln.
Seine "Vernunft" ist eine andere. Er findet die Auferstehung mögicherweise so normal wie andere einen Sonnenaufgang.
Sehr deutlich möchte ich sagen, dass ich Autismus oder auch Vorstufen dazu in keinster Weise als "psychische Störung" ansehe - so wenig wie das Frausein eine Störung ist oder die Homosexualität.