Alles Teufelszeug?

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Münek
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#291 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Münek » Fr 12. Feb 2016, 14:11

Savonlinna hat geschrieben: Es gibt ja die Ansicht, dass im Alten Testament "Gottes Sohn" als Bezeichnung für jeden Menschen benutzt wird. Jeder Mensch sei ein Sohn Gottes.

Davon habe ich noch nie gehört. Wer vertritt eine solche Ansicht?

Könnte es sein, dass Du die Begriffe "Gottessohn" und "Menschensohn" verwechselst?

Salome23
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#292 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Salome23 » Fr 12. Feb 2016, 14:17

Münek hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Es gibt ja die Ansicht, dass im Alten Testament "Gottes Sohn" als Bezeichnung für jeden Menschen benutzt wird. Jeder Mensch sei ein Sohn Gottes.

Davon habe ich noch nie gehört. Wer vertritt eine solche Ansicht?

Könnte es sein, dass Du die Begriffe "Gottessohn" und "Menschensohn" verwechselst?

Vielleicht meint sie diese Aussage:
Psalm 82:6
Ich habe wohl gesagt: "Ihr seid Götter und allzumal Kinder des Höchsten";

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sven23
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#293 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von sven23 » Fr 12. Feb 2016, 14:37

Sohn Gottes war ein religiöser Ehrentitel, auch schon bei den alten Ägyptern und im Hellenismus.

"Der Ausdruck Sohn Gottes oder Gottessohn ist ein Ehrentitel in einigen Religionen. Im Judentum bezeichnet er das Volk Israel, Könige Israels und einzelne gerechte Israeliten. Im Christentum wird Jesus von Nazaret als einziger menschgewordener Sohn Gottes verkündigt, der schon vor der Erschaffung der Welt war (Joh 17,5 EU, 17,24 EU) und den Gott von Ewigkeit her zur Erlösung aller Menschen gesandt habe und der selbst Gott ist. Das Glaubensbekenntnis zu Jesus Christus als dem menschgewordenen Sohn Gottes wurde auf den christologischen Konzilien der frühen Kirche (Liste ökumenischer Konzilien) als Kernbestand christlichen Glaubens festgehalten."
Quelle: Wikipedia

Im Johannesevangelium wird Jesus explizit so genannt.

"Mord und Todschlag sind die Mittel des Gottes der Apokalypse, und sie richten sich auch
nun wieder, wie könnte es anders sein, gegen die Andersgläubigen, gegen die, die die
christliche Botschaft nicht angenommen haben. Aber sie richten sich auch schon gegen
Querdenker in den eigenen Reihen. So wird die Gemeinde in Thyatira getadelt, weil sie
die Prophetin Isebel gewähren lässt, die offenbar selbst Christin ist, aber eben nicht im
Sinne des Autors der Apokalypse. In einem Christuswort (!) droht er ihr:


So spricht der Sohn Gottes […] darum werfe ich sie auf das Krankenbett. Ihre Kinder werde ich töten, der Tod wird sie treffen, und alle Gemeinden werden erkennen, daß ich es bin, der Herz und Nieren prüft, und ich werde jedem von euch vergelten, wie es seine Taten verdienen." (Off 2,18;22–23)
Kubitza, Der Jesuswahn
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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Savonlinna
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#294 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Savonlinna » Fr 12. Feb 2016, 14:50

Münek hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Es gibt ja die Ansicht, dass im Alten Testament "Gottes Sohn" als Bezeichnung für jeden Menschen benutzt wird. Jeder Mensch sei ein Sohn Gottes.
Davon habe ich noch nie gehört. Wer vertritt eine solche Ansicht?

Zunächst hatte ich es von Usern jüdischen Glaubens gehört, die im Namen ihrer Religion das Christentum ablehnten.
Davon sind mir im Laufe der Zeit drei oder vier begegnet, alle drei oder vier in - verschiedenen - Religionsforen, die dem Christentum vorwarfen, den Begriff "Gottes Sohn" im Namen des Christentums verfälscht zu haben, denn er habe im Judentum eine andere Bedeutung, die von Jesus selber ebenfalls nur hat jüdisch verstanden werden können.

Ich habe eben versucht fündig zu werden, was da Sache ist.
Im Tanach, las ich bei Wikipedia, werden alle die als "Sohn Gottes" bezeichnet, die zum auserwählten Volk Israels gehören.
Es sind dort reale Menschen gemeint, die aber den Willen Gottes erfüllen.
"Sohn" sei da nicht wörtlich gemeint.
Wikipedia ist da nicht sonderlich erhellend, aber hier ist der Link:
https://de.wikipedia.org/wiki/Sohn_Gottes

Münek hat geschrieben:Könnte es sein, dass Du die Begriffe "Gottessohn" und "Menschensohn" verwechselst?
Nein. Der Begriff "Menschensohn" kommt im Alten Testament, denke ich, nicht vor.
Allerdings habe ich mir schon öfter überlegt, aber noch nicht nachgeforscht, ob der Begriff "Menschensohn" im Neuen Testament nicht auf die jüdische Vorstellung des "Gottessohnes" hinweist: ein Mensch ohne Falsch, nur den Willen Gottes erfüllend.

Obenerwähnte User jüdischen Glaubens verfochten die Ansicht, dass das ganze Neue Testament aus dem Judentum heraus erklärt werden könne und sich keine Extrawurst gebraten habe.
Diese Extrawurst hätten sich die Christen erst später gebraten.


Salome23 hat geschrieben: Vielleicht meint sie diese Aussage:
Psalm 82:6
Ich habe wohl gesagt: "Ihr seid Götter und allzumal Kinder des Höchsten";
Ein interessanter Hinweis. Danke, Salome.

ThomasM
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#295 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von ThomasM » Fr 12. Feb 2016, 14:52

Savonlinna hat geschrieben: Obenerwähnte User jüdischen Glaubens verfochten die Ansicht, dass das ganze Neue Testament aus dem Judentum heraus erklärt werden könne und sich keine Extrawurst gebraten habe.
Diese Extrawurst hätten sich die Christen erst später gebraten.
Auch ein schönes Beispiel, wie festgelegte exegetische Voraussetzungen das Ergebnis festlegen, das man bei der Exegese der Bibel bekommt.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

closs
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#296 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von closs » Fr 12. Feb 2016, 15:01

sven23 hat geschrieben:Sohn Gottes war ein religiöser Ehrentitel, auch schon bei den alten Ägyptern und im Hellenismus.
Ja - und? - Und was heisst das?

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Savonlinna
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#297 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Savonlinna » Fr 12. Feb 2016, 15:15

ThomasM hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Obenerwähnte User jüdischen Glaubens verfochten die Ansicht, dass das ganze Neue Testament aus dem Judentum heraus erklärt werden könne und sich keine Extrawurst gebraten habe.
Diese Extrawurst hätten sich die Christen erst später gebraten.
Auch ein schönes Beispiel, wie festgelegte exegetische Voraussetzungen das Ergebnis festlegen, das man bei der Exegese der Bibel bekommt.
Bei bibelwissenschaft.de habe ich vor ein paar Monaten gelesen, dass man heute wieder mehr dazu neige, Jesus als Jude zu verstehen, das Neue Testament also mehr aus dem Judentum heraus zu erklären.

Das zeigt in der Tat, dass die historisch-kritische Forschung zu ganz anderen Ergebnissen kommt, wenn sie mit unterschiedlichen "Augen" die neutestamentlichen Texte liest.

Das ist allerdings auch ein Beleg für die Sinnhaftigkeit der hermeneutischen Methode, unter der ich Folgendes verstehe:
Man klopft "die exegetischen Voraussetzungen" nicht betonhart fest, zieht sie nicht knallhart durch, sondern fasst sie als Hypothesen auf, die locker gefügt sind und nach Durchgang des Stoffes die exegetischen Voraussetzungen anpassen, veränderen.

Genau das ist die Methode der historisch-kritischen Forschung, deren Resultate sich also ständig ändern.
Neue Forscher sehen neue Zusammenhänge, neue Aspekte, und das verändert "die exegetischen Voraussetzungen" und damit die Ergebnisse.

Im Übrigen:
Es ist in der Oberstufe der Gymnasien üblich geworden, dass die Schüler, wenn sie im Fach Deutsch eine Analyse eines Gedichtes oder einer Erzählung zu schreiben haben, in der "Einleitung" eine Interpretationshypothese aufstellen müssen, die sie dann nach eingehender Analyse entweder bestätigen oder nicht bestätigen.

Das genau ist die hermeneutische Methode, die nun schon in der Schule gelernt wird und den hermeneutischen Zirkel bestätigt:
erst der sehr genaue Durchgang durch einen Text kann die Ausgangshypothese korrigieren - aber ohne Ausgangsshypothese wäre dieser genaue Durchgang nicht möglich.

So wird also schon im Gymnasium - und das erst neuerdings - auf die geisteswissenschaftliche Art der Analyse an den Universitäten vorbereitet.

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sven23
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#298 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von sven23 » Fr 12. Feb 2016, 15:57

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Sohn Gottes war ein religiöser Ehrentitel, auch schon bei den alten Ägyptern und im Hellenismus.
Ja - und? - Und was heisst das?
Das heißt wohl, daß Jesus als "gerechter Israelit" von seinen Anhängern wahrgenommen wurde. Wie Savonlinna richtigerweise darauf hinweist, muss Jesus zunächst mal aus der jüdischen Tradition heraus verstanden werden. Der christliche Jesus ist das Ergebnis heftiger Rezeptionsgeschichte und Legendenbildung.

"Die Legendenbildung über Jesus als den geglaubten Sohn Gottes steigerte sich bald
ins Absurde hinein. Bald waren Geschichten im Umlauf, in denen er schon als Kind
Steine in Brot verwandelt oder aus Lehm Spatzen formt, die er dann zum Leben erweckt.
Dies wurde langsam auch vielen Christen zu viel, bei allem Vertrauen in die
Wundertätigkeit ihres Meisters. Heidnische Schriftsteller des zweiten und dritten
Jahrhunderts fingen an, sich über die kruden und ins Kraut schießenden
Wundergeschichten lustig zu machen. Die frühe Kirche sah sich deshalb bald genötigt,
die Spreu der Fantasieevangelien vom vermeintlichen Weizen der verlässlichen
Evangelien zu trennen."

Kubitza, Der Jesuswahn
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Münek
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#299 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Münek » Fr 12. Feb 2016, 16:19

Savonlinna hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Könnte es sein, dass Du die Begriffe "Gottessohn" und "Menschensohn" verwechselst?
Nein. Der Begriff "Menschensohn" kommt im Alten Testament, denke ich, nicht vor.

Nee nee - der "Menschensohn" ist ein Ausdruck aus der Hebräischen Bibel.

Er bezeichnet dort zunächst einen Angehörigen der Gattung Mensch im
Sinne von "Jemand" oder "Einer", später einen bestimmten transzenden-
ten Heilsmittler der Endzeit
.

(Quelle: Wiki)

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Savonlinna
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#300 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Savonlinna » Fr 12. Feb 2016, 16:28

sven23 hat geschrieben:Wie Savonlinna richtigerweise darauf hinweist, muss Jesus zunächst mal aus der jüdischen Tradition heraus verstanden werden.
Das habe ich mit keinem Wort gesagt.

Ich habe angedeutet, wie Anhänger der jüdischen Religion das sehen und wie eine gewisse Tendenz in der heutigen Bibelforschung aussieht.
Von "müssen" sprach ich nicht.

Ich bin ein leidenschaftlicher Beobachter der "Rezeption".

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