closs hat geschrieben:Du übergehst nach wie vor die fundamentalen Weichenstellungen von Descartes, die heute noch gültig sind - einfach aus purer Logik.
Aber nein, ich übergehe die „fundamentalen Weichenstellungen“ von Descartes nicht.
Ich halte seine Aussage gerade hinaus für falsch.
„Ich denke, also bin ich“ (mal egal, ob er es genau so gesagt hat - vermutlich möchtest du es so verwenden) ist aus „Wahrnehmungssicht“ formuliert.
Das bedeutet hier versucht Wahrnehmung, Wirklichkeit zu identifizieren.
Du kürzt es manchmal sinngemäss mit „Subjekt erkennt sich als Objekt“ ab, und soll wohl laut einigen philosophischen Ansichten „das einzig wirklich Verlässliche“ sein.
Ich habe mich in den vorigen Beiträgen damit befasst, welche Möglichkeiten eine Wahrnehmung hat, um eine Einschätzung aufzubauen, was für sie als "Wirklichkeit" gelten soll (wiederum egal, ob dies dann tatsächlich auch stimmt).
Aus meiner Sicht geht dies
nur durch die Feststellung des Unterschieds zur Wahrnehmung, also der Wahrnehmungsunabhängigkeit.
Kurzum, damit das Subjekt sich als Objekt der Wirklichkeit erkennt, müsste eine Wahrnehmung für sich selbst, eine Wahrnehmungsunabhängigkeit feststellen.
Sozusagen die Wahrnehmung wäre dann (für die Wahrnehmung) Etwas (Objekt), das nicht die Wahrnehmung sein kann.
Ich finde, das klingt sehr nach einem „Schimmel, der nicht Weiss ist“, also nach einem „Ding der Unmöglichkeit“, sozusagen Objekt A ist zugleich Nicht-Objekt-A.
Ich ziehe daraus nicht das Fazit, dass ein Subjekt nicht auch ein Objekt sein kann, sondern, dass es nicht die Wahrnehmung sein kann, die dies für sich selbst entscheidet.
Die Aussage von Descartes wäre somit falsch.
Weshalb transportiert diese Aussage aber dennoch irgendwie einen „gefühlt korrekten Eindruck“?
1.
Eine Wahrnehmung ist eine Aktivität. Es muss also zumindest irgendeine Art von Vorgang geben, so dass es zu den „Bedeutungssituation“ kommt, wobei dadurch aber erst einmal keinerlei Wirklichkeitsauflagen entstehen. In wie weit es hier also um tatsächliche „Bedeutungsexistenzen“ geht oder nicht, ist damit nicht gesagt.
2.
Der „Ich“-Anteil in der Wahrnehmung besteht zum Einen, aus einer Art „Einschätzungssammlung zur Person“. Hier sind mannigfaltige Zusammenhänge möglich, wie die Wahrnehmung die Person des Lebewesens verwalten kann. Das ändert sich auch über die Zeit.
Neben diesem „Phantasiegebäude der Person“ gibt es aber auch das aktuelle Körpergefühl, die aktuelle Körpervorstellung. Der Körper wiederum ist für die Wahrnehmung sehr wohl als Objekt der Wirklichkeit identifizierbar (z.B. wird bei Krankheit und Verletzung eine sehr gute Unabhängigkeit von der Wahrnehmung festgestellt, weil die Wahrnehmung diese Situationen gar nicht aufbauen möchte).
3.
Die menschliche Wahrnehmung verwaltet das „Hier und Jetzt“, also einen Zusammenhang, der, für sich alleine, einen extrem starken Wirklichkeitsbezug ausdrückt. Der zeitliche Verlauf kann als Wirklichkeit festgestellt werden, weil es in der Wahrnehmung oftmals zum „Wunsch des Zurücknehmens von Aktionen“ kommt, was aber niemals möglich ist => Wahrnehmungsunabhängigkeit, Wirklichkeit.
Wenn die „Ich“-Person von der Wahrnehmung im „Hier und Jetzt“ verwaltet wird, ist somit automatisch ein Wirklichkeitseindruck beteiligt (auch wenn er nichts direkt mit der „Ich“-Person zu tun hat).
closs hat geschrieben:SilverBullet hat geschrieben: „Glauben“ ist innerhalb der Wahrnehmung ein Vertrauen an die Gültigkeit von Zusammenhängen.
Moment: "Glauben" ist, dass Wahrnehmung an sich authentisch ist zu dem, was Du "Wirklichkeit" nennst. - Das ist etwas anderes.
Deine Wirklichkeits-Beispiele setzen regelmäßig an, NACHDEM Du diese Grundkonstellation übergangen hast.
Nein, ich habe ausdrücklich und mehrfach klar dargestellt, dass eine Wahrnehmung (aus meiner Sicht) niemals sagen kann, was Wirklichkeit
ist, sondern entscheiden muss, was
für sie Wirklichkeit sein soll.
Das Feststellen des Wirklichkeitsstaus durch eine Wahrnehmung ist somit maximal eine Einschätzung und kein Wissen.
Ich hoffe, wir können diesen Punkt baldmöglichst abhaken.
closs hat geschrieben: SilverBullet hat geschrieben:„Unterscheidung der Geister" nicht, dass ich das Ergebnis vorher bereits mitbringen muss?
Nein - weil man ja nicht die Gewähr hat, dass man selber diese Unterscheidungs-Befähigung hat.
Ich habe bei
Wiki nachgesehen:
Zitat-Wiki „
Unterscheidung der Geister … bezeichnet die kritische Differenzierung von Gedanken, Gefühlsregungen und Prophetien im Hinblick auf die Frage, inwieweit sie von Gott stammen oder nicht.“
Es soll hier also ganz klar um eine Unterscheidung zwischen der Wahrnehmung und der Wirklichkeit gehen.
Zitat-Wiki „
„Ich setzte voraus, daß es dreierlei Gedanken in mir gibt: solche, die mein eigen sind und allein meiner Freiheit und meinem Willen entspringen, während die beiden andern von außen kommen: der eine vom guten, der andere vom bösen Geist.“
IGNATIUS VON LOYOLA: Exerzitien“
Da hier eindeutig von „Ich setze voraus“ gesprochen wird, kann man ohne Probleme davon ausgehen, dass es sich nicht um einen Feststellungsablauf sondern um eine anfängliche Festlegung handelt.
Das hat mit dem Mechanismus in der menschlichen Wahrnehmung zur Feststellung einer Wahrnehmungsunabhängigkeit
nichts zu tun.
Wie soll eine Wahrnehmung die Korrektheit dieser Aussage, als Wirklichkeit feststellen können?
Auch hier in diesem Thread wurde (glaube ich) schon gesagt, dass man das christliche Welt (Bibel) nur verstehen kann, wenn man von vornherein die „Unterscheidung der Geister“ annimmt.
Wir sind nicht geeignet um auf diese Weise, Wirklichkeit einzuschätzen – wir funktionieren anders.
Wenn also das christliche Weltbild die Wirklichkeit samt Schöpfung und Erlösungs-Eigen-Erkennungs-Strategie einfach festlegen möchte, dann widerspricht dies vollständig unserer Funktionsweise.
Die Folge ist, dass es nur wenigen Extrem-Anhängern gelingt, sich durch ständiges Emotionaltraining, einen Automatismus anzueignen, bei dem die normale Wirklichkeitsidentifikation in den Hintergrund gestellt wird und nur auf Vertrauen gesetzt wird.
Der Rest der „Religionssportler“ kennt eigentlich hauptsächlich nur den Zweifel, was auch vollständig ihrer Bauart entspricht.
closs hat geschrieben:SilverBullet hat geschrieben:Welche Prämissen?
Dass die Welt nicht Produkt Deiner Vorstellung ist.
Das sind aber entweder evolutionäre Funktionsmechanismen oder, wenn man eine religiöse Erklärung verwenden möchte, Herstellerauflagen.
Und genau hier liegt das Problem begraben:
Wenn das christliche Weltbild einen Hersteller einführen möchte, bei dem es darauf ankommt, dass sich die Wahrnehmung
an den Herstellerauflagen vorbei um „Erlösung“ kümmern soll, dann ist das kein sinnvoller Entwurf.
Die explizite Nichtbeachtung der „Unterscheidbarkeit zur Wahrnehmung“, schafft aus Sicht der Wahrnehmung sozusagen die Wirklichkeit ab
=> „Zweifel im Glauben“ (kennt vermutlich jeder Gläubige).