Wird die Philosophie unterschätzt?

Philosophisches zum Nachdenken
Pluto
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#111 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von Pluto » Di 29. Dez 2015, 21:05

closs hat geschrieben: Seit wann kann sich denn das Brot beim Bäcker beschweren"
Ist eine sehr schwache Analogie, oder hast du schon Brötchen bei der Brutpflege gesehen?
Außerdem setzt es voraus, dass es überhaupt einen Schöpfer gab, nicht wahr?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

SilverBullet
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#112 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von SilverBullet » Di 29. Dez 2015, 21:47

Ich staune ein wenig darüber, wie sich Menschen gegenüber dem, was sie unter „Gott“ glauben zu verstehen, positionieren.
Nachweislich hat keiner der „Aktiven“ auch nur den leisesten Hauch einer Ahnung, was „Gott“ sein soll. Trotzdem verhalten sich Anhänger und Gegner so, als hätten sie ein enormes Objektverständnis, so dass sie ihr „Fachwissen“, ihre „Erfahrung“ präsentieren können.

Ich habe schon einige Male bei Atheisten erlebt, wie sie „Gott“ abfällig beschimpft haben. Demgegenüber stehen Gläubige, die „ihn“ loben und „über alles erheben“ wollen.

Solange man keine Vorstellung hat, was „Gott“ sein soll, gibt es keine sinnvolle Haltung zur Existenzfrage und schon gleich gar keinen Anlass zu einem Verhalten – egal ob positiv oder negativ.

Wenn ich Aussagen höre oder lese, dann taucht dort zwar das Wort „Gott“ auf, aber ich persönlich erkenne nur eine menschliche, nur eine kulturabhängige Äusserung, mehr nicht. (Da ist dann sozusagen kein "Dritter" im Spiel)

Die Leistung, Inhalt zu liefern, erkenne ich bei solchen Aussagen durch die Bank, nicht.

„Ich setze mir doch keine rote Nase auf und mach verhaltenstechnisch den Affen – was würden denn da die Nachbarn denken“ :-)

Wir sind ein wenig von der Frage rund um die Philosophie abgeschweift, aber vielleicht gibt es eine Kurve dorthin zurück.

Ich kann mir vorstellen, dass es zu beiden Verhaltensrichtungen (positiv/negativ) viele „philosophische Erkenntnisse“ gibt (obwohl es die eigentlich nicht geben sollte - egal) und bestimmt gibt es auch zu der „ich kann mich nicht entscheiden“-Haltung (Agnostiker) tolle Ideen.

Aber was ist mit meiner Haltung: was ist mit der Haltung, die ich hier gerade beschreibe?
Motto: „bevor da kein Inhalt auftaucht, hat das mit mir nichts zu tun“

Gibt es dazu eine Philosophie, die das unterstützt und in die Öffentlichkeit trägt, oder sind es nur private Einzelpersonen, die anfangen zu denken und Konsequenzen aus ihrer nicht vorhandenen Vorstellung ziehen?

JackSparrow
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#113 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von JackSparrow » Di 29. Dez 2015, 22:50

SilverBullet hat geschrieben:Ich kann mir vorstellen, dass es zu beiden Verhaltensrichtungen (positiv/negativ) viele „philosophische Erkenntnisse“ gibt (obwohl es die eigentlich nicht geben sollte - egal) und bestimmt gibt es auch zu der „ich kann mich nicht entscheiden“-Haltung (Agnostiker) tolle Ideen.
Ein Agnostiker zu sein bedeutet, mit einer bestimmten Sache bisher keinerlei persönlichen Erfahrungen gemacht zu haben.

altgriechisch: a- = nicht; ginosko = ich erlange (von etwas) Kenntnis, ich erfahre (von etwas)
vgl. lateinisch: scire = wissen, kennen, verstehen
vgl. spanisch conocer = kennen, wissen

Somit sind auch alle Christen in Wirklichkeit Agnostiker, da sie sich zwar wünschen, Erfahrungen mit Göttern zu machen, dies jedoch bisher leider nicht in einem nachvollziehbarem Maße persönlich zu bewerkstelligen in der Lage waren. Amen.

closs
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#114 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von closs » Di 29. Dez 2015, 23:45

Thaddäus hat geschrieben:Du etwa auch?
Weder heute noch zukünftig. - Aber wer tut es heute?

Thaddäus hat geschrieben:Es geht um die moralische Verkommenheit eines perversen Gottes
Klingt nach Darth Vader - ich bin bei diesen modernen Religionen nicht so sehr bewandert.

Thaddäus hat geschrieben:Da muss eine Frau kommen, um ihre Verachtung einem unmenschlichen Gott entgegenzustellen.
Wer ist diese Amazone?

Thaddäus hat geschrieben:Ein lächerlicher Gott, wie der gerade von Hemul demonstiert
Hemul bezieht sich auf den christlichen Gott, den ich persönlich anders sehe - es gibt also auch innerchristlich ganz erhebliche Unterschiede. - Ich bin Allversöhner und meine dies sehr gut begründen zu können - aber diese Interpretation hat sich in der Heilsgeschichte noch nicht durchgesetzt.

Thaddäus hat geschrieben:Und ein Brot, das moralisch anständiger ist als sein Bäcker
Der Sinn dieses Bildes war ein anderer.

Pluto hat geschrieben:Ist eine sehr schwache Analogie
Eine aus der "Volxbibel", die mir eigentlich ganz gut gefällt.

Pluto hat geschrieben:Außerdem setzt es voraus, dass es überhaupt einen Schöpfer gab
Logisch - das haben Bibel-Übersetzer so an sich, dass sie davon ausgehen. ;)

SilverBullet hat geschrieben:Nachweislich hat keiner der „Aktiven“ auch nur den leisesten Hauch einer Ahnung, was „Gott“ sein soll.
Das ist ja wirklich albern. - Man kann Gott nicht "malen" oder physikalisch beschreiben - das geht bei ihm ja nicht. - Aber man kann ihn über geistig plausibel erscheinende Eigenschaften und über innere Beziehung orten.

SilverBullet hat geschrieben:ich persönlich erkenne nur eine menschliche, nur eine kulturabhängige Äusserung
Mehr geht ja nicht - der Mensch kann nur in seiner Sprache und in seiner Tradition sprechen.

SilverBullet hat geschrieben:Gibt es dazu eine Philosophie, die das unterstützt und in die Öffentlichkeit trägt, oder sind es nur private Einzelpersonen, die anfangen zu denken und Konsequenzen aus ihrer nicht vorhandenen Vorstellung ziehen?
Die ganze christliche Philosophie ist davon geprägt - für Dich wäre möglicherweise die Scholastik ein geeigneter Einstieg.

Übergeordnet glaube ich, das Hauptproblem aus heutiger Sicht im bedingungslosen Anthropozentrismus unserer Epoche zu erkennen - das heisst: Man kann nur mit etwas anfangen, das prinzipiell der menschlichen Wahrnehmung adäquat zugänglich ist. - Aus meiner Sicht ist dies nicht hinreichend, weil unsere 3- oder 4-D-Welt nicht notwendigerweise DER Maßstab schlechthin sein muss. - Man muss also geistig auch mit Dingen umgehen können, die "real" sind/sein können, aber vollkommen entkoppelt von unserer naturwissenschaftlichen Methodik sind, weil diese nur im bescheidenen Umkreis ihrer Scheinwerfer Licht ins Dunkle bringen kann.

Und da kommt das früher einmal hochgeschätzte und heute nur noch pejorativ verwendete Wort "Spekulation" ins Spiel, die treffenderweise nach wik definiert als
"zu Erkenntnissen zu gelangen, indem man über die herkömmliche empirische oder praktische Erfahrung hinausgeht und sich auf das Wesen der Dinge und ihre ersten Prinzipien richtet".
Dies geht nur philosophisch resp. geistig.

Aber auch hier gibt es Probleme, weil nach meiner bescheidenen Beobachtung auch die heutige Philosophie insofern anthropozentristisch ist, indem sie die Leistungsfähigkeit des menschlichen Gehirns zum Maßstab dafür zu nehmen scheint, was "real" zu sein hat und was nicht. - Mit diesem Ansatz kann man sich den ewigen Fragen der menschlichen Existenz nicht stellen - aber das scheint nicht zu stören.

Diaspora.

Hemul
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#115 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von Hemul » Mi 30. Dez 2015, 00:22

Thaddäus hat geschrieben: Ein lächerlicher Gott, wie der gerade von Hemul demonstierte ist es nicht einmal wert, dass man sich auch nur angwidert von ihm abwendet.
Und ein Brot, das moralisch anständiger ist als sein Bäcker, sollte den Bäcker in den Hintern treten ...
Da muss eine Frau kommen, um ihre Verachtung einem unmenschlichen Gott entgegenzustellen.
Das haben schon ganz andere Kaliber als Du vergeblich versucht:
http://www.heinrich-heine.net/belsad.htm

Belsazar
Text by Heinrich Heine (1797-1856)

Die Mitternacht zog näher schon;
In stiller Ruh' lag Babylon.

Nur oben in des Königs Schloß,
Da flackert's, da lärmt des Königs Troß.

Dort oben in dem Königssaal
Belsazar hielt sein Königsmahl.

Die Knechte saßen in schimmernden Reihn,
Und leerten die Becher mit funkelndem Wein.

Es klirrten die Becher, es jauchzten die Knecht';
So klang es dem störrigen Könige recht.

Des Königs Wangen leuchten Glut;
Im Wein erwuchs ihm kecker Mut.

Und blindlings reißt der Mut ihn fort;
Und er lästert die Gottheit mit sündigem Wort.

Und er brüstet sich frech, und lästert wild;
Die Knechtenschar ihm Beifall brüllt.

Der König rief mit stolzem Blick;
Der Diener eilt und kehrt zurück.

Er trug viel gülden Gerät auf dem Haupt;
Das war aus dem Tempel Jehovas geraubt.

Und der König ergriff mit frevler Hand
Einen heiligen Becher, gefüllt bis am Rand.

Und er leert ihn hastig bis auf den Grund,
Und rufet laut mit schäumendem Mund:







»Jehova! dir künd ich auf ewig Hohn -
Ich bin der König von Babylon!«







Doch kaum das grause Wort verklang,
Dem König ward's heimlich im Busen bang.

Das gellende Lachen verstummte zumal;
Es wurde leichenstill im Saal.

Und sieh! und sieh! an weißer Wand
Da kam's hervor wie Menschenhand;

Und schrieb, und schrieb an weißer Wand
Buchstaben von Feuer, und schrieb und schwand.

Der König stieren Blicks da saß,
Mit schlotternden Knien und totenblaß.

Die Knechtenschar saß kalt durchgraut,
Und saß gar still, gab keinen Laut.

Die Magier kamen, doch keiner verstand
Zu deuten die Flammenschrift an der Wand.

Belsazar ward aber in selbiger Nacht
Von seinen Knechten umgebracht.


Gottes Prophet Daniel hatte die Flammenschrift dem König gem. Daniel 5:27 wie folgt gedeutet:

27 Tekel - gewogen hat er dich auf seiner Waage und dich zu leicht gefunden.
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

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#116 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von Münek » Mi 30. Dez 2015, 03:07

sven23 hat geschrieben:
Hemul hat geschrieben: Du und Dein Oberguru Kubitza und das hiesige Tanzmariechen können bellen-wuffén-keiffen- oder einen Handstand machen und dabei jodeln -die Karawane zieht weiter.
Ja, das läßt sich bei Kamelen wohl nicht vermeiden.

:lol: :lol: :lol: Der war mal wieder gut, Sven! Mangelnde Schlagfertigkeit kann man Dir nicht nachsagen. :lol: :lol: :lol:

Solivagus
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#117 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von Solivagus » Mi 30. Dez 2015, 03:43

Hallo SilverBullet,

SilverBullet hat geschrieben:Ich staune ein wenig darüber, wie sich Menschen gegenüber dem, was sie unter „Gott“ glauben zu verstehen, positionieren.
Nachweislich hat keiner der „Aktiven“ auch nur den leisesten Hauch einer Ahnung, was „Gott“ sein soll. [...]

Solange man keine Vorstellung hat, was „Gott“ sein soll, gibt es keine sinnvolle Haltung zur Existenzfrage und schon gleich gar keinen Anlass zu einem Verhalten – egal ob positiv oder negativ. [...]

zum Glück hat Anselm von Canterbury bereits im Jahr 1077/78, mit seinem ontologischen Argument, die Gottesdefinition überhaupt formuliert.

Anselm beschreibt Gott als jenes Wesen, „worüber hinaus nichts Größeres (Vollkommeneres) gedacht werden kann“.

Damit ist bereits in Grundzügen das Wesen Gottes ausreichend beschrieben. Die Attribute die Gott nun zu Gott machen, müssen nun nichts weiter, als genau diese Kriterien, der maximalen Vollkommenheit (Größe), erfüllen. Da wären bspw. die Allmacht, das Allwissen, die absolute Gerechtigkeit und Güte Gottes zu nennen.

Aber eine Eigenschaft Gottes hat es ganz besonders in sich. Gott muss als Entität, „worüber hinaus nichts Größeres (Vollkommeneres) gedacht werden kann“, in seiner Existenz zwingend notwendig sein. Und diese Notwendigkeit Gottes führt uns direkt zum ontologischen Argument:

"Du kannst ganz unmöglich nicht sein, denn Du bist aus Dir selbst Notwendigsein."
(Duns Scotus, Tractatus de primo principio, 91, Übs. W. Kluxen)
The Ontological Argument (engl.)

Solivagus
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#118 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von Solivagus » Mi 30. Dez 2015, 04:32

Hallo Thaddäus und sven23,

beide schrammt ihr mit voller Fahrt...:

Thaddäus hat geschrieben:[...] Schon der hier implizit vorausgesetzte Gedanke, die Kinder von Verbrechern müssten zwangsläufig ebenfalls wieder Verbrecher werden, ist von einer so unreflektierten unglaublichen Naivität, dass man ihn getrost zu den Akten legen kann. [...]
sven23 hat geschrieben:Oh, je was für eine Moral und Ethik offenbart sich da.
Kleine Kinder dürfen getötet werden, weil aus ihnen mal Soldaten werden könnten. [...]

... an Hemuls Argument vorbei:

Hemul hat geschrieben:[...] Gott sah das voraus u. verhinderte es. Zum Glück für Noah seine Familie aber auch für uns heute.

Hemul argumentiert hier aus der Perspektive Gottes und nicht aus der Perspektive der Menschen. Für Gott ist die Zukunft ein offenes Buch, da ihm bereits die Wahrheitswerte aller kontrafaktischen Implikationen bekannt sind.

Daher wird euere Formulierung im Konjunktiv (der Möglichkeitsform) dem Argument von Hemul auch nicht gerecht. Gott handelt hier mit tatsächlich zukünftigen Wirklichkeiten, mit Indikativen.
"Du kannst ganz unmöglich nicht sein, denn Du bist aus Dir selbst Notwendigsein."
(Duns Scotus, Tractatus de primo principio, 91, Übs. W. Kluxen)
The Ontological Argument (engl.)

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#119 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von sven23 » Mi 30. Dez 2015, 07:22

Solivagus hat geschrieben:
Hemul argumentiert hier aus der Perspektive Gottes und nicht aus der Perspektive der Menschen. Für Gott ist die Zukunft ein offenes Buch, da ihm bereits die Wahrheitswerte aller kontrafaktischen Implikationen bekannt sind.

Daher wird euere Formulierung im Konjunktiv (der Möglichkeitsform) dem Argument von Hemul auch nicht gerecht. Gott handelt hier mit tatsächlich zukünftigen Wirklichkeiten, mit Indikativen.

Hi Solivagus

Ich denke, wir haben den Perspektivwechsel schon verstanden, den Hemul meinte. Nur sagte ich ihm ja bereits, daß sein Vergleich der Amalakiter mit der Sintflut nicht greift, denn wer soll glauben, daß die komplette Menschheit von Grönland bis Feuerland, von Amerika bis Japan komplett aus zukünftigen Verbrechern bestehen würde?
Gibt es tatsächlich heute Gläubige, die so etwa wörtlich nehmen und glauben?
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#120 Re: Wird die Philosophie unterschätzt?

Beitrag von Thaddäus » Mi 30. Dez 2015, 07:45

Solivagus hat geschrieben:Hallo Thaddäus und sven23,

beide schrammt ihr mit voller Fahrt...:
[...]
... an Hemuls Argument vorbei:

[...]
Hemul argumentiert hier aus der Perspektive Gottes und nicht aus der Perspektive der Menschen. Für Gott ist die Zukunft ein offenes Buch, da ihm bereits die Wahrheitswerte aller kontrafaktischen Implikationen bekannt sind.
Und du glaubst tatsächlich, Solivagus, es macht die Sache von einem moralischen Standpunkt besser, wenn Hemul aus der Sicht Gottes!
( :shock: !, was per Def. eines unendlichen Gottes für jedes endliche Wesen grundsätzlich unmöglich ist) argumentiert, um (s)einen Völkermord zu rechtfertigen?
[Ich antworte dir übrigens noch auf deine Frage zum Unterschied zwischen absoluten und relativen Nichts, sobald ich dazu komme.]

Es ist moralisch ganz und gar unerheblich, ob Gott als allwissendes Wesen Völker mordet, weil er die zukünftige Geschichte überblickt und mit seinem Völkermord vermeintlich "Schlimmeres" verhindern will.
(Als allmächtigen Gott hätte es übrigens für ihn sicherlich auch die Möglichkeit gegeben, das Volk der Amalekiter z.B. einen weiten Bogen um die Israeliten machen zu lassen o.ä.)

In jedem Falle behandelt er mit seinem Völkermord Menschen lediglich als Mittel zu einem bestimmten Zweck und damit nicht als Menschen, denen an sich eine Würde zukommt, sondern als Sachen.
Exakt eine solche Argumentation verwendete auch der Nazi-Kriegsverbrecher Adolf Eichmann in seinem Prozess, um zu rechtfertigen, dass er Hunderttausende Juden in die Konzentrationslager transportieren ließ. Sein Argument war, dass er nur dafür zuständig war, immer neue Menschen möglichst effizient in die Lager zu verschicken, wo sie wiederum möglichst effizient ihrer Vernichtung zugeführt werden sollten. Mit ihrer eigentlichen Vernichtung habe er nichts zu tun gehabt.
Letzteres ist durchaus richtig. Sein Verbrechen bestand nicht darin, mit eigener Hand jüdische Menschen getötet zu haben, sondern darin, jüdische Menschen wie Vieh in den Waggons transportiert haben zu lassen, ohne auch nur einen Gedanken darauf zu verschwenden, dass diese Menschen nicht wie ein bloßes MIttel zum Zweck ihrer Vernichtung behandelt werden dürfen, sondern jeder einzelne von ihnen ein moralischer Zweck an sich ist und also einen absoluten und schützenswerten Wert darstellt.

Diesen Wert an sich selbst, ihre Würde, haben sie übrigens nach Kant, weil jedes vernünftige Wesen immer auch ein moralisches Subjekt und ein moralischer Gesetzgeber ist, sich dem Sittengesetz also nie nur unterwirft, sondern als Subjekt für die gesamte Menschheit verbindliche moralische Normen formulieren kann, wenn deren Vernünftigkeit einsehbar ist.


Der Gott Hemuls verfügt also nicht einmal über einen Begriff der unabsprechbaren Menschenwürde und allgemeiner Menschenrechte. Und damit erweist sich der Philosoph Kant als diesem Gott, der in Wahrheit nur das hemulsche Zerrbild eines gerechten Gottes ist, bereits als moralisch überlegen.


Es ist aber klar, dass Hemul ohnehin nicht von GOTT spricht, sondern lediglich von dem kanaanäischen Berg-, Wetter- und Kriegsgott JHWH des AT. Dieser archaische Regionalgott war - neben seiner Zuständigkeit für Regen - ansonsten hauptsächlich dafür zuständig, als Kriegsgott dabei zu helfen, andere Völker, die den Israeliten bei ihrer Landnahme in die Quere kamen, in Kriegen auszurotten. Insofern sind alle Völkermordgeschichten und Grausamkeiten im Namen JHWS's, wie sie im AT zu Hauf erzählt werden, historisch nicht verwunderlich.
Diesen damaligen archaischen Kriegsgott aber unreflektiert als moralische Instanz in unserer heutigen Zeit installieren zu wollen, dass ist die eigentliche und völlig inakzeptable Dummheit von Hemul und auch von closs, der sich der religiösen Verblendung Hemuls explizit anschließt.
Beide versuchen, die moralische Verkommenheit eines archaischen Gott-Zerrbildes als wünschenswerte Moralität für uns heutige Menschen erscheinen zu lassen.
Zuletzt geändert von Thaddäus am Mi 30. Dez 2015, 08:37, insgesamt 1-mal geändert.

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