Thaddäus hat geschrieben:Wenn du diese pdf öffnest, darfst du einen sehr guten Artikel über Hegels "spekulativen Karfreitag" lesen, in dem steht, warum das gläubige Gefühl, dass Gott tot ist - seit dem Nihilismus der Aufklärung, am Ende doch wichtig ist für die Selbstbewussterkenntis des Weltgeistes.
Moment - nach meinem Verständnis wird dort gesagt, dass am Karfreitag eine Wende stattfindet, aus der "die höchste Totalität …
auferstehen kann und muß".
Meinst Du, dass bei Hegel "Weltgeist" als Wiederauferstehung der höchsten Totalität zu verstehen ist? (Kann ja sein - dann würde ich ihm wiedersprechen). - Ansonsten hat Hegel sehr gut das christliche Motiv des "Mein Gott, warum hast Du mich verlassen" getroffen. - Da gibt es bei Hegel so viele Parallelen zum Christentum, dass dies aus meiner Sicht kein Zufall sein kann.
Im übrigen sind wir gar nicht weit weg vom Thread-Titel "Sündenfall" - denn auch da entscheidet sich, was der Mensch als auferstehungs-würdig versteht - "Gott ist tot - lass uns den materialistischen Rationalismus auferstehen" (Existenzialismus: "Erfinde Dich selbst").
Zu Hegel eine reine Verständnisfrage, die Du vielleicht beantworten kannst:
Wenn man "Weltgeist" als letztes Ziel im Sinne einer Realisierung der Vernunft in der Geschichte versteht (also inner-weltlich interpretiert): Welchen Grund hätte dann Hegel, das Christentum mit Mitteln der Vernunft zu erklären UND Religion als höchste Form der Erkenntnis (so oder so ähnlich sagt er es) zu verstehen? - Christentum ist nun nicht gerade charakterisiert durch eine innerweltliche Weltgeist-Realisierung.
Thaddäus hat geschrieben: Auf S.123 findest du Hegels Aussage, das Gott als tot empfunden wird in einem Textabsatz
Ich hab's gelesen und spontan den Eindruck gehabt, dass Gott am Karfreitag sterben muss, um aus diesem Tod als "höchste Totalität …wieder aufzuerstehen". - Ich sehe hier den Kontext mit Hegels Kritik an der "Absolutisierung des Endlichen und der formellen Reflexion", deren Gott sterben muss, um als Gott jenseits der "Absolutisierung des Endlichen und der formellen Reflexion" als davon Gereinigtes als reine "Totalität" aufzuerstehen. - Irgendwie erinnert mich Karfreitag an das Zweite Feuer der Apokalypse.
So - das ist jetzt wirklich nur ein erster Reflex, den ich bei der Lektüre Deines interessanten Links spontan hatte. - Rein geistig aus meinem "Sediment" und ohne Anspruch auf irgendeine Methodik-Schule.
Hast Du Svens Beitrag gelesen? - Das war das erste vernünftige Kubitza-Zitat, indem K. über Hegel geschrieben hat und ihn (Savonlinna hat mich darauf hingewiesen) nicht wörtlich, sondern in indirekter Rede zitiert hat (ich vergesse solche Details schnell).
Thaddäus hat geschrieben: Hegel schreibt bis zur fast völligen Unverständlichkeit kompliziert. Es kann ein ganzes Leben füllen, Hegel zu studieren.
Ich finde es gut, dass Du Hegel ernst nimmst. - Nein, ich bin kein Hegel-Kenner - das sollte man nur ein paar Handvoll echten Spezialisten zugestehen, die sich jahrelang damit beschäftigt habe.
Mir fällt nur eines auf: Jedesmal, wenn Hegel sein Klappe aufmacht, ist was dabei, bei dem ich sagen kann: "Mann - der sagt ja dasselbe wie, nur weniger schlampig". - Nebenbei: Hegel ist bei der RKK (oder war bisher) extrem unbeliebt - was ich ÜBERHAUPT nicht verstehe. - Ohne Hegel hätte ich die Bibel nicht so weit verstehen können, wie ich sie verstehen darf.
Thaddäus hat geschrieben:al wie verkopft-schwulstig die Begründung für die 3 ausfällt. Es ist einfach falsch.
Korrekt.
Thaddäus hat geschrieben:Der ganze Gedankengang ist theologisch und moralisch geradezu pervers.
Da musst Du vielleicht noch mal nachdenken - ich finde diesen Gedanken extrem folgerichtig - natürlich muss man einbeziehen, dass das ganze einen Sinn hat: Nämlich das Potential des Eigen-Bewusstseins zu aktivieren, das Gott erst erkennen kann - was Gott will. - Hegel sagt das übrigens auch so gut wie wörtlich - und er spricht mir aus dem Herzen.
Thaddäus hat geschrieben:Analysiert man solche Erklärungen wie deine mit gesundem philosophischen Menschenverstand, kommt dabei ein abstruses Rechtfertigungsgeschwurbel heraus von haarsträubenden hinkonstruierten Spekulationsphantasmen.
Dann hast Du Deinen intellektuellen/geistigen Karfreitag noch nicht gehabt. - Wenn man diesen nicht gehabt hat, ist Kubitza auf einer Seite, die ihm viel Beifall bringen kann.
Um diesen Gedanken weiter zu denken: Möglicherweise ist die heutige Philosophie (in alle ihren unterschiedlichen Facetten) so angelegt, dass für sie der Karfreitag etwas ist wie für Materie die Lichtgeschwindigkeit - nicht erreichbar. - Du hast mich gerade auf diesen Gedanken gebracht - was meinst Du dazu, wenn Du alle Deine gelernten Gedanken-SYSTEME verlässt und einmal vollkommen frei denkst?
Thaddäus hat geschrieben:Das bedeutet, der Mensch versündigt sich unweigerlich aufgrund einer Eigenschaft, die Gott ihm verleiht. Das aber bedeutet, Gott begeht diese Sünde.
Gott kann nicht sündigen, wenn "Sünde" nüchternst definiert ist als "Nicht-Orientierung an Gott".
Gott verleiht dem Menschen (im Gegensatz zur Giraffe) ein Potential, "Cogito" sagen zu können. - Das an sich ist keine Sünde, zumal dieses "Cogito" der Schlüssel zurück zum "Baum des Lebens" ist. - "Sünde" ist, dass das "Cogito" dem Menschen unweigerlich eine Nicht-Orientierung an Gott ermöglicht. - "Sünde" ist nichts Schlimmes, sondern etwas Wesens-Natürliches des Menschen.
Thaddäus hat geschrieben:Ich kenne keinen einzigen Philosophen (außer Spaemann und seine Schüler), die so einem Zeug beipflichten.
Auch hier - vergiss mal einen Moment den üblichen philosophischen Gang und denke frei und geistig nach. - Das Mindeste: Diese Interpretation ist in sich schlüssig - dass sie für mich auch glasklar ist (mir erscheint damit subjektiv der Weg von "Sündenfall" bis Apokalypse ohne Stoöpersteine vollkommen logisch), ist unwichtig, könnte Dir allenfalls ein Mini-Indiz sein, dass es kein rein künstliches Produkt ist.
Thaddäus hat geschrieben:Aus genau diesem Grund werden katholische Philosophen in der akademischen Wissenschaftsgemeinde der Philosophen konsequent ignoriert. Ihnen ist einfach nicht zu helfen.
Siehe Karfreitag. - Das sind gegenseitige Abgrenzungen - würde die gängige Philosophie solche Gedanken zu den ihren machen, könnte sie mit ihren/vielen Modellen dicht machen.