Essenz ist ein philosophischer Fachterminus, den man keine neue eigene Bedeutung verleihen sollte (es sei denn man hat dafür trifftige philosophische Gründe). Ich weise darauf hin, weil du Janina fragst, ob Essenz für sie eine Wahrnehmungs-Größe sei, was auf eine eigentümliche Verwendung des Begriffs bei dir schließen lässt. Zudem ist das eine suggestive Frage, denn du willst vermutlich darauf hinaus, dass Essenz eben keine oder nicht nur eine Wahrnehmungsgröße ist, sondern (auch) eine geistige Entität.closs hat geschrieben:Prinzipiell richtig. - Trotzdem eine Verständnisfrage: Definierst Du "Essenz" als reine Wahrnehmungs-Größe?Janina hat geschrieben:Warum soll sich die Essenz und die Gesamtheit aller Entitäten gegenseitig ausschließen?
Stark verkürzt ist die Essenz einer Sache seine Washeit (quidditas), was eine Sache also ist bzw. was eine Sache zu eben genau dieser Sache macht. Es ist also die Antwort auf die Frage: Was ist diese Sache?
Die Essenz eines Tisches z.B. besteht also nicht darin, aus was er besteht (das Material) und welche genaue Form oder Farbe er hat (das sind sekundäre Eigenschaften, in klassischer Terminologie so genannte Akzidentien). Ein Tisch wird zum Tisch durch ganz bestimmte Eigenschaften, die man ihm nicht absprechen kann, ohne das er aufhört ein Tisch zu sein. Also Eigenschaften wie: man kann auf ihm etwas abstellen; man kann sich an einen Tisch setzen (oder stellen, wenn es ein sehr hoher Tisch ist); man kann an ihm arbeiten, essen oder Karten spielen etc.
So wird klar, dass auch ein Baumstumpf ein Tisch sein kann, oder ein Stück niedriger Mauer oder eine umgedrehte Bananenkiste usw. Selbst ein Stuhl kann (zweckentfremdet) zum Tisch werden ohne dabei aufzuhören (auch) ein Stuhl zu sein. Ein Hammer oder Moleküle u.a. können freilich nicht zu einem Tisch werden usw. Die Essenz von etwas, sind also die wesentlichen (= die proprietären Eigenschaften im Unterschied zu den akkzidentiellen Eigenschaften) von etwas.
Da die Essenz von etwas lediglich seine proprietären, also wesentlichen Eigenschaften sind, muss sie aber keine eigenständige geistige Entität sein, also so etwas wie eine platonische Idee.
Die moderne Modallogik hat den alten Begriff der Essenz in gewisser Weise reaktiviert und zwar durch ihr Postulat, dass eine Aussage dann notwendig wahr ist, wenn sie in allen möglichen Welten wahr ist. Das heißt, wenn dass, worauf sich ein Name oder eine Aussage bezieht, in allen möglichen Welten dasselbe ist, dann kann man von notwendiger Wahrheit sprechen.
Jean Paul Sartre hat in einer bewusst widersprüchlichen Formulierung gesagt: die Essenz des Menschen besteht darin, dass er keine Essenz hat: dass er also keine exakt bestimmbare Natur hat, die aus ihm einen Menschen macht, - denn der Mensch kann frei wählen, was er sein will. Seine Existenz, also das, was er real gerade ist (weil er real gerade das und das tut), geht seiner Essenz voraus.