closs hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben: Das Konzept der doppelten Wahrheit gab es ja, und es hat sich herausgestellt, dass es zu genau dem geführt hat, worüber Albert schreibt.
Da hat er ja recht: Die Problematik ist da - das bestreitet keiner. -
Mein Punkt ist, dass er diese Problematik einseitig auflöst.
Nein, die Geschichte und Entwicklung der Wissenschaften selbst hat das so aufgelöst. Albert stellt es nur noch einmal ausdrücklich fest.
closs hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben:. In keiner einzigen von diesen wird aber ein Konzept der doppelten Wahrheit vertreten oder die Legitimation eines Rechtfertigungsbezugs auf religiöse oder metaphyische Überzeugungen.
Logisch - weil die Definition des Kritischen Rationalismus dies nicht zulassen KANN. - Deshalb ist der KR doch eine Methodik und keine Philosophie.
Wirf bitte einen Blick in Wiki zum Stichwort "Wissenschaftstheorie", dann siehst du, dass dort
der kritische Rationalismus nur eine unter vielen wissenschaftstheoretischen Positionen ist. Aber keine einzige der dort zahlreich aufgeführten Positionen, die sich alle unterscheiden, kommt auch nur in die Nähe dessen, was du hier vertrittst. Insbesondere vertritt keine einzige doppelte Wahrheiten, weil dies das Prinzip vom ausgeschlossenen Widerspruch aushebeln würde und
beliebige Erklärungen möglich würden, was letztlich die komplette Logik aushebelt. Albert schreibt das bereits oben und es ist ganz und gar korrekt.
closs hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben:Es gibt - wie du selbst sehen kannst - nicht einmal innerhalb der realistischen Wissenschaftstheorie eine Position, die übernatürliche oder religiöse Erklärungen, doppelte Wahrheiten oder Bezugnahmen auf metaphysische Entitäten vertritt.
Dito - das bestreitet doch niemand. -
Aber genau das führt doch zur Frage: Was KANN der KR und was kann er nicht?
Hallo? Der kritische Rationalismus ist eine unter vielen möglichen wissenschaftstheoretischen Positionen, aber keine - ich wiederhole:
keine! - vertritt, was du vertrittst! Im Gegenteil vertreten ALLE dort aufgeführten Richtungen offensichtlich einen impliziten methodologischen Atheismus.
closs hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben:Es gibt keine beliebigen Defintionen von Wissenschaft, Vernunft, Geist, Wahrnehmungssystem etc.
Natürlich nicht - aber es gibt
mehrere Definitionen.
"Wissenschaft" wird innerhalb der Wissenschafts-Theorie unterschiedlich definiert (siehe Hoyingen-Hüne).
Ja, aber niemals so, dass sie in so wesentlichen Punkten von der gängigen Definition abweicht wie deine.
closs hat geschrieben:
* Vernunft wird im christlichen Sinne anders definiert als im Materialismus.
* Geist ist im christlichen Sinne NUR transnaturalistisch definiert - im Materialismus NIE transnaturalistisch definiert.
Ja, und "YHWH" wird von den Zeugen Jehovas als "Jehova" definiert (ein übrigens lustiger Irrtum bezüglich der masoretischen Punktation des biblischen Hebräisch). Und es gibt sogar eine Definition von Astralkörper und von Phlogiston. Wer, außer einigen wenigen Katholiken folgt bitteschön der katholischen Defintion von "Vernunft"? (Es gibt keine allgmeinchristliche Defintion von Vernunft.)
"Geist" ist selbst im christlichen Verständnis sicherlich nicht NUR transnaturalistisch definiert, und wenn es so wäre, wäre es der Beleg dafür, diese Defintion von Geist als unbrauchbar abzulehnen.
closs hat geschrieben:
Alle diese konträren Definitionen sind nicht beliebig, sondern sehr wohl begründet - aber eben abhängig von den JEWEILIGEN Setzungen der dahinter stehenden Weltanschauung.
Ob solche unterschiedlichen Definitionen wohl begründet sind, ist gerade zu bezweifeln! Wohl begründet sind die, die einer Mehrheit der Wissenschaftsgemeinschaft plausibel gemacht werden können.
closs hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben: Der ganze Sinn einer Defintion ist, dass das Definiendum (also das, was definiert wird) idealerweise nur eine einzige korrekte Defintion hat, auf die man sich als plausibelste einigt.
Schön wär's, ist aber nicht so. - Weshalb ich dafür plädiere (wie dies bei uns in der Philologie Usus war), Begriffe mit einem Zusatz zu versehen:
Das ist nicht nötig und wird auch nicht gemacht, weil die meisten Experten sich sehr wohl auf klare und gemeinsame Definitionen einigen können.
Du glaubst doch nicht im Ernst, dass sich irgendwer in der großen weiten Wissenschaftsgemeinde für die
katholische oder
evangelische oder muslimische Defintion von Vernunft und Geist interessiert, denn diese Defintionen können per se nur tendenziös, weil religiös gebunden sein. Und das ist kein Manko, es stellt einen Fortschritt in den Wissenschaften dar.
closs hat geschrieben:
Und dann kann ein Computer plötzlich "Geist" haben - weil man es so definiert hat.
Ich denke ebenfalls nicht, dass Computer Geist besitzen und er bekommt auch keinen, weil man "Geist" plötzlich anders definiert. Im Bemühen aber, zu verstehen, was Geist eigentlich ist, wagen sich manche AI'ler so weit vor zu behaupten, Geist sei schon, wenn Watson besser als Menschen Quizfragen beantworten kann.
closs hat geschrieben:Mit "Experten des Fachs" meinst Du die Speerspitzen der Umwerter. - Merkst Du nicht, dass es hier nicht um eine wissenschaftliche Auseinandersetzung, sondern um einen Kulturkampf geht?
Ach, dass ist doch Unsinn closs. Die Experten eines Fachs sind diejenigen, die innerhalb einer Disziplin die aktuellste Forschung betreiben. Die, die daraus Ideologie machen, sind zumeist Laien, die keine Ahnung von der aktuellesten Forschung haben.
closs hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben: Gibt man den Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch auf, wird jede beliebige Erklärung möglich und das bedeutet den Tod jeder Wissenschaft.
Stimmt prinzipiell. -
Nur kann es sehr wohl sein, dass These und Anti-These in der Synthese aufgehoben werden, also nur auf thetischer Ebene widersprüchlich sind.
Wenn Dialektik darauf hinausläuft, den Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch aufzuheben, so dass eine Sache so und gleichzeitig das Gegenteil davon sein kann, dann sind
beliebige Erklärungen möglich und das ist wissenschaftlich abzulehnen, weil Wissenschaft gerade darauf aufbaut, dass eben keine beliebigen Erklärungen möglich sind!
closs hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben:Das ist der Sinn von Poppers Falifikation!
Ja - aber immer: INNERHALB eines Modells. - Konkret:
Nein, nicht innerhalb eines
Modells, sondern innerhalb
aller Wissenschaften!
closs hat geschrieben:
WENN man setzt, dass es nichts Übernatürliches gibt (der KR MUSS das aufgrund seiner Regeln tun),
Oh je!
Nein, weder der kritische Rationalismus noch die Wissenschaften
setzen, dass es nichts Übernatürliches gibt. Sie setzen, dass innerhalb der Wissenscahften Übernatürliches keine Rolle spielt und spielen darf, was die historische Erfahrung gelehrt hat. Das ist etwas anderes: es ist die methodische
Enthaltung von übernatürlichen Erklärungen und Begründungen.
closs hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben: Es geht um die höchstmögliche Plausibilität
Im Rahmen des KR.
Unsinn. Es geht bei allen wissenschaftlichen Erklärungen um höchstmögliche Plausibilität, doch nicht nur im kritischen Rationalismus.
closs hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben:Gleichzeitig kann es keine doppelte Wahrheit geben, denn wenn etwas mit höchster Plausibilität so ist, wie es ist und also als vorläufig wahr angenommen werden kann, dann ist es unmöglich, dass das Gegenteil hiervon mit der gleichen Plausibiltät wahr ist.
Dieser Satz ist deshalb unrichtig, weil "Plausibilität" sich auf eine Methodik/gar ein Modell bezieht und nicht auf die (ontologischen) Wirklichkeit.
Das wird jetzt wirklich langsam ärgerlich.
Jede Methode und jedes Modell und jede Theorie muss sich auf die Wirklichkeit beziehen lassen, sonst könnte sie diese ja nicht beschreiben und Ereignisse in der natürlichen Welt z.B.
vorhersagen. Das ist doch völlig klar! Wenn man eine Raumstation im Orbit halten will oder eine Rakete zum Mars fliegen lassen, dann wird das mit mathematischen Methoden nach Modellen berechnet und wenn richtig gerechnet wird, stirbt niemand!
closs hat geschrieben:
Insofern ist Dein Satz nur dann richtig, wenn er lautet:
Gleichzeitig kann es keine doppelte Wahrheit innerhalb EINES methodischen Systems geben, denn wenn etwas mit höchster Plausibilität in EINEM methodischen System so ist, wie es ist und also als vorläufig wahr angenommen werden kann, dann ist es unmöglich, dass das Gegenteil hiervon mit der gleichen Plausibiltät im SELBEN methodischen System wahr ist.
Nein, so ist er richtig:
Gleichzeitig kann es keine doppelte Wahrheit innerhalb
korrekter Aussagen über die Welt geben, denn wenn etwas mit höchster Plausibilität
innerhalb einer vernünftigen Rede über die Welt, welche jederzeit dem Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch folgen muss, um überhaupt verständlich sein zu können , so ist, wie es ist und also als vorläufig wahr angenommen werden kann, dann ist es unmöglich, dass das Gegenteil hiervon mit der gleichen Plausibiltät
widerspruchsfrei wahr ist.