Alles Teufelszeug?

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sven23
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#801 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von sven23 » Sa 20. Feb 2016, 10:47

closs hat geschrieben:Womit sie sich geistig desavouiert, dieses Opfer, das sie damit bringt, jedoch nicht erkennt, weil sie in Nachbars Garten unterwegs ist, von dem sie meint, er gehöre ihr.
Genau solche Fragen sind mit der HKM, und nur mit ihr, zu untersuchen. Es gibt keine Alternativen mit wissenschaftlichem Anspruch.
Die neutestamentliche Forschung wird ja auch von Theologen betrieben und man sollte nicht den Eindruck erwecken, als seien dies alles Atheisten, die nur Böses im Sinn hätten. Geht man mit wissenschaftlichem Handwerkszeug an die Untersuchung, dann kommt man halt zu Ergebnissen, wie die Forschung sie vorlegt.

closs hat geschrieben: Würde die HKM von ihren Betreibern kritisch beäugt werden, würde man erkennen, dass die HKM eine solche Aussage nicht hergibt. - Denn diese Aussage ist nur möglich, wenn man den NT-Paradigmen-Wechsel und das nur langsam wachsende Verständnis desselben durch die Nachfolger Jesu ignoriert. - Warum bleibt die HKM nicht bei ihren Leisten und begnügt sich mit Aussagen über das, was sie HKM-mäßig beurteilen kann?
Die Forschung hat diesen Paradigmenwechsel als eine spätere, christliche Erfindung aufgedeckt. Führt man ihn als Beweis an, erliegt man wieder einem Zirkelschluss.

Zusammenfassend kann man sagen:
Will man sich in der Leben-Jesus-Forschung dem historischen Jesus und seiner jüdisch geprägten Glaubenswelt nähern, geht das nur mit historisch-kritischer Methode.
Sucht man dagegen Bestätigung für ein Glaubenskonstrukt, geht das auch mit kanonischer Exegese.
Beides sollte man aber sauber trennen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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Thaddäus
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#802 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Thaddäus » Sa 20. Feb 2016, 11:04

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Theologie ist in jenen ihrer Unterdisziplinen wissenschaftlich, in denen sie wissenschaftliche Methoden anwendet:
Wir kommen uns näher.
Keine Sorge, am Ende nicht. ;)

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:, bestimmte Glaubensinhalte für ihre Begründungen aber wiederum voraussetzen müssen (petitio principii), arbeiten sie nicht nur in meinen Augen weitgehend unwissenschaftlich.
Das ist eben - es sei wiederholt - eine wissenschafts-theoretische Frage, die (wie Du weisst), je nach Weltanschauung unterschiedlich beantwortet werden kann.
Das ist - und ich wiederhole micht ebenfalls - keine Frage der Wahl des wissenschaftstheoretischen Modells.
Beweis: ob bei Wiki oder in einer anderen Überblicksdarstellung wirst du keine wissenschaftstheoretische Position finden, die mit deinen Ansichten einer doppelten Wahrheit usw. kompatibel wäre. Dies liegt nicht an einer Boswilligkeit der Wissenschaftstheorie, sondern daran, dass deine Postition als historisch der scholastischen Tradition zugehörig, historisch überholt ist, da sie die Wissenschaft in ihrem Fortgang und Erfolg behindert bzw. sogar verhindert. Sie verhindert Wissenschaft, weil sie beliebige Erklärungen als gleichwertig zulässt und damit das Prinzip vom ausgeschlossenen Widerspruch verletzt.
Wenn du weiterhin behauptest, es gäbe eine wissenschaftstheoretische Position, die deine Sicht vertritt, dann benenne sie hier und jetzt.

closs hat geschrieben: Aus meinem Wissenschafts-Verständnis ist es nach wie vor "wissenschaftlich" zu nennen, ...
Dann vertrittst du lediglich einen als historisch und wissenschaftsphilosophisch bereits falsch erwiesenen Wissenschaftsbegriff.

closs hat geschrieben: ... wenn Gott und der Setzung, dass es ihn gibt, untersucht und für einen Atheisten nachvollziehbar, da methodisch und logisch widerspruchsfrei, begründet wird - deswegen muss man ja nicht die Setzung glauben.
Wenn du Gott bzw. richtiger: den GottesBEGRIFF als Gegenstand logisch-philosophischer Untersuchungen hernimmst, kann man ihn philosophisch-wissenschaftlich untersuchen.
Wenn du dich auf einen Gott, hl. Geist, doppelte Wahrheit, kanonische Wahrheit etc. stützt, um damit deine Behauptungen zu begründen, dann ist das wissenschaftlich ausgeschlossen. Deshalb kann kanonische Exegese nicht wissenschaftlich sein.

closs hat geschrieben: Und zur Erinnerung: JEGLICHE Wissenschaft ist ein Für-wahr-Halten.
Dazu gehört aber nicht das Fürwahrhalten intersubjektiv nicht plausibel zu machender übernatürlicher und transnaturaler Instanzen zur Begründung und Legitimierung der Forschungsergebnisse.

closs hat geschrieben: - Denn sogar die Naturwissenschaft muss setzen, dass die Res Cogitans koordiniert ist mit den als vorhanden zu setzenden Res extensa.
Nein, dass muss sie eigentlich nicht, denn Wissenschaft untersucht die Erscheinungen der Dinge, bildet Hypothesen, Modelle und Theorien und macht dann Aussagen über die Welt, die wiederum an den Erscheinungen der Welt gemessen werden und im Idealfall sogar Voraussagen über das zukünftige Eintreffen von Ereignissen in der Welt ermöglichen. Wenn man einen Menschen mit einem Shuttle in den Orbit befördert, müssen die Berechnungsmodelle nur insoweit mit der Welt übereinstimmen, dass man ihn lebend auch wieder auf die Erde bekommt. Wenn Wolfgang Pauli Neutrinos theoretisch postuliert, weil sonst die Gleichungen nicht aufgehen, muss sich dieses Teilchen nur finden lassen. Es ist dan gleichgültig, ob hinter dem gemessenen Neutrino noch irgend ein kantisches Ding an sich steckt.

closs hat geschrieben: - Insofern denke ich schon, dass man die deduktive Arbeitsweise (ausgehend von einem "Modell" namens "Es gibt Gott") nicht unwissenschaftlich nennen muss
Mit dieser Ansicht befindest du dich allenfalls in Gesellschaft einiger weniger Theolgogen, die der Scholastik nachtrauern. Wissenschaftstheoretisch ist diese Haltung ausgeschlossen.

closs hat geschrieben: - Schönheits-Fehler: Dieses "Modell" ist nicht falsifizierbar - aber das hat halt Gott so an sich.
Zum wiederholten Male:
Wissenschaft setzt weder, dass es Gott gibt, noch dass es ihn nicht gibt. Infolgedessen gibt es da nichts zu falsifizieren!
Machst du die ontologische Annahme, dass es Gott gibt, ist das dein ganz persönlicher Glaube, der nichts mit Wissenschaft zu tun hat; oder du beweist ihn bzw. machst ihn intersubjektiv durch rationale Argumentation so plausibel, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden muss. Deine Rede von Falsifikation im Zusammenhang mit Gott, ist unsinnig. Bevor man etwas falsifizieren kann, muss man erst einmal seine Existenz begründet annehmen. Die Wissenschaft tut das nicht. Wenn du es tust, ist es dein persönlicher Glaube.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Philosophie als Wissenschaft
Dann wäre diese Frage auch geklärt: Philosophie = Wissenschaft.
Nein, so selbstverständlich ist das natürlich nicht. Auch in der Philosophie wird darum gestritten, welche Methoden in ihr wissenschaftlich sind. Die methodische Minimalanforderung an philosophische Hypothesen, Modelle und Theorien sind ihre vernünftige und logische Begründetheit sowie ihre Stimmigkeit und innere Konsistenz (Widerspruchsfreiheit).

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Innerhalb der Philosophie gelten ausgewiesen katholische oder protestantische Philosophen, die ihre philosophische Arbeit ihrem Glauben unterordnen, wiederum als ausgesprochene Exoten und werden von der philosophischen Wissenschaftsgemeinde nicht besonders ernst genommen.
Weil es einfach nicht in die Themen der Zeit passt - vielleicht werden sie in 50 Jahren als Vorreiter in einer Masse des Zeitgeistes verstanden - Du erlebst es vielleicht noch. - So was gab es schon oft.
Nein. Dass gläubige Philosophen, die ihre philosophische Arbeit ihrem Glauben unterwerfen, heute nicht mehr ernst genommen werden, liegt vor allem an der Aufklärung und einer signifikanten Änderung des Wissenschaftsbegriffs seit der Scholastik. Die Aufklärung hat bewiesen, dass Wissenschaft und unabhängige Forschung nur unabhängig von Glaubensüberzeugungen objektiv und intersubjektiv geleistet werden kann. Hierhinter gibt es kein Zurück. Wenn unter Umständen sogar scholastische Philosophen wiederentdeckt werden, dann deshalb, weil Teilerkenntnisse, die sie hatten, als relevant für moderne Überzeugungen erkannt werden. Sie werden aber nicht nachträglich legitimiert als Philosophen, die selbstverständlich von der Existenz Gottes ausgingen und darauf ihre Einsichten aufbauten. Das ist ausgeschlossen.

closs hat geschrieben: Aber wir sind uns einig:
Wenn man unter "Theologie" eine spezifische Form der Religions-Wissenschaft versteht, hast Du nachträglich in mehr Dingen recht als ich dachte - aber nur um den Preis, dass man sich dann nicht in substantielle geistige Thematiken einmischt. - Das kann man nämlich unter diesen Umständen nicht.
Nicht geistige, sondern Glaubensthematiken!
Nicht die Wissenschaft mischt sich in die Glaubensdinge ein, sondern der Glaube mischt sich mit bestimmten Behauptungen in die Wissenschaft ein. Wenn Gläubige behaupten, die Erde sei knapp 7000 Jahre alt, dann widerspricht die Wissenschaft dieser Behauptung. Wenn Gläubige behaupten, es gäbe so etwas wie intelligent design, dann widerspricht die seriöse Evolutionsbiologie dieser Behauptung usw.
Wenn du und manche Kirchenvertreter behaupten, Jesus hätte keine Naherwatung gehabt, dann widerspricht die wissenschaftliche Exegese dieser Behauptung und auch dem Rechtfertigungsversuch, man müsse eben von der geistlichen Wahrheit kanonischer Exegese ausgehen.

closs hat geschrieben:... dass man im Christentum von einer Transzendenz-Fähigkeit des Menschen ausgeht, etc.
Davon wird auch in der Psychologie und Philosophie ausgegangen. Dass der Mensch transzendenzfähig ist, heißt aber noch nicht, dass damit die Berechtigung der Annahme transzendenter Entitäten bereits erwiesen wäre.

closs hat geschrieben:Insofern fand ich den Begriff "Exegese", vor allem "historisch-kritische Exegese" schon immer irritierend, weil damit bei vielen der Eindruck vermittelt wird, es handle sich hier um eine inhaltlich-geistige Auslegung. - Da wäre einiger Klärungs-Bedarf.
Natürlich handelt es sich um eine inhaltlich-geistliche Auslegung. Genau das tut historisch-kritische Exegese: sie macht dezidiert inhaltliche Aussagen zu theologischen Annahmen wie z.B. der, ob Jesus eine Naherwarung hatte. Und sie kommt auch zu klaren Ergebnissen bei dieser speziellen Frage. Wenn das manchen nicht passt, dann ist das nicht die Schuld der HKM, die ihr dann vor lauter Verzweiflung absprechen möchten, dass sie klare inhaltlich-theologische Aussagen macht.
Zuletzt geändert von Thaddäus am Sa 20. Feb 2016, 13:34, insgesamt 5-mal geändert.

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#803 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » Sa 20. Feb 2016, 11:22

Savonlinna hat geschrieben:Es ist nicht meine Aufteilung, sondern die Gemeinden gibt es wirklich
Natürlich - aber hier ging es darum, dass es auch innerhalb der Theologie Abteilungen gibt, die sich mit Gott beschäftigen.

Savonlinna hat geschrieben: im Gegensatz zur Universität.
:?: Gibt es Universitäten NICHT "wirklich"?

Savonlinna hat geschrieben:Beide haben unterschiedliche Funktionen.
Natürlich.

Savonlinna hat geschrieben:Und wer ist das?
Zur Zeit einerseits die Vertreter eines kritisch-rationalistischen Wissenschafts-Verständnis und andererseits (im Fall Theologie) die Vertreter der christlichen Theologie. - Dementsprechend Unterschiedliches kommt raus.

Savonlinna hat geschrieben:Am besten Du nennst die Professoren an den Universiäten, die diesen Umschwung vollziehen wollen oder angeblich schon lange vollzogen haben.
So wie es dargestellt wi8rd, so ziemlich jede Uni, wenn sie nicht kirchlich-lobbyistisch stark ist. - Ich gebe Deine Frage an Thaddäus weiter, die erst kürzlich Theologie studiert hat - sie muss ja irgendwo gelernt haben, was sie sagt.

Savonlinna hat geschrieben:Im Übrigen geht es doch wohl darum, ob Theologie eine Wissenschaft ist. Und sie ist es, zweifelsohne, von ihrem Selbstverständnis her.
Das meine ich ja genauso - nur: Wahrscheinlich müssen wir als nächstes klären, was "Theologie" ist: Ist es eine methodisch-atheistische-naturalistische Wissenschaft über Gott (statt über Eidechsen) - oder ist es eine geistes-wissenschaftliche Disziplin, die nicht nur "Geist" als naturalistisches Phänomen versteht, sondern auch als transnaturalistisches verstehen kann.

Savonlinna hat geschrieben:Und beides ist Wissenschaft. DAS ist der Punkt.
Das mein ICH auch - aber das scheint nicht die allgemeine Auffassung zu sein.

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#804 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » Sa 20. Feb 2016, 11:25

sven23 hat geschrieben:Es gibt keine Alternativen mit wissenschaftlichem Anspruch.
Bei entsprechender Definition von "Wissenschaft" ist dies korrekt - aber nur dann.

sven23 hat geschrieben:Die Forschung hat diesen Paradigmenwechsel als eine spätere, christliche Erfindung aufgedeckt.
Bitt WAS? - Das heisst: Man hat den Sinn und Zweck der Bibel gar nicht verstanden. - Man muss dem ja nicht zustimmen, aber kapieren sollte man es schon.

sven23 hat geschrieben:Beides sollte man aber sauber trennen.
Da sind wir uns einig - mit anderer Begründung.

sven23 hat geschrieben:Will man sich in der Leben-Jesus-Forschung dem historischen Jesus und seiner jüdisch geprägten Glaubenswelt nähern, geht das nur mit historisch-kritischer Methode.
Das kann sein - aber um den Preis, dass es ein peripheres Thema ist.

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#805 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von sven23 » Sa 20. Feb 2016, 11:35

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es gibt keine Alternativen mit wissenschaftlichem Anspruch.
Bei entsprechender Definition von "Wissenschaft" ist dies korrekt - aber nur dann.
Wir wollen aber keine aufgeweichten Definitionen von Wissenschaft zulassen. Das bringt niemendem etwas.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Forschung hat diesen Paradigmenwechsel als eine spätere, christliche Erfindung aufgedeckt.
Bitt WAS? - Das heisst: Man hat den Sinn und Zweck der Bibel gar nicht verstanden. - Man muss dem ja nicht zustimmen, aber kapieren sollte man es schon.
Was ist Sinn und Zweck der Bibel? Hast du überhaupt verstanden, was ein Zirkelschluss ist?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Beides sollte man aber sauber trennen.
Da sind wir uns einig - mit anderer Begründung.
Die da wäre?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Will man sich in der Leben-Jesus-Forschung dem historischen Jesus und seiner jüdisch geprägten Glaubenswelt nähern, geht das nur mit historisch-kritischer Methode.
Das kann sein - aber um den Preis, dass es ein peripheres Thema ist.
Die Forschung hat gezeigt, daß die Verkündigung des nahen Gottesreiches im Zentrum der Verkündigung Jesu stand.

"Die nahe „Königsherrschaft Gottes“ war Jesu zentrale Botschaft nach den synoptischen Evangelien (Mk 1,14 f.): Dies nimmt die NT-Forschung fast immer als historisch an.[63] Die Evangelien veranschaulichen den Begriff durch konkrete Handlungen, Gleichnisse und Lehrgespräche Jesu. Sie setzen dabei seine Bekanntheit unter Juden voraus. An Nichtjuden gerichtete NT-Texte verwenden den Begriff dagegen selten.[64] Damit bezog sich Jesus auf die Tradition der biblischen Prophetie und Apokalyptik, wie einige eventuell echte Zitate aus Deuterojesaja und dem Buch Daniel zeigen."
Quelle: Wikipedia
Zuletzt geändert von sven23 am Sa 20. Feb 2016, 12:54, insgesamt 1-mal geändert.
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Savonlinna
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#806 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Savonlinna » Sa 20. Feb 2016, 11:36

closs hat geschrieben:Das ist eben - es sei wiederholt - eine wissenschafts-theoretische Frage, die (wie Du weisst), je nach Weltanschauung unterschiedlich beantwortet werden kann.
Wissenschaftstheorie hat rein gar nichts mit Weltanschauung zu tun.
Erindet man hier die Universitäten neu? :D

closs hat geschrieben:Und zur Erinnerung: JEGLICHE Wissenschaft ist ein Für-wahr-Halten.
Ich glaub, mich tritt en Pferd. :x
Du denkst Dir absurde Systeme aus, die mit den realen Wissenschaften nichts zu tun haben.

closs hat geschrieben:Allerdings muss man sich bei Gelegenheit dann auch mal die Frage vornehmen, was eine (im Kern) religions-wissenschaftliche Disziplin eigentlich an "Exegese" betreiben kann.
'Die Religionswissenschaften befassen sich, wie gesagt, mit Religionen, die Theologie ist keine Religionswissenschaft - obwohl die Studenten der Evangelischen Theologie auch "Religionswissenschaft" belegen müssen und manche Studenten beide Fächer studieren.
Sie sind aber klar voneinander getrennt.
Die Religionswissenschaften betreiben keine Exegese.
Ob die Theologie das tut, ist ebenfalls die Frage, da sie ja als Wissenschaft Methoden und Ergebnisse reflektiert.

closs hat geschrieben:- Sprach-, Quellen-, etc.-Analyse ja - aber wie will man als wissenschaftlich Außenstehender an GEISTIGER Exegese leisten können?
"Geistige Exegese" ist kein Fach an der Uni.

Exegese ist eine Methode, und Einführung in die theologischen Methoden findet natürlich statt, aber als wissenschaftliche Aktion.

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#807 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Pluto » Sa 20. Feb 2016, 11:49

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wie sieht denn so eine "Begründung" aus?
Es gibt genug philosophische Begründungen, die die Existenz von Gott wahrscheinlich erscheinen lassen - da müsstest Du nur mal von Boethius/Agustinus bis in die Aufklärung (bis ins 19.Jh. hinein) nachgucken (ist hier wirklich zu anstrengend, zumal ich dann wieder überall Referenzen zu an sich klaren Sachen suchen müsste - zu arbeits-intensiv).
...also soll ich DEINE Arbeit machen? — Nein Danke! :P

Das Problem liegt nicht in der Logik (wie Gödel zeigen konnte), sonder in den Annahmen.
Alle sog. Gottesargumente von Anselm bis Augustinus gehen entweder von falschen Setzungen aus, oder sie verwechseln (absichtlich) Begriff und Substanz Gottes.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Gute Wissenschaft arbeitet empirisch mit Beobachtungen und nicht auf Grund von Setzungen.
Nach DIESEM Wissenschaftsbegriff hast Du recht - dann müsste man Theologie und übrigens auch Geisteswissenschaften insgesamt substantiell aus "Wissenschaft" herausnehmen...
Genau, genau...! :thumbup:

closs hat geschrieben:vergleiche auch Hoyingen-Hüne, der meint, dass es einen Wissenschafts-Begriff, der hinausläuft auf "Nur Physik ist Wissenschaft". - Dieser Auffassung bist Du nah.
Hoyningen-Hüne ist nicht das Maß der Wissenschaftlichkeit.
Viel mehr sind seine Ideen eher eine Randerscheinung in der Philosophie der Wissenschaft. Seine Thesen werden weder von Naturwissenschaftlern, noch vom Gros der Philosophen anerkannt.

closs hat geschrieben:mir fällt spontan Walter Benjamin ein, der in den 1920ern seine wegweisenden Werke schrieb, die verlacht wurden und in der Nachkriegszeit plötzlich zum Renner wurden.
Ein "Renner" war Walter Benjamin wohl nicht. Obschon er mit seinen Schriften auf einige berühmte Philosophen Eindruck machte, blieb er der Allgemeinheit wohl eher fremd. Wiki schreibt zu seinen Ideen aus den 20-er Jahren...
Durch die emphatische Beziehung der Philosophie auf die Sprache versuchte Benjamin, den herrschenden naturwissenschaftlich orientierten Erkenntnisbegriff derart umzubilden, dass dieser wieder der Erfahrung der Theologie mächtig werde.
Bitte beachten: Er "versuchte"!
Aber ob es ihm gelang ist eine ganz andere Frage. In seinem späteren Werk wandte sich Benjamin von der Theologie ab.

Aber du schreibst "oft"... Ich beaupte es so was gab es NIE.
Philosophie ist kein Pendel der hin- und her pendelt; ihr Verlauf entspricht eher einer Sägezahnkurve: Drei Schritte vor, und einen zurück.

closs hat geschrieben:vielleicht werden sie in 50 Jahren als Vorreiter in einer Masse des Zeitgeistes verstanden - Du erlebst es vielleicht noch. - So was gab es schon oft.
Willst du einen weiteren Versuch wagen?

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Übrigens... "religions-wissenschaftliche (Disziplin)" ist ein Oxymoron.
Ganz bestimmt nicht
Ganz sicher sogar.
In dem sie Rituale und Regeln festlegt, ist die Religion eine Art "Bürokratie des Glaubens", aber bestimmt KEINE Wissenschaft.

closs hat geschrieben:Aber sie verletzt ihr Mandat, wenn sie dies auf Jesus überträgt - dies ist ein disziplinloser Übergriff. - Was noch ertragbar wäre, wenn dieser Übergriff sich nicht auch noch naßforsch überlegen gerieren würde.
Wer legt so etwas fest? — DU etwa?
Welche Quellen-Nachweise gibt es (außer der Bibel), dass Jesus selbst nicht an eine Naherwartung glaubte?

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wurden denn die Auslegungen jemals wirklich angezweifelt und eingehend geprüft?
Die historisch-kritische Auslegungen?
Nein. HKM-Auslegungen werden so weit mir bekannt, IMMER angezweifelt und geprüft.
Meine Frage bezog sich auf die kanonische Exegese.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Savonlinna
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#808 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Savonlinna » Sa 20. Feb 2016, 11:52

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Es ist nicht meine Aufteilung, sondern die Gemeinden gibt es wirklich
Natürlich - aber hier ging es darum, dass es auch innerhalb der Theologie Abteilungen gibt, die sich mit Gott beschäftigen.
Noch einmal:
die kirchlichen Gemeinden beschäftigen sich mit Gott. Wer er ist, was er ist, ob er in uns wohnt oder über den Wolken thront etc.
Die Universitäten setzen sich wissenschaftlich mit Glaubenssystemen und Glaubensformen auseinander.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: im Gegensatz zur Universität.
:?: Gibt es Universitäten NICHT "wirklich"?
Das war nicht meine Aussage. :) Du hast behauptet, dass Gemeinden dasselbe sind wie Universitäten.
Ich hab den Unterschied versucht zu erklären.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Und wer ist das?
Zur Zeit einerseits die Vertreter eines kritisch-rationalistischen Wissenschafts-Verständnis und andererseits (im Fall Theologie) die Vertreter der christlichen Theologie. - Dementsprechend Unterschiedliches kommt raus.
Du meinst also Planspiele?
Ich dachte, Du meinst Reformatoren des Universitätssystems.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Im Übrigen geht es doch wohl darum, ob Theologie eine Wissenschaft ist. Und sie ist es, zweifelsohne, von ihrem Selbstverständnis her.
Das meine ich ja genauso - nur: Wahrscheinlich müssen wir als nächstes klären, was "Theologie" ist: Ist es eine methodisch-atheistische-naturalistische Wissenschaft über Gott (statt über Eidechsen) - oder ist es eine geistes-wissenschaftliche Disziplin, die nicht nur "Geist" als naturalistisches Phänomen versteht, sondern auch als transnaturalistisches verstehen kann.
Das wäre auch alles wieder nur ein Planspiel.

Am besten, man besucht Vorlesungen an der Uni. Man kann dann auch mit Studenten reden, und mit mehreren.
Sich immer nur auf einen einzigen Studenten zu verlassen, käme mir selber nie in den Sinn.

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#809 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » Sa 20. Feb 2016, 13:40

Thaddäus hat geschrieben:Beweis: ob bei Wiki oder in einer anderen Überblicksdarstellung wirst du keine wissenschaftstheoretische Position finden, die mit deinen Ansichten einer doppelten Wahrheit usw. kompatibel wäre.
Das sagt nichts aus, weil es nichts über die Wirklichkeit aussagt, sondern über die Definition von Wissenschafts-Theorie. - Wir kämen dieser Frage sachlich näher, wenn Du folgende Sätze in Übereinstimmung mit der Problematik "doppelte Wahrheit" aus Deiner Sicht auflösen würdest (Kleine Hilfe: Es gibt eine Auflösung):

* Satz 1: Der Mensch hat einen freien Willen.
* Satz 2: Das Schicksal des Menschen ist vor der Geburt des Menschen teleologisch festgelegt.

Thaddäus hat geschrieben: Sie verhindert Wissenschaft,
Du nimmst immer nur Deine Wahrnehmung (= Wissenschaft) zum Maßstab und nicht die Wirklichkeit, die unabhängig von Wahrnehmung "ist". - Aus meiner Sicht geht es um das, was "ist", wozu Wissenschaft kein Maßstab ist, sondern für das es Hilfsmittel ist.

Thaddäus hat geschrieben:Wenn du weiterhin behauptest, es gäbe eine wissenschaftstheoretische Position, die deine Sicht vertritt, dann benenne sie hier und jetzt.
Irrelevant, solange nicht geklärt ist, welches Verhältnis Du zwischen "Wissenschaft" (Wahrnehmung) und "Wirklichkeit" (Sein) siehst.

Thaddäus hat geschrieben:Dann vertrittst du lediglich einen als historisch und wissenschaftsphilosophisch bereits falsch erwiesenen Wissenschaftsbegriff.
"Erwiesen" heißt doch lediglich "nach Maßgabe einer bestimmten Perspektive". - Das ist System-Gerede.

Thaddäus hat geschrieben:Deshalb kann kanonische Exegese nicht wissenschaftlich sein.
Sie ist das, was sie ist - ob sie von der Wissenschaft als Wissenschaft anerkannt wird, ist eine reine System-Frage.

Thaddäus hat geschrieben:Dazu gehört aber nicht das Fürwahrhalten intersubjektiv nicht plausibel zu machender übernatürlicher und transnaturaler Instanzen zur Begründung und Legitimierung der Forschungsergebnisse.
Manchmal muss man die Wissenschaft (in Deiner Definition) verlassen, um Forschungs-ERgebnisse inhaltlich bewerten zu können. - Wissenschaft in Deinem Sinne kann nicht geistig im christlichen Sinne bewerten - für sie ist Jesus nicht Gott, so wie für eine Schnecke ein Violinschlüssel keine Chiffre für Musik sein kann - man kann bestensfalls dran hochklettern.

Thaddäus hat geschrieben: Es ist dan gleichgültig, ob hinter dem gemessenen Neutrino noch irgend ein kantisches Ding an sich steckt.
Einverstanden - und was hat Wissenschaft dann mit geistigen Sachen zu tun?

Thaddäus hat geschrieben:Wissenschaftstheoretisch ist diese Haltung ausgeschlossen.
Hoyingen-Hüne habe ich anders verstanden (vielleicht stellt Halman den Vortrag nochmal ein) - und H.-H. hat nicht als Christ gesprochen.

Thaddäus hat geschrieben:Zum wiederholten Male: Wissenschaft setzt weder, dass es Gott gibt, noch dass es ihn nicht gint. Infolgedessen gibt es da nichts zu falsifizieren!
Ich glaube zwar nachweisen zu können, dass sie es über die Bande trotzdem tut - aber lassen wir das mal an dieser Stelle. - Das Ergebnis ist dasselbe: Wissenschaft hat dann in geistigen Bereichen nicht zu suchen.

Thaddäus hat geschrieben:Die methodische Minimalanforderung an philosophische Hypothesen, Modelle und Theorien sind ihre vernünftige und logische Begründetheit sowie ihre Stimmigkeit und innere Konsistenz (Widerspruchsfreiheit).
Exakt das wäre meine Definition von Geisteswissenschaft und somit auch von Theologie.

Thaddäus hat geschrieben: Dass der Mensch transzendenzfähig ist, heißt aber noch nicht, dass damit die Annahme transzendenter Entitäten bereits erwiesen wäre.
Natürlich nicht - es ist schlicht nicht falsifizierbar, aber sehr wirksam (so viel zum Wort "Wirklichkeit") , WENN es diese Nicht-Falsifizierbare gibt. - Im Umkehrschluss heisst dies: Wissenschaft kann nur einen Teil der Wirklichkeit abbilden, wenn man sie so wie Du definiert.

Thaddäus hat geschrieben:Die Aufklärung hat bewiesen, dass Wissenschaft und unabhängige Forschung nur unabhängig von Glaubensüberzeugungen objektiv und intersubjektiv geleistet werden kann.
Noch mehr Aufklärung zeigt, dass man damit nur einen Teil der Wirklichkeit abbilden kann.

Thaddäus hat geschrieben: Hierhinter gibt es kein Zurück.
Methodisch verständlich, ontologisch inakzeptabel.

Thaddäus hat geschrieben:Nicht die Wissenschaft mischt sich in die Glaubensdinge ein, sondern der Glaube mischt sich mit bestimmten Behauptungen in die Wissenschaft ein.
Beides ist de facto der Fall - und sollte nicht der Fall sein.

Thaddäus hat geschrieben:Wenn Gläubige behaupten, die Erde sei knapp 7000 Jahre alt, dann widerspricht die Wissenschaft dieser Behauptung.
Zu Recht - die großen Kirchen haben schon lange erkannt, dass beides getrennt sein muss. - So gibt es bspw. keinerlei Konfliktfelder zwischen Genesis und Evolutions-Theorie in der RKK - wenn man bei seinen Leisten bleibt.

Thaddäus hat geschrieben:Wenn du und manche Kirchenvertreter behaupten, Jesus hätte keine Naherwatung gehabt, dann widerspricht die wissenschaftliche Exegese dieser Behauptung
Und bleibt damit nicht bei seinen Leisten, die über Sprach-, Quellen- und Sonstwas-Analyse nicht hinausgehen dürfte. - Hier mischt sich die HKM in geistig-kanonische Erkenntnis-Felder ein, die nicht ihr Bier sind. - Nochmals: HKM kann etwas über Textverfasser sagen, nicht aber über Jesus (Stichwort: Paradigmen-Wechsel - Erkenntnis-Verzögerung, etc) - that's none of their business.

Das mindeste, was man erwarten könnte, wäre eine selbstkritische Überprüfung, ob an sich bewährte Muster ("älteste Quelle = authentischste Quelle") anwendbar sind, wenn man gleichzeitig wissen müsste, dass es hier genau umgekehrt sein kann ("älteste Quellen = man hat den Paradigmen-Wechsel noch nicht kapiert").

Nun kann man natürlich die HKM-Version ("Jesus hatte eine Naherwartung") nicht widerlegen - aber umgekehrt eben auch nicht. - Persönlich glaube ich NICHT an eine Naherwartung, weil sie im gesamt-kanonischen Kontext - und Achtung: das AT gab es schon, bevor die Kirche eingegriffen hat - unwahrscheinlich ist. - Möglicherweise ist dies per HKM nicht berücksichtigbar - methodik-bedingt. - Was hat dies aber mit "Wirklichkeit" zu tun?

Thaddäus hat geschrieben:Dass der Mensch transzendenzfähig ist, heißt aber noch nicht, dass damit die Annahme transzendenter Entitäten bereits erwiesen wäre.
Korrekt - es ist nicht falsifizierbar, aber gut möglich - fifty-fifty (in der Summe aller Weltanschaungen).

Thaddäus hat geschrieben:Natürlich handelt es sich um eine inhaltlich-geistliche Auslegung. Genau das tut historisch-kritische Exegese
Genau das geht gar nicht, wenn man Gott als metaphyische Größe nicht beachten kann. - Dies wäre für mich ein gutes Beispiel für eine "doppelte Wahrheit", die auch aus meiner Sicht letztlich NICHT möglich ist.

Thaddäus hat geschrieben:Wenn das manchen nicht passt, dann ist das nicht die Schuld der HKM, die ihr dann vor lauter Verzweiflung absprechen möchten, dass sie klare inhaltlich-theologische Aussagen macht.
Die Klarheit ist nicht das Problem, sondern die Transferierung des eigenen methodischen Systems in das Geistige hinein.

Im Grunde wird die HKM hier so dargestellt wie die Kurz-Zeit-Kreationisten: Beide fummeln in Nachbars Garten rum - der eine nimmt Einfluss auf die Naturwissenschaft ("Mensch ist 7000 Jahre alt"), der andere besteht auf geistige Aussagen, obwohl er eben diese methodisch vorher ausgeschlossen hat.

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#810 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » Sa 20. Feb 2016, 13:44

sven23 hat geschrieben: Hast du überhaupt verstanden, was ein Zirkelschluss ist?
Ja. - Hast Du verstanden, was Hermeneutik im Sinne von Schelling und F. Ast ist?

sven23 hat geschrieben:Die da wäre?
Zitiere bitte den Absatz vorher, damit ich sehe, worauf bezogen Du eine Antwort willst.

sven23 hat geschrieben:"Die nahe „Königsherrschaft Gottes“ war Jesu zentrale Botschaft nach den synoptischen Evangelien (Mk 1,14 f.)
Das sagt Ratzi auch. - Hier gibt es in der Grundaussage keine Differenzen - die Differenzen liegen in der Deutung.

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