Alles Teufelszeug? II

closs
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#481 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Fr 25. Mär 2016, 14:10

Pluto hat geschrieben:Dan sag mir doch welche Phänomene bedürfen einer Prämisse?
Verstehe nicht ganz, was Du meinst.

Pluto hat geschrieben:Was bedeutet "methodisch ignorieren"?
Wenn eine Methodik nur das berücksichtigen kann, was falsifizierbar ist, kann sie Nicht-Falsifizierbares, das nichtsdestoweniger wahr/Realität sein kann, nicht berücksichtigen - fast eine Tautologie.

Konkret: Man kann nicht falsifizieren, ob Jesus wesensgleich mit Gott ist - aber es könnte wahr/Realität sein. - Dieser Fall, der wahr/Realität sein könnte, kann nicht bei entsprechender Methodik berücksichtigt werden. - Also besteht eine Prämisse, dass bei der Bibel-Untersuchung Jesus ausschließlich als "normaler" Mensch verstanden werden muss, was jedoch zu ganz anderen Interpretationen führt (bei gleicher Quellenlage), als Wenn Jesus wesensgleich mit Gott wäre. - Es muss also methodisch ignoriert werden, dass Jesus wesensgleich mit Gott sein könnte.

Pluto hat geschrieben:Gott kann natürlich beliebig die Naturgesetze außer Kraft setzen, doch warum sollte er das tun wo er die Gesetze doch erschaffen hat?
Das ist eine theologische Frage - möglicherweise will er zeigen, dass sein Handeln mächtiger ist als Naturgesetze sind.

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#482 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Fr 25. Mär 2016, 14:15

sven23 hat geschrieben:Wie ich schon sagte: es gibt keine Phänomene, die zur Erklärung Götter, Geister und Dämonen benötigen.
Man kann diese Prämisse zugrunde legen - natürlich.

sven23 hat geschrieben:Dann müßtest du der gesamten Forschung unwissenschaftliches Arbeiten nachweisen können.
Nein - genau das ist NICHT nötig, weil es ja im Rahmen der Prämissen wissenschaftlich ist. - Ich zweifle nicht an der Wissenschaftlichkeit der HKM, sondern an der Richtigkeit der Ergebnisse - das sind zwei Paar Stiefel. - "Innerbetrieblich" sind diese Ergebnisse mit großer Wahrscheinlichkeit korrekt - micht interessiert aber, was sonst noch WIRKLICH sein könnte - jenseits von methodischen Koordinaten-Systemen.

sven23 hat geschrieben:Wenn diese Methode aber von der persönlichen Glaubenseinstellung des Forschenden abhängig wäre, würde sie nichts taugen.
Das ist dann der Fall, wenn die Forschenden nicht merken, dass der Ausschluß von Nicht-Falsifizierbarem bereits eine Prämisse ist.

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sven23
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#483 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » Fr 25. Mär 2016, 14:17

Thaddäus hat geschrieben: Historisch-kritisch-wissenschaftlich ist es eine korrekte Aussage, dass die Evangelisten und Paulus Jesus aus Nazareth eine Naherwartung zugeschrieben haben. Diese Aussage bleibt korrekt, egal, ob sie sich auf eine fiktive Figur bezieht oder auf eine reale Person in der Geschichte (denn es geht nur darum, was in den Texten hierüber zu finden ist).
...
Aber eben nicht die Aussage "Jesus hatte eine Naherwartung", als sei es eine Tatsachen-Aussage
Das wissenschaftliche Ergebnis der historisch-kritischen Untersuchungen der Texte ist, dass Jesus aus Nazareth eine Naherwartung hatte. Textstellen, die hiervon abweichen, können als spätere Umdeutungen dieser ursprünglichen Naherwartung erwiesen werden und es kann erklärt werden, warum diese Umdeutung stattfand. Genau das kann die historisch-kritische Analyse erbringen, denn zur Klärung solcher Fragen sind ihre Methoden da.
Genau das ist der entscheidende Punkt, den closs nicht zu verstehen scheint. Es gibt ja auch gute Argumente seitens der Radikalkritiker, die Jesus und auch Paulus als rein literarische Erfindungen und nicht als historische Persönlichkeiten ansehen. Aber ganz unabhängig davon kann man mit historisch-kritischer Methode nachweisen, dass diese Figur auf Grund der zur Verfügung stehenden Quellen eine Naherwartung hatte. Egal ob es eine rein literarische Figur oder eine historische Person ist.
Genau das hat die Forschung getan, nicht mehr und nicht weniger. Von "Mandatsüberschreitung" kann also keine Rede sein.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#484 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Fr 25. Mär 2016, 14:32

SilverBullet hat geschrieben:Warum sollte ein 2D-Lebewesen nicht erkennen können, dass eine Intelligenz mit ihm kommunizieren möchte?
Manche tun es ja - bspw. Christen. ;) - Aber wenn das 2D-Lebewesen nicht davon ausgeht, dass es Nicht-Falsifizierbares jenseits von 2D gibt, wird es jegliche Kommunikation als inner-2D-liche Kommunikation interpretieren. - Das ist doch genau das Problem des Materialismus.

SilverBullet hat geschrieben:Das „Soll-Erkannt-Werden“ ist ein untaugliches Prinzip.
Hä? - Du musst doch subjektiv erkennen, dass etwas "von oben" kommt, um die Qualität der Kommunikation richtig einzuordnen - oder nicht?

SilverBullet hat geschrieben:Was soll das heissen „es geht nicht hinein“?
Das war salopp für: Es wird nicht von jedem in seiner Qualität erkannt.

SilverBullet hat geschrieben:Es ist exakt deine Selbsttäuschung, dass du das Wort „Gott“ wie ein „Ding“ verwaltest.
Es ist die Voraussetzung, um Gott als Realität zu erkennen, falls es ihn gibt. - Wie sonst?

SilverBullet hat geschrieben:Nirgendwo ist festgelegt, dass wichtige Bedeutungszusammenhänge explizit „nicht eindeutig nachvollziehbar“ sein müssen.
"Intersubjektiv" ist das Zauberwort - Du hast es weggelassen.

SilverBullet hat geschrieben:Es fehlt sozusagen das Wirklichkeitskonzept, um überhaupt von einem „Jemand“ sprechen zu können.
Das Konzept gibt es schon, aber nicht den Beweis dafür - weil - um im Bild zu bleiben - man nie in 2D ein (2+x)D nachweisen kann.

SilverBullet hat geschrieben:Selbst wenn die Naturwissenschaften grosse Fehler machen würden,
Ich glaube nicht, dass die Naturwissenschaft innerhalb ihres Systems große Fehler macht.

SilverBullet hat geschrieben:Bei der „hermeneutischen Methodik“ bekommt man maximal nur „den Witz“ heraus, den man vorne hineinsteckt.
Missverständnis: Gerade der Hermeneutische Zirkel stellt sicher, dass das Vorher verändert wird, weil man sich entwickelt.

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#485 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Fr 25. Mär 2016, 14:36

Savonlinna hat geschrieben: Dass Maria nach ihrem Tod - vor der allgemeinen Auferstehug - zu Gott gekommen ist, kann doch nicht als "supranaturalistisch" gewertet werden?
Das wäre der normale Tod - aber die RKK behauptet doch, dass sie leiblich auferstanden sei. - Das kann man supranaturalistisch interpretieren (ich verstehe es NICHT so, sondern als direkte Aufnahme Mariä als Geistleib in die Visio Beatifica) - aber das sind arg spezielle theologische Fragen.

Mein Eindruck ist, dass manche "leibliche Auferstehung" als naturalistisches Geschehen - Stichwort: Apollo 8 - verstehen, bei der dann noch Fragen auftauchen, woher sie den Treibstoff hatte. :angel:

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#486 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Savonlinna » Fr 25. Mär 2016, 14:59

Halman hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Da ich nicht weiß, worauf Ratzinger sich da konkret bezieht, kann ich das aber nicht beurteilen. Es wäre aber interessant, das zu untersuchen, statt dass man es hier im Forum einfach erfindet, um Ratzinger eine reinzuwürgen, ohne Rücksicht auf "intellektuelle Redlichkeit" .
Könnte es sein, dass die Arbeitsweise im Bereich der Literaturwissenschaft verschieden von der Arbeitsweise in der Theologie ist? Exegeten beanspruchen hier vielleicht eine höhrere Deutungsautorität als Literaturwissenschaftler.
Die Arbeitsweise ist sicherlich nicht identisch, aber ich beziehe mich da auf die vielen theologischen Artikel und Aufsätze, die ich im Laufe meines Lebens gelesen habe und die auf der historisch-kritischen Methode beruhen.

Der Hauptunterschied zur Literaturwissenschaft scheint mir zu sein, dass den Exegeten der Bibel bewusst ist, es mit einem "heiligen "Text" zu tun zu haben, das ist in der Literaturwissenschaft nicht der Fall.
Es hängt für die Bibelexegeten mehr davon ab, wie sie die Texte deuten. Ein Literaturwissenschaftler kann leichter sein eigenes Vorurteil aufgeben, das tut ein gläubiger Bibelexeget nicht so leicht.

Und dennoch: die Qualität des Bibelexegeten hängt davon, ob er diesem erhöhten Anspruch gerecht werden kann.

So habe auch ich einen - literarischen - Autor, von dem ich irgendwie gefangen bin, an dem mein Herz hängt - weil er so viel Neues und Tiefes anzubieten hat -, und über den ich dann ein wenig wissenschaftlich gearbeitet habe.
Ich bin dabei auf Sachen gestoßen, zu denen ich klar "nein" sagen musste. Das hat mich sehr geschmerzt, bei einem anderen Autor hätte es mich nicht so geschmerzt.
Da kommt es dann eben darauf an, auf keinen Fall die Sache zu beschönigen, sondern bereit zu sein, sich ins eigene Fleisch zu schneiden.

Andererseits ist es aber auch so, dass meine Affinität zu diesem Autor mir erleichtert hat, "zwischen den Zeilen zu lesen". Ich konnte vieles erspüren, und auch das ist Teil der wissenschaftlichen Arbeit. Man muss nicht wie eine Maschine eine Methode umsetzen.

Eine neue Deutung - ich rede jetzt wieder von der Bibeldeutung - kann Ergebnis einer Art "Intuition" sein. Solche Intuitionen müssen aber geerdet sein, das heißt, aus einer hundertprozentig präzisen Texteanalyse erwachsen sein.
Wer das nicht liefert, oder behauptet, es nicht liefern zu können, muss mit Recht zurückgewiesen werden.
Aber er hat die Möglichkeit, auch den Sinn dieser präzisen Textanalyse in bestimmten Sätzen in Frage zu stellen: nur muss er das eben begründen, an Ort und Stelle: warum er hier den Text selber nicht für ausreichend hält. Er kann zum Beispiel einen Subtext erahnen, und die Sinnhaftigkeit seiner Ahnung kann er begründen.

Halman hat geschrieben:Daher habe ich aufgrund der Diskussionsverläufe zunehmend den Verdacht, dass auch zwischen Literaturwissenschaftlern und Theologen unterschiedliche Ansprüche bestehen, jedenfalls habe ich noch nicht davon gehört, dass ein Literaturwissenschafteler für sich den Anspruch erhebt ein Exeget zu sein.
Die Literaturwissenschaftler haben statt "Exegese" oder "Auslegung" das Wort "Deutung" oder "Interpretation", und viele Literaturwissenschaftler spezialisieren sich auf das Interpretieren von Werken, sind also de facto Exegeten. Und auch hier - wie in der Theoloige - gibt es unterschiedliche Auffassungen; diese unterschiedlichen Auffassungen sind mit denen der Bibel-Deutung vergleichbar:

So deuten einige Literaturwissenschaftler strikt immanent, das heißt, sie untersuchen ein Werk A unabhängig von den anderen Werken, die derselbe Autor geschrieben hat.
Andere beziehen die Werke aufeinander - so wie es auch viele Theologen tun, wenn sie herausgefunden haben, dass im Neuen Testament zwei Bücher vermutlich von dem selben Autor stammen.
Wieder andere LIteraturwissenschaftler beziehen auch andere Autoren aus derselben Zeit ein, um die Wirkung des Zeitgeistes in Werk A genauer orten zu können.
Und noch andere gehen quer durch die ganze Literaturgeschichte und zeigen auf, wie bestimmte Motive oder auch Strukturen sich im Laufe von Jahrtausenden durch die verschiedensten Kulturen hindurch entwickelt haben. Auch das findet in der Theologie entsprechend statt.

Halman hat geschrieben:Theologen verteidigen ihre Exegese im Sinne von Wissensansprüchen auf Basis der historisch-kritischen Methode
Das wird hier im Forum behauptet, aber es ist mir gänzlich unbekannt.
Allerdings kenne ich natürlich nicht sämtliche Analysen.

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#487 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Savonlinna » Fr 25. Mär 2016, 15:10

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Dass Maria nach ihrem Tod - vor der allgemeinen Auferstehug - zu Gott gekommen ist, kann doch nicht als "supranaturalistisch" gewertet werden?
Das wäre der normale Tod - aber die RKK behauptet doch, dass sie leiblich auferstanden sei. -
Ich hatte, bevor ich das schrieb, bei Wikipedia nachgeguckt ->

Wikipedia hat geschrieben:Die Definition des Dogmas in Munificentissimus Deus lautet:

„Wir verkünden, erklären und definieren es als ein von Gott geoffenbartes Dogma, dass die Unbefleckte, allzeit jungfräuliche Gottesmutter Maria nach Ablauf ihres irdischen Lebens mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen wurde.“[1]

Papst Paul VI. fasste das Glaubensgeheimnis von der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel so im Credo des Gottesvolkes vom 30. Juni 1968 zusammen:

„Verbunden in einer ganz innigen und unauflöslichen Weise mit dem Geheimnis der Menschwerdung und Erlösung, wurde die allerseligste Jungfrau, die unbefleckt Empfangene, am Ende ihres irdischen Lebens mit Leib und Seele in die Herrlichkeit des Himmels aufgenommen und – in Vorausnahme des künftigen Loses aller Gerechten – ihrem auferstandenen Sohne in der Verklärung angeglichen.“
Also muss die Frage erweitert werden, wie man überhaupt den Gedanken der Wiederauferstehung aller Menschen zu verstehen und zu deuten habe.
Bei Maria sei es ja nur früher, sagt das Dogma.

Wer diese Frage als eine supranatualistische ansieht - bisher dachte ich, diese Frage bezieht sich darauf, ob ein Haus am Meeresrand spuken kann -, möge das dann begründen.

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#488 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Fr 25. Mär 2016, 16:13

Thaddäus hat geschrieben:Du behauptest damit gleichzeitig, ein Theologe, der historisch-kritisch arbeitet, könne nicht gleichzeitig glauben, das Jesus "Gottes-Sohn" ist, - und das ist faktisch falsch.
Das ist tatsächlich falsch - aber Du erinnerst Dich vielleicht an das STERN-Interview (mit Linnemann oä), bei dem der gläubige Theologe sinngemäß gesagt hat: "Klar kenne ich die Ergebnisse meiner HKM-Forschung - aber privat glaube ich sie nicht". - Das kommt dann raus.

Thaddäus hat geschrieben:Die allermeisten Exegeten sind aber keine Atheisten!
Trotzdem kann man beide Versionen durchspielen - weil sie beide wahr sein könnten.

Thaddäus hat geschrieben:Vor allen Dingen halte ich eine solche Diagnose für anmaßend
Wie auch immer: Es scheint einen Kampf darüber zu geben - kein wissenschaftlicher, sondern ein weltanschaulicher Kampf.

Thaddäus hat geschrieben:katholische wie evangelische Exegeten könnten die Grundlagen ihrer eigenen Methodik nicht reflektieren und darüber hinaus fiele ihnen nicht auf, dass sie eigentlich Atheisten sind
So weit würde ich nicht gehen - mein Verdacht ist eher, dass es nicht die Ausnahme ist, methodische Grundlagen über geistige Grundlagen zu stellen.

Auch ich kenne eine Menge theologischer Weicheier, die keinerlei Plan über ontologishe Grundlagen des Christentums haben - und eine Menge Christen/Theologen, die nicht mit innerer geistiger Substanz ins Studium hineingehen/-gingen, sondern meinen, selbige dort zu bekommen. - Das ist der falsche Weg.

Thaddäus hat geschrieben:Ein großes Problem dieser Dikussion ist, dass dir die Grundlagen theologischer und historisch-kritischer Arbeit in keiner Weise klar sind, was an solchen Stellungnahmen von dir ersichtlich wird.
Gerade WEIL mir die Grundlagen klar sind, bin ich erschüttert, wie weit man sich im Namen der HKM mit spirituellen Aussagen herauswagt.

Erneut verweise ich auf das Beispiel "Naherwartung". - Natürlich KANN man (muss nicht) historisch-kritisch zum Ergebnis kommen, dass Jesus nach Meinung seiner Rezipienten einen Naherwartung hatte. - Aber wo ist die kritische Reflexion, ob diese Rezeption richtig sein könnte, FALLS der mögliche Fall Realität ist, dass Jesus WIRKLICH wesengleich mit Gott ist?

Müsste man da nicht sagen:
"Ja - einige Rezipienten haben tatsächlich geglaubt, dass Jesus eine "äußere" Naherwartung hatte - das sagt uns die HKM. - Aber wenn Jesus wirklich der war, für den ihn die christlichen Kirchen halten, spricht einiges dafür, dass sich diese Rezipienten geirrt haben, weil ....."
Dieser differenzierte Umgang wäre exakt das, was ICH unter wissenschaftlicher Redlichkeit verstehen möchte.

Thaddäus hat geschrieben:Ob Jesus aus Nazareth darüber hinaus wesensgleich mit dem christlichen Gott ist, ist dagegen eine Frage der theologischen Disziplinen DOGMATIK bzw. SYSTEMATIK, die zwar die exegetischen Ergebnisse zur Kenntnis nehmen und auf ihnen aufbauen, ansonsten aber vor allem auf philosophische Methoden angewiesen sind.
Wir kommen uns noch näher, wenn man mit HKM-Ergebnissen der systematischen Theologie weder direkt noch indirekt mit Aussagen wie etwa "Jesus hatte selbst eine "äußere" Naherwartung" in die Kiemen langt.

Es reicht doch, wenn man sagt "Aus Sicht dieses oder jenes Verfassers ist es an diesen Stellen naheliegend, dass ...". - Alles andere klärt dann die systematische Theologie - oder die kanonische Exegese, die irgendwie dazwischen zu stehen scheint.

Thaddäus hat geschrieben:Solange diese Annahme nicht mit besseren Gründen widerlegt wird, darf man hiervon als Tatsache ausgehen.
Davon abgesehen, dass ich dieser speziellen Aussage zustimme - NEIN.

Denn "Tatsache" klingt so nach "Wirklichkeit" - als würde sich die tatsächliche Wirklichkeit mit der Entwicklung der Wissenschaft ändern. - Warum nicht einfach: "Nach unserem jetzigen Stand sieht's so aus, dass ....". --- ??? ---

Denn es gibt nicht wenige, die aus dem Begriff "Tatsache" schlussfolgern, die Wirklichkeit MÜSSE so gewesen sein - als sei es eine verbindliche Aussage über das ist, was tatsächlich der Fall sei. - Da kann man behutsamer und verantwortungsvoller mit umgehen.

Thaddäus hat geschrieben: Genau das kann die historisch-kritische Analyse erbringen, denn zur Klärung solcher Fragen sind ihre Methoden da.
Zunächst Zustimmung - aber wo ist hier die Reflexion, dass die Rezipienten erst mit der Zeit gecheckt haben, was Jesus wirklich gemeint hat? - Es gibt genug biblische Hinweise, dass es so sein kann - Du hast selber um die 10 sehr gute Belege dazu gebracht. - Warum macht man Dienst nach Vorschrift, statt diesen Fall mit zu berücksichtigen - täte man es, wäre es genau umgekehrt: Dann würde ein hermeneutischer Prozess bei der Rezeption genau das Gegenteil "nachweisen".

Thaddäus hat geschrieben:Deine und Ratzingers selbstimmunisierend-dogmatisch-hermeneutische Grundannahme, der Jetztzustand christlich-katholischer Glaubensüberzeugungen sei maßgeblich für die INterpretation des Kanons, ist wissenschaftlich gerade nicht redlich!
Ich glaube nicht, dass Ratzi es so meint, weiss es aber nicht. - Meiner Auffassung entspricht es ganz sicher nicht.

Außerdem ist das keine Antwort auf meine Frage, warum man nicht HKM-Ergebnisse unter verschiedenen möglichen Perspektiven durchspielen sollte. - Ich fände dies wissenschaftlich redlich.

Thaddäus hat geschrieben:Denn selbst ein Jesus-Evangelium, welches diesem Jetztzustand christlich-katholischer Glaubensüberzeugungen widerspräche, könnte diese hermeneutische Grundannahme nicht als falsch erweisen.
Wie bereits erläutert, ist auch diese Behauptung falsch.

Thaddäus hat geschrieben: Das Unsinnige kommt allein durch jene Gläubigen zustande, die meinen, ihre aktuellen konkreten christlichen Glaubensannahmen könnten unter keinen Umständen falsch sein.
Jetzt näherst Du Dich dem Ideologischen an.

Thaddäus hat geschrieben:Die Ergebnisse der HKM ergeben sich aus der Analyse der TEXTE, nicht über die Korrektheit metaphysischer Annahmen.
Die Beobachtungen ja, die Interpretationen daraus nein. - Wäre Jesus wesensgleich mit Gott, müsste man die mehr Gewicht auf die Bibelstellen legen, die unterstreichen, dass Jesus mit "nahem Gottesreich" etwas ganz anderes gemeint hat als eine "äußere" Wiederkunft in kurzer Zeit. - Diese Bibelstellen gibt es ebenfalls zuhauf.

Thaddäus hat geschrieben:Für die historisch-kritische Interpretation spielt das KEINE Rolle!
Wenn sie bei Texten ihre Aussagen auf den Textverfasser konzentriert, dann nicht. - Wenn sie ihre Aussagen auf das bezieht, worüber der Textverfasser spricht, ist Vorsicht angebracht.

Thaddäus hat geschrieben:Das ist das Ergebnis, und damit musst du leben (solange du keine bessere Analyse der TEXTE vorlegen kannst, die diesem Ergebnis widersprechen).
Kann ich nicht, weil ich mich dazu sehr tief einarbeiten müsste. - Jedoch weiss ich, dass es so gut wie allen Theologen, mit denen ich jemals über dieses Thema gesprochen habe (von einfachem Pfarrer bis zum habilitierten Theologen), bekannt ist, dass einzelne Jünger (bzw. deren Nachfolger) so gedacht haben wie auch viele Urchristen. - Das ist wirklich allseits bekannt.

ABER: Es wird ganz anders interpretiert, weil aus gesamt-biblischem Kontext ersichtlich ist, dass Jesus von seinem Umfeld zeitnah nicht verstanden wurde und erst nach und nach kapiert hat, was eigentlich Sache ist. - Der NT-Paradigmen-Wechsel hat seine Zeit gebraucht.

Man hat in einem allgemeinen Naherwartungs-Taumel der Zeit Jesus als Einlöser dieses Taumels verstanden, also AT-mäßig gedacht - bis man gecheckt hat: "Hoppla - Jesus selbst ist die Anwesenheit des Gottesreichs gewesen, die er uns für alle Zeiten vermacht hat". - Man hat also das äußere Motiv der Nähe erst mit der Zeit innerlich verstanden - deshalb auch die Verzögerung in der Rezeption.

Man muss dem nicht zustimmen, sollte aber zur Kenntnis nehmen, dass dies, erstens, ein ernst zu nehmender wissenschaftlicher Ansatz ist - der übrigens aus meiner Sicht zur HKM gehören müsste, den man aber meinetwegen auch in die systematische Theologie verschieben kann, wenn damit eingeübte Abläufe der HKM gestört werden. :devil:

Zweitens sollte man zur Kenntnis nehmen, dass diese Version Standard bei sehr vielen Theologen ist - und das sind nicht nur wissenschaftliche Deppen.

Thaddäus hat geschrieben:Die rot gesetzte Aussage ist widerlegt
Nicht überzeugend - eigentlich geht es hier nicht um Wahrheit, sondern um Systeme, die jeweils um ihr Deutungs-Monopol kämpfen.

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#489 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Fr 25. Mär 2016, 16:32

sven23 hat geschrieben:Genau das ist der entscheidende Punkt, den closs nicht zu verstehen scheint.
Ich verstehe diese Logik, halte sie aber aus guten Gründen, die wissenschaftlich nachvollziehbar sind, wenn man will, nicht für entscheidend. - Die Begründungen wiederhole ich jetzt nicht zum 354. Mal.

sven23 hat geschrieben:Aber ganz unabhängig davon kann man mit historisch-kritischer Methode nachweisen, dass diese Figur auf Grund der zur Verfügung stehenden Quellen eine Naherwartung hatte.
Man kann es eben NICHT "nachweisen" - man kann verkünden, was die Ergebnisse aus einem spezifischen Ansatz heraus sind.

Savonlinna hat geschrieben:Also muss die Frage erweitert werden, wie man überhaupt den Gedanken der Wiederauferstehung aller Menschen zu verstehen und zu deuten habe.
Korrekt - aber das ist nun wirklich kein HKM-Thema - oder meinst Du?

Savonlinna hat geschrieben:Wer diese Frage als eine supranatualistische ansieht
Persönlich kämpfe ich nicht um diesen Begriff. - Er wird dann nötig, wenn Naturalisten "nachweisen", dass so etwas naturalistisch nicht ginge, also nicht sein könne. - Dann muss man es halt verlagern.

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#490 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Savonlinna » Fr 25. Mär 2016, 16:53

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Also muss die Frage erweitert werden, wie man überhaupt den Gedanken der Wiederauferstehung aller Menschen zu verstehen und zu deuten habe.
Korrekt - aber das ist nun wirklich kein HKM-Thema - oder meinst Du?
Nein, natürlich nicht. Die historisch-kritische Methode untersucht keine Rezeption nach Verschriftlichung der Texte.

Im Übrigen hat Ratzinger, als er noch Papst war und gerade in Deutschland war, ein Interview gegeben, wo gerade die Heiligsprechung von irgendjemanden entweder kurz bevorstand oder gerade gewesen war.

Darüber wurde er im Interview befragt, nach welchen Kriterien die Heiligsprechung jemandem zugesprochen werde, und Ratzinger antwortete - auch hier zu meiner riesigen Verblüffung -, dass das eine schwierige Entscheidung sei, weil es dabei um die Gläubigen ginge. Man müsse alle Bedürfnisse der Gläubigen dabei im Blick haben, keine überbewerten, keine vernachlässigen.

Mich hat das darum so verblüfft, weil es da offenbar um eine gezielte Maßnahme ging, die den Gläubigen helfen sollte, ihnen Figuren zur Idenfikation zu bieten. Die Dogmenbildung hat da für mich einen ganz neuen Aspekt bekommen.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Wer diese Frage als eine supranatualistische ansieht
Persönlich kämpfe ich nicht um diesen Begriff. - Er wird dann nötig, wenn Naturalisten "nachweisen", dass so etwas naturalistisch nicht ginge, also nicht sein könne.
Möglicherweise wissen die lieben Foristen gar nicht, dass Maria erst nach ihrem Tod als "auferstanden" gilt und keineswegs als Geist auf einer Parkbank sitzen könnte.

closs hat geschrieben: - Dann muss man es halt verlagern.
Vielleicht bist Du ur-katholisch und weißt es gar nicht.
Und ich bin bestimmt keiner, der das als Vorwurf meint. Aber es könnte manches erklären, zum Beispiel die Anpasserei mittels der Sprache.

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