Savonlinna hat geschrieben:
Sie [die HKM, Thaddäus] ist sich dessen bewusst, dass sie immer nur ein Imaginäres untersucht: nämlich Überlieferungen, die man so oder auch anders deuten kann.
Insofern hat closs Recht - er wird durch das Selbstverständnis der historischen Wissenschaften bestätigt -, dass die HKM niemals das Wesen Jesu rekonstruieren kann. Sie kann immer nur Ansichten über Jesus rekonstruieren.
Es sind stets nur
Ansichten über Jesus rekonstruierbar. Etwas anderes als
Ansichten über Jesus gibt es nicht. Selbst, wenn Jesus eine Autobiographie hinterlassen hätte, wäre das nur
seine Ansicht über sich selbst (und wie jeder weiß, können Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung sehr voneinander abweichen, und die Selbstwahrnehmung ist dabei längst nicht immer richtig). Was sollte denn die Alternative zu einer
Ansicht über Jesus sein?
Savonlinna hat geschrieben:
Andererseits ist die Ansicht von closs, dass es einen Jesus gibt, der unabhängig von menschlichen Deutungen existiert, eine Sichtweise, die zu äußerlich bleibt.
Das ist sehr moderat formuliert für etwas, das schlicht unmöglich ist: Was sollte denn Jesus
unabhängig von menschlicher Deutung sein? Sobald jemand versuchte, einen Jesus unabhängig von menschlicher Deutung zu charakterisieren, wäre das doch schon wieder eine menschliche Deutung.
Am Ende kommt immer heraus, dass man Jesus immer schon deuten
muss, will man überhaupt eine Aussage über ihn treffen.
Zu behaupten, Jesus habe eine Naherwartung gehabt, ist eine Deutung. Zu behaupten, er habe keine gehabt, ist ebenfalls eine Deutung. Die Frage ist allein, ob man gute Gründe findet, um entscheiden zu können, welche Deutung die wahrscheinlichere ist. Und da hat die HKM schlicht und ergreifend die weitaus besseren Gründe vorzubringen.
Was sich closs da als Immunsierungsstrategie zurechtgelegt hat, um sich
seinen Jesus gegen den dekonstruierten der HKM irgendwie retten zu können, funktioniert vorne und hinten nicht.
Savonlinna hat geschrieben:
Ernst Bloch hat mir die Augen darüber geöffnet, dass das jüdisch-christliche Verstehen sich gravierend vom griechischen Verstehen unterscheidet.
closs ist auf der Seite des griechischen Substanzdenkens - allerdings in seiner bereits erstarrten Form -, das Jüdisch-christliche ist ihm verschlossen.
"Ich bin, der ich sein werde" - das ist neu gegenüber der griechischen Philosophie.
closs übersetzt das ins griechische Denken: "Ich bin, der ich bin".
Das hebräische Denken ist in der Tat völlig anders, als das griechische, wie man ersehen kann, wenn man ihre Sprachen vergleicht. Die Hebräer denken
geschichtlich, die Griechen denken statisch. Für einen antiken Griechen ist Gott das, was er eben ist, ein göttliches Wesen mit diesen und jenen göttlichen Eigenschaften. Für einen Hebräer ist ihr Gott YHWH der, als der er sich in der Vergangenheit in der Geschichte Israels erwiesen hat und der, als der er sich in der Geschichte Israels in Zukunft noch erweisen wird. Deshalb kann 2. Mose 3,14 (××”×™×” ×שר ××”×™×”) dreifach übersetzt werden: "Ich bin, der ich gewesen bin", "Ich bin, der ich bin" und "Ich werde sein, der ich sein werde". Alle drei Bestimmungen treffen im hebräischen Denken
gleichzeitig auf den Gott Israels YHWH zu.