Halman hat geschrieben:
Dagegen mag man einwenden, dass unser Unterbewusstsein bereits vor unserer bewussten "Entscheidung" unser Handeln bestimmt, doch wer so argumentiert, ist sich offenkundig nicht dessen bewusst, dass unser Bewusstsein die Möglichkeit hat, durch ein
„Veto“ den unbewussten Handlungsimpuls zu korrigieren, sofern sich der Mensch vor der Ausführung der beabsichtigten Handlung bewusst wird.
Es war Sigmund Freud, der herausfand, dass wir nicht
Herr im eigenen Haus sind und unser Verhalten sogar maßgeblich von unbewussten Faktoren abhängt, - und das lange vor Roth und Singer. Er war aber auch derjenige, der den Sinn von Psychotherapie darin sah, uns diese unbewussten Faktoren eben bewusst zu machen, damit wir uns besser verstehen lernen (und möglicherweise aus einem Verhaltensteufelskreis ausbrechen können).
Auch insofern also volle Zustimmung zu dem, was du schreibst.
Es gibt zum Aspekt der vermeintlichen Determinertheit unsere Verhaltes auch ein interessantes Gedankenexperiment, welches auf eine infinite Entscheidungsrekursion hinausläuft:
Man nehme an, unser Verhalten sei tatsächlich vollständig (physikalisch und neurologisch und biologistisch etc.) determiniert und wenn man alle relevanten Daten von einer Person hat, kann man vorausberechnen, was er als Nächstes tun wird. Wir stellen uns vor, wir sitzen mit einem Forscher am Tisch. Er hat alle relevanten Daten von uns, an unserem Kopf sind Elektroden angebracht, die unsere Hirnströme messen usw. Vor uns liegt ein Apfel und es geht um die Frage, ob ich als Nächstes den Apfel esse oder nicht (ich bin aufgefordert innerhalb von -sagen wir 30sec. - entweder den Apfel zu nehmen und zu essen oder nicht). Im Idealfalle kann der Forscher uns gegenüber mit dem Laptopp vor sich auf "Enter" drücken und sein Programm rechnet aus, was ich gleich tun werde.
Der Forscher kann uns also sagen:
"So, ich sehe jetzt hier, was sie als Nächstes tun." (Apfel nehmen und essen; nichts tun, Apfel zwar nehmen, aber nicht essen)
Interessanterweise darf er uns aber nicht sagen, was wir als Nächstes tun werden, weil sonst ein infiniter Regress entsteht. Sagt er uns nämlich, was wir gleich tun werden, bedeutet das eine neue Information für mich und ich kann jederzeit das Gegenteil des Vorhergesagten tun (und sei es nur, weil ich den Forscher ärgern will). Gelangt unsere Umentscheidung z.B. über die Elektroden an unserem Kopf wiederum in sein System, zeigt sein Programm plötzlich ein neues Ergebnis an. Informiert er uns über das neue Ergebnis, können wir uns wieder umentscheiden ... ad infintum.
Selbst, wenn es also möglich wäre, das Verhalten eines Menschen präzise vorherzusagen, funktioniert das nur, wenn diese Information nicht weitergegeben wird. Welchen Sinn hätte es aber, von jemanden zu wissen, wie er sich verhält und er verhält sich auch so, aber nur, wenn man ihm diese Information vorenthält?
Halman hat geschrieben:
Unser Wille ist dann frei, wenn dass, was wir als Willen bezeichnen, frei ist, zu wollen. Ob dieses Wollen physikalisch determiniert ist, spielt m. E. für den Freiheitsbegriff keine Rolle. Es geht nicht um die Frage, ob ich etwas anders wollen könnte, sondern darum, ob der Wille frei von Zwängen ist.
Das ist eine berühmte Defintion der Freiheit, ich glaube von Schophenhauer. Freiheit ist das "Wollen-Können". Ich erinnere mich, einen Einwand hiergegen von Markus Gabriel gelesen zu haben, kann mich aber dummerweise nicht mehr erinnern, was sein Einwand war.
