Alles Teufelszeug?

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Savonlinna
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#1351 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Savonlinna » Sa 27. Feb 2016, 23:32

Thaddäus hat geschrieben:Die christliche Tradition hat sich freilich nicht am hebräischen, sondern am griechischen Denken orientiert, was sich in ihren statischen Bestimmungen Gottes in den Konzilsbeschlüssen niedergeschlagen hat (Wesensgleichheit von Gott Vater, Sohn und hl. Geist usw.).
Das liegt dann auch an der Tatsache, dass das Christentum den Boden einer anderen Kultur betrat; im europäischen Mittelalter orientierte man sich eben an der griechischen Phillosophie, die schnell in das römische Denken überging.

Unser abendländisches Denken ist mehr vom Griechentum/Römertum geprägt als vom jüdischen. Das Christentum wurde an das europäische Denken angepasst, es verlor dessen jüdische Wurzeln.

Thaddäus hat geschrieben:Die Griechen dagegen waren schon von ihrer Sprache her dazu prädestiniert, Naturforschung und Philosophie zu treiben. Im Griechischen gibt es (wenn ich mich recht erinnere) 10 Ausdrücke nur für das Sehen, die jeweils bestimmte Aspekte des Sehens hervorheben. In der altgriechischen Sprache kann man Beobachtungen auf subtilste Weise unterscheiden. (Ähnlich der Inuit-Sprache, die zig verschiedene Wörter für Schnee haben.) Und die Griechen konnten durch Hinzufügung eines Artikels, jedes Verb und jedes Adjektiv substantivieren, was bedeutet, dass sie aus z.B. den Verben denken, sehen, verstehen usw. und aus Adjektiven wie schön, tugendhaft, tapfer etc. das Denken, das Sehen, das Verstehen, das Schöne, die Tugend und die Tapferkeit machen konnten. Substantiviert können diese Ausdrücke auch sprachlich zu einem Gegenstand des Denkens und der Erforschung werden. Substantiviert werden diese Tätigkeitswörter und Eigenschaften aber statisch, sie werden zu statischen untersuchbaren Gegenständen.
Genauso!

Thaddäus hat geschrieben:Ich finde es ungemein spannend, wie Sprache das gesamte Denken maßgeblich gestaltet. :)
Ja, das geht mir genauso.
Ich versuche das closs, seit ich hier im Forum bin, bewusst zu machen, dass sein eigenes Denken von seiner eigenen Sprache begrenzt wird, dass man das aber ganz konkret hinterfragen kann, auch muss.

Gerade diese Substantivierung, von der Du sprichst, ist ein sehr entscheidender Punkt. closs glaubt ganz naiv, wie ein Kleinkind: wofür es ein Wort gibt, dafür gibt es auch eine Entität.
Er meint, es reicht zu sagen: "alles ist bedingt, also auch ich" - statt dass er die Bedingtheiten ganz konkret erkennt und dann aufhebt.

Ich habe eine Weile in Schweden gelebt, und das ist ja eigentlich eine dem Deutschen nahe Sprache.
Und dennoch: dort habe ich erkannt - als ich begann, in der schwedischen Sprache zu denken -, dass eine Menge an philosophischen Fragen und teilweise quälenden existentiellen Fragen auf Schwedisch nicht ausdrückbar waren.

Also, begriff ich fast bestürzt: dass gewisse existentielle philosophische Probleme sprachgemacht waren.
Sie waren nur scheinbar existentiell. Die Sprache hat mich quasi betrogen. Die Probleme gab es gar nicht wirklich.

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Münek
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#1352 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Münek » Sa 27. Feb 2016, 23:52

Savonlinna hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:
closs hat geschrieben:...
Ist dir eigentlich klar, was es bedeutet, wenn Ratzinger bezüglich der HKM vom Antichristen spricht?
Das tut er ja nicht!!!!

Münek setzte diese Ente in das Forum, ich tippte anschließend das wörtliche Zitat ab, aus dem klar hervorgeht, dass Ratzinger NICHT von der HKM spricht, aber Münek setzt sich darüber hinweg - es macht viel mehr Spaß, Ratzinger was zu unterstellen, als die Wahrheit zu schreiben.

Das habe ich als das Markenzeichen der Neo-Atheisten erkannt. Einer gibt die - unwahren - Parolen durch, die anderen sagen sie dann nach.Warum machst Du da mit, Thaddäus?

Wie wäre es, wenn DU einfach bei der Wahrheit bliebst?

Ich stelle jetzt mal meine Beiträge A und B ein, damit sich jeder überzeugen kann, wer hier die Unwahrheit sagt.

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Münek
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#1353 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Münek » Sa 27. Feb 2016, 23:53

Münek hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:
Anstatt zu zitieren [...]
Du hast das Buch doch! Warum also zitierst Du nicht das, woraus Du Deine Behauptung geholt hast?

Immerhin zitierst Du oben das, was ich belegt haben wollte, und lässt das nicht unter den Tisch fallen, das rechne ich Dir hoch an.
Aber mit Zitaten von anderen Autoritäten kann ich nichts anfangen, das ist eine Unsitte.
Entweder man denkt selber, oder man erlaubt sich kein Urteil.
Das ist wissenschaftlicher Standard. Alles andere ist unseriös.

Okay - ich zitiere aus Bd. 1 des Jesus-Buches, S. 64, 65, um meine oben geäußerte Auffassung über Ratzingers WAHRE Ansicht über die "historisch-kritische Exegese" zu belegen:

"Aus scheinbaren Ergebnissen der wissenschaftlichen Exegese sind die schlimmsten Bücher der Zerstörung der Gestalt Jesu, der Demontage des Glaubens geflochten worden. Heute wird die Bibel weithin dem Maßstab des sogenannten modernen Weltbildes unterworfen, dessen Grunddogma es ist, dass Gott in der Geschichte gar nicht handeln kann - dass also alles, was Gott betrifft, in den Bereich des Subjektiven zu verlegen sei. Dann spricht die Bibel nicht mehr von Gott, dem lebendigen Gott, sondern dann sprechen nur noch wir selber und bestimmen , was Gott tun kann und was wir tun wollen und sollen.

Und der Antichrist sagt uns dann mit der Gebärde hoher Wissenschaftlichkeit, dass eine Exegese, die die Bibel in den Glauben an den lebendigen Gott liest und ihm selbst dabei zuhört, Fundamentalismus sei; nur "seine" Exegese, die angeblich rein wissen-
schaftliche, in der Gott selbst nichts sagt und nichts zu sagen hat, sei auf der Höhe der Zeit."


Ich denke, als der Dogmatiker Ratzinger diese Sätze "in heiligem Zorn" niederschrieb, hatte er gehörig Schaum vor dem Mund.
Aus seiner Sicht scheinen die Exegeten an den theologischen Fakultäten alle vom Teufel besessen zu sein. :devil: :devil: :devil:

Beitrag A.

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#1354 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » Sa 27. Feb 2016, 23:55

Münek hat geschrieben:Um das zu verstehen, musst Du Dich in das damalige kosmologische Weltbild hineinversetzen, von dessen Realität natürlich auch Jesus und seine Zeitgenossen überzeugt waren.
Jede Zeit hat das für sie nicht Erreichbare auf ihre Weise chiffriert - das ist doch nicht wörtlich zu verstehen.

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#1355 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Münek » Sa 27. Feb 2016, 23:55

Münek hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:
lovetrail hat geschrieben: Wenn das wirklich die "einhellige Meinung der neutestamentlichen Forschung" wäre, dann hätte ich davon was mitbekommen.
Ich auch. Selbst die neutestamentliche Forschung weiß vermutlich nichts davon, was man ihr hier - in frei erfundener Weise - unterstellt. Aber es nützt nichts. Man kann hier den Behauptern die Gegenbeweise unter die Nase halten, sie schieben
sie weg und sagen ihre ausgedachten Sprüche weiterhin brav auf.

Dann lassen wir doch einfach einen Unverdächtigen zu Worte kommen:

"Diese Andersheit des Johannes-Evangeliums, in dem wir keine Gleichnisse, sondern stattdessen
große Bildreden hören und in dem der Hauptschauplatz des Wirkens Jesu von Galiläa nach Jerusa-
lem verlegt ist, hat die moderne kritische Forschung veranlasst, dem Text - mit Ausnahme des
Passionsberichts und einiger Einzelheiten - die Historizität abzusprechen und ihn als späte theo-
logische Rekonstruktion zu betrachten
."

(Quelle: Joseph Ratzinger "Jesus von Nazareth" Bd. 1, S. 260,261) - Unterstreichungen von mir.

Tja - liebe Savonlinna, das war mal wieder ein Griff ins Kloh. :thumbdown:

Beitrag B.

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#1356 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Savonlinna » So 28. Feb 2016, 00:06

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Ist dir eigentlich klar, was es bedeutet, wenn Ratzinger bezüglich der HKM vom Antichristen spricht?
Seitdem ich Euch höre, verstehe ich ihn besser - falls er es gesagt hat (muss man ja heute immer hinzufügen).
Hat er auch nicht gesagt.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Ist dir eigentlich klar, mit welcher unfassbaren herablassenden Arroganz, Ignoranz und Verfemung Ratzinger all seine redlichen Theologenkollegen behandelt, wenn er sie also faktisch beschuldigt, bloße Erfüllungsgehilfen des Antichristen zu sein, nur weil sie historisch-kritisch arbeiten und zu nicht gefälligen Ergebnissen gelangen?
Deine Begründung ist nicht zutreffend. - Ich kann mir nur vorstellen, dass er (im gegebenen Falle) damit Theologen meint, die methodisch de facto (formal tun sie es ja nicht) ausschließen, dass es Gott gibt, und somit im Namen der Bibel Gott verwerfen helfen.
So ungefähr, closs.
Hier das, was ich aus Ratzingers Buch abgetippt hatte:
http://www.4religion.de/viewtopic.php?f ... st#p187979

Es ist überdeutlich, dass Ratzinger die wissenschaftliche Methodik akzeptiert, aber "scheinbare" Ergebnisse aus dieser Methodik ablehnt.

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#1357 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » So 28. Feb 2016, 00:07

Savonlinna hat geschrieben:Ich versuche das closs, seit ich hier im Forum bin, bewusst zu machen, dass sein eigenes Denken von seiner eigenen Sprache begrenzt wird
Natürlich hat jede Kultur ihre Sprachgrenzen - weswegen jede Kultur anders chiffriert (Sprache ist immer Chiffre).

Savonlinna hat geschrieben: closs glaubt ganz naiv, wie ein Kleinkind: wofür es ein Wort gibt, dafür gibt es auch eine Entität.
Was ist denn DAS? - Sage ja nicht, dass ich einen solchen Unsinn jemals in die Welt gesetzt hätte.

Savonlinna hat geschrieben:Er meint, es reicht zu sagen: "alles ist bedingt, also auch ich" - statt dass er die Bedingtheiten ganz konkret erkennt und dann aufhebt.
Moment - man kann Sprache analysieren und erweitern - aber man kann damit keine ontologischen Fakten aushebeln. - Konkret: Es gibt mit oder ohne Sprache erkannte oder nicht erkannte Bedingtheiten. - Nach Deiner Version bräuchte man nur die Sprach-Erkenntnis und Hinterfragung und man würde satt werden - ausgeschlossen.

Savonlinna hat geschrieben:Also, begriff ich fast bestürzt: dass gewisse existentielle philosophische Probleme sprachgemacht waren.
Nein - nicht GEMACHT, sondern THEMATISIERT. - Sein wird durch Seiendes thematisiert oder halt NICHT thematisiert - und wenn es nicht thematisiert wird, ist das Sein dazu trotzdem da.

Dein schwedisches Beispiel ist gut, weil es zeigt, dass eine Sprache geeignet sein muss, gewisse Dinge zu thematisieren - aber nicht zu machen. - Deshalb sind die Goethes und die Thomas Manns so wichtig: Sie haben ganz neue Wortschätze eingebracht, die Thematisierungs-Instrumente werden können - auch die einzigartige "Einrichtung" der Koppel-Wörter in der deutschen Sprache bereichert diesbezüglich ungemein.

Und was hebräisch und griechisch angeht:
Da habe ich über Buber gelernt, dass man Dinge einfach als Phänomen stehen lassen kann, ohne sie in einen logischen Kontext (= Wertung) zu bringen. - Liest man so das AT, kommt was ganz anderes raus.

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#1358 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Münek » So 28. Feb 2016, 00:18

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Um das zu verstehen, musst Du Dich in das damalige kosmologische Weltbild hineinversetzen, von dessen Realität natürlich auch Jesus und seine Zeitgenossen überzeugt waren.
Jede Zeit hat das für sie nicht Erreichbare auf ihre Weise chiffriert - das ist doch nicht wörtlich zu verstehen.

Allein entscheidend sind die damaligen Vorstellungen von der Welt, die auch Jesus selbstverständlich teilte.

Für die Menschen damals war der Himmel nahe. Gott thronte nicht in der Dimension X, sondern oberhalb des Himmelsgewölbes. Deshalb konnte Jesus zum Himmel auffahren, deshalb konnten die Sterne vom Himmel auf die Erde fallen, deshalb senkt sich das himmlische Jerusalem mit Gott in der Endzeit auf die Erde herab und und und...

Mit philosophischem Chiffren-Hokuspokus und spekulativer Metaphysik hatten die alten Juden vor 2000/3000 Jahren nichts am Hut.

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#1359 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Savonlinna » So 28. Feb 2016, 00:25

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Also, begriff ich fast bestürzt: dass gewisse existentielle philosophische Probleme sprachgemacht waren.
Nein - nicht GEMACHT, sondern THEMATISIERT.
Nimm es hin, dass ich begriff, dass diese existentiellen philosophischen Probleme SPRACHGEMACHT waren.


closs hat geschrieben:- Sein wird durch Seiendes thematisiert oder halt NICHT thematisiert - und wenn es nicht thematisiert wird, ist das Sein dazu trotzdem da.
Diesen Satz hast Du geprägt, und Du glaubst an die Wahrheit Deiner eigenen Sätze mehr als an Gott.

closs hat geschrieben:Dein schwedisches Beispiel ist gut, weil es zeigt, dass eine Sprache geeignet sein muss, gewisse Dinge zu thematisieren
Deine Deutung enstpricht Deinem persönlichen Verstehhorizont.
Hör endlich auf, Dich zum Maß aller Dinge zu machen.

Du bist ein kleiner Wicht, mit einem kleinen Gehirn, überschätz Dich nicht dermaßen.

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#1360 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Münek » So 28. Feb 2016, 00:25

Münek hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:"Aus scheinbaren Ergebnissen der wissenschaftlichen Exegese sind die schlimmsten Bücher der Zerstörung der Gestalt Jesu, der Demontage des Glaubens geflochten worden."

Weder spricht Ratzinger hier von der historisch-kritischen Methode, noch leht er sie ab, und schon gar nicht geht er mit ihr ins Gericht.
Er unterstreicht - so wie auch in seinem Vorwort - die Unerlässlichkeit der wissenschaftlichen Bibelauslegung - aber er verwahrt sich gegen einen "gewissen Typ" der wissenschaftlichen Bibelauslegung.

Ach was - selbstverständlich meint Ratzinger mit den Ergebnissen der "wissenschaftlichen Exegese"
die historisch-kritische Textauslegung. Was denn sonst?


Auch die drei von mir zitierten Theologieprofessoren bringen das in ihren Kritiken klar zum Ausdruck.
Ratzinger lehnt entschieden die an den Fakultäten standardmäßig praktizierte Auslegungsmethode als
antichristlich
ab und will sie durch die "kanonische Exegese" (eine Mixtur von Wissenschaft und Glau-
ben) ersetzt wissen.

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