Von einer Jungfrau geboren?

SilverBullet
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#281 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von SilverBullet » Sa 16. Jan 2016, 12:48

closs hat geschrieben:WENN der Mensch ein Geschöpf Gottes ist, ist damit begründet, dass Gott dies will, weil damit der Mensch ein Teil Gottes (in anderer Dimension) ist.
Wer einen Verdacht aufbaut und keine nachvollziehbare Lösungs-/Erklärungsmöglichkeit liefert, kann nicht behaupten, dass sein Verdacht zutreffend sein könnte.

Im Falle der Jungfrauengeburt und auch im Falle von „Gott“ und „seinen Handlungen“ besteht der Verdacht lediglich aus unvollständigen Rahmenvermutungen.
Aus menschlicher Wahrnehmungssicht liegt also aktuell keine Lösungsmöglichkeit vor.

Der Verdacht darf ruhig bestehen bleiben, aber von einem „könnte doch möglich sein“ kann nicht die Rede sein.
(Aus menschlicher Sicht, sind es menschliche Ideen, die nicht mit den bekannten Möglichkeiten umsetzbar sind.)

Falls zur Jungfrauengeburt, Funktionsbausteine zusammengetragen werden könnten, die für sich alleine bereits als möglich bekannt sind, dann könnte man ein Urteil bilden, ob auch die konkrete Situation aus einer Abfolge dieser Funktionsbausteine möglich wäre.

So wie es aussieht, benötigt man für die Jungfrauengeburt (und die anderen religiösen Behauptungen) aber einen Entwurf, der nicht über ein religiöses Bauchgefühl und eine (veraltete?) philosophische Extremabstrahierung hinausgeht.

Eine Beschäftigung mit dem Thema nach dem Motto „es könnte doch sein“ ist nicht sinnvoll.

closs hat geschrieben:Wenn ich meine bisherige Wahrnehmung als anthropozentristisch erkenne, kann ich die damit bisher automatisch verbundene Maßstäblichkeit menschlichen Maßes überwinden.
Ein Wahrnehmungssystem hat (soweit uns die Technik bekannt ist) immer Einschränkungen bzgl. der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten.
Eine sensorische Wahrnehmung deckt nur einen Teilausschnitt ab und kommt, egal wie detailliert sie arbeitet, niemals 1:1 an Existenz heran.

Wenn nun ein Wahrnehmungssystem seine Bauart beachtet und sich auf die daraus entstehenden Konsequenzen einlässt, dann ist dies zunächst ein vollständig sinnvoller Vorgang.

Wenn nun eines dieser Wahrnehmungssysteme die Idee entwickelt, dass doch mehr erreichbar sein könnte, dann ist dies nur ein Verdacht, der nach dem oben genannten Schema abgewickelt werden sollte.

Wenn nur das, von einer Suggestion ausgehende Bauchgefühl eines „Heineinfühlens in Richtung einer Nicht-XXXX-Welt“ geliefert werden kann, dann ist das viel zu wenig, um von „es könnte doch sein“ zu sprechen.

Der Vorwurf, dass eine Haltung, die sich nicht auf diesen Verdacht einlässt, „anthropozentristisch“ sei, ist dann selbstverständlich auch nicht angebracht.

Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund dass…
1.
…die experimentelle Bestätigung von Verdacht-Lösungsmöglichkeiten eine konkret funktionierende Verlagerung von den reinen Wahrnehmungsmöglichkeiten bedeutet (Naturwissenschaften, Technik). D.h. soweit es möglich ist, wird die eigene Wahrnehmung, das eigene Denken, nicht als Bestätigungsgrundlage verwendet -> nicht anthropozentristisch.
2.
…sich die behauptete „Überwindung“ rein innerhalb von Ideen des Wahrnehmungssystems bewegt, also letztlich nirgendwo eine tatsächliche Überwindung festgestellt werden kann.

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sven23
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#282 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von sven23 » Sa 16. Jan 2016, 12:58

SilverBullet hat geschrieben:
closs hat geschrieben:WENN der Mensch ein Geschöpf Gottes ist, ist damit begründet, dass Gott dies will, weil damit der Mensch ein Teil Gottes (in anderer Dimension) ist.
Wer einen Verdacht aufbaut und keine nachvollziehbare Lösungs-/Erklärungsmöglichkeit liefert, kann nicht behaupten, dass sein Verdacht zutreffend sein könnte.
Richtig, und closs merkt noch nicht mal, daß er ständig selbst gebastelten Zirkelschlüssen auf den Leim geht.
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#283 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von closs » Sa 16. Jan 2016, 13:21

sven23 hat geschrieben:Scheinbar aber nicht, wenn der Forscher "geistig" gepolt sein muß.
Man kann sehr wohl trennen zwischen wissenschaftlichen und geistigen Aussagen und dies kenntlich machen.

Will man sich strikt an wissenschaftlichen Aussagen halten, beschränkt man sich halt auf rein rechnische Aussagen - so einfach ist das.

sven23 hat geschrieben:Aber bitte schön nur, wenn sie das Glaubenskonstrukt nicht gefährden.
Wenn man diszipliniert bleibt, kann das gar nicht passieren.

sven23 hat geschrieben:Hegels Religionskritik schließt ja wohl das Christentum mit ein.
Natürlich - und seine Beobachtungen sind korrekt. - Aber immerhin scheinst Du zu erkennen, dass Hegel nicht innerhalb der Religion stand, als er seine Philosophie entwickelte - was ja hier im Thread so ein bißchen anklang.

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sven23
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#284 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von sven23 » Sa 16. Jan 2016, 13:30

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Scheinbar aber nicht, wenn der Forscher "geistig" gepolt sein muß.
Man kann sehr wohl trennen zwischen wissenschaftlichen und geistigen Aussagen und dies kenntlich machen.
NT-Forscher kennen sehr wohl das Glaubenskonstrukt, sie müssen aber nicht selbst dran glauben, um objektiv forschen zu können. Ich würde sogar sagen, daß die Glaubensbrille hier sogar hinderlich ist.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Aber bitte schön nur, wenn sie das Glaubenskonstrukt nicht gefährden.
Wenn man diszipliniert bleibt, kann das gar nicht passieren.
Das tut sie, wenn sie professionell arbeitet, und davon ist auszugehen. Wenn das, was sie an Erkenntnis bringt, von anderen als Gefährdung ihres Glaubens angesehen wird, hat das keinen Einfluß auf die Erkenntnisse selbst. Sie sind nun mal, wie sie sind, sehr schön zu sehen am Beispiel der Naherwartung.
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#285 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von closs » Sa 16. Jan 2016, 13:55

Savonlinna hat geschrieben:Daraus schließe ich: Deiner Meinung nach sei der Mensch mit seiner Wahrnehmungsmethodik dennoch grundsätzlich fähig, das Maß aller Dinge zu sein, muss es aber nicht notwendigerweise sein.
Eigentlich kann er es NICHT - aber unsere moderne Auffassung tut unreflektiert so, als ob. - Ich selbst bin strikt gegen diese Auffassung.

Savonlinna hat geschrieben:Hier bitte ich um die Formulierung des Kriteriums, nach dem Du beurteilst, wann die Wahrnehmungsmethodik eines Menschen das Maß der Dinge sein könnte, wann nicht.
Es gibt absolut gesehen dieses Kriterium nicht, weil das dahinter stehende Postulat (Mensch = Maßstab) falsch ist. - Es ist nur dann korrekt, wenn man auf ein selbst-gemachtes System kalibriert - dies ist methodisch von Belang, nicht aber ontologisch.

Savonlinna hat geschrieben:In wessen Namen entscheidest Du, dass mehr "De-Anthropozentrierung nicht nötig sei?"
Das ist meine These. - Demnach ist - vor dem Hintergrund, dass der Mensch immer vom Ich aus urteilt, also immer anthropozentrisch urteilt - die Einsicht nötig, dass dieses Ich nicht der absolute Maßstab, sondern nur ein operativer Maßstab sein kann. - Aus meiner Sicht ist nicht mehr nötig als das.

Savonlinna hat geschrieben:Wie kann also ein einzelner Mensch selber erkennen, ob seine Wahrnehmungsmethodik das Anthropologische überschreitet oder in ihm befangen bleibt?
Wenn man das zu Ende denkt, landet man wieder bei Descartes und seiner Aussage, dass das einzige sichere Wissen das "Cogito" ist. - Alles weitere danach hätte demnach provisorischen oder begrenzten System-Charakter.

"Wahrnehmungs-Methodik" ist ohnehin immer anthropologisch, weil es menschen-geschaffen ist. Natürlich werden jetzt kritische Rationalisten sagen, dass dem gerade NICHT so sei, wogegen einzuwenden wäre, dass - WENN man schon bis zum Ende denken will - der Kritische Rationalismus ja auch nicht die Frage beantworten kann, ob Wahrnehmung/Messung grundsätzlich Täuschung ist oder nicht. - So gesehen ist also auch der Kritische Rationalismus anthropozentrisch.

Die Aussage "Das Anthropozentrische ist nicht Maßstab des Seins" ist natürlich ebenfalls anthropozentrisch, macht aber erkennbar, dass das Anthropozentrische sich seiner Nicht-Maßstäblichkeit bewusst sein kann, also nicht Gefahr läuft, anthropozentristisch zu werden. - Man überschreitet damit das Anthropologische nicht, zeigt aber, dass man nicht in ihm geistig befangen ist.

Das ist ein arg verkniffeltes Thema - worauf willst Du eigentlich raus?

ICH will darauf raus, dass der (anthropozentrische) Mensch in der Lage sein kann, seinen Anthropozentrismus zu reflektieren und zum Ergebnis zu kommen, dass er absolut nicht maßstäblich sein muss, sondern etwas anderes. - Der Naturalist mag sagen, dieses könne "Natur" sein - der Christ mag sagen, dieses könne "Gott" sein. - Man kann also innerhalb des Anthropozentrismus reflektierend feststellen, dass es etwas anderes geben kann, als den Anthropozentrismus. - Einverstanden?

Savonlinna hat geschrieben:Könntest Du bitte einmal ganz präzise beschreiben, was Du mit "Wahrnehmung" meinst?
Alles, was der Mensch mit Sinnen oder emotional oder intellektuell oder geistig in sich aufzunehmen in der Lage ist.

Savonlinna hat geschrieben:Die Wahrnehmung bleibt also, wie ich schon im vorigen post sagte, genauso wie vorher: nur dass man jetzt dazusagt, dass sie nicht Maßstab sei.
Ja.

Savonlinna hat geschrieben:Also ist auch diese Deine Aussage nicht maßstäblich, sondern nur eine menschliche Sicht.
Richtig - wie es auch nur eine menschliche Sicht ist, dass man es als "real" ansieht, wenn man sich die Finger auf der Herdplatte verbrennt. - Jetzt sind wir wieder bei Descartes, der nur das "Cogito" als stabil ansieht - alles andere funktioniert nur dann, wenn man - wie er es sagt - einen "wohlwollenden Gott" setzt, der uns unsere Wahrnehmung nicht als Täuschung gegeben hat.

Savonlinna hat geschrieben:Aus Gottes Sicht könnte alles und jedes göttlich sein und die anthropologische Sicht gar nicht vorhanden sein.
Aus göttlicher Sicht JA. - Wobei dann einige weiterführende Fragen auf unserer anthropozentrischen Ebene zu klären wären.

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sven23
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#286 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von sven23 » Sa 16. Jan 2016, 14:22

closs hat geschrieben:Aus göttlicher Sicht JA. - Wobei dann einige weiterführende Fragen auf unserer anthropozentrischen Ebene zu klären wären.
Wer maßt sich an, etwas aus göttlicher Sicht beurteilen zu können? Da niemand weiß, was Gott sein soll, ist die Annahme einer göttlichen Sicht nur aus anthropozentrischer Sicht möglich.
Die Annahme, Gott habe sich offenbart, ist selbst wieder Ausdruck von Anthropozentrismus.

„Die Bibel ist nicht die Urkunde der Offenbarung Gottes selbst, sondern die Urkunde des Glaubens von Menschen an Gottes Offenbarung“.
(Heinz Zahrnt, dt. Theologe, 1915-2003)
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#287 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von SilverBullet » Sa 16. Jan 2016, 14:38

sven23 hat geschrieben:Die Annahme, Gott habe sich offenbart, ist selbst wieder Ausdruck von Anthropozentrismus.
Genau richtig.

Bei der behaupteten „Möglichkeit zur Überwindung“ handelt es sich lediglich um eine Selbsttäuschung.

Es mag durchaus die Bereitschaft vorhanden sein, die eigenen „Ideen und Wahrnehmungsfähigkeiten“ zurückzustellen, aber man interpretiert letztlich nur die eigenen inneren Vorgänge, d.h. der Mensch steht hierbei vollständig im Mittelpunkt.

Der Verdacht, dass es sich um ein „Gespür zu einer Nicht-XXXX-Welt“ handelt, ist leicht ausgesprochen, aber fundiert erklärt ist daran noch lange nichts, wodurch der Verdacht nicht ausreicht, um ein „es könnte doch sein“ zu rechtfertigen.

Wenn man dann noch bedenkt, dass zusätzlich eine Anfangssuggestion abläuft, wird der Verdacht regelrecht zu einem Risiko.

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#288 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von closs » Sa 16. Jan 2016, 17:00

SilverBullet hat geschrieben:Eine Beschäftigung mit dem Thema nach dem Motto „es könnte doch sein“ ist nicht sinnvoll.
Es geht nicht anders, weil jedes Denksystem seiner Setzungen bedarf. - Wollte man sich auf kritisch Rationalistisches beschränken, sollte man sich auf technische, oä. Fragen beschränken.

Geistiges Denken beruht darauf, dass es nicht aus sich selbst ist, sondern Ableger von etwas Höherem ist - dieses Denken ist außerordentlich gut begründbar. - Beweisbar ist es nicht, weil man "Höheres" nicht aus tieferer Sicht nachweisen kann.

SilverBullet hat geschrieben:…die experimentelle Bestätigung von Verdacht-Lösungsmöglichkeiten eine konkret funktionierende Verlagerung von den reinen Wahrnehmungsmöglichkeiten bedeutet (Naturwissenschaften, Technik). D.h. soweit es möglich ist, wird die eigene Wahrnehmung, das eigene Denken, nicht als Bestätigungsgrundlage verwendet -> nicht anthropozentristisch.
Insofern doch, dass auch in der Wissenschaft von der wissenschaftlichen Wahrnehmung des Menschen ausgegangen werden muss. - Wie gesagt: Wenn man zu Ende denkt, ist es nicht einmal beweisbar, dass die menschliche Wahrnehmung keine Täuschung ist.

SilverBullet hat geschrieben:…sich die behauptete „Überwindung“ rein innerhalb von Ideen des Wahrnehmungssystems bewegt, also letztlich nirgendwo eine tatsächliche Überwindung festgestellt werden kann.
Richtig - die eigene Existenz als Mensch kann man als Mensch nicht überwinden. - Man kann jedoch sehr wohl innerhalb der menschlichen Wahrnehmung die Vorstellung überwinden, die menschliche Wahrnehmung sei Maß der Dinge.

SilverBullet hat geschrieben: Wer einen Verdacht aufbaut und keine nachvollziehbare Lösungs-/Erklärungsmöglichkeit liefert, kann nicht behaupten, dass sein Verdacht zutreffend sein könnte.
Behaupten kann man es aufgrund geistig nachvollziehbarer Lösungs-/Erklärungsmöglichkeit - nachweisen kann man es NICHT im Sinne des Kritischen Rationalismus.

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#289 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von closs » Sa 16. Jan 2016, 17:11

sven23 hat geschrieben:NT-Forscher kennen sehr wohl das Glaubenskonstrukt, sie müssen aber nicht selbst dran glauben, um objektiv forschen zu können.
Wenn man linguistisch fragt, welche Bedeutung das Wort "logos" 200 v.Chr. oder 100. n. Chr. gehabt hat - oder wenn man naturwissenschaftlich mit C14 o.ä. untersucht, wie alt eine Evangelien-Quelle ist - oder wenn man historisch untersucht, wie 100 n.Chr. die Lebensumstände in Kleinasien waren: Dann hast Du vollkommen recht. - So ist EIGENTLICH historisch-kritische Forschung auch gemeint.

Wenn man dagegen in inhaltliche Diskussionen zur Person Jesu oder zur Substanz der Bibel etwas zu sagen hat, muss man
a) entweder den Geltungs-Bereich der HKM ausweiten und sich selber ebenfalls hinein ins Geistige ausweiten,
b) oder schweigen.

sven23 hat geschrieben:Wer maßt sich an, etwas aus göttlicher Sicht beurteilen zu können?
Das, was Gott von seinen Eigenschaften her aus geistigen Erwägungen des Menschen ist, lässt sich beschreiben. - Dementsprechend kann man diese Beschreibung gedanklich zur Perspektive machen, die man einnimmt.

sven23 hat geschrieben:Die Annahme, Gott habe sich offenbart, ist selbst wieder Ausdruck von Anthropozentrismus.
ALLES ist anthropozentrisch, wenn es vom Menschen kommt. - Es wird anthropozentristisch, wenn man seine Sicht zum Maßstab macht.

Diesbezüglich sagt das Christentum, man solle diesen Ismus aufgeben zugunsten einer Gott-Orientierung. Trotzdem ist der Mensch dann noch sein eigenes Zentrum - aber er macht es nicht mehr zum Maßstab. - Dies scheint bei manchen Philosophien heute anders zu sein.

SilverBullet hat geschrieben:Wenn man dann noch bedenkt, dass zusätzlich eine Anfangssuggestion abläuft, wird der Verdacht regelrecht zu einem Risiko.
Stimmt - es gehört der Mut dazu, sich über den Selbst-Bezug hinaus umzuschauen.

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#290 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von SilverBullet » Sa 16. Jan 2016, 18:02

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Hegels Religionskritik schließt ja wohl das Christentum mit ein.
Natürlich - und seine Beobachtungen sind korrekt. - Aber immerhin scheinst Du zu erkennen, dass Hegel nicht innerhalb der Religion stand, als er seine Philosophie entwickelte - was ja hier im Thread so ein bißchen anklang.
Ich denke du arbeitest lediglich an deiner Selbsttäuschung, wenn du denkst, dass Hegel „ausserhalb der Religion“ stand.

Ich habe gelesen, dass Hegel durchaus die Kirche kritisiert hat, aber die Religion, also die christliche Grundlage, hielt er für die „vollkommene Religion“.
Dazu ist er nicht erst sehr spät gekommen, sondern er ist von dort aus gestartet.

Hier ein Text über seinen Ausgangspunkt: siehe Wiki

Zitat-Wiki:

Georg Wilhelm Friedrich Hegel (seine Familie nannte ihn Wilhelm) wurde am 27. August 1770 in Stuttgart geboren und wuchs in einem pietistischen Elternhaus auf. Der Vater Georg Ludwig (1733–1799), geboren in Tübingen, war Rentkammersekretär in Stuttgart und entstammte einer Familie von Beamten und Pfarrern.
…
1788 nahm Hegel in Tübingen an der Eberhard Karls Universität das Studium der Evangelischen Theologie auf. Er wurde in das Tübinger Stift aufgenommen, wo die zukünftigen Theologen neben der wissenschaftlichen Ausbildung eine auch zu Hegels Zeit als bedrückend empfundene Erziehung erhielten.
Nach nur zwei Jahren erhielt Hegel im September 1790 den Grad eines Magisters der Philosophie, 1793 wurde ihm das theologische Lizenziat verliehen. Hegels Abschlussbescheinigung besagt, dass er gute Fähigkeiten und vielfältige Kenntnisse gehabt habe.
…
Ein anderer Faktor in seiner philosophischen Entwicklung kam aus seinem Studium des Christentums. Unter dem Einfluss von Gotthold Ephraim Lessing und Kant bemühte er sich, aus den Berichten des Neuen Testaments die wirkliche Bedeutung Christi zu analysieren und das spezifisch Neue des Christentums zu erfassen. Die Aufsätze, die er nur für sich selbst schrieb, wurden erst postum 1907 von dem Dilthey-Schüler Herman Nohl unter dem Titel ‚Hegels theologische Jugendschriften‘ veröffentlicht (und lösten damit ein erneuertes Interesse an Hegel aus).


Und hier eine explizite Aussage zu Hegel und Religion:


Die vielgestaltige Auseinandersetzung mit dem Thema Religion und besonders mit dem Christentum begleitet Hegels gesamtes philosophisches Denken. Die Aufgabe der ganzen Philosophie ist nach ihm keine andere als Gott zu begreifen: „der Gegenstand der Religion wie der Philosophie ist die ewige Wahrheit in ihrer Objektivität selbst, Gott und nichts als Gott und die Explikation Gottes“ (Rel I 28). Insofern ist für Hegel die ganze Philosophie selbst Theologie: „In der Philosophie, welche Theologie ist, ist es einzig nur darum zu tun, die Vernunft der Religion zu zeigen“ (Rel II 341).


Fazit:
Du täuschst dich gewaltig, wenn du denkst einen unabhängigen Weg zum Christentum gefunden zu haben und daraus eine Art Gewissheit ableiten zu können.

Du bist eher genau dem Weg gefolgt, den Hegel als „Zugang zum Christentum“ entworfen hat.

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