Alles Teufelszeug? II

SilverBullet
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#81 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von SilverBullet » Fr 11. Mär 2016, 17:48

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben: Wir haben nicht die Möglichkeit, das „phänomenale Erleben“ unserer Umwelt als reine Vorstellung zu betrachten.
Nun gehen wir beide sicherlich davon aus, dass unsere Umwelt echt ist - aber nicht, weil wir es per Wahrnehmung WISSEN können, sondern weil wir es glauben - ergo "Setzung".
Nein, wir „glauben“ es nicht und wir führen keine Setzung durch.
Wir können die „Wahrnehmungsinhalte“ schlicht nicht anders verstehen.
Kein freier Wille in Bezug auf das Erkennen von Wirklichkeit.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Ob es letztlich stimmt, kann eine Wahrnehmung nicht wissen, aber die Zusammenhänge sind dennoch eindeutig identifizierbar.
Eben - Dein "letztlich" ist wichtig.
Nein, es ist in gewisser Weise unwichtig, weil wir uns nicht entscheiden und nicht verändern können.
Kein freier Wille in Bezug auf das Erkennen von Wirklichkeit.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:„Transzendenz“ umfasst jedoch keinerlei Interaktion. Zumindest kann man aus den Behauptungen keine derartigen Details entnehmen.
Wie soll ein Außenstehender Details entnehmen können?
In dem der „Innenstehende“ mal wenigstens so tut, als würde er verstehen, dass es auf die Feststellung und Interaktion mit einer Wahrnehmungsunabhängigkeit ankommt und hierzu Informationen liefert.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Doch, eine Blume in der Vorstellung wird anders erlebt, als eine Blume bei der man durch Interaktion feststellt, dass sie mehr Details umfasst und anderes reagiert, als man es erwartet.
Auch in der Vorstellung kann etwas anders reagieren, als man erwartet.
Nein, sonst wird es ja nicht von mir als Vorstellung gewertet.
„Vorstellung“ bedeutet, dass ich mir etwas vorstelle => keine Wahrnehmungsunabhängigkeit, denn nur ich bin aktiv.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Nein, ich argumentiere rein über die Wahrnehmung, ohne Erklärung, wie Wahrnehmung hergestellt wird.
Du setzt voraus, dass die Sonnenblume NICHT Produkt Deiner Vorstellung ist.
Nein, ich setzte es nicht voraus, sondern ich erlebe es so – das ist ein Unterschied, denn es
gibt keine Wahlmöglichkeit.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Es ist höchst erstaunlich, dass das christliche Weltbild bereits mit dieser Grundlage Schwierigkeiten hat
Erstens hat das nicht mit "christlich" zu tun, sondern mit "philosophisch".
Doch, es gilt für beide „Bereiche“.

closs hat geschrieben:DU hast Probleme, den ersten Schritt zu gehen - Descartes hat ihn vo 500 Jahren gemacht.
Dank seiner religiösen Ausrichtung hat Descartes einen Maximalfehler in Sachen Wahrnehmung begannen. Er hat sich als „einen von Gott geschaffenen Geist“ verstanden und auf dieser Basis die Bedeutungszusammenhänge der Wahrnehmung einfach auf einen unsichtbaren Kern bezogen (wobei er natürlich auch keine Ahnung hatte, was "Geist" sein soll).
Dies kann von der Wahrnehmung aber nicht als Wirklichkeit bestätigt werden (kein Erleben von „Geist“(?), keine Interaktion, keine Wahrnehmungsunabhängigkeit).
Descartes ist ein Musterbeispiel dafür, dass das christliche Weltbild die Wahrnehmung festlegt.

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Halman
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#82 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Halman » Fr 11. Mär 2016, 18:03

Savonlinna hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Die von der HKM als fromme Legenden entlarvten Geburtsgeschichten hält Ratzinger für historisch, eben weil die kanonische Exegese die Schriften als irrtumsfrei voraussetzt. So bewegt man sich in Zirkelschlüssen, ohne es zu bemerken oder bemerken zu wollen.
Nein, das folgt nicht aus der kanonischen Exegese. Offenkundig wurde hier mehrheitlich versäumt, sich mit meinen Beiträgen und Quellen diesbezüglich ernsthaft auseinanderzusetzen. Damit ist meine Geduld - dies schreibe ich in meiner Rolle als User (also keine Panik) - erschöpft.
Auch Ratzinger behauptet keineswegs, dass die kanonische Exegese die Irrtumsfreheit der Schriften voraussetzt.
Das habe ich ebenfalls schon geschrieben.
Vielen Dank für Deine konstruktive Unterstützung, Savonlinna. :) Also sitzen wir diesbezüglich im selben Boot.

Savonlinna hat geschrieben:Aber es macht vielmehr Spaß, sich die Dinge auszudenken, als die Wahrheit zu sagen. Das nennt man im Neusprech "intellektuelle Redlichkeit" :(
Dagegen ist kein Angehen, Halman. Man lese Orwells "1984" - wo das "Neusprech" charakterisiert wird: Lüge wird systematisch zur Wahrheit umgepolt, um Menschen zu manipulieren.
Dennoch bin ich der Meinung, dass man dagegen sprechen muss. Damit wird man die Gegenspieler (da fällt mir jetzt kein besserer Begriff ein) höchstwahrscheinlich nicht überzeugen können, doch ihre irrigen Behauptungen müssen im Interesse der Leserschaft als solche kenntlich gemacht werden.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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Halman
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#83 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Halman » Fr 11. Mär 2016, 18:17

Münek hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Die von der HKM als fromme Legenden entlarvten Geburtsgeschichten hält Ratzinger für historisch, eben weil die kanonische Exegese die Schriften als irrtumsfrei voraussetzt. So bewegt man sich in Zirkelschlüssen, ohne es zu bemerken oder bemerken zu wollen.
Nein, das folgt nicht aus der kanonischen Exegese. Offenkundig wurde hier mehrheitlich versäumt, sich mit meinen Beiträgen und Quellen diesbezüglich ernsthaft auseinanderzusetzen. Damit ist meine Geduld - dies schreibe ich in meiner Rolle als User (also keine Panik) - erschöpft.

Lies erstmal den Auszug aus dem Katechismus der Katholischen Kirche (Absatz 107):

"Die inspirierten Bücher lehren die Wahrheit. Da also all das, was die inspirierten Verfasser
oder Hagiographen aussagen, als vom Heiligen Geist ausgesagt gelten muss, ist von den Bü-
chern der Schrift zu bekennen, dass sie sicher, getreu und ohne Irrtum die Wahrheit lehren,
die Gott um unseres Heiles willen in heiligen Schriften aufgezeichnet haben wollte." (DV 11)


Papst Johannes Paul II. berief 1986 eine Kommission aus zwölf Kardinälen und Bischöfen unter
Vorsitz von Joseph Kardinal Ratzinger
ein, die in sechs Jahren einen Entwurf für den Katechis-
mus vorbereitete. (Wiki)
Zwar wird im katholischen Artikel Jenseits der historisch-kritischen Methode sowohl die kanonische Exegese thematisiert, als auch etwa in der Mitte des Artikels der Katechismus erwähnt, in dem es heißt:
Wenn der wörtliche Sinn neben die drei spirituellen Sinne gesetzt wird, sprechen wir von der Quadriga. Die vielleicht bekannteste Zusammenfassung davon stammt von Augustinus von Dänemark, wie sie im Katechismus der Katholischen Kirche zitiert wird: „Der Buchstabe lehrt die Ereignisse; was du zu glauben hast, die Allegorie; die Moral, was du zu tun hast; wohin du streben sollst, die Anagogie.“
Daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, der Katechismus würde selbst die kanonische Exegese repräsentieren, halte ich für sehr gewagt, ja sogar für falsch.
Die Schlussfolgerung sieht so aus (die Worte des emigrierten Papstes habe ich blau hervorgehoben):
Schlussfolgerung

Wenn Papst Benedikt XVI. recht hat, dann besteht der hoffnungsvolle Weg für die moderne Exegese darin, an der Geschichte und an einer authentischen historischen Forschung festzuhalten, bei gleichzeitiger Wahrnehmung der theologischen Tragweite ebendieser durch die Vorsehung Gottes offenbarten Geschichte. Oder anders ausgedrückt: Katholische Exegeten und Theologen müssen sowohl dem genauen wörtlichen Sinn nachgehen als auch die drei spirituellen Sinne der heiligen Schrift erkunden. Der Heilige Vater bringt diesen Punkt ganz klar 2006 in seiner Ansprache vor den Schweizer Bischöfen zum Ausdruck : „…mir liegt sehr daran, daß die Theologen die Schrift auch so lieben und lesen lernen, wie das Konzil es wollte nach Dei Verbum: daß sie die innere Einheit der Schrift sehen, wozu heute die 'Kanonische Exegese' ja hilft (die freilich immer noch in schüchternen Ansätzen ist) und dann eine geistliche Lesung der Schrift üben, die nicht äußere Erbaulichkeit ist, sondern das innere Eintreten in die Präsenz des Wortes. Da etwas zu tun, dazu beizutragen, daß neben und mit und in der historisch-kritischen Exegese wirklich Einführung in die lebendige Schrift als heutiges Wort Gottes geschieht, erscheint mir eine sehr wichtige Aufgabe.“ (28)
Der emigrierte Papst sieht in der kanonischen Exegese also eine Hilfe, um die innere Einheit der Schrift zu begründen, ganz im Sinne der Dei Verbum, daraus folgt aber nicht, dass die kanonische Exegese analog zu dem Dei Verbum bzw. dem Katechismus wäre. Dies wäre meiner Meinung nach ein logischer Fehlschluss.
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#84 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Halman » Fr 11. Mär 2016, 18:24

sven23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Auch Ratzinger behauptet keineswegs, dass die kanonische Exegese die Irrtumsfreheit der Schriften voraussetzt.
.
Dann hätte er eine andere Definition der kanonischen Exegese, die der offiziellen widerspricht.
Zur fachliche korrekten Darstellung der kanonischen Exegese hatte ich wiederholt Artikel von Prof. Erich Zenger verlinkt und daraus zitiert.

sven23 hat geschrieben:"Die Bibel wird seitens der Kirche als vom Heiligen Geist inspiriert und darum in Glaubensfragen und auch allen wesentlichen historischen Aussagen als irrtumslos vorausgesetzt."
Quelle: Kathpedia

"Der Papst stellt sein Buch als Ausdruck seines persönlichen Suchens hin - es sei kein lehramtlicher Akt -, doch erweist sein Inhalt es als eine unverblümte Darstellung des römisch-katholischen Glaubens in historischem Gewand, bei dem die Inspiriertheit der Schriften, die Gottheit Jesu und die Irrtumslosigkeit der Schriften vorausgesetzt werden.

Der Eindruck entsteht daher leicht, dass hier ein weiteres Mal einer konstruktiven Auseinandersetzung zwischen römisch-katholischem Dogma und historischer Vernunft der Riegel vorgeschoben worden sei."

Quelle: spiegel-online

Ratzingers Versuch einer Synthese zwischen historisch-kritischer Methode und kanonischer Exegese war von Anfang an zum Scheitern verurteilt.

"Ratzinger ist in erster Linie Dogmatiker. Und man kann eben nicht erst
in zweiter Linie Wissenschaftler sein."

Kubitza, Der Dogmenwahn
Du vermengst die katholische Dogmatik mit der kanonischen Exegese, ohne diesen Zusammenhang logisch zu begründen. Wenn die katholische Kirche in ihrer dogmatischen Theologie die Irrtumslosigkeit der Bibel vorraussetzt, so müsstest Du erstmal logisch nachweisen, dass dies auf Basis der kanonischen Exegese erfolgt. Ich behaupte, dass die katholische Kirche schon immer so eine Position vertrat, dazu gehört auch die Auffassung, dass die Bibel eine Einheit bildet. Die kanonische Exegese kam als "Werkzeug" hinzu, um diesen Aspekt nun exegetisch begründen zu können. Damit kann man aber nicht die Irrtumslogikeit der Bibel begründen, diese kann man nur aus religiösem Grund vorraussetzen.
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#85 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Savonlinna » Fr 11. Mär 2016, 18:29

SilverBullet hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben: Wir haben nicht die Möglichkeit, das „phänomenale Erleben“ unserer Umwelt als reine Vorstellung zu betrachten.
Nun gehen wir beide sicherlich davon aus, dass unsere Umwelt echt ist - aber nicht, weil wir es per Wahrnehmung WISSEN können, sondern weil wir es glauben - ergo "Setzung".
Nein, wir „glauben“ es nicht und wir führen keine Setzung durch.
Wir können die „Wahrnehmungsinhalte“ schlicht nicht anders verstehen.
Kein freier Wille in Bezug auf das Erkennen von Wirklichkeit.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Ob es letztlich stimmt, kann eine Wahrnehmung nicht wissen, aber die Zusammenhänge sind dennoch eindeutig identifizierbar.
Eben - Dein "letztlich" ist wichtig.
Nein, es ist in gewisser Weise unwichtig, weil wir uns nicht entscheiden und nicht verändern können.
Kein freier Wille in Bezug auf das Erkennen von Wirklichkeit.

Ich habe über diesen Punkt jetzt eine Weile nachgedacht.
Es ist möglich, dass closs das anders empfindet als Du, SiverBullet.

Der "normale" Mensch erlebt es wahrscheinlich wie Du.
Aber ich kann mich selber an Krisenzeiten erinnern, wo mir die gesamte Wirklichkeit wie ein Traum vorkam. Über viele Jahre hinweg.
Ich glaube, dass Menschen, die oft Drogen nehmen, ein ähnliches Verhältnis zur Wirklichkeit haben. Ich habe mit einigen von ihnen gesprochen: sie zweifeln an, dass die Wirklichkeit, die sie - ohne Drogen - erleben, echt ist.

Shakespeare hat viele seiner Theaterstücke genau auf diesem Gefühl aufgebaut.
Shakspeare hat geschrieben:Wir sind vom gleichen Stoff, aus dem die Träume sind und unser kurzes Leben ist eingebettet in einen langen Schlaf.
Hugo von Hofmammsthal hat geschrieben:Wir sind aus solchem Zeug wie das zu Träumen
Calderon schrieb ein Stuck: "Das Leben ein Traum", und Grillparzer schrieb ein Stück: "Der Traum ein Leben".

Berühmt ist folgender Bericht aus dem alten China:
Eines Nachts träumte Zhuang Zhou, er wäre ein Schmetterling, der mit sorgloser Leichtigkeit herumflog. Der Traum war so real, dass er, als er erwachte, sich fragte, ob er Zhunag Zhou war, der geträumt hatte, er sei ein Schmetterling, oder ob er wirklich ein Schmetterling war, der träumte, er sei Zhuang Zhou.

Solche Sachen kann man nicht "philosophisch" herleiten. Sie hängen mit der Person zusammen, die "Wirklichkeit" so oder auch ganz anders erfährt.
Die, die in der Wirklichkeit so leben, dass sie entweder unecht oder irreal ist: die müssen vermutlich "setzen", dass sie real ist.
Oder sie gewöhnen sich mit der Zeit daran.

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#86 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Fr 11. Mär 2016, 18:49

SilverBullet hat geschrieben:Kein freier Wille in Bezug auf das Erkennen von Wirklichkeit.
Aber Erkenntnis. - Wenn Du Wahrnehmung reflektierst, wirst Du feststellen, dass Wahrnehmung selber nichts darüber aussagen kann, ob es sich auf etwas Äußeres oder auf etwas Vorgestelltes bezieht. - Niemand kann das.

SilverBullet hat geschrieben:Nein, sonst wird es ja nicht von mir als Vorstellung gewertet.
Das sind alles weltanschauliche Setzungen, die die descartsches Erkenntnis ignorieren. - Sogar in meinen Träumen passiert manchmal etwas, was ich nicht erwarte.

SilverBullet hat geschrieben:Nein, ich setzte es nicht voraus, sondern ich erlebe es so
Es sagt nichts über die Frage aus, ob man Äußeres oder Vorstellung erlebt. Das Erlebnis ist dasselbe. - Im übrigen erleben Gläubige auch Gott als äußere Realität.

SilverBullet hat geschrieben:Er hat sich als „einen von Gott geschaffenen Geist“ verstanden und auf dieser Basis die Bedeutungszusammenhänge der Wahrnehmung einfach auf einen unsichtbaren Kern bezogen
Möglich - Du verstehst Dich NICHT als „einen von Gott geschaffenen Geist“ - also auch eine weltanschauliche Setzung. - Wer soll diese Frage beantworten?

SilverBullet hat geschrieben:Dies kann von der Wahrnehmung aber nicht als Wirklichkeit bestätigt werden
Wirklichkeit ist nichts anderes als das, was man wahrnimmt - völlig unabhängig davon, ob man Äußeres oder Vorstellungen wahrnimmt. - Du drehst Dich im Kreise.

SilverBullet hat geschrieben:Descartes ist ein Musterbeispiel dafür, dass das christliche Weltbild die Wahrnehmung festlegt.
Materialisten = „es gibt keinen Gott, der Geist schafft“ ist ebenfalls eine Festlegung. - Beides nicht falsifizierbar.

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#87 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Fr 11. Mär 2016, 18:51

Savonlinna hat geschrieben:Solche Sachen kann man nicht "philosophisch" herleiten.
Man kann das Erleben nicht philosophisch herleiten - das geht eh nie. - Aber man kann logisch nachweisen, dass der eine wie der andere Ansatz nicht falsifizierbar ist.

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Savonlinna
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#88 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Savonlinna » Fr 11. Mär 2016, 18:58

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Solche Sachen kann man nicht "philosophisch" herleiten.
Man kann das Erleben nicht philosophisch herleiten - das geht eh nie. - Aber man kann logisch nachweisen, dass der eine wie der andere Ansatz nicht falsifizierbar ist.
Das kann man nicht logisch nachweisen. Beide Wahrnehmungsformen existieren, das ist nachweisbar.
Das ist doch gar kein Problem.

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Thaddäus
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#89 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Thaddäus » Fr 11. Mär 2016, 20:15

Savonlinna hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Die von der HKM als fromme Legenden entlarvten Geburtsgeschichten hält Ratzinger für historisch, eben weil die kanonische Exegese die Schriften als irrtumsfrei voraussetzt. So bewegt man sich in Zirkelschlüssen, ohne es zu bemerken oder bemerken zu wollen.
Nein, das folgt nicht aus der kanonischen Exegese. Offenkundig wurde hier mehrheitlich versäumt, sich mit meinen Beiträgen und Quellen diesbezüglich ernsthaft auseinanderzusetzen. Damit ist meine Geduld - dies schreibe ich in meiner Rolle als User (also keine Panik) - erschöpft.
Auch Ratzinger behauptet keineswegs, dass die kanonische Exegese die Irrtumsfreiheit der Schriften voraussetzt.
Das sehe ich - wen wundert es - ein wenig anders.
Es ist ehrlich gesagt ziemlich unerheblich, ob Ratzinger das behauptet oder nicht. Wichtig ist einzig und allein, ob die kanonische Exegese oder auch die Ratzinger-Exegese faktisch Irrtumslosigkeit voraussetzen oder nicht. Und mir scheint das zweifelsfrei der Fall zu sein.

Nicht, dass ich falsch verstanden werde: jeder darf soviel kanonische und Ratzinger-Exegese betreiben, wie er will und darf sie auch für einen adäquaten Umgang mit den biblischen Texten halten. Das ist dann seine Glaubenssache, die andere zu akzeptieren haben.

In dem Augenblick aber, in dem kanonische oder Ratzinger-Exegese von wem auch immer als wissenschaftliche Alternative zur historisch-kritischen Methode behauptet wird oder gar der HKM die Berechtigung abgesprochen wird, inhaltliche Aussagen zur wissenschaftlichen Plausibilität von Glaubensüberzeugungen machen zu können, dann ist dem in aller Deutlichkeit zu widersprechen und zwar - wie ich ernsthaft meine - aus Gründen exakt der intellektuellen und wissenschaftlichen Redlichkeit. Wenn jemand also gerne kanonische Exegese betreibt zu seinem eigenen Vergnügen und christlich-katholischer Erbauung, dann ist ihm das unbelassen. Wird sie aber behauptet als Bestandteil der wissenschaftlichen Theologie, dann ist das energisch zurückzuweisen. Die einzig relevante Frage ist also, ob das jemand so behauptet?

Es ist unerheblich, ob Ratzinger oder welcher Theologe auch immer die Irrtumsfreiheit der kanonischen und der Ratzinger-Exegese explizit behauptet oder nicht, denn diese Annahme ergibt sich zwingend aus dem theologisch-katholischen Grundansatz der beiden Exegeseformen.

Bereits den biblischen Kanon als eine organische christliche Einheit zu verstehen, ist problematisch und wird von jüdischen Gläubigen logischerweise auch vehement abgelehnt. Damit ist aber klar, dass die christliche Glaubensüberzeugung, die Schriften des AT und des NT seien ein organisches Ganzes im christlichen Sinne, die Irrtumslosigkeit genau dieser Glaubens-Überzeugung voraussetzt.
Da sich diese christliche Glaubensüberzeugung letztlich auf die Schiften von AT und NT stützt (z.B. auf die christliche Interpretation einer prophetischen Ankündigung Jesu im AT), muss diesbezüglich die Irrtumslosigkeit der Schriften und vor allem der eigenen, christlichen Interpretation dieser Schriften vorausgesetzt werden. Warum diese Irrtumslosigkeit vorausgesetzt werden muss, erkennt man leicht an den Konsequenzen, wenn man sie nicht voraussetzt.

Die Basisannahme der kanonischen und der Ratzinger-Exegese besteht darin, dass der biblische Kanon in seiner Gesamtheit eine christliche Einheit darstellt und zentrale, sich aus der langen katholischen Tradion ergeben habende, katholische Glaubensüberzeugungen wahr sind. Genau unter dieser zentralen Annahme interpretiert die kanonische Exegese die Schriften von AT und NT.
Nimmt man nun als systemimanenten Bestandteil der eigenen hermeneutischen Theorie gleichzeitig an, dass diese Basisannahme grundsätzlich auch ein Irrtum sein könnte, verliert die kanonische und die Ratzinger-Exegese methodisch-hermeneutisch augenblicklich ihre gesamte Berechtigung, da die zentrale Basisannahme - theorieimmanent - unter Irrtumsverdacht steht! Man kann also gar nicht darauf verzichten, die Irrtumslosigkeit der biblischen Schriften, der eigenen katholischen Interpretation dieser Schriften und der katholischen Tradition bereits vorausszusetzen. Und genau darum handelt es sich nicht um Wissenschaft.

Die HKM gerät nicht in dieses Dilemma, weil sie nichts anderes voraussetzen muss, als dass ihre säkularen wissenschaftlichen Methoden plausibel und einleuchtend sind und zu wissenschaftlich fundierten Ergebnissen führen. Will man sie kritisieren, mus man überzeugend darlegen, warum man ihre Methoden für falsch bzw. wissenschaftlich für unzureichend hält.

Savonlinna hat geschrieben:Das nennt man im Neusprech "intellektuelle Redlichkeit" :(
Dagegen ist kein Angehen, Halman. Man lese Orwells "1984" - wo das "Neusprech" charakterisiert wird: Lüge wird systematisch zur Wahrheit umgepolt, um Menschen zu manipulieren.
Ich finde das etwas übertrieben, Savonlinna. Ich bin hier zwar anderer Aufassung als du. Darum mache ich aber nicht eine Lüge systematisch zur Wahrheit. Ich versuche lediglich halbwegs plausibel darzulegen, warum kanonische und Ratzinger-Exegese in meinen Augen nicht wissenschaftlich sein können.
Zuletzt geändert von Thaddäus am Fr 11. Mär 2016, 20:26, insgesamt 3-mal geändert.

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#90 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Savonlinna » Fr 11. Mär 2016, 20:24

Thaddäus hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Das nennt man im Neusprech "intellektuelle Redlichkeit" :(
Dagegen ist kein Angehen, Halman. Man lese Orwells "1984" - wo das "Neusprech" charakterisiert wird: Lüge wird systematisch zur Wahrheit umgepolt, um Menschen zu manipulieren.
Ich finde das etwas übertrieben, Savonlinna. Ich bin hier zwar anderer Aufassung als du. Darum mache ich aber nicht eine Lüge systematisch zur Wahrheit.
Von Dir konnte ich ja auch gar nicht gesprochen haben, da Du diesen Beitrag ja nach meinem geschrieben hast. ;)

Zur Sache selber ein andermal.

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