Alles Teufelszeug? II

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Savonlinna
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#961 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Savonlinna » So 3. Apr 2016, 13:53

SilverBullet hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Ich habe schon manchmal scharf gegen Dich geschossen
Machen wir uns nichts vor, das wird auch demnächst wieder so sein.
(Betrachten wir dies also nur als kleines Intermezzo)
Ich bin immer heilfroh, wenn ich Übereinstimmungen entdecke. Dann kann ich auch die Unstimmigkeiten besser einordnen - sie bekommen dann einen Kontext für mich.

SilverBullet hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Die Kanonbildung war - und ist - verbale Gewalt!
Gewalt gegen Frauen - die man ausgeschlossen hat aus der Meinungsbildung
Ja, verbale Gewalt, also „Gewalt durch Verteilung von Wertigkeit“, mit der die Stellung der Frau hinuntergedrückt wird.
Die der Frauen und insgesamt Andersdenkender.

Da ich mich gerade mit der Sicht der heutigen katholischen Theologie bezüglich wissenschaftlicher Forschung auseinandersetze, ist es für mich von Bedeutsamkeit, dass gerade von katholischen Professoren - und Professorinnen! - diese Gewalttätigkeit des Kanons in den Fokus geraten ist und Neuansätze formuliert werden.

Ich bin kein Mensch, der ewig in den Wunden pult, sondern nach vorne schaut: Wo sehe ich Ansätze, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen, sondern eine neue Basis zu etablieren.

SilverBullet hat geschrieben:Wenn wir wollen, können wir es also „live“ nachempfinden, wie „schön“ es ist, von einem „Meinungs-Weltbild“ (mit Absolutheitsanspruch) beherrscht zu werden – wahrlich, wahrlich, eine feine Sache…
Ich gebe Dir auf jeden Fall darin Recht - falls Du es so gemeint hast -, dass jeglicher verbale Anspruch auf Absolutheit unweigerlich Gewalt praktiziert.
Auch die Sehnsucht nach Absolutheit ist eine Sehnsucht nach Gewalt.

SilverBullet hat geschrieben:Man muss bedenken, dass keiner dieser Religionssportler jemals wusste, was „Gott“ sein soll.
Keiner konnte/kann „an Gott“ glauben – sie waren/sind nur der Meinung, dass sie es können und dass ihre „Ideen“ („Unterscheidung der Geister“) und Handlungen absolut richtig sind.
Hier sehe ich es - insgesamt und unabhängig von Deinen Beispielen - pragmatischer. Als Sprachwissenschaftler sehe ich "Gott" nur als Begriff, niemals als Entität.
Was de facto - jenseits aller Lippenbekenntnisse und Auftrumpfereien - konkret als "Gott" wahrgenommen wird, kann friedfertig und kann konkret sein.
Ich kann keinem Menschen verbieten, eine Schicht des Menschseins und deren Möglichkeiten mit "Gott" zu bezeichnen, welchselbige Schicht in jedem einzelnen Menschen angelegt ist und dort unterschiedlich benannt wird.

SilverBullet hat geschrieben:„Meinungs-Weltbilder“ haben aus meiner Sicht mehrere Folgen:
(hier geht es nicht nur um religiöse „Meinungs-Weltbilder“)
Genau das! Es geht nicht nur um religiöse Meinungs-Weltbilder.

SilverBullet hat geschrieben:1.
Es bilden sich „elitäre Meinungsgeber“ und Machtstrukturen, also klar abgegrenzte „Wichtigkeitshierarchien“. Oft dauert es nicht lange und der ursprüngliche „Meinungsstifter“ wird zumindest als „Übermensch“ verehrt.
Oder der ursprüngliche Meinungsstifter wird zu einem solchen überhaupt erst gemacht.
Das Bedürfnis, eine Elite zu sein, scheint mir da an ziemlich exponierter Stelle zu stehen ->

Das Elitäre - "Geistige verstehen sich untereinander wortlos" - ist bereits Gewalt. In dem Fall verbaler Machtanspruch ohne Legitimation, also psychische Gewalt.

SilverBullet hat geschrieben:2.
Es bildet sich ein Absolutheitsanspruch
(in Verbindung mit Gottes-Religionen bildet sich zusätzlich ein Auserwählt-Sein-Anspruch)
Den Anspruch, auserwählt zu sein, fand man und findet man möglicherweise noch immer auch in politischen oder kulturellen Gruppierungen.
Dieser Anspruch resultiert aus einer bestimmten menschlichen Schwäche, die genauer zu bestimmen äußerst wichtig ist.
In kulturellen Gruppierungen ist das elitäre Denken allerdings in der Regel nicht gefährlich, in politischen und weltanschaulichen Gruppierungen hingegen ja.

SilverBullet hat geschrieben:3.
Die „Anhänger“ können nach Belieben die „Meinung“ vorspielen und damit die Mächtigen unterstützen, auch wenn die Motivation dazu gar nicht in der eigentlichen „Meinung“ begründet ist. => unsinnige Verstärkung der Ausbreitung durch reines „Mitläufertum“ bzw. Unterdrückung und Abschreckung.
Die Ich-Schwäche wird ausgeglichen durch das Sich-Stark-Fühlen in einer übergeordneten Weltanschauung.
Da wird sogar die Ich-Schwäche oft nicht nur geheiligt, sondern auch hergestellt: das Individuum sei unwichtig, es müsse dem Übergeordneten notfalls geopfert werden.

SilverBullet hat geschrieben:4.
„Meinungsgegner“ bzw. „abgespaltene Meinungsvarianten“ werden früher oder später massiv bekämpft.
Ja. Sie werden nicht als Teile eines gemeinsamen Ringens erkannt, auch nicht in der Zwiespältigkeit ihres eigenen Ringens erkannt, sondern en bloque mit Eigenschaften versehen, auf die sie reduziert werden.

SilverBullet hat geschrieben:Der Gegensatz zum „Meinungs-Weltbild“ liegt im naturwissenschaftlichen Ansatz: hier muss eine eindeutige Interaktion mit einer Wahrnehmungsunabhängigkeit, also „Wirklichkeit“ vorliegen => es muss wahrnehmungsunabhängig funktionieren.
Meinungen kommen zwar auch hier vor, sind aber lediglich ein Hilfsmittel und werden als Schwachstellen betrachtet, die es zu bearbeiten gilt.
Ich will darauf jetzt nicht konkreter eingehen; aber zumindest dies habe ich für mich selber erkannt:
das wissenschaftliche Vorgehen insgesamt - das das Normative per se ausschließt - ist ein Weg, sämtliche Absolutheitsansprüche in sich selber als psychische Deformierung zu erkennen.

Die Geisteswissenschaften sind nicht "wahrnehmungsunabhängig". Sie fordern aber - als Wissenschaften -, die eigenen Wahrnehmungen detailliert zu erkennen und notfalls unschädlich zu machen.
Letzteres gelingt, es gelingt wirklich.
Die eigene Wahrnehmung aber wird - falls sie detailliert erkannt und beschrieben ist - zum Movens neuer Erkenntnisse.

Das ist anders als in den Naturwissenschaften, aber eine Weltsicht ist Gegenstand der Geisteswissenschaften.
Der persönliche Blick soll auch im wissenschaftlichen Akt Ausgangspunkt sein, aber er muss sich als im Konzert aller persönlichen Blicke verstehen lernen.

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Thaddäus
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#962 Über menschliche und göttliche Vernunft I

Beitrag von Thaddäus » So 3. Apr 2016, 15:11

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Das gehört zur Bedeutungserklärung des Begriffs "Plausibilität".Vielleicht sollest du geglegentlich einfach einen Duden oder ein Lexikon zur Hand nehmen.
Viel zu flach
Dann musst du deine Anmerkungen und Behauptungen tiefsinniger formulieren.

closs hat geschrieben: Wer entscheidet, nach welchen Kriterien etwas die beste rationale Erklärung ist?
Nicht wer, sondern was entscheidet wohl, ob du ¬(A ∧ ¬A) als stets wahre Aussage erkennst?

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Ich kann mir als MENSCH "göttliche" Vernunft nur innerhalb der Grenzen meiner eigenen menschlichen Fantasie, Vorstellungskraft und Vernunft vorstellen.
Korrekt - und was sagt das in Bezug auf Wirklichkeit aus?
Das besagt in Bezug auf Wirklichkeit, dass ich mir als MENSCH "göttliche" Vernunft nur innerhalb der Grenzen meiner eigenen menschlichen Fantasie, Vorstellungskraft und Vernunft vorstellen kann und niemals anders.

closs hat geschrieben: Die Wirklichkeit hat also so zu sein, wie wir es erfassen können ... .
Wir können über eine Wirklichkeit, die wir nicht erfassen können, logischerweise nicht einmal sagen, dass es sich um eine Wirklichkeit handelt.
Ich verstehe nicht, warum dir solche einfachen Sachverhalte nicht selbst klar werden, wenn du sie aufschreibst.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Wenn Katzen Pferde wären, könnte man mit ihnen die Bäume hochreiten.
Die Frage nach dem Verhältnis von dem, was ist, und dem, was wir davon wahrnehmen können, ist keine Sprachakrobatik, sondern eine harte Frage.
Diese deutsche Redewendung bringt zum Ausdruck, dass Katzen keine Pferde sind, weshalb man mit ihnen auch keine Bäume hochreiten kann. Auch dann nicht, wenn man sich vorstellt, Katzen seien Pferde.
Deshalb ergibt deine Aufforderung, man solle sich eine göttliche Vernunft vorstellen, die ganz anders ist als jede menschliche Vernunft, die aber trotzdem noch Vernunft sein soll, keinen Sinn.

closs hat geschrieben: Mooooment: Mit "Vernunft" ist aber nicht die ich-maßstäbliche Vernunft des Menschen gemeint - gerade nicht. - Genau das ist doch das, wofür der Sündenfall steht. - Die Tatsache, dass der Mensch etwas "Vernunft" nennt, erlaubt doch nicht den Schluss, dass dann damit das gemeint ist, was Gott damit gemeint ist.
Vernunft kann nicht "ich-maßstäblich" sein. Es gibt keine private Vernunft. Nur deshalb können wir urteilen, wenn jemand un-vernünftig ist bzw. handelt.
Meines Wissens liegt uns keine Definition von Vernunft vor, deren Autor Gott ist. Wenn Gott eine eigene und andere Defintion von Vernunft hat, dann sollte er sie uns mitteilen. Solange das nicht geschieht, halte ich mich an den Minimalkonsens aller Philosophen von der Antike bis in die Jetztzeit. Wiki fasst das gar nicht schlecht zusammen:
Der Begriff Vernunft bezeichnet in seiner modernen Verwendung die Fähigkeit des menschlichen Denkens, aus den im Verstand durch Beobachtung und Erfahrung erfassten Sachverhalten universelle Zusammenhänge der Wirklichkeit durch Schlussfolgerung herzustellen, deren Bedeutung zu erkennen, Regeln und Prinzipien aufzustellen und danach zu handeln.

closs hat geschrieben:Im Grunde und zu Ende gedacht machst Du den Menschen zu Gott - das kann man weltanschaulich machen - aber man kann damit nicht die Bibel im Sinne der Bibel interpretieren - das ist Vergewaltigung.
Nein, ich mache den Menschen nicht zu Gott, denn ich verweise ja gerade darauf, dass menschliches Denken und menschliche Vernunft, niemals etwas anderes sein können, als menschliches Denken und menschliche Vernunft.
Tatsächlich willst DU den Menschen zu Gott machen, denn du gibst vor menschliches Denken und menschliche Vernunft, könne sich einen Begriff von göttlichem Denken und göttlicher Vernunft machen.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:noch kann göttliche Vernunft eine andere Vernunft sein als die meine
Genau das ist Dein Irrtum.
Nein, das ist völlig korrekt.
Wenn göttliche Vernunft eine andere Vernunft bezeichnet als meine, dann ist es offenbar etwas anderes als Vernunft. Menschen haben Vernunft und Menschen definieren, was sie unter "Vernunft" verstehen. Ich weiß um keine von Gott stammende Definition des Vernunftbegriffs, die mit der obigen von Wiki konkurrieren würde, und wenn Gott ebenfalls Vernunft besitzen sollte, dann muss die mit der obigen von Wiki übereinstimmen, - oder es handelt sich eben nicht um Vernunft, sondern um etwas anderes. Insbesondere ist es unsinnig zu behaupten, der Mensch müsse sich nach einer göttlichen, ganz anderen Vernunft ausrichten, ohne auch nur vage angeben zu können, worum es sich bei der göttlichen Vernunft handeln könnte und dann auch noch weiter zu behaupten, es handele sich dabei um Vernunft.
Tut mir Leid, aber das ist einfach Un-Sinn. Ansonsten ist Goethes Prometheus-Hymne natürlich ein herrliches Stück Weltliteratur.

closs hat geschrieben: Wenn dieser Irrtum Deine Grundlage und noch mehr: die Grundlage der Bibel-Interpretation ist, dann ist dies der sprichwörtliche Elephant im Porzellan-Laden.
Ja, offensichtlich sind Elefanten im engen Porzellanladen halbwegs vernünftig formulierter und sich nicht selbst widersprechener Diskutierkunst unterwegs. Ich sehe mich selbst darin aber eher als das Mäuschen, das versucht, wenigstens die kostbarsten Vasen im Laden in Sicherheit zu schieben, bevor sie zu Bruch gehen. ;)

closs hat geschrieben: Ich bestreite nicht, sondern Glaube sogar, dass die menschliche Vernunft im Sinne des Bewusstseins ("con-scientia") eine Ableitung göttlicher Vernunft ist - aber deren Gegenstück, die eigen-generierte Selbst-Maß-Vernunft ist es halt NICHT. - Das ist doch gerade "das andere". - Und selbst wenn man "das andere" nicht zum Maßstab macht, versteht man immer noch nicht, was eine dimensional höhere göttliche Vernunft ist. - "Hiob".
Eben!
Dafür, dass du nicht einmal weißt, ob "eine dimensional höhere göttliche Vernunft" überhaupt Vernunft ist, weil sie ja ganz anders sein soll als menschliche Vernunft, scheinst du dir ziemlich sicher zu sein, dass es sich immer noch um Vernunft handelt (woran aber verglichen). Du selbst betonst, wieviel höher dimensional göttliche Vernunft ist. Als der Mensch, der du nunmal bist, weißt du aber allenfalls, was menschliche Vernunft ist. Woher weißt du also, dass du überhaupt von "Vernunft" sprichst, wenn du von etwas sprichst, das angeblich vieldimensioal höher ist?
Wenn man 4 Stühle hat und baut eine Karrosserie mit Motor und 4 Rädern drum herum, dann hat man keine 4 Stühle mehr, sondern ein Auto.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Es ist gerade der Sinn einer Defintion, einen Begriff für alle verbindlich inhaltlich zu definieren.
Dann guck Du auch mal in den Duden und erkennen, wieviele unterschiedliche Bedeutungen ein Wort haben kann
Im Duden werden Ausdrücke nicht definiert (und dann halten sich die Menschen in ihrem natürlichen Sprachgebrauch an diese Definitionen), sondern im Duden werden Ausdrücke beschrieben, so wie sie im natürlichen Sprachgebrauch verwendet werden. Deshalb werden im Duden auch immer wieder neue Ausdrücke aufgenommen und beschrieben, in welcher Bedeutung oder welchen Bedeutungen sie in natürlicher Sprache gebraucht werden.
In den Wissenschaften ist es aber eine Erfordernis, Ausdrücke und Begriffe möglichst eindeutig zu verwenden und gerade nicht in vielerlei Bedeutungen. Deshalb einigt man sich in den Wissenhschaften immer auf mindestens eine Kerndefinition. Streit um Definitionen ist immer der Versuch, einen Begriff definitorisch weiter zu präzisieren.

closs hat geschrieben:Innerhalb EINES Systems muss es eine verbindliche und eindeutige Definition geben - hier würde ich zustimmen.
In den Wissenschaften sollte es eine verbindliche und eindeutige Definition geben, damit alle Wissenschaftler wissen, wovon gesprochen wird. In der Alltagssprache ist solche Präzision nicht zwingend erforderlich.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Offenbar erkennst du nicht, dass du genau das mit deiner eigenen tust.
Ich verabsolutiere ausschließlich das, was ist - unbekannterweise.
Du Verabsolutierst etwas - unbekannterweise. Aha. Du verabsolutierst also etwas, das dir unbekannt ist. Was soll ich davon wohl halten ..?

closs hat geschrieben: "Ich will, dass es gibt, was es gibt", hat mal André Heller gesungen. - Ich muss es gar nicht wissen - und wenn ich etwas DAVON (con-) weiss (scientia), bin ich um so dankbarer.
Du weißt aber nicht, was es gibt.

closs hat geschrieben:Und wenn Jesus NICHT leiblich auferstanden "ist", kann ich "davon" erkennen oder nicht - es ändert nichts an dem, was "ist".
Du weißt aber nicht, was ist.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Die HKM ist an keine Weltanschauung gebunden.
Sie arbeitet mit bestimmten Methoden, und wenn man die richtig anwendet, sind die Ergebnisse plausibel, weil nachvollziehbar, stimmig und darum überzeugend.
Stimmt alles - in sich rund. - Aber weltanschaulich in dem Moment, in dem man "Plausibilität" so definiert wie man/Du es tu(s)t.
Es existieren keine inhaltlich konkurrierenden Definitionen von "Plausibilität". Und bitte: Die HKM soll also weltanschaulich sein, weil sie auf die Plausibilität ihrer Ergebnisse Wert legt? Bobadas!
Zuletzt geändert von Thaddäus am So 3. Apr 2016, 20:31, insgesamt 9-mal geändert.

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#963 Re: Über menschliche und göttliche Vernunft II

Beitrag von Thaddäus » So 3. Apr 2016, 15:21

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Da Menschen Menschen sind, können sie grundsätzlich in keinem anderen Rahmen als dem menschlicher Vernunft-Möglichkeiten denken.
Eben - deshalb hat Kant irgendwo gesagt (ich weiss nur, dass es 1797 war), dass er die Vernunft an ihre Grenzen gebracht habe, um Platz für Glauben zu schaffen. - Darüber ist also nicht "was", was eben menschliche Vernunft übersteigt. - Deshalb war Kant doch - so interpretiere ich - gegen eine Systematik der Metaphysik: Weil menschliche Systematik hier überfordert ist.
Außer, dass Gott philosophisch fundiert allenfalls als eine regulative IDEE des Menschen gedacht werden kann, hat er die Unmöglichkeit einer philosophisch-rational fundierten Gotteslehre (Metaphysik) nachgewiesen, wie sie vom Rationalismus erdacht wurde.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:"ÜBER" kann in dieser Aussage nur soviel bedeuten wie: "Super-Vernünftig", also noch 10 000mal vernünftiger als es ein Mensch je sein kann.
NEIN - das ist nicht quantitativ, sondern qualitativ gemeint.
Du kannst es aber gar nicht qualitativ meinen, denn du selbst behauptest, dass göttliche Vernunft etwas völlig anderes sein soll, als menschliche Vernunft. Wenn göttliche Vernunft qualitativ aber so anders sein soll, inwiefern kann man dann überhaupt noch von "Vernunft" sprechen (da du immer nur die Definition des menschlichen Vernunftbegriffs als Bezugspunkt hast)? Außer, dass göttliche Vernunft also ganz anders ist, kannst du nichts Qualitatives über sie aussagen. Ergo kannst du überhaupt nur quantitativ von göttlicher Vernunft sprechen, wenn sie überhaupt noch Vernunft sein soll, ergo sprichst du faktisch davon, dass göttliche Vernunft nur unvergleichlich viel größer sein muss als menschliche Vernunft, aber in ihren Eigenschaften dieser entpricht.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Wenn deine "spirituellen Sachen" nichts mit Daseins-Sachen zu tun haben, dann sind erstere offenkundig irrelevant.
Wie willst Du mit einer solchen Einstellung auch nur ein Jota der Bibel verstehen? - Außer im peripheren Bereich.
Nicht ICH, sondern DU behauptest, dass "spirituelle Sachen" nichts mit "Daseins-Sachen" zu tun haben. Du richtest deine Frage also an dich selbst, nicht an mich! Wir warten auf Antwort. Also: Wie willst Du mit einer solchen Einstellung auch nur ein Jota der Bibel verstehen?

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Plausibilität bedeutet innerhalb jedes "Systems" Nachvollziehbarkeit und logische Widerspruchsfreiheit.
Nicht "jedes".
Dann nenne doch einmal ein "System", in dem "Plausibilität" NICHT im Sinne von Nachvollziehbarkeit und logischer Widerspruchsfreiheit gebraucht wird.

closs hat geschrieben:Die Verabsolutierung dieses Gedankens ist biblisch exakt das Satanische.
Die korrekte Verwendung des Begriffs "Plausibilität" ist also das Satanische?! :shock:
Sorry, aber ... :lol:

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Wenn Gott vernünftig ist, dann ist auch für ihn eine leibliche Auferstehung unpausibel.
Wenn Gott prometheisch vernünftig ist, hast Du recht.
Nein, wenn Gott vernünftig ist, habe ich recht.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Weil Plausibilität ein menschlicher Begriff ist, der von Menschen definiert wird.
Dann ist er als Maßstab für biblische/göttliche Realität untauglich.
Nun, leider bin ich nicht - wie offenbar du - Kenner göttlicher Realität. Und ich befüchte, dass übersteigt auch meine bescheidenen Fähigkeiten.

closs hat geschrieben:Genau darauf läuf Dein hier vertretenes Weltbild heraus: Der Mensch als Maßstab Gottes.
Prometheus:

"Hier sitz' ich, forme Menschen
Nach meinem Bilde,
Ein Geschlecht, das mir gleich sei"

Ist Dir das bewusst?
Oh ja, das ist mir bewusst, - und damit bist du näher an der Wahrheit, als dir lieb sein dürfte:

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sven23
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#964 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » So 3. Apr 2016, 15:22

Hemul hat geschrieben: Lieber sveni!
Unabhängig davon würde ich mich sehr darüber freuen wenn Du folgende unmissverständliche Aussage aus Daniel 12:8-10 Deinem
Guru einmal zeigst-damit er seinen Mund nicht mehr ganz so voll nimmt:

8 Ich hörte es, verstand es aber nicht. Deshalb fragte ich: "Mein Herr, wie wird das alles ausgehen?" 9 Doch er sagte: "Geh jetzt, Daniel! Denn die Worte sollen bis zum Ende aufbewahrt und versiegelt bleiben. 10 Viele Menschen werden geprüft, gereinigt und geläutert werden. Die Gottlosen werden weiter gottlos handeln, aber von ihnen wird es niemand verstehen. Doch die Verständigen werden es begreifen.
Solltest Du das wirklich tun bin ich sogar dazu bereit Dir glatte 101 Bonuspunkte zu opfern. :wave:

Ich denke, als ehemaliger Theologiestudent hat Kubitza schon mal davon gehört. In seinem Buch "Jesuswahn" zitiert er das Buch Daniel.

"In seinem Glauben an das nahe Reich Gottes erweist sich Jesus eben nicht als
göttliches Wesen, sondern viel mehr als Kind seiner Zeit. Die Vorstellung von einer
endzeitlichen Königsherrschaft Jahwes war im Judentum präsent und gehörte zum
allgemeinen Glaubensgut in vielen jüdischen Schriften um die Zeitenwende, aber auch
schon im Buch Daniel, welches Eingang in den alttestamentlichen
Kanon gefunden hat.
Die Bitte um das Reich Gottes findet sich nicht nur im jüdischen 18-Bitten-Gebet,
sondern auch („Dein Reich komme“) im Vater-Unser-Gebet Jesu. Zudem hat ja bereits
Johannes der Täufer eine endzeitliche Wende und das Kommen Gottes (nicht das
Kommen Jesu!) erwartet. Vielleicht hat Jesus vom Täufer, seinem vermutlichen Lehrer,
die entscheidenden Inhalte seiner Verkündigung erhalten. Es wäre dann festzustellen,
dass er die schroffe Gerichtspredigt des Täufers mit Zorngericht und Feuertaufe
abgemildert und stärker den Segen der künftigen Gottesherrschaft betont hat, besonders
in seinen Gleichnissen. Doch hat sich offenbar ja auch bereits der Täufer mit seiner
Ankündigung des nahen Kommens Gottes geirrt. Für ihn wie für Jesus stand das
Weltende unmittelbar bevor. Doch wie Jesus wurde er hingerichtet, ohne dass die
Ankündigungen eingetroffen wären. Und der Neutestamentler Theißen erwägt, ob so
bereits Jesus eine erste enttäuschte Naherwartung zu verarbeiten gehabt hat: „Die
Nächst-Erwartung des Täufers war nicht in Erfüllung gegangen, der Prophet war
inhaftiert und getötet worden.“ (Theißen/Merz, Der historische Jesus, S. 195)"
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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sven23
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#965 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » So 3. Apr 2016, 15:36

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nein, sie sind das Resultat ergebnisoffener Herangehensweise.
Diese Ergebnisoffenheit besteht nur im Rahmen der eigenen Setzungen - egal ob diese Setzungen bewusst oder unbewusst sind.
Du bist ein gutes Beispiel für Selbstimmunisierung.

"Wenn die Auferstehung Jesus nicht stattfand, Jesus demgemäß nicht wiederbelebt und verwandelt wurde, helfen uns
weder die Wiederbelebung von Mythen noch die Einführung eines neuen Begriffs von Geschichte noch der Gebrauch
der Predigtsprache darüber hinweg. Der christliche Glaube ist dann genauso tot wie Jesus und kann nur durch
Selbsttäuschung am Leben gehalten werden."

(Lüdemann, Die Auferweckung Jesu von den Toten, S. 18)

Insofern kann man schon verstehen, warum die Auferstehung mit Klauen verteidigt wird. Aber die theologische Forschung selbst hat den Mythos weitgehend entzaubert.

"Und es muss noch einmal betont werden: Die historische theologische Forschung hat
dieses Negativergebnis, diese Entlarvung einer der tragenden Säulen des Christentums
bewirkt. Dieses Ergebnis stammt nicht von kirchenfernen Atheisten oder Agnostikern. Es
spricht immer für die Qualität von Forschung, wenn sie nicht davor zurückschreckt, auch
die Meinungen und Vorurteile der die Forschung Betreibenden zu hinterfragen. Umso
mehr muss dies für die Theologie gelten, deren Betreiber sich ja zu allermeist selber als
Glieder der Kirche verstanden und auch noch heute verstehen. Wenn ein Chemiker durch
Forschungen seine Vorurteile über einen Wirkstoff korrigieren muss, ist dies eben viel
leichter, als wenn ein im Prinzip gläubiger Neutestamentler feststellen muss, dass Jesus
sich geirrt hat. Dass dennoch die für die Kirchen entlarvendsten Ergebnisse über Jesus
und sein Selbstverständnis von Theologen kommen, spricht für die theologische
Forschung, zumindest jedenfalls für die neutestamentliche Forschung und zumindest für
die Forschung auf protestantischer Seite."

Kubitza, Der Jesuswahn
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#966 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » So 3. Apr 2016, 15:45

closs hat geschrieben: Nein - Forschung ist Wahrnehmung und somit jeweils EINE Perspektive.
Wie ich schon mal fragte: welche Wahrnehmung/Perspektive muß ein Physiker einnehmen, um Atome zu spalten?
Und gibt es daneben eine Wahrnehmung/Perspektive, die dem Physiker das Spalten von Atomen verunmöglicht?
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#967 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » So 3. Apr 2016, 15:58

closs hat geschrieben: Allerdings würde ich solche Themen nicht mit HKM-lern diskutieren, sondern mit Rabbis - einfach weil die HKM hier nicht mitreden kann.
Aber doch wohl nicht mit orthodoxen Rabbis. Die würden dir den Hintern versohlen. :lol:

Es gibt ja noch Hoffnung, wenn sich das Christentum von Dogmatik lösen kann:

"Und in der Tat ist das Wirken von Christen in der Gesellschaft vielfach positiv zu
werten, jedenfalls dort, wo der christliche Glaube durch das Fegefeuer der Aufklärung
geläutert wurde und sich nicht an der Dogmatik meint festkrallen zu müssen. Wo die
Kirchen sich weniger orthodox-dogmatisch definieren, werden sie humaner. Dann
werden die Christen besser als ihre Lehre, ihre praktische Ethik ist dann besser als ihre
krause Dogmatik. Es gibt eben doch Wahres im Falschen."

Kubitza, Der Jesuswahn
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#968 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Savonlinna » So 3. Apr 2016, 16:09

sven23 hat geschrieben:
closs hat geschrieben: Nein - Forschung ist Wahrnehmung und somit jeweils EINE Perspektive.
Wie ich schon mal fragte: welche Wahrnehmung/Perspektive muß ein Physiker einnehmen, um Atome zu spalten?
Und gibt es daneben eine Wahrnehmung/Perspektive, die dem Physiker das Spalten von Atomen verunmöglicht?
sven:
Forschung beruht in der Naturwissenschaft auf Methodik.

Der Physiker spaltet nicht einfach los wie ein Villenbesitzer, der sein Kaminholz spaltet.
Ersterer hat vorher formulierte Fragen, die einen sehr engen Kanal bilden. Die Antworten sind also von vornherein geeicht.
Es kommen nur Antworten, für die auch die Fragen bereits formuliert sind.

Und das ist - und das ist nun einmal wissenschafttheoretisch so - de facte eine enge Perspektive.
Eine gewählte Methode ist eine gewählte Perspektive.
Anton B. hat das vor einem knappen Jahr hier einmal erklärt. Aber eigentlich ist das doch sonnenklar.

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#969 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » So 3. Apr 2016, 16:19

Savonlinna hat geschrieben: sven:
Forschung beruht in der Naturwissenschaft auf Methodik.
.
Eben, und closs versucht immer den Eindruck zu erwecken, als gäbe es immer eine dazu diametral entgegenstehende Methode, die mit gleicher wissenschafltlicher Relevanz zum Gegenteil führt. Er vertritt aus bestimmten Gründen die Beliebigkeit, das ist nicht akzeptabel.
Sehr schön zu beobachten war das beim Beispiel der Homöopathie.
Damit kein Mißverständnis aufkommt. Es geht nicht um Interpretation von Ergebnissen, sondern um Methodik an sich.

Das closssche "Wahrnehmungsgedudel" hat Anton ja sehr schön in seiner Signatur persifliert:
Ganz frisch aus der Wahrnehmungsforschung: Unsere Wahrnehmung beruht auf der Setzung, dass diese Wahrnehmung authentisch ist.
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#970 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Savonlinna » So 3. Apr 2016, 16:54

sven23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: sven:
Forschung beruht in der Naturwissenschaft auf Methodik.
Eben, und closs versucht immer den Eindruck zu erwecken, als gäbe es immer eine dazu diametral entgegenstehende Methode, die mit gleicher wissenschafltlicher Relevanz zum Gegenteil führt. Er vertritt aus bestimmten Gründen die Beliebigkeit, das ist nicht akzeptabel.
Ihr redet zumindest im Moment wahrscheinlich aneinander vorbei.

Die Naturwissenschaft ist eben auch eine Methode; die Untersuchung einer Pflanze auf chemischer Basis kommt zu anderen Ergebnissen als die Untersuchung derselben Pflanze auf ökologischer Basis, und beide Methoden erfassen nicht das Wesen der Pflanze, selbst wenn die ökologische Wissenschaft schon ein großer Schritt voran ist.
Und dessen ist sich der Naturwissenschaftler auch bewusst. Er untersucht nicht die Komplexität des Realen, sondern nur einen Teil davon.
Und das könnte den Blick darauf verstellen, dass es nur ein Teilgebiet ist.
Der Mensch wäre sicher nicht ganzheitlich erfasst, wenn man seine chemische Zusammenstzung festgestellt hat.

Wenn es eine andere Methode gibt, die mit gleicher wissenschaftlicher Relevanz zum Gegenteil führt, müsste sie klar beschrieben werden.

Immerhin betrachtet ja schon die Geisteswissenschaft eine Pflanze anders als die Naturwissenschaft.
Sie betrachtet sie vielleicht als ästhetisches Phänomen: diese Betrachtungsweise ist dem Menschen inhärent, er kann nicht anders.
Insofern kann diese Methode der Wahrnehmung im Prinzip auch verwissenschaftlicht werden.
Und sie ist es wahrscheinlich auch schon.

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