Alles Teufelszeug?

Pluto
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#1901 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Pluto » So 6. Mär 2016, 12:23

closs hat geschrieben:Es gibt zwei Fälle:
1) "Ich nehme einen Stein und lasse ihn auf den Fuß fallen. Ich erkenne dadurch NICHT, ob dieser Stein als Vorstellung einen Schmerz verursacht oder als Entität (also "echt")".
Probieren geht über studieren.
Versuchs doch einfach mal.

closs hat geschrieben:"Ich stelle mir vor, eine Weltreise zu machen und erkenne, dass es lediglich eine Vorstellung ist".
Der Satz ist eine Tautologie.

closs hat geschrieben:Welchen Sinn macht dies alles, wenn man eh nicht wissen kann, ob der Stein "echt" ist?
Nochmals...
In der Empirie liegt oft viel Wahrheit. Mach einfach den Versuch, aber jammere hinterher nicht wegen dem blauen Fleck.

closs hat geschrieben:Du meinst: Es hat keiner Bedeutung FÜR DICH - ob es darüber hinaus eine Bedeutung hat, weisst Du einfach nicht.
Nee. Was sein könnte, wir aber nicht erfassen können, hat für jeden von uns keinerlei Bedeutung. Es ist deshalb müssig darüber nachzudenken.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Dem philosophisch/religiösen Wort „Geist“ kann weder ein Inhalt noch eine „Interaktion mit einer Wahrnehmungsunabhängigkeit“ unterstellt werden -> keine Wirklichkeit.
Das haut nicht hin - es ist ebenfalls anthropozentrisch gedacht.
Wieso denn das? Vieles (alles?) was mit unserem Bewusstsein zu tun hat ist rein subjektiv, auch der Geist. Es braucht erst ein Bewusstsein, damit die Illusion von Geist entsteht.

closs hat geschrieben:Stelle Dir vor, Geist wäre tatsächlich Wirklichkeit - und er würde uns hier zuhören
So was ist völlig unvorstellbar (siehe oben). Alle geläufigen Begriffe... Geist, Spiritus, ja sogar das ICH-Gefühl sind Konstrukte unseres Bewusstseins.
Ohne Bewusstsein geht gar nichts!

Es gibt eine OP, die heute noch angewendet wird, um starke epileptische Anfälle zu unterdrücken: Bei der Callectomie wird die Verbindung zwischen beiden Gehirnhälften durchtrennt. Diese Menschen haben dann zwei Bewusstseinszustände (eines in jeder Hälfte), können aber ansonst ein normales Leben führen.
Die Frage ist nun, welcher "Geist" nun bei den Christen den Tod überlebt? Der Rechte oder der Linke, oder gar Beide?

closs hat geschrieben:Wir können definieren, was wir unter "Wirklichkeit" verstehen, nicht aber, was Wirklichkeit "ist".
Warum sollte das unser Leben beeinflussen?

closs hat geschrieben:Der Sündenfall steht für den Eintritt des Menschen in eine Welt aus Materie und Geist, die gleich präsent, aber unterschiedlich wahrnehmbar sind.
Was ist Geist?
Ist es vielleicht die christliche Vorstellung vom Dualismus des Geistes: Der menschliche Geist getrennt vom göttlichen Geist.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#1902 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » So 6. Mär 2016, 12:39

Pluto hat geschrieben:Probieren geht über studieren.
Das Ergebnis ist doch dasselbe - das ist das Problem. - Wenn Du mir gerade einen Post schreibst, ist es für Dich dasselbe, ob es "echt" ist oder Vorstellung - und wenn ich Dir antworte ist es für Dich dasselbe, ob es mich wirklich gibt oder ob mein Post Teil Deiner Vorstellung ist.

Pluto hat geschrieben:Der Satz ist eine Tautologie.
Ich habe es halt per Verdopplung nochmal verdeutlicht. - Aber wir sind uns doch einig darüber, dass wir bei einer bewussten Vorstellung wissen, dass diese Vorstellung nicht echt ist?

Pluto hat geschrieben:In der Empirie liegt oft viel Wahrheit.
Denkfehler. - Lebtest Du in einer reinen Vorstellungs-Welt. hättest Du dieselbe Empirie und dieselbe Naturwissenschaft, wie Du sie kennst.

Pluto hat geschrieben:Was sein könnte, wir aber nicht erfassen können, hat für jeden von uns keinerlei Bedeutung.
"Jeder" ist man selbst - es wird für "einen" nicht als bedeutend erkannt - wie auch? - Trotzdem könnte es wichtig sein.

Wenn Du nicht weißt, dass in Deinem Frühstücksbrötchen jeden Morgen Ebola-Bakterien sind, ist es trotzdem wichtig für Dich - selbst wenn Du daran stirbst und es deshalb nie wissen wirst.

Pluto hat geschrieben:Vieles (alles?) was mit unserem Bewusstsein zu tun hat ist rein subjektiv, auch der Geist.
So formuliert ist es richtig - um es ganz klar zu formulieren: Alles Geistige, das wir wahrnehmen, geht nur über uns als Subjekt. - Das sagt aber nichts darüber aus, ob der Geist nur Vorstellung oder Entität ("Wirklichkeit") ist. - Reine Glaubenssache.

Pluto hat geschrieben:So was ist völlig unvorstellbar (siehe oben).
Wenn es für Dich nicht vorstellbar ist, ist dies allein Dein Problem. - Es ändert nichts daran, dass es so oder so sein kann.

Pluto hat geschrieben:Die Frage ist nun, welcher "Geist" nun bei den Christen den Tod überlebt? Der Rechte oder der Linke, oder gar Beide?
Geist als Entität braucht KEINE läppischen Hirnhälften von uns - das wäre nur der Fall, wenn Geist ausschließlich Produkt des Gehirns wäre. - Das glaubt/setzt der Naturalismus und kann somit Spirituelles substantiell nicht verstehen.

Das heisst NICHT, dass deshalb ein Naturalist nicht spirituell sein kann - er kann es sehr wohl. - Aber er kann es nur deshalb, weil das, was er kann, unabhängig davon kann, ob er die Zusammenhänge checkt.

Pluto hat geschrieben:Warum sollte das unser Leben beeinflussen?
Zunächst geht es um eine saubere philosophische Aussage. - Beinflussen kann es unser Leben insofern, dass es ein Unterschied ist, ob man sich als Herr des Geistes versteht oder als Empfänger von Geist.

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Thaddäus
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#1903 Sophokles König Ödipus 1

Beitrag von Thaddäus » So 6. Mär 2016, 12:46

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Du interpretierst Bildung einfach christlich-geistlich. Das ist Fakt.
Zu einfach. - Ich interpretiere universal vor abendländischem Hintergrund.
Jetzt beginnt es kurios zu werden, weil du anfängst, dir selbst zu widersprechen.
Du interpretierst weder universal (Wie soll das aussehen?), noch abendländisch (weil dazu das nicht-christliche Abendland vor Christus gehört und alle nicht-christlichen Bildungstraditionen). Du interpretierst ausschließlich christlich(-geistlich).
Beiweis? Du selbst hier in diesem Post:
closs hat geschrieben: "Hier geht es - transferiert - um das, was das Christentum "Erbschuld" nennt und nicht um persönlich verursachte Schuld."

"... letztlich führt dies aber in die Märtyrer-Frage"

"Wir haben Pest - was kann ich als König tun? - ich gebe sogar mein Leben für ein Ende der Pest" = christlicher Opfertyp"

"... dass der Mensch (hier Ödipus) unschuldig schuldig werden kann. - Versteht man die Bibel, hat man eine Antwort"
Diese deine Zitate beweisen in aller Deutlichkeit, wie sehr du christlich interpretierst und eben nicht universal oder abendländisch. Du stülpst dem Drama König Ödipus des griechischen heidnischen Dramatikers Sophokles deine christliche Sicht über, statt das Werk aus seinem griechischen und dezidiert nicht-christlichen Denken zu interpretieren. Das Stück wurde 425 vor Christus uraufgeführt! Da ist nichts Christliches drin und es gibt auch keinerlei christliche Anspielungen. Müneks Vorwurf eines Hangs zur Eisegese bei dir wird hier bestätigt.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Begriffe kann man gar nicht anders als historisch entstanden sehen.
Aber das, was in ihnen chiffriert ist, doch nicht.
In Begriffen ist nichts chiffriert. Begriffe werden definiert. Chiffren sind chiffriert. Begriffe sind aber keine Chiffren. Wenn du den säkularen Begriff Geist in transzendente Entität und geistlich umdefinierst, dann okkupierst du diesen ursprünglich säkularen Begriff christlich-geistlich und lässt nur noch diese Verwendung zu. Das ist genau die Vorgehensweise der Wahrheitsbehörde in Orwells 1984, die den Begriff "Freiheit" umdefiniert zur Unfreiheit.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Theben wird doch nicht von der Pest heimgesucht, weil Ödipus wissen will, wer für den Zorn der Götter verantwortlich ist!
Das ist auch nicht meine Aussage.
Doch, genau das war deine Aussage sogar mit 3 Ausrufungszeichen. Beweis:
closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Aber Ödipus wird wegen seiner Verblendetheit von den Göttern bestraft
Seiner Verblendetheit des Wissen-Wollens!!!
Ich schreibe: Ödipus wird wegen seiner Verblendetheit bestraft. Du schreibst: wegen der Verblendetheit Wissen-zu-wollen. Du interpretierst also, die Strafe des Gottes erfolgt deshalb, weil Ödipus wissen will, wer für den Zorn des Gottes verantwortlich ist. Das war also genau deine Aussage.

Ich korrigiere mich an dieser Stelle übrigens: Ödipus wird nicht wegen seiner Verblendung bestraft, sondern in seiner Verblendung besteht seine persönliche Tragik und Schuld. Die Verblendung des Ödipus liegt aber darin, dass er Teiresias nicht glaubt und ihn stattdessen sogar des Komplotts beschuldigt.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: dass ER Unrecht begangen hat
"Unrecht" im Tyche-Sinn und nicht "Ich-habe-etwas-wissentlich-ausgefressen"-Sinn. - Hier geht es - transferiert - um das, was das Christentum "Erbschuld" nennt und nicht um persönlich verursachte Schuld.
Hier geht es ganz gewiss nicht um Erbschuld. Die Vorstellung einer Erbschuld ist den vorchristlichen Griechen völlig fremd.

Die Pest kommt über Athen, weil Ödipus göttliche Gesetze gebrochen hat, wenn auch unwissentlich. Das heißt, Ödipus trifft keine persönliche Schuld am Gesetzesbruch, da aber göttliche Gesetze gebrochen wurden (Vatermord und Inzest sind die schlimmsten denkbaren Verbrechen), muss dies trotzdem von den Göttern bestraft und geahndet werden. Ödipus persönliche Schuld besteht darin, dass er nicht auf den blinden Seher Teiresias hört, auf den er aber hören sollte, weil der in Verbindung mit den Göttern steht und die Wahrheit "sieht".
Erkennst du hier nicht die kunstvolle sophokleische Komposition? Ödipus kann sehen, ist aber blind (gegen die Wahrheit), Teiresias ist blind, sieht aber die Wahrheit! Und am Ende blendet sich Ödipus darum selbst. Augen zu haben und sehen zu können, hat Ödipus nicht geholfen, die Wahrheit zu sehen (= zu erkennen). Also blendet er sich zum Schluss, als die gerechte persönliche Strafe für seine eigene vorhergehende Ver-blendung, obwohl er Augen hatte zu sehen und die Wahrheit seines Vatermordes und seiner Inzucht hätte erkennen müssen.

In der Antigone geht es ebenfalls um den Bruch von Gesetzen und welches Gesetz höher steht, menschliches oder göttliches. Obwohl König Kreon die Bestattung von Antigones Bruder Polyneikes ausdrücklich verbietet und ihn den Hunden zum Fraß überlässt, bestattet ihn Antigone trotzdem würdevoll und erfüllt damit das göttliche Gesetz, dass jeder Tote bestattet werden muss. Gleichzeitig verstößt sie aber gegen königliches Gesetz und macht sich so schuldig.

closs hat geschrieben:... ich verweise auf das Phänomen, dass Ödipus wissen will (sonst würde er nicht nachforschen) und deshalb in die persönliche Tragödie stürzt.
Ödipus verspricht herauszufinden, warum die Pest in Theben wütet. Er verpflichtet sich dazu nachzuforschen. Die Tragödie (Vatermord und Inzest) ist da längst geschehen und lässt sich auch nicht rückgängig machen. Seine persönliche Schuld kann also gar nicht darin bestehen, wissen zu wollen und nachzuforschen, wer Schuld am Zorn der Götter ist. Als König ist es sogar seine Pflicht das herauszufinden. Persönlich schuldig wird er erst dadurch, dass er nicht auf Teiresias hört und ihn sogar noch des Komplotts beschuldigt. Darin liegt seine Verblendung und wegen dieser Verblendung bestraft er sich am Ende selbst.
Zuletzt geändert von Thaddäus am So 6. Mär 2016, 13:13, insgesamt 4-mal geändert.

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#1904 Re: Sophokles König Ödipus 2

Beitrag von Thaddäus » So 6. Mär 2016, 12:46

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Sein größter Frevel besteht darin, dies nicht zu tun.
Vergiss nicht, dass er nach heutigen Maßstäben NICHT schuld ist.
Er ist zunächst nicht persönlich schuldig, weil er unwissentlich tut, was er tut. Er verstößt aber trotzdem gegen heilige göttliche Gesetze. Persönlich schuldig wird er erst, als er nicht auf Teiresias hört.

closs hat geschrieben: Das ist das erste. - Das zweite: Warum forscht denn Ödipus aktiv nach, ob Teresias recht hat? - Er forscht aktiv nach und Du rechnest es ihm als Frevel an, dass er NICHT nachforscht. - Was soll das?
Ödipus macht sich nicht schuldig, weil er nachforscht, sondern weil er die Wahrheit nicht erkennt, als Teiresias sie ihm durch deutliche Hinweise offenbart. Nicht auf Teiresias zu hören macht seine Verblendung aus, obwohl er wissen müsste, dass der blinde Seher die Wahrheit kennt. Sonst müsste Sophokles ja gar keinen blinden Seher Teiresias auftreten lassen, wenn es nur um die kriminalistische Aufklärung des Falles ginge.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Aber er erkennt es nicht, trotz aller klaren Hinweise von Teiresias - und frevelt damit nochmals ...
Warum forscht er dann nach, wenn er es nicht wissen will?
Ödipus will die Wahrheit ja wissen, aber er erkennt sie nicht, als Teiresias sie ihm offenbart bzw. nahelegt.

closs hat geschrieben: Du kommst plötzlich mit Argumenten, die ich von mir gewohnt bin ("Schuld ist Attribut des Mensch-Seins an sich")
In diesem Stück ist Schuld doch nicht ein Attribut des Menschseins an sich. Das ist deine christliche Erbsünden-Sicht auf dieses antike Drama. Der Verstoß gegen heilige göttliche Gesetze durch Ödipus beruht lediglich auf einer tragischen Verkettung mehrerer unglücklicher Umstände. Heiliges Gesetz wird gebrochen, was auch geahndet werden muss, aber dieses Vergehen hat nichts mit einer Schuld des Menschen an sich zu tun. Persönlich schuldig wird Ödipus erst aufgrund seiner Verblendung, die offen liegende Wahrheit, die ihm Teiresias offenbart, nicht sehen und erkennen zu wollen. Als allgemeines Attribut des Menschhseins in diesem Stück könnte man allenfalls den Hang der Menschen ansehen, sich etwas vorzumachen und das Offensichtliche nicht sehen zu wollen.

closs hat geschrieben: Du definierst als selbst-ernannter aufgeklärter Mensch Ödipus als schuldig, obwohl er nichts anderes macht, als ein Aufgeklärter tut: Selber aktiv rausfinden.
Wie ich gerade geschrieben habe, liegt die persönliche Schuld des Ödipus nicht darin, dass er die Sache aufklären will. Das ist sogar seine Pflicht als König.

closs hat geschrieben: Mir schwant, dass hier etwas zeitgenössische Gesellschafts-Konformität durchbricht ("Wenn halt damals die Gesetze so waren, dann ist er schuldig - Punkt").
Es gehört zum griechischen Verständnis, dass der Bruch heiliger Gesetze, weshalb und von wem auch immer sie gebrochen werden, geahndet werden muss, - weil es eben göttliche und damit heilige Gesetze sind.

closs hat geschrieben: Ich dagegen sehe die Person selbst, die sucht und dadurch in die persönliche Katastrophe stürzt.
Ödipus persönliche Katastrophe ist längst geschehen, als er mit seinen Nachforschungen beginnt. Da ist sein Vater bereits erschlagen und er hat mit seiner eigenen Mutter bereits Kinder gezeugt. Persönlich schuldig wird er nicht durch seine Nachforschungen, sondern wegen seiner Verblendung gegenüber dem, was Teirasias ihm offenbart.

closs hat geschrieben: - Du bringst noch eine dritte Variante mit ein, wenn Du auf die Verbindung "Pest - Person" (zu Recht) hinweist - letztlich führt dies aber in die Märtyrer-Frage, die aber nie gestellt wird ("Wenn Du Teresias glaubst, ohne nachzuprüfen, dann geht die Pest weg"). - Dann wären wir bei dem Märtyrer-Untertanen-Typ, den Du aber genau NICHT magst.
Welche Märtyrer? Weder Ödipus noch Teiresias sind Märtyrer. Ödipus sollte Teiresias deshalb glauben, weil der ein blinder Seher mit direktem Zugang zur Wahrheit ist. Nach griechischem Verständnis gibt es da nichts mehr nachzuforschen.

closs hat geschrieben: * Hier äußere Verantwortung ("Wir haben Pest - was kann ich als König tun? - ich gebe sogar mein Leben für ein Ende der Pest" = christlicher Opfertyp).
Ödipus ist auch bestimmt kein Märtyrer oder christlicher Opfertyp. Das ist wieder unangemessene christliche Fehlinterpretation. Es geht um Ödipus Erkennen der Wahrheit über sich selbst!

closs hat geschrieben: Ich bin keinesfalls der Meinung, dass die griechische Philosophie der hebräischen überlegen ist ...
Es gibt keine hebräische Philosophie! Es gibt nur eine hebräische Gesetzesreligion.
Zuletzt geändert von Thaddäus am So 6. Mär 2016, 13:18, insgesamt 3-mal geändert.

SilverBullet
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#1905 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von SilverBullet » So 6. Mär 2016, 13:00

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Dass dieser Mechanismus nicht als Ablauf im Verstehen/Bewusstsein verwaltet wird, ist klar und genau das habe ich geschrieben.
Aber dieser Mechanismus gilt doch auch für Geistiges.
Es ist leicht, allgemein „Geistiges“ zu behaupten.
Es ist schwer, die „Wirklichkeit von etwas Konkretem“, also den Wirklichkeitseindruck in Form von „Hier und Jetzt“ und einer Wahrnehmungsunabhängigkeit, für einen konkreten Sachverhalt darzulegen.
Aus dem „Kätzchenexperiment“ ist ersichtlich, dass „Wirklichkeit“, von Wahrnehmung nur dann erkannt wird, wenn sie im „Hier und Jetzt“ als interaktive Reaktionswirkung stattfindet.

Ich weiss nicht, über welches konkrete „Geistige“ du in diesem Zusammenhang redest.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Es geht darum, ob sich ein Mensch entscheiden kann, ob er „seine Vorstellung“, das Verstehen, als Wirklichkeit ansieht oder nicht.
Es gibt zwei Fälle:
1) "Ich nehme einen Stein und lasse ihn auf den Fuß fallen. Ich erkenne dadurch NICHT, ob dieser Stein als Vorstellung einen Schmerz verursacht oder als Entität (also "echt")"…
Nein, das erleben der Steinwirklichkeit (während er nach unten fällt und danach auf dem Boden liegt) erfolgt per „Phänomenalsemantik“.
Die Vorstellung eines Steines der nach unten fällt, ist als Denkvorstellung nicht mit der Phänomenalsemantik des „echten Steines“ identisch. D.h. die menschliche Wahrnehmung versteht/erkennt hierbei einen Unterschied.

Das generelle Problem, dass Wahrnehmung nicht 1:1 an „das Ding auf der anderen Seite“ herankommt, kann die Wahrnehmung nicht auflösen. Sie muss es im Falle der menschlich/tierischen Wahrnehmung aber auch gar nicht, weil ein bautechnisch vorhandener Mechanismus eine festgelegte Phänomenalsemantik erzeugt. Einen besseren Wirklichkeitsbezug erreichen wir nicht.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Das bedeutet, selbst bei den „Fachleuten im Überwinden der eigenen Funktionsweise“ wird eine Verlagerung in nicht nachvollziehbare Zusammenhänge (weitere Leben) benötigt, um den „Eindruck einer Überwindbarkeit des Basismechanismus“ zu erzeugen.
Welchen Sinn macht dies alles, wenn man eh nicht wissen kann, ob der Stein "echt" ist?
Ganz einfach:
Für eine völlig frei zu treffende „Wirklichkeitssetzung“ wird eine Form der Wahrnehmung benötigt, die ein Mensch nicht darstellt.
Man kann zwar philosophisch/argumentativ die Position einer „idealen Wahrnehmung“ durchspielen, aber das Problem dabei ist die menschliche Phänomenalsemantik.

Ich wollte in meinem Text zeigen, dass ein Mensch die Position einer freien Denkentscheidung nicht einnehmen kann, sondern im Gegenteil, auf eine „phänomenale Wirklichkeitszuordnung“ festgelegt ist.
D.h. Menschen erleben Wirklichkeit phänomenal.
(wobei ich in meiner Erklärungsvermutung von einem reinen Verstehen ausgehe, aber das gehört in den Bereich Erklärung)

Ein Weltbild, das rein intellektuell/philosophisch präsentiert wird, kann die phänomenale Semantik nie ersetzen und auch nie ergänzen.

Durch die bautechnische Festlegung auf eine phänomenale Wirklichkeitsbedeutung scheiden alle Weltbilder aus, bei denen die Bautechnik zwar begründet wird, diese aber zugleich ein Hindernis darstellt.

Interessant ist, dass für diese Weltbilder oftmals der „Strafgedanke“ als philosophischer Ausweg entwickelt wird, um zu begründen, warum sie für die menschliche Wahrnehmung nicht taugen.
So ein Weltbild liefert keinen erlebbaren Wirklichkeitsbezug und verlangt am Ende auch noch, dass die Anhänger, als Grundvoraussetzung, die „Schuld“ bei sich selbst suchen.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Wenn du von „was ist, ist eh unabhängig von kognitiver Nachvollziehbarkeit“ sprichst, hat das keinerlei Bedeutung, weil du „das Andere“ nie erreichen wirst.
Klassisch anthropozentrischer Trugschluss:
Du meinst: Es hat keiner Bedeutung FÜR DICH - ob es darüber hinaus eine Bedeutung hat, weisst Du einfach nicht.
Nein, der Basismechanismus zum Aufbau eines Wirklichkeitsverständnisses ist garantiert kein „Klassisch anthropozentrischer Trugschluss“, weil hierbei keine bewusste Denkaktivität erkennbar ist.

Wenn man in Bezug auf diese Phänomenalsemantik einen Vorwurf machen möchte, dann bitte in Richtung des Herstellungsprozesses (Evolution, Schöpfer usw.).

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Dem philosophisch/religiösen Wort „Geist“ kann weder ein Inhalt noch eine „Interaktion mit einer Wahrnehmungsunabhängigkeit“ unterstellt werden -> keine Wirklichkeit.
Das haut nicht hin - es ist ebenfalls anthropozentrisch gedacht.
Stelle Dir vor, Geist wäre tatsächlich Wirklichkeit
Das geht nicht, den „Vorstellen im Denken“ ist nicht gleich „Erleben“.

closs hat geschrieben:Wir können definieren, was wir unter "Wirklichkeit" verstehen, nicht aber, was Wirklichkeit "ist".
Wir können uns abstrakte philosophische Zusammenhänge ausdenken, wir keinen eine Tradition drum herum bauen, wir können Rituale einstudieren und aufführen, aber wir können dadurch niemals die Phänomenalsemantik, also den „automatisch erzeugten Erlebnis-Wirklichkeitsbezug“ ersetzen.

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#1906 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » So 6. Mär 2016, 14:10

Thaddäus hat geschrieben:Diese deine Zitate beweisen in aller Deutlichkeit, wie sehr du christlich interpretierst und eben nicht universal oder abendländisch.
Du hast meine Bemerkung gelesen, dass ich mich der christlichen Chiffrierung bediene - das ist etwas ganz anderes. - Die griechische Chiffrierung wäre, dass der Mensch vom Schicksal ausersehen ist und dies zu tragen hat. - Man kann die Kulturkreise und deren Inventar beliebig austauschen und gucken, wie weit man damit kommt. - Du irrst Dich, weil Du Inhalt und Chiffre gleichsetzt.

Thaddäus hat geschrieben:Du stülpst dem Drama König Ödipus des griechischen heidnischen Dramatikers Sophokles deine christliche Sicht über, statt das Werk aus seinem griechischen und dezidiert nicht-christlichen Denken zu interpretieren.
Ganz einfach falsch - warum liest Du nicht? -

Ich habe ausdrücklich geschrieben, dass griechisches Weltbild (Fluch = Ausersehen-Sein und dann Styx) und christliches Weltbild (Fügung = Kreuz und dann Erlösung) unterschiedlich interpretieren. - Warum unterstellst Du dann das Gegenteil.

Vor allem: Warum unterstellst Du den Griechen DEIN "aufgeklärtes" Bild von "Schuld" und "Strafe"? - Das ist komplett provinziell im Vergleich mit griechischer und christlicher Lösung.

Thaddäus hat geschrieben:Begriffe sind aber keine Chiffren.
Doch - menschliche Begriffe sind Ausdrucksformen für etwas und nicht selbst etwas.

Thaddäus hat geschrieben:Wenn du den säkularen Begriff Geist in transzendente Entität und geistlich umdefinierst
Umgekehrt: Du definierst den spirituellen Begriff "Geist" säkular um.

Thaddäus hat geschrieben:Das ist genau die Vorgehensweise der Wahrheitsbehörde in Orwells 1984, die den Begriff "Freiheit" umdefiniert zur Unfreiheit.
Das ist doch exakt der Vorwurf an Dich!

Thaddäus hat geschrieben: Du interpretierst also, die Strafe des Gottes erfolgt deshalb, weil Ödipus Wissen will, wer für den Zorn des Gottes verantwortlich ist.
Anders: Ödipus würde nicht bestraft werden können, wenn er nicht erkennen würde, dass ER der Betroffene ist. - Oder meinst Du, die Strafe würde eh kommen, auch wenn er NICHT erkennt?

Thaddäus hat geschrieben: Ödipus wird nicht wegen seiner Verblendetheit bestraft
Nach aufgeklärten Kriterien ist Ödipus doch gar nicht verblendet. - Er ist - in guter griechischer Art - ausersehen für einen Fluch. - Wie soll er verblendet sein, wenn er gleichzeitig rausfinden will, was abgeht? - Soll er Teresias glauben oder soll er es ermitteln?

Dürfte er aufgeklärt sein, MÜSSTE er es ermitteln. - Würde er sich einer Schicksalswelt klaglos unterwerfen, könnte Selbst-Ermittlung als Hybris interpretiert werden - so wie bei Hiob. - Hier sind sich das griechische und das AT-Denken sehr ähnlich - nämlich im heutigen Sinne des Wortes vollkommen un-aufgeklärt.

Und jetzt käme die Bewertungfrage. Was ist besser?
a) Aufgeklärt sein, wie es Ödipus versucht ("Ich will es wissen")
b) oder sich der Geistlichkeit/Gott klaglos fügen?

Du müsstest nach DEINEM Weltbild eigentlich a) sagen und die Rückständigkeit der sophokleischen Darstellung beklagen. - Ich könnte b) sagen im Sinne einer Vernunft, die über Gott mitgeteilt wird und die wir nicht verstehen können. - Deshalb nochmals: Wir haben hier witzigerweise die Rollen getauscht.

Thaddäus hat geschrieben:Hier geht es ganz gewiss nicht um Erbschuld. Die Vorstellung einer Erbschuld ist den vorchristlichen Griechen völlig fremd.
Ach, Mann. - "Transferiert" habe ich geschrieben - ich habe das im Griechischen bekannte Wort "Fluch" übertragen auf christliche Denkweise, damit die unterschiedlichen Denkweisen sichtbar werden.

Thaddäus hat geschrieben:Ödipus persönliche Schuld besteht darin, dass er nicht auf den blinden Seher Teiresias hört, auf den er aber hören sollte, weil der in Verbindung mit den Göttern steht und die Wahrheit "sieht".
Ja - das ist dasselbe in grün wie bei Hiob - was zählt mehr: Die eigene Urteilskraft oder die Vorsehung Gottes?

Und Du sagst jetzt Ödipus habe eine PERSÖNLICHE Schuld, weil er seine eigene Urteilskraft einsetzen möchte? - Und nennst die Griechen geistig fortschrittlicher als die Hebräer, wenn es Ödipus als persönliche Schuld angelastet wird, wenn er sich ein eigenes Urteil bilden will? - Sehr erstaunlich.

Richtig ist, das Sophokles damit einen religiöse Status Quo der griechischen Kultur darstellt, der dem entspricht, was Aiskylos ajatollah-mäßig vertritt. - Euripides wenige Jahre nach Sophokles wird diese Denkweise ironisieren - seine Deus-ex-machina-Installationen sind pure Götter-Verarschung.

Wie denkt Sophokles? - Wie auch immer: Er steht dazwischen und stellt diesen Konflikt dar. - Ob das Publikum fromm oder protestierend reagiert hat, weiss ich nicht, wäre aber interessant.

Thaddäus hat geschrieben:Ödipus kann sehen, ist aber blind (gegen die Wahrheit), Teiresias ist blind, sieht aber die Wahrheit!
Das ist ein uraltes Motiv - siehe auch Bileam )Numeri).

Thaddäus hat geschrieben:Also blendet er sich zum Schluss
Genau so - er tauscht äußere durch innere Erkenntnis ein. - Ein Motiv, dass das Christentum seit dem AT durchläuft wie ein roter Faden, das sich aber auch heute noch nicht durchgesetzt hat.

Thaddäus hat geschrieben:als die gerechte persönliche Strafe
Wieso "gerecht"? - Man kann dies nur unter Hiob-Gesichtspunkten als "gerecht" bezeichnen.

Thaddäus hat geschrieben: seine eigene vorhergehende Ver-blendung
Wieso "verblendet"? - Wärest Du "verblendet", wenn rauskäme, dass Dein langjähriger Ehemann in Wirklichkeit Dein Bruder ist?

"Verblendet" geht hier nur im AT-Wortsinn: Als Phänomen, an dem der Betroffene keinen Anteil hat - als Attribut. - So wie wenn Du eine Erbkrankheit in Dir tragen würdest, für die Du nichts kannst. - Das entspricht sehr wohl meinem Verständnis von "Erbschuld" - aber dass DU es ausgerechnet als "gerecht" bezeichnest, ist erstaunlich.

Thaddäus hat geschrieben:Da ist nichts Christliches drin und es gibt auch keinerlei christliche Anspielungen. Müneks Vorwurf eines Hangs zur Eisegese bei dir wird hier bestätigt.
Meine Herren - wie wollt Ihr an den Kern kommen, wenn Ihr sklavisch ungeistig interpretiert.

Thaddäus hat geschrieben: Gleichzeitig verstößt sie aber gegen königliches Gesetz und macht sich so schuldig.
Ja - dasselbe Thema - mit denselben Fragen, die damit zusammenhängen.

Stellen wir also erfreulicherweise fest, dass man "Schuld" völlig unabhängig von eigenem Anteil verstehen kann - also ganz anders als der moderne Sinn des Wortes als "da hat jemand was in eigener Verantwortung falsch gemacht".

Thaddäus hat geschrieben: Persönlich schuldig wird er erst dadurch, dass er nicht auf Teiresias hört
Du würdest also solche Aussagen ungeprüft durchgehen lassen - augeklärtes Griechentum????

Thaddäus hat geschrieben:Sonst müsste Sophokles ja gar keinen blinden Seher Teiresias auftreten lassen, wenn es nur um die kriminilatische Aufklärung des Falles ginge.
Sophokles lässt Teresias auftreten, um die höhere Macht jenseits menschlicher Vernunft deutlich werden zu lassen und schon wieder: Hiob)

Thaddäus hat geschrieben:die offen liegende Wahrheit, die ihm Teiresias offenbart
Wieso "offenliegend"? - "Könnte ja jeder kommen", würde ein aufgeklärter Mensch sagen. - Und nochmals: Wäre Ödipus verschont worden, wenn er gleich auf Teresias gehört hätte? (Ich weiss es nicht, weil ich dieses wichtige Detail nicht im Kopf habe).

Thaddäus hat geschrieben:Wie ich gerade geschrieben habe, liegt die persönliche Schuld des Ödipus nicht darin, dass er die Sache aufklären will.
Nee - aber es ist seine Tragik. - Erkennen führt zum Untergang - das ist ganz gegen die Aufklärung und sehr "romantisch" (im seriösen Sinn des Wortes).

Thaddäus hat geschrieben:Ödipus ist auch bestimmt kein Märtyrer oder christlicher Opfertyp.
Es ist die Übertragung einer Chiffre aus einem anderen Kulturraum - Du magst schon festgestellt haben, dass alle Hochkulturen unterm Strich dieselben Fragen stellen und innerhalb ihrer kulturellen Möglichkeiten chiffrieren. - Insofern lohnt sich ein Vergleich immer.

Thaddäus hat geschrieben:Es gibt keine hebräische Philosophie!
OK - dann sagen wir es anders:
Der Zugang zur Weisheit ist bei den Hebräern ein anderer als bei den Griechen - konziliant formuliert ist dieser hebräische Weg dem griechischen substantiell nicht unterlegen. ;)





Aber halten wir fest:
Du akzeptierst, dass in der griechischen Kultur der Götterglaube über dem "Nous" steht - "die Instanz im Menschen, die für das Erkennen und Denken zuständig ist" <wik>. -

Thaddäus hat geschrieben:In diesem Stück ist Schuld doch nicht ein Attribut des Menschseins an sich.
Doch - weil es jeden treffen könnte - purer zufall, wen das Schicksal dazu auserwählt, eine Frau zu heiraten, die sich als Mutter herausstellt.

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#1907 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Halman » So 6. Mär 2016, 14:15

Münek hat geschrieben:
Halman hat geschrieben: Im Grunde läuft es auf die Frage hinaus, ob wir in einer Art "Matrix" leben, oder ob die Welt, die wir wahrnehmen, auch tatsächlich real ist. Ich glaube nicht, dass wir in einer Matrix leben und die Welt, über die wir reden, auch tatsächlich existiert.
Doch ich halte es methodisch für wichtig, zwischen Weltvorstellungen und der Welt selbst sauber zu unterscheiden, denn schließlich könnte meine Vorstellung irrig sein.

Hier stellt sich sofort die Frage: Welche Deiner beiden Weltvorstellungen könnte irrig sein?

Die Vorstellung einer "realen" Welt oder die Vorstellung einer "vorgestellten" Welt?
Für den Fall, dass die Vorstellung einer realen Welt falsch ist, müsste die Realität eine Illusion sein. Dies wäre zwar logisch möglich (Descartes), doch aus dieser sehr unwahrscheinlichen Möglichkeit folgt nicht die Korrektheit der Idee einer Matrix. Ich denke, wir können uns hier weitschweifige, philosphische Diskussionen darüber sparen, wie wir denn darauf kommen, dass die Welt wirklich existiert. Auch können wir uns ermüdene rhetorische Kniffe und sematische Tricks sparen.
Lass uns mal davon ausgehen, dass tatsächlich eine reale Welt existiert, von der wir eine Wahrnehmung haben, aus der wir wiederum eine Vostellung von der Welt ableiten. Und Vorstellungen gibt es viele, von der Scheibenwelt bis hin zur Matrix. Offenkundig können sie nicht alle analog zur realen Welt sein, es sei denn, man nimmt an, dass sich unsere Welt in einem "überlagerten Mischzusand" aus allen Weltvorstellungen befindet. Aber warum sollte dem so sein?
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#1908 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Halman » So 6. Mär 2016, 14:20

Münek hat geschrieben: In der "Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft", Bd. 4, Heft 1, S. 107, Nov. 2009 heißt es aber:

"Wiewohl die Worte Hiob 19, 23-27 für sich betrachtet auf eine Unsterblichkeit der Seele bezogen werden kön-
nen, so widerspricht dem doch der Inhalt und der Gedankenaufbau des Buches..."
Nun kenne ich natürlich nicht den Kontext, doch der Aussage des Zitats stimme ich zu. "Hiob" war die Vorstellung einer unsterbliche Seele meiner Meinung nach fremd.

Münek hat geschrieben: In dem Studienbuch "Einleitung in das Alte Testament" von Erich Zenger u.a. heißt es auf S. 344:

"Hiob 14, 7-22 weist die möglicherweise neu aufgekommene Ansicht von einem Fortleben des Menschen nach
dem Tode zurück
und nimmt damit in dieser Frage die gleiche ´protosadduzäische`Haltung ein wie Koholet (3,
16-22; 9, 5-6, 10)."

Die Sadduzäer glaubten nicht an eine Wiederauferstehung von den Toten.
Es freut mich, dass Du auch Zenger zu Rate ziehst. Doch möchte ich darauf hinweisen, dass der Glaube an eine Auferstehung von den Toden nichts mit dem Glauben an eine unsterbliche Seele zu tun hat.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

closs
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#1909 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » So 6. Mär 2016, 14:25

SilverBullet hat geschrieben:Aus dem „Kätzchenexperiment“ ist ersichtlich, dass „Wirklichkeit“, von Wahrnehmung nur dann erkannt wird, wenn sie im „Hier und Jetzt“ als interaktive Reaktionswirkung stattfindet.
Das passiert doch bei Christen in der geistigen Welt auch - das machst Du auch: Du denkst bspw. an ein Problem, und danach ist etwas anderes, als bevor Du angefangen hat, darüber zu denken.

SilverBullet hat geschrieben: weil ein bautechnisch vorhandener Mechanismus eine festgelegte Phänomenalsemantik erzeugt.
Wahrscheinlich ist dies im Geistigen genauso - nur dass es nur von denen intersubjektiv teilbar ist, die es verstehen. - So wie (physikalisches) Licht nur von denen intersubjektiv teilbar ist, die (physikalisch) sehen können. - Wahrscheinlich gibt es im Geistigen mehr Blinde als im Physikalischen.

SilverBullet hat geschrieben:Ein Weltbild, das rein intellektuell/philosophisch präsentiert wird, kann die phänomenale Semantik nie ersetzen und auch nie ergänzen.
Da sind wir uns sogar einig - intellektuell/philosophisch ist eine Meta-Ebene. - "Geistig" ist es jedoch NICHT - das ist unmittelbar erlebbar.

SilverBullet hat geschrieben:der Basismechanismus zum Aufbau eines Wirklichkeitsverständnisses ist garantiert kein „Klassisch anthropozentrischer Trugschluss“, weil hierbei keine bewusste Denkaktivität erkennbar ist.
Davon war nicht die Rede - es ging darum, ob nicht Erkennbares Bedeutung für den Menschen haben kann.

SilverBullet hat geschrieben:Das geht nicht
Es wäre nicht denkbar, dass Geist Wirklichkeit ist, also ein unabhängige Entität? - Wenn Du zu diesem Schluss kommst, liegt es an Deinem Modell. - Wie ich überhaupt glaube, dass Dein Modell einen Haken hat.

Der Haken liegt nach meiner vorläufigen Einschätzung darin, dass Du irgendwie doch die naturalistische Wirklichkeit als unabhängige Größe setzt - was ja (nicht pragmatisch, aber) ontologisch genau der Knackpunkt ist. - Genau das können wir doch nicht falsifizieren.

closs
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#1910 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » So 6. Mär 2016, 14:29

Halman hat geschrieben: der Aussage des Zitats stimme ich zu. "Hiob" war die Vorstellung einer unsterbliche Seele meiner Meinung nach fremd.
Anfangs schon. - Aus meiner Sicht ist es gerade die Kernaussage von "Hiob", dass erstmals im AT dieser Schritt für möglich gehalten wird - siehe 19,25 in Schlachters Übersetzung.

Dass am Ende dann wieder ein konventioneller Schluss gefunden wird Hiob wird typisch AT-mäßig belohnt, scheint mir dem Umstand geschuldet zu sein, dass einfach noch nicht die Zeit ist, so etwas einzulösen.

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