Thaddäus hat geschrieben:
Sich einen Gott bzw. das Göttliche als transzendent zu definieren (weil Transzendenz vorstellen können wir uns nicht) bedeutet vor allem, dass dieser Gott sich selbst so offenbaren bzw. entäußern muss, dass der Mensch mit ihm Erfahrungen überhaupt machen kann. Ein transzendentes Wesen (wenn man an es glaubt) kann vom Menschen nicht erkannt werden, wenn es sich nicht selbst in die Welt des Menschen hinein offenbart und entäußert. Das ist also eine Einbahnstraße. Das kann religionshistorisch dadurch geschehen, dass der Gott irgendeine physische Gestalt annimmt oder auch, wie es die Israeliten glaubten, dass sich JHWH immer wieder in die besondere Geschichte des Volkes Israel eingreifend offenbart.
Der Mensch kann bei dieser Bestimmung von Transzendenz über keinen besonderen geistigen Sinn verfügen, mit dem er den transzendenten Gott unmittelbar erfahren kann, denn dann wäre dieser Gott eben nicht transzendent, weil er ja unmittelbar erfahren werden kann und es gäbe einen Erkenntnisweg vom Menschen zu Gott. So definiert das Christentum seinen Gott aber nicht. Der ev. Theologe Karl Barth definierte Gott dem gemäß konsequent als das "ganz Andere".
Ich kenne dieses Konstrukt.
Es ist ein raffiniertes Konstrukt - nichtsdestotrotz eine reine Kopfgeburt.
Raffiniert darum, weil man sich da alles Beliebige ausdenken kann und - je nach Charakter - hämisch sagen kann:
meine Kopfgeburt ist nicht "falsifizierbar", ätsch, ätsch.
Einem in der Weise konstruierten Gott kann man jede beliebige unbekannte Eigenschaft zusprechen - der so Zusprechende ist fein raus. Da diese Eigenschaft ja unerkennbar ist, kann sie beliebig behauptet werden - "ätsch ätsch" -, und kener kann was dagegen sagen.
Es ist in meinen Augen eine billige Masche, dann so weiter zu konstruieren, dass dieser unerkennbare Gott sich "offenbare" und der Mensch damit etwas von dem an sich unerkennbaren Gott "erführe".
Billige Masche darum, weil dieser Gott sich von Menschenseite so zurechtgebastelt wird - wieder auf der Basis Kopfgeburt -, dass er zwar unerkennbar, aber dann eben doch erkenntbar, sei.
Dieses Konstrukt ist - von der Folge her - identisch mit einem anderen Konstrukt: dass der Gott genau das ist, was der Mensch erfährt.
Diese beiden Konstrukte unterscheiden sich nur in Wortbehauptungen - also nur in ihrer menschlichen - konstruierten - Vorstellung, sind in ihren Folgen aber identisch. Denn in beiden Fällen weiß man nur um den erfahrenen und erfahrbaren Gott.
Der konstruierte Überbau - der, den keiner nachweisen kann und keiner erkennen kann, ätsch, ätsch - könnte aus dem Menschen erklärt werden, der derlei braucht. Warum er derlei braucht, ist eine interessante kulturpsychologische und auch individualpsyschologische Frage.
Ich bin nicht der Meinung, dass "
das" Christentum diesem Aberwitz folgt.
Karl Barth ist da extrem, bei Tillich sieht es schon anders aus, bei Meister Eckehart auch. Rbinsons "Gott ist anders" hat ebenfalls mit diesem verkopften Denken nichs zu tun, und auch er repräsentiert das Christentum.
Für mich ist es eine Beleidigung des Christentums, es auf die erwähnte verlogene Konstruktion zu gründen.
Beleidigung darum, weil dieser "ätsch ätsch"-Charakter - "guck mal, ich kann was ganz Raffiniertes behaupten, und keiner kann mir was, haha" - dermaßen widerlich ist, dass es mir die Tiefe, mit der einige Theologen ihren Gott verstehen - "Gott ist in der Tiefe" -, nicht einmal im Ansatz erfasst.
Es gibt immerhin Christen - Sophie Scholl zum Beispiel -, die durch ein Verstehen von "Jesus" die Angst vor dem Henkerbeil nicht hatte.
Es ist ihr bestimmt nicht eingefallen, sich vor ihrem Tod mit einem "ätsch-Gott" - ha, ha, mir kann keiner was, ich bastele mir Gott so, dass keiner ihn falsifzieren kann - auseinanderzusetzen.
Vor solcher Wahrhaftigkeit, die der Tod einem jungen Menschen abverlangt, macht sich dieser konstruuierte ätsch-Gott lächerlich, er bricht in seiner Hohlheit zusammen.
Ich denke nach wie vor, dass nur glaubensunfähige Christen sich an solche raffinierten Konstrukte halten, sie auch nur darum aufgestellt haben, um ihre Glaubenslosgkeit zu kompensieren.
Sie verstehen unter "glauben" dann: etwas für wahr halten, was sie sich selber ausgedacht haben.
Darum sind gerade sie eine Widerlegung dessen, was vielen aus der Bibel entgegenspringt: das Begreifen, dass sie als Mensch zu noch anderem berufen sind als das, was sie zur Zeit noch sind.