Alles Teufelszeug?

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Savonlinna
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#471 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Savonlinna » So 14. Feb 2016, 15:46

Münek hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Viele Fantasiekonstrukte zeichnen sich durch nicht Falsifizierbarkeit aus. Erhöht das ihre Wahrscheinlichkeit?
Bei spirituellen Dingen ist es halt grundsätzlich so, weil der Gegenstand, um den es geht, nicht im falsifizierbaren Raum (= naturalistische Welt) ist. - Gibt es KEINE geistige Welt, sieht es für mich duster aus - gibt es sie, dann sieht es für die Naturalismus-Leute duster aus.

Das siehst Du falsch.

Es mag sein, dass es für Dich - wie Du einräumst - duster aussähe, gäbe es keine "geistige Welt".
Naturalisten sind da anders gestrickt. Würden sie erkennen, dass tatsächlich eine "geistige Welt"
existierte, würden sie erstaunt und erfreut festellen: "Ach, sowas Schönes gibt es auch."

So ist es. Das kannst Du mir glauben.

Man sollte für alles offen sein, auch für "geistige Welten" - man muss nur nicht jeden Blödsinn glauben.

Mir gefällt das, was Du in diesem post schreibst, Münek.

"Geistige Welten" sind genauso natürlich für den Menschen wie die naturalistische Welt.

Du bist doch ein starker Träumer, hast Du mal irgendwo geschrieben.
Diese Traumwelt ist ja schon eine geistige Welt. Sie hat ihre eigene Sprache, man darf sie nicht wörtlich nehmen, und sie hat eine bestimmte Funktion.

Manche haben auch "Tagträume". Mir selber scheint, dass wir diese Tagträume im Wachzustand durchgehend haben, nur nicht auf sie achten.
Das heißt, wir registrieren alle Dinge und alles Geschehen mindestens doppelt. Einmal äußerlich und einmal innerlich, und beides gleichzeitig.

Unsere Kultur ist sehr extravertiert, darum werden wir so erzogen, dass wir mehr auf die äußere Wahrnehmung achten. Die innere Wahrnehmung ist nicht so geschult.
In anderen Kulturen ist das umgekehrt.

Es gibt aber auch in unserer Kultur introvertierte Menschen, bei denen mehr die innere Wahrnehmung dominiert.

Die sind oft miserabel in der Schule, trotz großer Begabung - eben weil unsere Kultur auf extravertierte Menschen ausgerichtet ist.
Sie wissen oft gar nicht, warum sie in Deutsch so miese Aufsätze schreiben.
Macht man ihnen aber bewusst, dass sie mehr "innerlich" leben und sie erst lernen müssen, auch die Regeln der äußeren Wahrnehmung zu schulen, werden sie zunehmend besser in Deutsch-Aufsätzen.
Sie können dann sogar SEHR gut werden, weil sie sich in beiden Welten auskennen: der inneren (geistigen) und der äußeren (materiellen).

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#472 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » So 14. Feb 2016, 16:01

Savonlinna hat geschrieben: closs hinterfragt zu wenig, denkt nicht ausreichend in die Tiefe, bleibt bei Begriffen stehen.
Das kann man selbst nie ausschließen - andererseits scheitere ich hier regelmäßig daran, dass ich auf zu wenig In-die-Tiefe-Denken stoße.

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#473 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » So 14. Feb 2016, 16:05

Thaddäus hat geschrieben:Sie ist Teil der wissenschaftlichen Theologie!
Natürlich und unbenommen. - Warum spiel man in der wissenschaftlichen Theologie nicht BEIDE Varianten durch:
1) Es gibt Gott NICHT - das ist der De-facto-Status in Deinem Ansatz. - Nicht, weil Du es postulierst, sondern weil es durch Deine Methodik a priori postuliert wird.

2) Es gibt Gott. - Welche Aussagen würde man interpretatorisch in der HKM machen, wenn man wüsste, dass es Gott gibt: Ich wette, es wären andere, als wenn man "ergebnisoffen" de facto Gott ausschließt (da er nicht falsifizierbar ist).

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#474 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » So 14. Feb 2016, 16:08

sven23 hat geschrieben:Sie ist geeignet ein Glaubenskonstrukt zu "bestätigen", sie ist aber z. B. nicht geeignet, sich dem historischen Jesus anzunähern, der unter vielen Rezeptionsschichten freigelegt werden muß. Siehe Teißens Erklärung dazu.
Doch - das läuft quasi nebenher. - Kein kirchlicher Theologe wird sich historisch-kritisch sicheren Fakten (die auch WIRKLICH welche sind) entziehen. - Nur spielt das Historisch-Kritische keine so große Rolle, weil da eh nicht viel SICHERES zu holen ist - WENN man mit seiner Methodik selbstkritisch umgeht. - Begründung wurde gegeben.

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#475 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » So 14. Feb 2016, 16:13

sven23 hat geschrieben:Wenn überhaupt, dann geht es nur mit historisch-kritischer Methode und nicht mit kanonischer Exegese. Aber genau das will uns Ratzinger weismachen.
Ratzi wird das kleine historisch-kritische Segment nicht madig machen - ihm geht es nur schwerpunktmäßig um etwas anderes. - Glaub mir: In den historisch-kritischen Ansatz würde man in der Wirtschaft schon längst nicht mehr investieren, weil ein ROI (Return on Investment) in keinem Verhältnis zu den Investitionen steht.

Wenn es hier heisst, die HKM sei die einzige wissenschaftliche Methode zu sicheren Aussagen über Jesus, ist dies gleichbedeutend mit: Wir haben so gut wie nichts. - Wenn man weiter meint, nur die HKM sei in der Theologie wissenschaftlichen, dann spielt die Wissenschaft in der Theologie eine bedeutungsarme Randrolle. - Das ist der Preis, wenn man "Wissenschaft" so definieren möchte.

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#476 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » So 14. Feb 2016, 16:25

Thaddäus hat geschrieben:Ähm, - nein. Mir ist keine Wissenschaftstheorie bekannt, in der es erlaubt wäre, übersinnliche, wahrheitsgarantierende Erkenntnisquellen zu setzen, um mit diesen die eigenen Ergebnisse und Einsichten zu begründen.
Das ist auch nicht der Ansatz - der Ansatz ist: Auch Nicht-Falsifizierbares kann methodisch so bearbeitet werden, dass man von "Wissenschaft" sprechen kann.

Definiert man "Wissenschaft" so eng wie Du, kann Wissenschaft in der Theologie nur eine Statistenrolle spielen.

Thaddäus hat geschrieben:Jede Wissenschaft, die Wissenschaft bleiben will, muss sich von solchen willkürlich gesetzten, unfehlbaren und intersubjetiv nicht vermittelbaren Erkenntnisquellen streng distanzieren.
Dann ist der Preis, dass Wissenschaft de facto in der Theologie nichts zu suchen hat - das will nicht mal Ratzi. - Dir ist doch klar, dass die methodische Vorgabe, Nicht-Falsifizierbares nicht zu beachten, de facto einer Prämisse im Sinne von "Es gibt Gott NICHT" gleichkommt - bitte tu mir den Gefallen und zeige mir, dass Du auf diese Falle nicht reinfällst.

Thaddäus hat geschrieben:Nein, das ist kein Mantra, sondern es gehört zur Wesenbestimmung von Wissenschaft.
Du verabschiedest soeben die Wissenschaft als Instanz in der Theologie - da ist Ratzi viel gnädiger.

Thaddäus hat geschrieben:Und genau davon haben sich die Wissenschaften ab der Neuzeit emanzipieren können, wodurch sie überhaupt erst zu wirklichen Wissenschaften werden konnten.
Bei Naturwissenschaften ist dies ein Fortschritt - bei Geisteswissenschaften ein Rückschritt. - Denn diese Emanzipation läuft de facto auf einen Atheismus hinaus, der in den Naturwissenschaften u8nbedingt angebracht ist, nicht aber in der Theologie.

"Unsere Lehre von Gott geht davon aus, dass Gott als Nicht-Falsifizierbares bei unseren Forschungen keine Rolle spielen darf, weil wir uns davon emanzipiert haben". - Hä? :o

closs hat geschrieben:as den Ergebnissen der HKM eindeutig widerspricht (Beispiel: Naherwartung),
Nicht mal DAS stimmt. - Es ist historisch-kritisch mühelos begründbar, warum Jesus KEINE Naherwartung hatte. - Es ist eine reine Bewertungsfrage.

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#477 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » So 14. Feb 2016, 16:27

Münek hat geschrieben:Dass wissenschaftliche Exegese nicht zum Glauben führen soll, ist für Kurt anscheinend nicht nachvollziehbar.
Blödsinn. - Wissenschaftliche Exegese hatte noch missionarische Zwecke. :shock:

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#478 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Savonlinna » So 14. Feb 2016, 16:29

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Sie ist Teil der wissenschaftlichen Theologie!
Natürlich und unbenommen. - Warum spiel man in der wissenschaftlichen Theologie nicht BEIDE Varianten durch:
1) Es gibt Gott NICHT - das ist der De-facto-Status in Deinem Ansatz. - Nicht, weil Du es postulierst, sondern weil es durch Deine Methodik a priori postuliert wird.

2) Es gibt Gott. - Welche Aussagen würde man interpretatorisch in der HKM machen, wenn man wüsste, dass es Gott gibt: Ich wette, es wären andere, als wenn man "ergebnisoffen" de facto Gott ausschließt (da er nicht falsifizierbar ist).

Wie soll das denn gehen? Dein Begriffsfetischismus lässt Dich glauben, dass es nur einen Gott gibt, nämlich Deinen.
Aber schon Novalis hat einen anderen, Tillich hat einen anderen, Meister Eckhart hat einen anderen, Drewermann hat einen anderen.

Bereits die Wahl Deiner "beiden Varianten" will die anderen auf Deinen Gott festlegen.
Darum eben funktioniert das nicht, was Du oben vorschlägst.
Kein Theologe wird sich von Dir Deinen Gott vorschreiben lassen.

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#479 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » So 14. Feb 2016, 16:46

Thaddäus hat geschrieben:Ja, aber dann betreibe ich keine Wissenschaft
OK - wir lassen also zwei Parallel-Welten laufen: In der einen werden methodisch hinterlegte Modelle durchgespielt ("Was wäre Fakt, wenn unser Modell stimm?"- in der anderen geht es um eine substantielle Annäherung an das, was geistig abgeht. - Merkwürdeig genug.

Dann kommt man auf wissenschaftlicher Ebene zu verschiedenen "nachweisbaren" ERgebnissen im Sinne des jeweiligen Modells - ok. - Nur: Ich denke auch manchmal an das "Objekt" (in diesem Fall Jesus), den ich mir vorstelle, dass er sagt:
"Hey Leute, jetzt habt Ihr mir dieses, jenes und sonst noch was nachgewiesen - soll ich mich jetzt klonen, damit Ihr alle Recht habt? - Ihr Christologen wollt Euch durch das, was der Fall ist (und das bin zufällig ich), bestätigt sehen - Ihr HKM-ler auch - und sonstwer auch noch. - Was erwartet Ihr Ärsche eigentlich von mir? - Interessiert sich eigentlich jemand über methodisches Selbst-Fulfillment hinaus, wer ich WIRKLICH bin?"

closs hat geschrieben:Ja, aber dann betreibt Ratzinger eben keine theologische Wissenschaft mehr, sondern er spricht von seinem Glauben und was die Bibel/das NT für ihn existenziell bedeutet. Bei ihm leidet aber die wissenschaftliche Analyse, weil er manche ihrer Ergebnisse ausblendet, da sie seinen Glauben stören.
Deshalb versteht er doch seine kanonische Exegese nicht als Konkurrenz, sondern als on-top.

Stell Dir einen Autofabrikanten (HKM) vor, der einen sein Auto vor die Tür stellt. - An diesem Punkt sagt Razi: "Danke für den Schlüssel - Ihr könnt Autos bauen, aber nicht fahren - jetzt schließt sich mein Part (kanonische Exegese) an".

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#480 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » So 14. Feb 2016, 16:48

Münek hat geschrieben: Naturalisten sind da anders gestrickt. Würden sie erkennen, dass tatsächlich eine "geistige Welt" existierte, würden sie erstaunt und erfreut festellen: "Ach, sowas Schönes gibt es auch.".
Dies ist prinzipiell nicht möglich, weil es methodisch de facto a priori ausgeschlossen ist - das ist doch exakt das Problem.

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