Alles Teufelszeug?

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Thaddäus
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#711 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Thaddäus » Do 18. Feb 2016, 20:59

closs hat geschrieben: Meinetwegen kann man Wissenschaft so restriktiv definieren, wie Du es zu tun scheinst. - Aber dann bitte um den Preis, dass es große Lebensbereiche - gerade im geistigen Bereich - gibt, in der Wissenschaft keine wesentliche Rolle spielen kann. - Duschen und nicht nass werden geht nicht.
DU bist es doch, der duscht und dabei versucht nicht nass zu werden.

Closs Ansatz einer doppelten Wahrheit - nämlich einer religiösen einerseits und einer wissenschaftlichen andererseits - wird von dem Wissenschaftstheoretiker Hans Albert wie folgt als letztlich dogmatisch entlarvt:

Wissenschaft und Weltanschauung pflegen auch von Leuten streng auseinandergehalten zu werden, die sich für religiös ungebunden erklären. Während im ersten Bereich ein unbeschränkt kritischer Gebrauch der Vernunft am Platze zu sein scheint, neigt man in bezug auf den zweiten oft eher dazu, sich für eine deutende, verstehende oder vernehmende Vernunft auszusprechen oder gar die hier adäquate Verfahrensweise von der Vernunft - oder in anderer Terminologie: von der der bloßen Rationalität oder des rechenhaften Verstandes - überhaupt abzusetzen.

Man entwickelt also eine mit methodischen Ansprüchen ausgestattete Zwei-Sphären-Metaphysik, die in Verbindung mit der Idee der doppelten Wahrheit geeignet erscheint, gewisse tradierte Anschauungen gegen bestimmte Arten der Kritik abzuschirmen und dadurch einen inselhaften Bereich unantastbarer Wahrheiten zu schaffen. In diesem Bereich ist man dann unter Umständen sogar bereit, die Logik außer Gefecht zu setzen, damit echte Widersprüche akzeptabel werden, allerdings meist ohne die Tragweite eines solchen Unternehmens und seine Absurdität voll zu erkennen. Denn die Aufgabe des Prinzips der Widerspruchsfreiheit zugunsten eines oft „dialektisch" genannten Denkens mag zwar in gewissen Fällen äußerst bequem sein, aber sie macht, wie wir wissen, beliebige Konsequenzen ableitbar, bedeutet also gewissermaßen eine logische Katastrophe, da sie den Zusammenbruch jeder sinnvollen Argumentation involviert. Das bedeutet aber, daß sie nichts anderes ist als ein ganz und gar dogmatisches Verfahren, ein Rückzug in den vollkommenen Dogmatismus, und das heißt: in die vollkommene Willkür. Das Motiv für die Wahl einer solchen Strategie liegt im allgemeinen auf der Hand: Man ist zwar im sicheren Besitz der Wahrheit, hat aber dennoch eine gewisse Angst vor kritischer Prüfung und opfert daher lieber die elementare Moral des Denkens - nämlich die Logik - als diesen angeblich sicheren Besitz.


[Hans Albert, Traktat über kritische Vernunft, 4. Aufl. 1980, S. 104-105]

closs
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#712 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » Do 18. Feb 2016, 21:01

Anton B. hat geschrieben:Wenn unter "... MEHR verstanden ..." das eigene Verstehen abseits jeden Abgleichs nach außen, und damit meine ich den Abgleich mit anderen "Denkern", verstanden wird, ist der Nutzen in der Tat recht zweifelhaft.
Welche Rolle kann der Abgleich nach außen spielen, wenn das "Außen" mehrheitlich anders tickt? - Ändert man eigene Erkenntnis des Friedens Willen?

Anton B. hat geschrieben: "Wissenschaft", ob Geistes- oder Naturwissenschaft, ist in ganz außerordentlichem Maß ein soziales Projekt.
Das sehe ich in der Tat primär anders - sekundär stimme ich Dir zu. - In Deinem Ansatz steckt das Virus der Gefälligkeit.

Thaddäus hat geschrieben:Closs Ansatz einer doppelten Wahrheit - nämlich einer religiösen einerseits und einer wissenschaftlichen andererseits - wird von dem Wissenschaftstheoretiker Hans Albert wie folgt als letztlich dogmatisch entlarvt
"Entlarvt" ist schon wieder ein präjudizierendes Wort.

Hans Albert ist ein Vertreter des Kritischen Rationalismus und spricht hier tendenziös in seinen Unterstellungen und pro domo in seinen Schlussfolgerungen. - Er versucht, seinen Laden nach außen dicht zu halten - aus meiner Sicht ein weltanschaulicher Versucht zur Stärkung seines Weltbildes. - Wir können dies gerne vertiefen.

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Savonlinna
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#713 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Savonlinna » Do 18. Feb 2016, 21:16

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Natürlich komme ich zu einem anderen Ergebnis.
Du kommst also NICHT zum Ergebnis, dass die ersten Jahrhunderte der Aufklärung vornehmlich christlich geprägt waren und diese seit dem 19. Jh. nicht mehr christlich gepärgt ist?
Wo hätte ich denn das gesagt?
Du kannst nicht nachträglich Deine Aussagen frisieren, sodass sie nicht mehr zu meinen Antworten passen.

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Savonlinna
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#714 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Savonlinna » Do 18. Feb 2016, 21:24

Thaddäus hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Ich möchte einfach nur den Beleg dafür haben, wo in der Wissenschaftsheorie - so, wie Du es geschrieben hattest - der Begriff "methodischer oder methodologischer Atheismus" auftaucht.
Du ignorierst mein Witz-Beispiel als praktischen Beweis für methodischen Atheismus: warum?
Weil der Witz das Geforderte nicht bringt.


Thaddäus hat geschrieben:Ansonsten lies Alberts "Traktat über kritische Vernunft". Darin wird die ganze Entwicklung wissenschaftlichen Begründens aufgearbeitet. Du wirst dort immer noch kein Kapitel über methodologischen Atheismus finden, aber seine Anwendung.
Ja, das nützt mir nichts, weil ich ja die Anwendung genau dieses Begriffes von einem Autor suche.
Also gibt es diesen Begriff in der Wissenschaftstheorie nicht, und das ist ja auch eine Antwort.

Anton B.
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#715 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Anton B. » Do 18. Feb 2016, 21:27

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Wenn unter "... MEHR verstanden ..." das eigene Verstehen abseits jeden Abgleichs nach außen, und damit meine ich den Abgleich mit anderen "Denkern", verstanden wird, ist der Nutzen in der Tat recht zweifelhaft.
Welche Rolle kann der Abgleich nach außen spielen, wenn das "Außen" mehrheitlich anders tickt? - Ändert man eigene Erkenntnis des Friedens Willen?
Hast Du schon mal an die Möglichkeit gedacht, dass die Anderen auch nicht blöde sind und die Gedanken des Anderen auch einen selber weiter bringen können?

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben: "Wissenschaft", ob Geistes- oder Naturwissenschaft, ist in ganz außerordentlichem Maß ein soziales Projekt.
Das sehe ich in der Tat primär anders - sekundär stimme ich Dir zu. - In Deinem Ansatz steckt das Virus der Gefälligkeit.
Die Überlegungen anderer zu verstehen, aufzunehmen, selber zu durchdenken und sich daran zu prüfen und weiter zu entwickeln, nennst Du "Gefälligkeit"?

Da fällt mir nix mehr zu ein.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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Thaddäus
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#716 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Thaddäus » Do 18. Feb 2016, 21:34

Savonlinna hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Ich möchte einfach nur den Beleg dafür haben, wo in der Wissenschaftsheorie - so, wie Du es geschrieben hattest - der Begriff "methodischer oder methodologischer Atheismus" auftaucht.
Du ignorierst mein Witz-Beispiel als praktischen Beweis für methodischen Atheismus: warum?
Weil der Witz das Geforderte nicht bringt.
Doch, das tut er, und zwar auf die aufschlussreichste Art, die denkbar ist. Die explizite Verwendung des Begriffs bedeutet, dass er noch keinen Eingang gefunden hat in das selbstvertsändliche Denken. Erst, wenn ein Begriff nicht mehr explizit verwendet wird, sondern er stattdessen im Denken so verankert ist, dass er gar nicht mehr erwähnt werden muss, bedeutet das, dass verinnerlicht ist.

Savonlinna hat geschrieben: Also gibt es diesen Begriff in der Wissenschaftstheorie nicht, und das ist ja auch eine Antwort.
Aber sicher gibt es ihn, sonst könnten wir ihn ja nicht hier in diesem Zusammenhang verwenden und er würde auch nicht unter "Atheismus" bei Wiki auftauchen! Verstehst du denn, was mit methodologischem Atheismus gemeint ist? Wenn du den begriff verstehst, dann ist er auch im Gebauch, - z.B. ebene hier gerade jetzt.
Oder möchtest du nur eine Autorität, auf du dich stützen kannst? ;)

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#717 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » Do 18. Feb 2016, 21:38

Savonlinna hat geschrieben:Wo hätte ich denn das gesagt?
Das war eine FRAGE.

Anton B. hat geschrieben:Die Überlegungen anderer zu verstehen, aufzunehmen, selber zu durchdenken und sich daran zu prüfen und weiter zu entwickeln, nennst Du "Gefälligkeit"?
Nein.

Anton B. hat geschrieben:Da fällt mir nix mehr zu ein.
Zu Recht - das ist auch nicht mein Ansatz.

Es klang bei Dir so, als sei Wissenschaft sozial verpflichtet. - Aber vielleicht habe ich Dich hierbei wirklich missinterpretiert. - Insofern gut, dass Du es korrigierst: In Deiner Formulierung "Die Überlegungen anderer zu verstehen, aufzunehmen, ..." stimme ich Dir selbstverständlich zu. - Ohne meine Lehrer wäre ich auchnicht da, wo ich bin.

Anton B. hat geschrieben:Hast Du schon mal an die Möglichkeit gedacht, dass die Anderen auch nicht blöde sind und die Gedanken des Anderen auch einen selber weiter bringen können?
Oja - das sollte die Regel sein.

Allerdings glaube ich, eine derartige Ideologisierung in Richtung Szientismus und Physikalismus zu erkennen, dass es ziemlich schwierig erscheint, Menschen aus dieser Betonierung heraus zu bringen. - Savi widerspricht mir hier - was einerseits ein Hoffnungs-Funken ist, andererseits erst glaubwürdig wird, wenn man an den Früchten erkennen kann.

"Blöde" sind die wenigsten - die Frage ist, wieweit sie nolens oder volens ideologisiert sind.

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#718 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Münek » Do 18. Feb 2016, 21:38

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Closs Ansatz einer doppelten Wahrheit - nämlich einer religiösen einerseits und einer wissenschaftlichen andererseits - wird von dem Wissenschaftstheoretiker Hans Albert wie folgt als letztlich dogmatisch entlarvt
"Entlarvt" ist schon wieder ein präjudizierendes Wort.

Hans Albert ist ein Vertreter des Kritischen Rationalismus und spricht hier tendenziös in seinen Unterstellungen und pro domo in seinen Schlussfolgerungen. - Er versucht, seinen Laden nach außen dicht zu halten - aus meiner Sicht ein weltanschaulicher Versucht zur Stärkung seines Weltbildes. - Wir können dies gerne vertiefen.

Wie wäre es mit sachlich begründeten Einwänden gegen Alberts kritische Analyse?!

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#719 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Savonlinna » Do 18. Feb 2016, 21:41

Thaddäus hat geschrieben: Oder möchtest du nur eine Autorität, auf du dich stützen kannst? ;)
Ich wollte nichts weiter als einen Beleg für Deine Behauptung, dass die Wissenschaftstheorie diesen Begriff benutzt.
Es gibt keinen, wie ich sehe, und damit ist die Sache für mich durch.

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#720 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Anton B. » Do 18. Feb 2016, 21:50

closs hat geschrieben:Es klang bei Dir so, als sei Wissenschaft sozial verpflichtet. - Aber vielleicht habe ich Dich hierbei wirklich missinterpretiert.
Gemeint war: "Wissenschaft" ist ein gemeinschaftlich betriebenes Projekt.

closs hat geschrieben:Allerdings glaube ich, eine derartige Ideologisierung in Richtung Szientismus und Physikalismus zu erkennen, dass es ziemlich schwierig erscheint, Menschen aus dieser Betonierung heraus zu bringen. - Savi widerspricht mir hier - was einerseits ein Hoffnungs-Funken ist, andererseits erst glaubwürdig wird, wenn man an den Früchten erkennen kann.
Menschen aus einer "Betonisierung" heraus zu bringen, ist ein schwieriges Unterfangen. In Deiner Zuschreibung von "Betonisierung" scheinst Du aber auch recht großzügigig zu. sein Das hat Savonlinna vielleicht gemeint.

Und schon sind wir wieder bei der Kenntnis der Positionen und der korrekten Zuschreibung derselben.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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