Alles Teufelszeug?

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Savonlinna
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#491 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Savonlinna » So 14. Feb 2016, 18:08

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Ähm, - nein. Mir ist keine Wissenschaftstheorie bekannt, in der es erlaubt wäre, übersinnliche, wahrheitsgarantierende Erkenntnisquellen zu setzen, um mit diesen die eigenen Ergebnisse und Einsichten zu begründen.
Das ist auch nicht der Ansatz - der Ansatz ist: Auch Nicht-Falsifizierbares kann methodisch so bearbeitet werden, dass man von "Wissenschaft" sprechen kann.
Das stimmt.
Sonst könnte es auch keine wissenschaftliche Märchen-Forschung geben, und diese gibt es seit langem.

Novas
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#492 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Novas » So 14. Feb 2016, 19:07

Savonlinna hat geschrieben:Dein Begriffsfetischismus lässt Dich glauben, dass es nur einen Gott gibt, nämlich Deinen. Aber schon Novalis hat einen anderen, Tillich hat einen anderen, Meister Eckhart hat einen anderen, Drewermann hat einen anderen

Ich glaube an die Einheit Gottes ;) allerdings glaube ich auch an die Einheit der Menschheit und die Einheit aller geoffenbarten Religionen, die zusammen auf eine göttliche Religion verweisen. Sie sind Zweige am Baum der einen Offenbarung, die wir mythologisch mit „ADAM“ beginnen lassen können, der sozusagen der erste Prophet war.
Für mich ist dieses Offenbarungsgeschehen real. Deswegen bin ich auch der Ansicht, dass im Laufe der Zeit zu allen Völkern und Kulturen weitere Propheten und Offenbarer geschickt wurden: das Ergebnis sind die Weltreligionen.

Beispielsweise im Koran (40:78) können wir folgendes lesen:

Wir haben doch schon vor dir Gesandte (zu den Menschen) geschickt. Über einige von ihnen haben wir dir (eigens) berichtet, über andere nicht.

Für mich ist Religion in diesem Sinne ein entwicklungsoffener Prozess, der die ganze Menschheit einbezieht. Schon allein deshalb darf es unterschiedliche Gottesbilder/Begriffe geben; warum sollte man sich deswegen bekriegen? Die Funken der Wahrheit sprühen, wenn verschiedene Sichtweisen aufeinander prallen. Das ist für alle Beteiligten ein Lernprozess.

Der Geist weht, wo er will“ (Joh 3,8) - aber meiner Erfahrung nach vorallem dort, wo Menschen einander wahrhaftig begegnen. Da scheint es dem Geist am meisten Spaß zu machen. „Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.....
Zuletzt geändert von Novas am So 14. Feb 2016, 19:20, insgesamt 1-mal geändert.

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Thaddäus
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#493 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Thaddäus » So 14. Feb 2016, 19:16

Savonlinna hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Ähm, - nein. Mir ist keine Wissenschaftstheorie bekannt, in der es erlaubt wäre, übersinnliche, wahrheitsgarantierende Erkenntnisquellen zu setzen, um mit diesen die eigenen Ergebnisse und Einsichten zu begründen.
Das ist auch nicht der Ansatz - der Ansatz ist: Auch Nicht-Falsifizierbares kann methodisch so bearbeitet werden, dass man von "Wissenschaft" sprechen kann.
Das stimmt.
Sonst könnte es auch keine wissenschaftliche Märchen-Forschung geben, und diese gibt es seit langem.
Ihr versteht das nicht richtig.
Es ist nicht der Gegenstand der Untersuchung, der das Problem darstellt. Wissenschaftlich untersuchen kann man praktisch alles, ob Märchen, paranormale Phänomene, die Götterwelt des antiken Ägyptens oder den trinitarischen Gott. Die Gottesbeweise in der Philosophie gelten ja nicht etwa als unwissenschaftlich. Innerhalb der wissenschaftlichen Methodiken der Philosophie kann man auch Gottesbeweise erstellen und philosophisch-wissenschaftlich analysieren. Gödels ontologischer Gottesbeweis ist nicht unwissenschaftlich.

Was wissenschaftlich nicht erlaubt ist und auch nicht erlaubt sein darf, ist die Bezugnahme auf übersinnliche, wahrheitsgarantierende subjektive Erkenntnisquellen, die einfach als wahrheitsgarantierend gesetzt werden und die intersubjektiv darum nicht als notwendig oder gar zwingend vermittelt werden können. Wissenschaftliche Methoden und auch die Einzelmethoden der HKM können intersubjektiv als einleuchtend und damit berechtigt begründet werden. Eine kanonische Exegese aber nicht, ja sie stellt sogar eine wissenschaftlich streng verbotene petitio principii dar, einen Zirkelschluss, bei dem vorausgesetzt wird, was man erst herausfinden will, nämlich dass die Tradition der katholischen Kirche z.B. tatsächlich das widerspiegelt, was in der Bibel an theologischen Aussagen oder an Selbstverständnis Jesu wirklich vorliegt (Beispiel: Naherwartung Jesu).
Und hier klaffen historische Wirklichkeit, soweit sie von der HKM für den historischen Jesus rekonstruierbar ist, und das heutige Verständnis der Kirchen himmelweit auseinander.

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#494 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Novas » So 14. Feb 2016, 19:29

Savonlinna hat geschrieben:"Geistige Welten" sind genauso natürlich für den Menschen wie die naturalistische Welt. Du bist doch ein starker Träumer, hast Du mal irgendwo geschrieben.
Diese Traumwelt ist ja schon eine geistige Welt. Sie hat ihre eigene Sprache, man darf sie nicht wörtlich nehmen, und sie hat eine bestimmte Funktion.

Manche haben auch "Tagträume". Mir selber scheint, dass wir diese Tagträume im Wachzustand durchgehend haben, nur nicht auf sie achten.
Das heißt, wir registrieren alle Dinge und alles Geschehen mindestens doppelt. Einmal äußerlich und einmal innerlich, und beides gleichzeitig.

Unsere Kultur ist sehr extravertiert, darum werden wir so erzogen, dass wir mehr auf die äußere Wahrnehmung achten. Die innere Wahrnehmung ist nicht so geschult.
In anderen Kulturen ist das umgekehrt.

Es gibt aber auch in unserer Kultur introvertierte Menschen, bei denen mehr die innere Wahrnehmung dominiert.

Die sind oft miserabel in der Schule, trotz großer Begabung - eben weil unsere Kultur auf extravertierte Menschen ausgerichtet ist.
Sie wissen oft gar nicht, warum sie in Deutsch so miese Aufsätze schreiben.
Macht man ihnen aber bewusst, dass sie mehr "innerlich" leben und sie erst lernen müssen, auch die Regeln der äußeren Wahrnehmung zu schulen, werden sie zunehmend besser in Deutsch-Aufsätzen.
Sie können dann sogar SEHR gut werden, weil sie sich in beiden Welten auskennen: der inneren (geistigen) und der äußeren (materiellen).


Sehr gut. So sehe ich das auch :thumbup:
Zuletzt geändert von Novas am So 14. Feb 2016, 19:33, insgesamt 1-mal geändert.

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Thaddäus
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#495 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Thaddäus » So 14. Feb 2016, 19:31

Savonlinna hat geschrieben: Ich hoffe, Du gibst mir noch den Link, Thaddäus, auf den Du Dich beziehst, wenn Du über Ratzinger sprichst.
Ich kenne Ratzinger in Deinen Worten so gar nicht wieder, bin aber natürlich bereit, mich zu korrigieren.
Ich brauche aber Original-Texte, die ich dann untersuchen kann. Ich selber habe kürzlich das Vorwort zu seinem Jesus-Band 1 mehrmals durchgelesen.
Ich beziehe mich auf keinen Link, sondern auf Ratzingers Jesusbuch, welches ich - zu Besuch bei einem Freund hier in Deutschland - gefunden und in dem ich mehrere Tage aus Interesse hineingelesen habe. Nicht alles natürlich, aber einige Kapitel und Passagen. Ich selbst besitze das Buch nicht. Aber, was ich gelesen habe, hat mir ehrlich gesagt auch schon ausgereicht, um mir ein Bild machen zu können. Es ist, wie hier schon zitiert wurde: Ratzinger nimmt z.B. die komplette, nach heutigem Stand der historisch-kritischen Forschung frei erfundene Weihnachtsgeschichte als historische Wahrheit. Da schüttelt jeder halbwegs ernst zu nehmende Exeget nur noch mit dem Kopf, denn über die Frage der Historizität der Weihnachtsgeschichten bei Mt. und Lk. besteht exegetisch wirklich keinerlei Zweifel unter den Neutestamentlern. Die Weihnachtsgeschichten als historisches Faktum zu nehmen mit drei Weisen aus dem Morgenland, Engeln und Tieren und Krippe mit dem Jesuskind und nie stattgefunden habender Volkszählung, das offenbart eine Geisteshaltung, die alle wissenschaftlichen Fakten zu diesen Perikopen komplett ignoriert. Das ist lächerlich und wird von allen ernst zu nehmenden Neutestamentlern auch genau so beurteilt: als lächerlich.

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#496 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Novas » So 14. Feb 2016, 19:38

Wie könnte - eurer Meinung nach - eine Religion der Zukunft aussehen, die mit der Wissenschaft harmoniert? Das ist eine Frage, die mich persönlich sehr interessiert. Hier habe ich einen Thread eröffnet.

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Savonlinna
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#497 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Savonlinna » So 14. Feb 2016, 19:50

Novalis hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Dein Begriffsfetischismus lässt Dich glauben, dass es nur einen Gott gibt, nämlich Deinen. Aber schon Novalis hat einen anderen, Tillich hat einen anderen, Meister Eckhart hat einen anderen, Drewermann hat einen anderen
Ich glaube an die Einheit Gottes ;) allerdings glaube ich auch an die Einheit der Menschheit und die Einheit aller geoffenbarten Religionen, die zusammen auf eine göttliche Religion verweisen.

Mir ging es darum, dass closs meinte, dass eine wissenschaftliche Methode innrhalb der Theologie anders aussähe, wenn die Forscher wüssten, dass es Gott gibt, als wenn sie meinten, dass es Gott nicht gibt.

Abgesehen davon, dass closs schon wieder sich selber eine HKM ausdenkt, die in dieser Form gar nicht existiert, würde auch dieses von ihm vorgeschlagene Experiment darauf hinauslaufen, dass an den Gott von closs geglaubt werden müsste.

Wie sollte das zum Beispiel mit Dietrich Bonhoeffer harmonieren, der sagt: Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht?

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Thaddäus
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#498 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Thaddäus » So 14. Feb 2016, 19:51

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Sie ist Teil der wissenschaftlichen Theologie!
Natürlich und unbenommen. - Warum spiel man in der wissenschaftlichen Theologie nicht BEIDE Varianten durch:
Weil das die Wissenschaft überhaupt nicht zu interessieren hat!
Weder geht die Wissenschaft davon aus, dass Gott existiert, noch, dass er nicht existiert. Das ist überhaupt keine wissenschaftliche Frage und es stellt für die Anwendung der wissenschaftlichen Methoden auch keine vorausgesetzte Entscheidung dar!
Es ist für die Anwendung wissenschaftlicher Methoden - egal ob in den Natur- oder den Geisteswissenschaften -, ganz und gar unerheblich, ob Gott existiert oder nicht.
Was aber wissenschaftlich verboten ist - und ich wiederhole mich - ist die Bezugnahme auf exklusive (also nicht intersubjektiv zugängliche), übersinnliche und wahrheitsgarantierende Erkenntnisquellen. Ob das Gott ist, der hl. Geist, Engel, Tarot-Kartenlegung oder die Behauptung von jemand, er könne mit seinen Ahnen kommunizieren oder mit dem Geist des Univerums ist völlig gleichgültig. Solche subjektiven, übersinnlichen Erkenntnisquellen sind wissenschaftlich nicht zugelassen, weil sie der eine als relevant behauptet, der andere aber ihre Existenz abstreitet. Und damit sind sie wissenschaftlich unbrauchbar!

closs hat geschrieben: 1) Es gibt Gott NICHT - das ist der De-facto-Status in Deinem Ansatz. - Nicht, weil Du es postulierst, sondern weil es durch Deine Methodik a priori postuliert wird.
Nein, das ist nicht der de facto-Status meines Ansatzes. Der de-facto-Status meines Ansatzes ist, dass die Frage, ob Gott existiert oder nicht, wissenschaftlich gar keine Rolle spielt und auch nicht spielen darf!

closs hat geschrieben: 2) Es gibt Gott. - Welche Aussagen würde man interpretatorisch in der HKM machen, wenn man wüsste, dass es Gott gibt: Ich wette, es wären andere, als wenn man "ergebnisoffen" de facto Gott ausschließt (da er nicht falsifizierbar ist).
Es ist wissenschaftlich uninteressant, ob Gott falsifizierbar ist oder nicht. Gott spielt grundsätzlich keine Rolle in den Wissenschaften: es interessiert die Wissenschaft nicht, ob er existiert oder nicht. Es interessiert sie auch nicht, ob das göttliche Spaghetti-Monster, Engel, Dämonen, irgendwelche transnaturalen Kräfte, bestimmte Planentenkonstellationen, aus denen angeblich Horoskope erstellt werden können existieren oder nicht ...

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#499 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Savonlinna » So 14. Feb 2016, 20:06

Thaddäus hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Das ist auch nicht der Ansatz - der Ansatz ist: Auch Nicht-Falsifizierbares kann methodisch so bearbeitet werden, dass man von "Wissenschaft" sprechen kann.
Das stimmt.
Sonst könnte es auch keine wissenschaftliche Märchen-Forschung geben, und diese gibt es seit langem.
Ihr versteht das nicht richtig.
Es ist nicht der Gegenstand der Untersuchung, der das Problem darstellt.

In dem Fall, auf den ich mich bezogen habe, ging es aber darum.
So hat closs es gesagt, und das habe ich als richtig bestätigt.

Thaddäus hat geschrieben:Was wissenschaftlich nicht erlaubt ist und auch nicht erlaubt sein darf, ist die Bezugnahme auf übersinnliche, wahrheitsgarantierende subjektive Erkenntnisquellen, die einfach als wahrheitsgarantierend gesetzt werden und die intersubjektiv darum nicht als notwendig oder gar zwingend vermittelt werden können.
In diesem Punkt hingegen gebe ich Dir ja vollkommen Recht, und wenn Du auch nur mal ansatzweise in meinen ellenlangen Disput mit closs reinlesen würdest, dann würdest Du sehen, dass ich dagegen schon seit Monaten oder noch länger andiskutiere.

Thaddäus hat geschrieben:Wissenschaftliche Methoden und auch die Einzelmethoden der HKM können intersubjektiv als einleuchtend und damit berechtigt begründet werden. Eine kanonische Exegese aber nicht,
Die kanonische Exegese selber natürlich nicht - sehr wohl aber kann die kanonische Exegese wissenschaftlich reflektiert werden.
Und das meinte closs in dem Fall, da bin ich ziemlich sicher.


Thaddäus hat geschrieben: Ich beziehe mich auf keinen Link, sondern auf Ratzingers Jesusbuch [...] Weihnachtsgeschichten [...]
Dankeschön. :)

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#500 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Novas » So 14. Feb 2016, 20:11

Thaddäus hat geschrieben:Es ist wissenschaftlich uninteressant, ob Gott falsifizierbar ist oder nicht. Gott spielt grundsätzlich keine Rolle in den Wissenschaften: es interessiert die Wissenschaft nicht, ob er existiert oder nicht

„Gott“ ist keine wissenschaftliche Kategorie, aber eine religiöse Kategorie. Ich habe kein Problem damit zwischen Wissenschaft und Religion zu differenzieren. Religiöse Fanatiker („wollt ihr die totale Religion?!!) und szientistische Fanatiker („wollt ihr die totale Wissenschaft?!!“) haben damit aber ein Problem, weil Totalitarismus offenbar eine Denkbehinderung ist. Sie führt konsequent in eine zunehmende Spirale der gegenseitigen Verdummung. :)
Zuletzt geändert von Novas am So 14. Feb 2016, 20:26, insgesamt 1-mal geändert.

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