Undogmatischer Atheismus

Philosophisches zum Nachdenken
ThomasM
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#131 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von ThomasM » Fr 11. Dez 2015, 21:52

sven23 hat geschrieben: "Eine Welt ohne Gott
Es besteht - zumindest von seiten eines undogmatischen Atheismus - auch die Möglichkeit argumentativen, abwägenden Vorgehens nach Plausibilitätsgesichtspunkten. Es geht darum, eine erklärungsstarke Hypothese für das Dasein und Sosein der Welt zu finden, ein überzeugendes Konstruktionsmodell für ihren strukturellen und funktionalen Zusammenhang zu entwerfen. Und da lässt sich nüchtern feststellen: Ohne die Hypothese "Gott" lässt sich die Welt viel schlüssiger, klarer, redlicher, widerspruchsfreier begreifen als mit ihr!"
Oje Sven

Hier sieht man den Grundfehler von Kahl und von dir. Er ist der Grund, warum der Atheismus scheitern wird.
Es geht gar nicht um eine logischere, widerspruchsfreiere oder schlüssigere Hypothese für das Dasein und das Sosein zu finden. Nicht dass diese Aspekte nicht wichtig sind, aber sie sind nicht entscheident.

Es geht darum, einen Sinn zu finden, einen Sinn, der Hoffnung stiftet, der sich in die Ewigkeit erstreckt. Es geht um ein "es geht weiter und ich existiere darin".
Das beste Beispiel dafür sind die Ahnen Vorstellungen der Urvölker. Dieser Glaube besagt ganz einfach: Ich existiere in irgendeiner Form weiter, mindestens darin, dass ich erinnert und verehrt werde.

Der Atheismus trifft das Urbedürfnis der Menschen nicht.
Und hat deshalb keine Chance gegen den Theismus.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

Novas
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#132 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von Novas » Fr 11. Dez 2015, 22:09

ThomasM hat geschrieben:Es geht darum, einen Sinn zu finden, einen Sinn, der Hoffnung stiftet, der sich in die Ewigkeit erstreckt. Es geht um ein "es geht weiter und ich existiere darin"[...]Der Atheismus trifft das Urbedürfnis der Menschen nicht. Und hat deshalb keine Chance gegen den Theismus.

Das sehe ich auch so. Der Mensch ist ein geistiges Wesen, was wir an seiner Fähigkeit erkennen, nach dem Sinn zu fragen. Selbst wenn er keine Antwort auf diese Frage findet, die ihn wirklich befriedigt, so fragt er unablässig weiter. Wenn es jemals Roboter mit Selbst-Bewusstsein geben sollte, so würden sie genau die selben Fragen stellen.

Sie würden Kunst erschaffen, Wissenschaft betreiben, vermutlich sogar Formen der Spiritualität hervor bringen, lieben und Liebesbeziehungen eingehen, Humor entwickeln, Sexualität genießen, ein bestimmtes ethisches Gerechtigkeitsempfinden, Mitgefühl, Träume und Visionen haben und umsetzen wollen, politische Mitbestimmung einfordern usw. es wäre ein Zeichen von Bewusstheit, wenn ein Roboter kein Atheist ist, weil er dann dieses Urbedürfnis mit uns teilen würde. ;)

So einfach ist das aber nicht. In diesem Vortrag erklärt der Neurowissenschaftler Giulio Tononi mit einem einfachen Gedankenexperiment den Unterschied: Man stelle sich vor, Galileo Galilei und eine Photodiode sind zusammen in einem Raum. Beide können zuverlässig erkennen, ob es hell oder dunkel ist. Aber nur Galileo erlebt den Raum als hell oder dunkel. Dass die Photodiode es genauso zuverlässig erkennen kann, sagt nichts darüber, ob sie ein Bewusstsein hat. Sie hat keines. Sie erlebt gar nichts.

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Queequeg
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#133 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von Queequeg » Fr 11. Dez 2015, 22:32

ThomasM hat geschrieben:
Hier sieht man den Grundfehler von Kahl und von dir. Er ist der Grund, warum der Atheismus scheitern wird.

Dieser Satz ist, von seiner Aussage her, einfach nur ein großer Unsinn.

Erstens gab es den Atheismus schon lange vor dem Christentum und zweitens wird es immer Menschen geben, die nicht an Götter glauben, oder religiösen Schriften irgendwelche "Wahrheitswerte" zumessen.

So wie es Menschen gibt, die an die verschiedensten religiösen Systeme dieser Welt glauben, so wird es immer auch Menschen geben, die daran eben - nicht glauben.

Man nennt das Religions und Meinungsfreiheit.

ThomasM
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#134 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von ThomasM » Fr 11. Dez 2015, 22:35

Queequeg hat geschrieben: Erstens gab es den Atheismus schon lange vor dem Christentum und zweitens wird es immer Menschen geben, die nicht an Götter glauben, oder religiösen Schriften irgendwelche "Wahrheitswerte" zumessen.
Du solltest den Kontext lesen, unter dem ich den Satz geschrieben haben.
Svens und Kahls Hoffnung ist, dass der Atheismus den Glauben an Gott einmal ablösen wird, eine Welt ohne Gott entsteht.
Das meinte ich mit scheitern.
Dass es immer Atheisten geben wird, halte ich für normal. Aber sie werden immer in einer Minderheit sein.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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#135 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von Novas » Fr 11. Dez 2015, 22:35

Queequeg hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben:
Hier sieht man den Grundfehler von Kahl und von dir. Er ist der Grund, warum der Atheismus scheitern wird.

Dieser Satz ist, von seiner Aussage her, einfach nur ein großer Unsinn.

Nein, überhaupt nicht. Was Thomas sagt deckt sich mit den Ergebnissen der Religionspsychologie.

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#136 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von Queequeg » Fr 11. Dez 2015, 22:36

Novalis hat geschrieben: Ein technokratischer Totalitarismus könnte sich hingegen wirklich (schrittweise) entwickeln.

Einen technokratischen, wissenschaftsgläubigen Totalirismus haben wir schon. Diese Welt ist überhaupt übervoll von Totalirismen aller weltanschaulicher Couleur, heute mehr denn je.

Es trägt zur erfolgreichen Vermassung der Menschheit bei und ist eigentlich nur eine der vielen Spielarten des "unsterblichen" divide et impera.

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#137 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von Queequeg » Fr 11. Dez 2015, 22:41

ThomasM hat geschrieben:
Queequeg hat geschrieben: Erstens gab es den Atheismus schon lange vor dem Christentum und zweitens wird es immer Menschen geben, die nicht an Götter glauben, oder religiösen Schriften irgendwelche "Wahrheitswerte" zumessen.
Du solltest den Kontext lesen, unter dem ich den Satz geschrieben haben.
Svens und Kahls Hoffnung ist, dass der Atheismus den Glauben an Gott einmal ablösen wird, eine Welt ohne Gott entsteht.
Das meinte ich mit scheitern.
Dass es immer Atheisten geben wird, halte ich für normal. Aber sie werden immer in einer Minderheit sein.

Aha, geht in Ordnung.

Ich weiß nicht, ob in fernerer Zukunft die Atheisten in der Minderheit sein werden, ich denke da eher, das bei den gern als Beispiel genannten 2 Milliarden Christen allein schon eine erkleckliche Anzahl von Atheisten vorhanden ist.

Was mir letztendlich auch einerlei ist, jeder soll nach seiner Facon glücklich werden, sagte schon der alte Fritz, und recht hat er.

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#138 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von Queequeg » Fr 11. Dez 2015, 22:43

Novalis hat geschrieben:
Queequeg hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben:
Hier sieht man den Grundfehler von Kahl und von dir. Er ist der Grund, warum der Atheismus scheitern wird.

Dieser Satz ist, von seiner Aussage her, einfach nur ein großer Unsinn.

Nein, überhaupt nicht. Was Thomas sagt deckt sich mit den Ergebnissen der Religionspsychologie.

Mich interessiert Religionpsychologie nicht, absolut nicht, allerdings wäre es nett gewesen, wenn du deine Aussage mit einem aussagekräftigen Link untermauert hättest.

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#139 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von Novas » Fr 11. Dez 2015, 22:45

William James (einer der wohl bekanntesten Religionspsychologen) hielt Vorlesungen mit dem Titel „Über die Vielfalt religiöser Erfahrungen“, obwohl er selbst kein besonders religiöser Mensch war. Das bedauerte er aber eher. So schrieb er in einem Brief

"Ich habe keine lebendige Empfindung eines Verkehrs mit Gott. Ich beneide die, die eine solche haben, da ich weiß, dass sie mir unendlich helfen würde. Das Göttliche ist für mein aktives Leben auf abstrakte Begriffe beschränkt, die mich als Ideale interessieren und beeinflussen, aber sie tun es nur schwach im Vergleich mit einem Gottesgefühl, wenn ich ein solches hätte."
http://www.deutschlandfunk.de/william-j ... _id=233250
Ein Zeichen von Verständnis und Mitgefühl wäre es, wenn ein Atheist sagen würde: ich habe einfach keine lebendige Empfindung eines Verkehrs mit Gott, wenn es aber andere haben, dann freut mich das, denn soetwas kann bestimmt unendlich hilfreich sein und gut tun.

Was ist so schwierig daran? Ganz offenbar gibt es 'religiöse Erfahrungen', Symbole und Konzepte der Deutung und sie spielen eine wichtig Rolle im menschlichen Leben. Selbst wenn das bei mir selbst nicht so ist, so kann ich es bei anderen beobachten.

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#140 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von Queequeg » Fr 11. Dez 2015, 22:52

closs hat geschrieben:
Queequeg hat geschrieben:Denn nur unter dem Aspekt der sinnlichen Wahrnehmung kann man darüber etwas aussagen, hier im Sinnlich-Wahrnehmbaren wie auch in der Zuordnung des Authentischen, denn die erste Ursache des Sprits wäre hier die Entität, der Demiurg, also grundsätzlich Gott.
Gibt es Deiner Ansicht keine nicht-sinnlich-wahrnehmbaren Entitäten?

Richtig, denn du begründest wieder einmal nur den dritten Hauptsatz vom unvollkommenen Seins. Aber als gestandener Retro-Aquinate ist dir das die scholastische Muttermilch des argumentativen Ç›berlebens, hier, und soll dir somit belassen sein.

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