Man kann jede Aktivität eines sensorischen Wahrnehmungssystem derart „abstrahieren“, dass scheinbar die gleiche Unsicherheit bzgl. Wirklichkeit besteht.closs hat geschrieben:Pragmatisch ja. - Nur darf man den Schritt nicht übergehen, dass auch diese "Absicherung durch Wechselwirkungs- und Testkontrolle" Wahrnehmung ist, also nicht sicher ist (es könnte genauso Täuschung sein - was wir aber nicht glauben, weil wir pragmatischerweise davon ausgehen (also setzen), dass die eigene Wahrnehmung etwas mit der Realität zu tun hat.SilverBullet hat geschrieben:Zu diesen Fähigkeiten gehört die Absicherung durch Wechselwirkungs- und Testkontrolle.
Das jeweilige Wahrnehmungssystem kann deshalb nicht anders, als dass es nach wahrnehmungsinternen Kriterien sucht, wonach der Wirklichkeitsstatus eingeschätzt werden kann. Wir sind sozusagen konstruktionsbedingt auf diese Strategie angewiesen.
Unsere pragmatisch optimierte Lösung ist die Feedbackerkennung.
Wenn wir also eine Einwirkung feststellen, die wir nicht durch ein anderes „Darübernachdenken“ durch eine Vorstellung ändern können, dann vergeben wir den Status „Wirklichkeit“.
Warum sollte ein so genannter „Schöpfer“ diesen Funktionsmechanismus nicht nur nicht beachtet, sondern sogar das Gegenteil fordern?
Warum unterscheiden?closs hat geschrieben:Hier würde ich zwischen naturalistischen und geistigen Phänomen unterscheidenSilverBullet hat geschrieben:aber die Erfahrung zeigt eindeutig, dass durch Absicherung und Testkontrolle funktionierende Wirklichkeitsergebnisse relativ sicher erreichbar sind.
Welche Wriklichkeitsergebnisse hast du in Bezug auf „geistige Phänomene“ erreicht und wie hast du ihre Wirklichkeit, also Unabhängigkeit von der Wahrnehmung festgestellt?
Die Antwort auf „Wie ist das AT geistig zu verstehen?" ist zum Beispiel kein Wirklichkeitsergebnis, weil es keine Unabhängigkeit zur verstehenden Wahrnehmung gibt.
Die „Inspiration vom Heiligen Geist“ ist genauso in keiner Weise ein Wirklichkeitsergebnis – Inspiration ist reine Wahrnehmung.
OK, aber dann kann man das Gütesiegel „Wirklichkeit“ nicht vergeben – es fehlt das, von der Wahrnehmung unabhängige Feedback.closs hat geschrieben:Bei geistigen Dingen sieht es unvermeidlicherweise nicht so gut aus, weil naturgemäß "Geist" im christlichen Sinne immer eine transzendente Größe ist - und Transzendentes kann man nun mal nicht falsifizierbar machen - da scheint mir der hermeneutische Weg der vielversprechendste zu sein ("Per aspera ad astra").
Selbst wenn ein Gläubiger in einen wolkenverhangenen Himmel schaut und just in diesem Moment kommt die Sonne heraus und lässt ihn in einem Lichtkegel erstrahlen, dann ist die Deutung eines „geistigen Zeichens“ reine Wahrnehmung und keine Wirklichkeit. Zwar kann die Situation auf Basis des Feedbacks als wirklich angesehen werden, aber die Deutung, dass dahinter ein unsichtbares „Etwas“ stecken soll, gehört in den Bedeutungsumgang der Wahrnehmung.
Man kann durch einen denkerischen Umgang keinen Wirklichkeitsstatus erreichen.closs hat geschrieben:man kann nicht wahrnehmen, was man nicht wahrnehmen kann. - Jedoch: Man kann denkerisch mit dem, was man nicht wahrnehmen kann, umgehen.
…
Vielleicht ein etwas schwierigeres Beispiel: Gott, den man nur über geistig erschlossene Eigenschaften definieren kann, und dann in etwa weiss, in welcher Richtung er im Wahrnehmungs-Nebel anzupeilen ist.
Man kann noch nicht einmal das „Über-Die-Eigenen-Grenzen-Hinausgehende“ als Wirklichkeit feststellen – kein Feedback.
Weder diese „erschlossenen Gottes-Eigenschaften“ noch die so genannte „Gottes-Definition“ erreichen Wirklichkeitsstatus – die Formulierungen gibt es zwar, aber über „das Dahinter“ gibt es kein Feedback – am Anfang war der Verdacht und nach tausenden von Jahren und viel Geschriebenem, sind wir immer noch beim Verdacht.
Ich ziele mit "Wahrnehmungsunabhängigkeit" auf das korrigierende Feedback ab, das für mich ohne erkennbare Eigeninitiative abläuft.closs hat geschrieben:Mit "Wahrnehmungsunabhängigkeit" ist aus meiner Sicht ausschließlich zu verstehen, dass man für versagende Wahrnehmungs-Möglichkeiten denkerisch (oder "fühlerisch") einspringt und sozusagen die "Brosamen" dessen, was man nicht versteht, zu fassen bekommt.
Beispiel:
Wenn ich dummerweise ein, mir wertvolles Objekt zerbreche, dann will ich das absolut nicht und ich ärgere mich, aber der zerbrochene Zustand wirkt auf mich ein und ich kann ihn nicht wahrnehmungstechnisch ändern (nur handwerklich – also wiederum „wirklich“).
In solchen Situationen kann ich nicht anders als zur Überzeugung zu gelangen, dass dies ein, von mir/Wahrnehmung, unabhängiger Zustand ist.
Die Aussagen zu „Geist/Gott/Religion“ sind genau nicht so.
Man kann sich zwar fanatisch hineinsteigern und mit aller Kraft „in sich hinein brüllen“, dass der obige Lichtkegel ein Zeichen darstellen muss, aber auch als gefühlter Auserwählter wird man unweigerlich den dramatischen Wirklichkeitsunterschied zum Feedback der „normalen Umwelt“ feststellen.
Ergo: kein Wirklichkeitsstatus.
OK, du fragst mich also, ob ich es für möglich halte, einfach zu schlecht ausgestattet zu sein, um „geistige Dinge“ durchzuführen.closs hat geschrieben:Was aber, wenn das damit verbundene Wahrnehmungs-Inventar nur dafür und nicht für geistige Dinge taugt?SilverBullet hat geschrieben:Es ist somit aus meiner Sicht falsch, die „Beschränkung auf natürliche Phänomene“ als eine Art „kleine Alternative“ zu deklarieren.
Wenn es so wäre, dann könnte man die Frage stellen, wer die Schuld an dieser Situation trägt. Bin ich als Lebewesen schuld, weil ich meine Wahrnehmungsfähigkeiten gemäss ihrer gesicherten Funktion einsetze?
Hier geht es ja nicht um ein Verhalten, sondern um eine Fähigkeitsqualität.
Hast du dich schon mal gefragt, welcher Schöpfer, der in Kontakt zu seiner Schöpfung stehen möchte, eine (aus Sicht der hergestellten Lebewesen) derart unbrauchbare Situation entwirft?
Auch dass „Gott“ vor 2000 Jahren als Mensch auf die Erde gekommen sein soll, trifft „haargenau ins Schwarze“: Niemand kann dies von einem reinen Phantasiekonstrukt unterscheiden – super (Tango Dilettanti).
Wenn es schon einen konkreten Eingriff ins Universum geben soll und wenn staunenswerte Zeichen durch Wunder gesetzt werden sollen an deren Ende eine gigantische Versöhnung präsentiert wird, warum dann nicht eine einfache aber eindeutige Kontaktstelle herstellen, von der die gesamte Menschheit bis „in alle Ewigkeit“ profitieren kann?
Nein, im Gegenteil:
„Gott“ soll erschienen sein, die Bibel soll in „seinem Sinne“ sein und die Menschheit rätselt auch heute noch fleissig daran herum, ob das richtig ist und was ein Mensch eigentlich alles umfasst (Körper + ?).
Hinweise auf „Ebenen“, „geistigen Dinge“, „geistige Substanz“ und hier, dass „es nicht anders geht“, sind keinerlei Ersatz für den Wirklichkeitsstatus, den wir für ganz normale Situationen (mit weit weniger Bedeutungsgehalt) vergeben.closs hat geschrieben:Es geht aber nicht anders - wir könnten diese mögliche Realität nur dann methodisch sicher in den Griff bekommen, wenn wir selber auf der selben Ebene wären - genau das sind wir aber eben nicht.SilverBullet hat geschrieben:Letztlich kann dem „christlichen Schöpfer-Verdacht“ entgegengehalten werden, dass hier eine Macht, Lebewesen erzeugt haben und von ihnen ein „Mentalverhalten“ verlangen soll, ohne dafür zu sorgen, dass die Macht und diese Zusammenhänge (von den Lebewesen) als „Wirklichkeit“ eingestuft werden können.
Du sagst selbst, dass du dir die Zusammenhänge über das Denken „erschliesst“. Du stellst also kein wahrnehmungsunabhängiges Feedback fest – für kein Detail aus dem gesamten Verdachtsgebäude – kein Wirklichkeitsstatus.
Dass es nicht anders gehen soll, als die Ereignisse aus den Bibeltexten durchzuführen, aber am Ende für die Wahrnehmung keinen Wirklichkeitsstatus zu erreichen, hat mit den „erdachten Eigenschaften“ Allwissend, Allmächtig usw. nichts zu tun.