Undogmatischer Atheismus

Philosophisches zum Nachdenken
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Savonlinna
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#81 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von Savonlinna » Do 10. Dez 2015, 19:50

sven23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: So, jetzt habe ich den Text rausgesucht.
Ja, danke für die Mühe.
Spiritualität ist ja ein sehr dehnbarer Begriff. So wie ich das sehe, will Kahl den Begriff nicht aufs religiöse/esoterische verengt wissen.
Kahl schrieb:

"Insofern ist klipp und klar zwischen Spiritualität und Religiosität zu unterscheiden. Beides sind verschiedene Dinge, die zwar Berührungspunkte haben, aber nicht gleichgesetzt werden dürfen."...
"Die Definitionsmacht zu bestimmen, was unter Spiritualität zu verstehen sei, trete ich nicht an esoterische Publikationen ab. Unter Berufung auf den lateinischen Wortursprung (spiritus = Geist) stelle ich zunächst schlicht fest: Spiritualität heißt Geistigkeit, Geistorientiertheit. Gemeint
sei damit: die geistige Einstellung zum Leben, die innere Haltung zur Wirklichkeit, und zwar gemüthaft vertieft, Verstand und Gefühl umgreifend...."

Wer freilich nach Erleuchtung ohne Aufklärung strebt, sucht begrifflose und sprachlose, also geistlose Unmittelbarkeit.

Dem kann man doch nur zustimmen.

Den Satz hast Du vergessen zu zitieren ->

Joachim Kahl hat geschrieben:Soll Aufklärung nicht zur öden Belehrung verkommen, muss sie sich zur Erleuchtung vertiefen
Stimmst Du auch diesem Satz zu?
Denn Kahl legte ja Wert darauf, dass beide Sätze gelten.

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sven23
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#82 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von sven23 » Do 10. Dez 2015, 19:53

Savonlinna hat geschrieben:[

Joachim Kahl hat geschrieben:Soll Aufklärung nicht zur öden Belehrung verkommen, muss sie sich zur Erleuchtung vertiefen
Stimmst Du auch diesem Satz zu?
Denn Kahl legte ja Wert darauf, dass beide Sätze gelten.
Kommt darauf an, wie man "Erleuchtung" definiert.
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Savonlinna
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#83 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von Savonlinna » Do 10. Dez 2015, 19:58

sven23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:[

Joachim Kahl hat geschrieben:Soll Aufklärung nicht zur öden Belehrung verkommen, muss sie sich zur Erleuchtung vertiefen
Stimmst Du auch diesem Satz zu?
Denn Kahl legte ja Wert darauf, dass beide Sätze gelten.
Kommt darauf an, wie man "Erleuchtung" definiert.
Um meine Frage zu beantworten, kommt es nur darauf an, wie Kahl sie versteht.
Das gälte es also herauszufinden.

Du hattest diesen Satz von Kahl extra weggelassen, damit Du Kahl zustimmen kansst?

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sven23
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#84 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von sven23 » Do 10. Dez 2015, 20:13

Savonlinna hat geschrieben:
Du hattest diesen Satz von Kahl extra weggelassen, damit Du Kahl zustimmen kansst?

Also Kahl schreibt:
"Es gilt schlicht zur Kenntnis zu nehmen, dass alle spirituellen Tätigkeiten und Vorgänge, wie Erleuchtung und Versenkung, Meditation und Kontemplation, ja selbst die Mystik, keine ausschließliche Domäne der Religion sind, sondern auch weltlich-philosophische Spielarten kennen, die durchaus in einem atheistischen Lebensentwurf ihren Stellenwert haben können"

Wenn er Erleuchtung so versteht:
"Im heutigen allgemeinen Sprachgebrauch versteht man unter „Erleuchtung“ gewöhnlich eine plötzliche Erkenntnis oder Eingebung"
Quelle: Wikipedia

dann kann ich durchaus zustimmen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#85 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von Savonlinna » Do 10. Dez 2015, 20:26

sven23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:
Du hattest diesen Satz von Kahl extra weggelassen, damit Du Kahl zustimmen kansst?

Also Kahl schreibt:
"Es gilt schlicht zur Kenntnis zu nehmen, dass alle spirituellen Tätigkeiten und Vorgänge, wie Erleuchtung und Versenkung, Meditation und Kontemplation, ja selbst die Mystik, keine ausschließliche Domäne der Religion sind, sondern auch weltlich-philosophische Spielarten kennen, die durchaus in einem atheistischen Lebensentwurf ihren Stellenwert haben können"

sven23 hat geschrieben:Wenn er Erleuchtung so versteht:
"Im heutigen allgemeinen Sprachgebrauch versteht man unter „Erleuchtung“ gewöhnlich eine plötzliche Erkenntnis oder Eingebung"
Quelle: Wikipedia

dann kann ich durchaus zustimmen.
Du meinst, Wikipedia meint mit "plötzlicher Erkentnis" Kahls Wortwahl "Erleuchtung und Versenkung, Meditation und Kontemplation, ja selbst die Mystik"?

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sven23
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#86 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von sven23 » Do 10. Dez 2015, 20:27

Zum viel diskutierten Verhältnis von Geist und Materie schreibt Kahl:

"Eine letzte Überlegung betrifft das Verhältnis von Geist und Materie. Der Schöpfungsglaube behauptet, ein reiner Geist habe etwas Nicht-Geistiges, Materielles hervorgebracht. Hier wird uns erneut ein Opfer des Verstandes, der Glaube an ein Wunder, zugemutet. In Wahrheit verhält es sich umgekehrt: Geist ist ein reifes Entwicklungsprodukt langwierigster materieller Vorgänge unter günstigsten Bedingungen. Geist ist gebunden an hochkomplexe Gehirnstrukturen. Deren Beschädigung beschädigt auch den Geist, deren Absterben führt auch zum Absterben des Geistes."
Jochim Kahl, "Das Elend des Christentums"
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#87 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von Novas » Do 10. Dez 2015, 20:31

Pluto hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:Auf Facebook veröffentlichte er folgenden kritischen Beitrag im Hinblick auf die Ideologie des "Transhumanismus"
Transhumanismus ist keine Ideologie, sondern ein Aspekt des Lebens, der uns in Zukunft immer häufiger beeinflussen wird, sofern die Medizin uns mit neuen Prothesen, Implantaten und Sensoren ausstattet

Ich zitiere von Peter Möller:

Im Verlaufe einer bewusst und gezielt betriebenen Evolution könnten höhere Lebewesen entstehen, die intellektuell, kulturell, ethisch, ästhetisch und gefühlsmäßig/emotional soweit über uns Menschen stehen, wie wir über den Affen. So wie wir Menschen vereinfacht ausgedrückt »Transschimpansen« sind, so würden diese Wesen »Transhumane« sein. [Andere Transhumanisten benutzen hier den Begriff »Post-Humane«.] Transhumanismus bedeutet, dass man eine solche Entwicklung für gut hält und sich für sie einsetzt.

***

In Zukunft wird dieser wissenschaftlich-technische Fortschritt nicht nur die Welt verbessern, sondern auch den Menschen, z. B. durch Gentechnik. Die Menschen – oder jedenfalls kleinere oder größere Gruppen von Menschen – werden sich auf diese Weise wahrscheinlich so sehr verändern, dass man irgendwann nicht mehr von Menschen sprechen kann, sondern von einer neue höheren, bzw. von mehreren verschiedenen höheren Arten.
http://www.philolex.de/transhum.htm

Das ist ganz offenbar eine Ideologie mit dem Ziel der Weltverbesserung, die sehr schnell in eine totalitäre Richtung gehen kann. Ich denke da gleich an die Warnungen von George Orwell und die Filme der Matrix-Trilogie (der Mensch wird zum Gefangenen seiner eigenen Schöpfung)

Stellen Sie sich eine Maschine mit der kompletten Bandbreite menschlicher Emotionen vor. Ihre analytische Kraft wäre größer als die gebündelte Intelligenz aller Menschen seit Anbeginn der Zeit. Einige Wissenschaftler nennen sie die Singularität.Dr. Caster in dem Film „Transcendence“

Raymond Kurzweil - „Director of Engineering“ bei Google - arbeitet an der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz. Er prophezeit, dass Maschinen in 15 Jahren alles können, was Menschen können (Cicero) - nur besser - er scheint die Sehnsucht zu haben, dass der Mensch abgeschafft und durch eine Maschine ersetzt wird.

Die ist dann befreit vom 'menschlichen Makel'.
Zuletzt geändert von Novas am Do 10. Dez 2015, 21:01, insgesamt 4-mal geändert.

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#88 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von Savonlinna » Do 10. Dez 2015, 20:56

sven23 hat geschrieben:Zum viel diskutierten Verhältnis von Geist und Materie schreibt Kahl:
Er SCHRIEB es 1968. Das war vor 48 Jahren.
Inzwischen hat er einiges über Yin und Yang geschrieben, ich habe es verlinkt.

Ich finde es befremdlich, das ständig zu ignorieren.
1968 war er 27 Jahre alt.
2008 - aus dem Link stammt - war er vierzig Jahre älter, also 67 Jahre.

Novas
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#89 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von Novas » Do 10. Dez 2015, 21:02

@Pluto: Du sagst, dass Du an die "Vernunft glaubst". Ist es nicht vernünftig berechtigte Bedenken zu haben? Ich bin der Ansicht, dass beides wichtig ist: materieller und spiritueller Fortschritt. Beides gehört für mich zu einer Zivilisation mit menschlichem Antlitz.

Nun scheint die Zeit reif für Kurzweils Vision der digitalen Unsterblichkeit. Nach der Entschlüsselung des menschlichen Genoms und demnächst auch des menschlichen Gehirns wird sich die menschlich-biologische Hardware bald zu Datenmengen verflüssigt haben. Wie in der filmischen „Matrix“-Trilogie könnten dann zu Computerprogrammen destillierte menschliche Gehirne in das weltweite Netz eingespeist werden, sich ihre Avatare frei erschaffen und erneuern. Geborgenheit heißt das Ziel in einer virtuellen Welt, die weder Leid noch Tod kennt.

Ist Ray Kurzweil ein futuristischer Wirrkopf oder ein gefährlicher Protagonist menschenfeindlicher Programme? Auf einem Foto in seinem Buch „Menschheit 2.0“ trägt er ein schmutziges Pappschild vor der Brust mit der Aufschrift: „The Singularity is near“. Als Prophet des Transhumanismus will er also verstanden werden.
http://www.cicero.de/weltbuehne/transhu ... hine/58134

Herr Kurzweil versteht sich sogar als Prophet... für mich klingt der Transhumanismus, wie eine atheistische Religion, deren Anhänger den totalen Endsieg herbei fiebern. :D
Zuletzt geändert von Novas am Do 10. Dez 2015, 22:30, insgesamt 1-mal geändert.

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#90 Re: Undogmatischer Atheismus

Beitrag von Savonlinna » Do 10. Dez 2015, 21:10

Novalis hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:Auf Facebook veröffentlichte er folgenden kritischen Beitrag im Hinblick auf die Ideologie des "Transhumanismus"
Transhumanismus ist keine Ideologie, sondern ein Aspekt des Lebens, der uns in Zukunft immer häufiger beeinflussen wird, sofern die Medizin uns mit neuen Prothesen, Implantaten und Sensoren ausstattet

Ich zitiere von Peter Möller:
Im Verlaufe einer bewusst und gezielt betriebenen Evolution könnten höhere Lebewesen entstehen, die intellektuell, kulturell, ethisch, ästhetisch und gefühlsmäßig/emotional soweit über uns Menschen stehen, wie wir über den Affen. So wie wir Menschen vereinfacht ausgedrückt »Transschimpansen« sind, so würden diese Wesen »Transhumane« sein. [Andere Transhumanisten benutzen hier den Begriff »Post-Humane«.] Transhumanismus bedeutet, dass man eine solche Entwicklung für gut hält und sich für sie einsetzt.
Es gibt immer Leute, die sich für so etwas begeistern.
Sie begeistern sich für genau das, was Du geschrieben hast, Novalis:
für totalitäre Systeme.

Solche Leute kann man nicht überzeugen.
Man kann ihnen nur entgegenwirken.
Und dazu muss man die Möglichkeiten ausschöpfen, sie präzise durchdenken.

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