Sein und Wahrnehmung II

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
Benutzeravatar
Thaddäus
Beiträge: 1231
Registriert: Sa 14. Sep 2013, 18:47

#71 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Thaddäus » Sa 21. Nov 2015, 20:15

SilverBullet hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Bewusstsein kann nicht "berechnet" werden
Das wäre aber „maximal ungünstig“, denn das Gehirn kann nichts anderes, als berechnen.
Das Gehirn rechnet überhaupt nicht. Du scheinst es dir in seiner Funktionsweise wie eine CPU vorzustellen. Genau das ist es aber nicht. Neuronen arbeiten nicht digital. Simulierte neuronale Netzwerke versuchen die Funktionsweise eines lernenden Gehirns nachzuahmen. Sehr weit her ist es aber mit denen nicht, jedenfalls wenn man die Leistungsfähigkeit selbst eines Rattenhirns damit vergleicht. Gibt es mittlerweile eigentlich echte neuronale Netze?

Wenn man auf einen Schwebebalken balanciert, löst das Gehirn keine Differenzialgleichungen. Es hat vielmehr gelernt, Signale zu den richtigen Muskeln im rechten Arm zu senden, damit der sich hebt, wenn man droht nach links das Gleichgewicht zu verlieren.

SilverBullet hat geschrieben: Bewusstsein mit dem Begriff „Beobachten“ in Verbindung zu bringen, halte ich für extrem problematisch, weil es einen „Beobachter“ suggeriert. Von diesem „Beobachter“ fehlt aber jede Spur.
:shock: Schließe einfach die Augen und atme 10-mal tief ein, halte die Luft 5 Sek. - und atme tief wieder aus.
Da hast du deinen Beobachter!
Es ist recht albern, etwas infrage stellen zu wollen, was offensichtlich ist. Es ist nicht problematisch, im Zusammenhang mit Bewusstsein und Selbst-Bewusstsein von einem Beobachter zu sprechen. Es ist vielmehr hochgradig absurd, das Selbst-Bewusstein nicht als eine beobachtende Instanz ansehen zu wollen. Bewusstsein bedeutet, dass man sich etwas bewusst ist. Das geht gar nicht ohne beobachtende Instanz. Selbst-Bewusstsein bedeutet, dass man sich seiner selbst und damit seines aktuellen Bewusstseinsstroms bewusst ist.

Mittlerweile ist es in der Philosophie so, dass man sichgenau über jene Hirnforscher allenthalben lustig macht, die allen Ernstes die These verteten haben, es gäbe kein Ich, sondern nur ein Gehirn. :lol: Markus Gabriel hat darüber den Witz gerissen, dass deren Bücher trotz ihrer merkwürdigen These mit ihren Namen darauf veröffentlicht werden. :lol: :lol:

SilverBullet hat geschrieben: Der einzige vorhandene Umstand ist das aktive Gehirn, also eine aktive Schaltauswertung. Wenn es keine explizite Schnittstelle gibt, dann besteht das Bewusstsein aus bestimmten Bedeutungszusammenhängen innerhalb des Ablaufes – ich nenne diese: Verstehzusammenhänge.
Da habe ich gar nichts gegen einzuwenden. Nur gibt es in deiner Theorie nichts, was verstehen könnte.

SilverBullet hat geschrieben: Dein Beispiel mit der „Leinwand“ suggeriert das Vorhandensein der Bewusstseinsinhalte und das Vorhandensein eines Beobachters. Beides ist mit einer sensorischen Wahrnehmungstechnik nicht machbar.
Dann vermag deine Theorie offenbar ein sehr bedeutsamens Faktum nicht zu erklären: nämlich das Vorhandensein von Bewusstsein und Selbst-Bewusstsein. Dann hat deine Theorie offenbar Lücken. ;)

SilverBullet hat geschrieben: Das „Subjekt“ als Instanz zu bezeichnen, ist im Grunde schon wieder eine Form von Dualismus, zu der sofort die Was-Soll-Das-Sein-Frage und die Frage nach der Wechselwirkung gestellt werden muss.
Als Subjekt bezeichnet man einen Menschen mit seinem Verhalten und seinen körperlichen Eigenschaften. Als transzendentales Subjekt bezeichnet man die Instanz, die vorausgesetzt werden muss, damit man von einem Subjekt sinnvoll sprechen kann. Das Subjekt ist ein Ding (nämlich der ganze Mensch), das transzendentale Subjekt ist kein Ding, sondern eine Aktivitäts-Instanz, die vorausgesetzt werden muss, weil es Bewusstsein und Selbst-Bewusstsein gibt.

SilverBullet hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Kant nennt es das transzendentale Bewustsein:…
Begriffe, wie „transzendental“ halte ich nicht für hilfreich, weil ich nicht sagen kann, was hiermit genau angesprochen wird und weil sie somit zu sehr von der vorhandenen Wahrnehmungstechnik ablenken.
Transzendental bedeutet: Was vorausgesetzt werden muss, als Bedingung für Erkenntnis.
Das transzendentale Subjekt oder transzendentale Ich/Ego muss vorausgesetzt werden, wenn man von Erkenntnis spricht, denn es muss etwas geben, dass eine Erkenntnis überhaupt haben kann. Es muss auch etwas geben, was Wahrnehmungen machen kann.

Thaddäus hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben: Ganz im Gegenteil: bei Gefahr kommt es gerade auf die Empfindung an.
Nein, bei Gefahr läuft das Gehirn sehr zielstrebig ab. Das geht soweit, dass sogar Schmerz und die gesamte Tragweite von Situationen ausgeblendet werden.
Das Gehirn ist eine graue, weiche ca. 1500g schwere Masse bestehend aus Milliarden miteinander verschalteten Neuronen. Eine graue, weiche Masse kann nicht agieren. Man kann so wenig sinnvoll davon sprechen, ein Gehirn agiere, wie man nicht sinnvoll davon sprechen kann, meine Waschmaschine wolle die Weißwäsche bei 60°waschen oder mein Hammer wolle hämmern. Ein Staubsaugerroboter agiert zwar, indem er den Dreck selbsttätig aufsaugt, aber man kann nicht sinnvooll behaupten, dass er staubsaugen will, damit es sauber wird. Es ist einfach unsinnig, so zu reden.
Auch, wenn es kein Ich/Bewusstein/Selbst-Bewusstsein/Subjekt/Person/Selbst usw. ohne Gehirn gibt, so kann man nicht sinnvoll davon sprechen, dass Gehirn wolle dies oder das. Etwas wollen, kann nur Etwas, welches etwas wollen kann.

SilverBullet hat geschrieben: Wir kennen keine Wahrnehmungstechnik, die sich selbst „beobachten“ kann.
Wenn dies möglich wäre, müsste das Bewusstsein die elektrischen Impulse, die genau dort vorhanden sind, wo sich das Bewusstsein „ansässig fühlt“, auf irgendeine Art erkennen können – Fehlanzeige.
Wieso Fehlanzeige? Wir kennen Subjekte, die sich selbst beobachten können. Das kann auch jederzeit empirisch bestätigt werden.

SilverBullet hat geschrieben: Aha, du bist also Anhänger des „Emergenz“-Begriffes.
Nein. Ich bin kein Anhänger eines Begriffs. Wie sollte man Anhänger eines Begriffs sein können?
Ich halte aber die These, dass es emergente Phänomene der komplexen Hirnaktivität gibt, für nicht ganz unplausibel.

SilverBullet hat geschrieben: „Emergenz“ ist aus meiner Sicht, in Bezug auf das Bewusstsein, der bescheidene Notfallplan, für Menschen, die das Fehlen einer „magischen Substanz“, innerhalb des „gewohnten Existenzverständnisses“, durch „Etwas“ ersetzen möchten.
Letztlich ist es immer noch eine Form von „Existenzdualismus“:
Nein, das ist Unsinn. Existenzdualismus gibt es zudem nicht, nur Substanzdualismus. Emergenz behauptet keine geistigen Substanzen.

SilverBullet hat geschrieben: Das Problem hierbei ist:
„Emergenz“ ergibt sich aus der Sicht von Wahrnehmung, aber hier geht es gerade nicht um die Sicht sondern, um die Herstellung von Wahrnehmung.
:shock: Du kannst doch nicht einmal erklären, wie es zu Wahrnehmung überhaupt kommen kann!
Du sprichst zwar die ganze Zeit von Wahrnehmungsapparat. Aber wie er funktionieren soll, belibt absolut rätselhaft. Wenn du über Wahrnehmungen sprechen möchtest, musst du auch erklären können, was diese Wahrnehmungen hat und interpretiert. Das Gehirn? Wie macht es das? Wie nehmen Gehirne wahr? Im Gehirn kommen elektrochemische Impulse an. Die müssen verarbeitet werden. Und wie weiß das Gehirn, dass es selbst es ist, das etwas vearbeitet? Wie kommt das gehirn dazu, die Bedeutung dessen zu erkennen, was es da verarbeitet? Nein,- das passt alles vorne und hinten nicht zusammen. Deine Wahrnehmungs-Theorie ist löcherig, wie ein Schweizer Käse.

SilverBullet hat geschrieben: Man kann keinen Bedeutungsbegriff aus dem „Inneren“ von Wahrnehmung verwenden, um den Aufbau von Wahrnehmung zu erklären.
Das Innere von Wahrnehmung?! Ich bitte dich. Was soll das denn sein ...

SilverBullet hat geschrieben: Wahrnehmung kann sich nicht auf Grund der eigenen Inhalte analysieren.
Dann kann es keine Wahrnehmung geben. So einfach ...


SilverBullet hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Wenn ich weiß, wie mein Gehirn funktioniert, wer weiß dann, wie mein Gehirn funktioniert? Die feuernden Neuronen?
Ja, das könnte man sagen, wobei es nicht die Neuronen sind, sondern die aktive Schaltung, einschliesslich der Gewichtung in den Neuronen.
Neuronen werden nicht gewichtet. Allenfalls kann die Information - die aber zuerst von Etwas als relevante Information erkannt werden muss - gewichtet werden. Was ist das? Und woher kommen die Kriterien für die Gewichtung?

Letztlich steckt die Fähigkeit es zu Wissen, in der Verschaltung von bestimmten Abschnitten im neuronalen Netz.
Wann immer dieses Wissen aktuell (im Bewusstsein) eine Rolle spielt, sind diese Abschnitte aktiv und tragen zum obigen Wechselspiel bei.[/quote]
Zuletzt geändert von Thaddäus am Sa 21. Nov 2015, 20:41, insgesamt 3-mal geändert.

Benutzeravatar
Thaddäus
Beiträge: 1231
Registriert: Sa 14. Sep 2013, 18:47

#72 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Thaddäus » Sa 21. Nov 2015, 20:38

Pluto hat geschrieben: Ja. Die Leinwand-Hypothese halte ich für zu anthropozentrisch. Sie suggeriert eine Art "Homunculus" im Gehirn der an einem Steuerpult sitzend, die Geschicke des Menschen steuert. Es kommt wieder dem cartesischen Dualismus nahe.
Der Leinwand-Vergleich mag nicht glücklich gewählt sein, aber er suggeriert gerade keinen Humunculus im Gehirn.
Alle Vorstellungen , die wir uns von dem "Ich denke", dass alle meine Vorstellungen begleiten können muss, damit ich auch nur wahrnehmen kann, sind im Grunde nicht glücklich gewählt.
Phänomenologisch können wir den eigenen Bewusstseinsstrom beobachten(!). Das nennt man Selbst-Bewusstheit. Also muss es eine Instanz geben, die diese Selbst-Beobachtung ermöglicht. Es ist absurd, sie bestreiten zu wollen. Sie zu bestreiten ist ungefähr so realitätsfremd, wie zu bestreiten, dass ich sinnvoll davon sprechen kann, Kopfschmerzen zu haben.

Pluto hat geschrieben: Man muss sich von der Vorstellung einer "Leinwand" im Gehirn vollkommen trennen. Das Gehirn ist nicht hierarchisch aufgebaut, sondern ein Netzwerk, bestehend aus knapp 10 Milliarden Neuronen mit rund 10 Billionen Synapsen. Aus dieser gewaltigen Komplexität seiner Struktur entstehen unsere Gedanken spontan. Existieren tun diese Gedanken aber nur in Form von angeregten Schwingungen synchron feuernder Neuronen. Ich denke diese Forscher waren vor 15 Jahren auf der richtigen Spur:
Unser komplexes Gehirn bringt bringt zweifellos am Ende unser Bewusstein und Selbstbeswusstein hervor. Alle Instanzen, von denen ich oben gesprochen habe, auch das transzendentale Subjekt, Ich oder Ego. Daran besteht kein Zweifel, wenn man nicht zu letztlich mystischen Erklärungen greifen will. Dennoch ist es ausgesprochen schwierig, die emergenten Eigenschaften des Gehirns zu erklären.

Du Pluto, scheinst mir jemand zu sein, der seine Hoffnungen ganz in die Neurowissenschaften steckt. Richtig hieran ist, dass philosophische Erklärungen eurowissenschaftlichen Forschungsergebnissen nicht widersprechen sollten. Richtig ist aber auch, dass die Neurowissenschaften bislang eigentlch gar nichts erklären können, zumindest nichts, was das Rätsel des Bewusstseins lüften könnte. Deine Sichtweise ist aber sehr populär unter denen, die nur eingeschränkte Ahnung von der Komplexität der Probleme haben. Um dich ein wenig auf den Boden der Tatsachen zurück zu holen, zitiere ich hier jemand, der deine vollste Zustimmung haben sollte:

Ich habe in diesem Zusammenhang gerade das Buch des Starphysikers Michio Kaku Die Physik des Bewusstseins - Über die Zukunft des Geistes gelesen. Philosophisch ein eher naives Buch und voller Enthusiasmus für die kommenden technischen Möglichkeiten. Aber gut, der Mann ist ja auch Physiker, - man kann nicht alles können. ;)

Interessant ist es aber auf jeden Fall, denn Kaku schreibt unter anderem über den letzten Stand von allerlei brain-Erforschungs-Projekten, die sämtlich das Ziel haben, das Gehirn neuronal zu kartieren, um es schließlich nachbauen zu können. Hierzu werden unterschiedliche Wege bestritten, vor allem aber das reverse engineering.

Der slice and dice-Ansatz ist der aufwändigste, denn er kartiert jedes einzelne Neuron und alle seine Verschaltungen. Dabei wird das Gehirn in superdünne Scheibchen geschnitten, dann fotografiert und ein Computer analysiert das Bild und wertet es vollständig aus.

Hört sich toll an. Jetzt kommt allerdings der ernüchternde Teil.

Das wird gerade mit dem Gehirn einer Taufliege gemacht, welches lediglich 150 000 Neurone hat. Zum Vergleich: das männliche Gehirn hat durchschnittlich 23 Milliarden Neurone, das der Frau durchschnittlich 19 Milliarden. Kaku schreibt zu diesem Projekt folgendes:

"Mit einem Gerät, das an eine Wurstschneidemaschine in einem Feinkostgeschäft erinnert, hat Gerry Rubin vom Howard Hughes Medical Institute das Gehirn einer Taufliege in feine Scheiben geschnitten. Das ist keine einfache Sache, denn das Taufliegenhirn hat nur einen Durchmesser von 300 Mikrometern (1 Mikrometer = 10 hoch -6 m) und ist im Vergleich zum menschlichen Gehirn nur ein kleiner Fleck. Das Gehirn einer Taufliege enthält rund 150 000 Neurone. Jedes ultradünne Schnittpräparat, das nur eine Dicke von 50 Nanometer (1 nm = 10 hoch -9m) hat, wird sorgfältig fotografiert und in einen Computer eingespeist. Dann versucht das Computerprogramm, die Verdrahtung Neuron für Neuron zu rekonstruieren. Bei der gegenwärtigen Geschwindigkeit wird Rubin in rund 20 Jahren jedes einzelne Neuron im Gehirn der Taufliege identifiziert haben. [...]

Die Speicherung der Daten, die das Mikroskop liefert, ist logistisch ebenfalls bemerkenswert. Die größte kommerziell verfügbare Festplatte kann rund 1 Billion Byte (oder 1000 Gigabyte) an Information speichern. Sobald sein Projekt läuft, hofft Rubin, bei einer einzigen Taufliege pro Tag rund 1 Million Gigabyte an Daten einzuscannen; daher erwartet er, große Lagerräume mit Festplatten zu füllen. Da jedes Taufliegenhirn ein wenig anders ist, muss er zudem einige hundert solcher Gehirne scannen, um ein typisches Taufliegenhirn darstellen zu können. Wenn man vom Taufliegenhirn ausgeht, wie lange wird es dann wohl dauern, das menschliche Gehirn zu schneiden und auszuwerten? «In 100 Jahren wüsste ich gern, wie das menschliche Bewusstsein funktioniert. Das 10- bis 20-Jahre-Ziel ist es, das Taufliegen-Gehirn zu verstehen», meint Rubin."


[Michio Kaku, Die Physik des Bewusstseins, 1. Aufl., Hamburg: 2014, S. 375+376]
Tja, es wird wohl noch etwas dauern mit der Kartierung des menschlichen Gehirns. Und hat man es geschafft, dereinst in ferner Zukunft, ist es damit ja noch längst nicht getan. Es genügt keineswegs, nur ein Gehirn nachzubauen. Im Grunde muss man einen Menschen nachbauen.

SilverBullet
Beiträge: 2414
Registriert: Mo 17. Aug 2015, 19:04

#73 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von SilverBullet » So 22. Nov 2015, 09:45

Thaddäus hat geschrieben:Das Gehirn rechnet überhaupt nicht. Du scheinst es dir in seiner Funktionsweise wie eine CPU vorzustellen. Genau das ist es aber nicht. Neuronen arbeiten nicht digital. Simulierte neuronale Netzwerke versuchen die Funktionsweise eines lernenden Gehirns nachzuahmen
Warum zählst du so viel auf, was das Gehirn nicht machen soll?
Sag ganz einfach, was das Gehirn macht.
Ich ziele nicht auf die Begriffe „CPU“ und „Binärsystem“ ab.

Ein Neuron sammelt Eingangspotentiale und gibt diese bei Überschreiten einer Grenzschwelle weiter („Alles oder Nichts“–Prinzip). Bereits das ist eine Berechnung, aber es geht natürlich erst so richtig los, wenn dies in einer Schaltung mit einer raffinierten Vernetzung durchgeführt wird.

Beispiele für Berechnungen:
Schau dir das Thema „Blinder Fleck“ an. Er ist bei beiden Augen vorhanden, doch irgendwie nicht „sichtbar“. Das Gehirn „ersetzt“ diesen Bereich durch eine statistische Glättung der Randdaten.
Insgesamt wird das „Sehbild“ extrem aufgearbeitet. Die Qualität, die wir bei ruhigen Bildern gewohnt sind, liefern die Augen gar nicht.
Das Gehirn führt Kontrastanpassungen auf Basis des aktuellen Umweltverständnisses durch. Das sind sagenhafte Effekte, die man kaum für möglich hält.

Allein die Verrechnung der zwei Sehbereiche (zwei Augen) zu einem „Sehbild“ mit einem Abstandsverständnis ist gigantisch.

Ich bin der Meinung, wir können froh sein, dass wir dem Gehirn eine Rechenleistung unterstellen können – alles andere wäre „Voodoo-Zauberei“.

Thaddäus hat geschrieben:Wenn man auf einen Schwebebalken balanciert, löst das Gehirn keine Differenzialgleichungen. Es hat vielmehr gelernt, Signale zu den richtigen Muskeln im rechten Arm zu senden, …
Oje, da bin ich mir nicht so sicher. Natürlich geschieht dies nicht in Form von Zahlen, aber über Daten und Schaltabläufe.

Versuche mal die „inverse Kinematik“ für die Armgelenke zu berechnen, damit sich die Hand auf einer grossen Kreisbahn im Raum bewegt („invers“ weil man vom Ergebnis zurückrechnet).
Ich habe gerade meine Hand in dieser Art bewegt und die Gelenke haben sich sagenhaft genau angepasst – coole Steuerung, coole Berechnung und mir kommt das Ganze auch noch spielerisch leicht vor.

Es gibt eine Ameise, die, egal wie zickzackförmig ihr Suchweg verlief, nach dem Auffinden von Nahrung geradlinig zurück zum Ausgangspunkt läuft.
Wie ist das möglich? -> Vektorrechnung.

Thaddäus hat geschrieben:Es ist recht albern, etwas infrage stellen zu wollen, was offensichtlich ist. Es ist nicht problematisch, im Zusammenhang mit Bewusstsein und Selbst-Bewusstsein von einem Beobachter zu sprechen. Es ist vielmehr hochgradig absurd, das Selbst-Bewusstein nicht als eine beobachtende Instanz ansehen zu wollen.
Nichts ist so absurd, wie die Behauptung einer Konstellation, die man nicht mit dem, was vorhanden ist, erklären kann.
Welchen Trick soll das Gehirn durchführen, um einen Beobachter entstehen zu lassen?
Was soll dieser Beobachter dann sein?
Wer hat jemals festgelegt, dass Bewusstsein eine „beobachtende Instanz“ voraussetzt?

Thaddäus hat geschrieben:Da habe ich gar nichts gegen einzuwenden. Nur gibt es in deiner Theorie nichts, was verstehen könnte.
Verstehen, so wie es als Bewusstsein vorliegt, ist für mich ein neuronaler „Umgang“ mit Bedeutungszusammenhängen auf Basis der „Überzeugung von Etwas“.

„Überzeugung von Etwas“ sehe ich als eine Art Festlegung innerhalb der Schaltauswertung an, also eine Einschränkung welche Bedeutungszusammenhänge eine Rolle spielen dürfen .

Wenn „ich Blau sehe“, dann kann es nur zu Bedeutungszusammenhängen kommen, die mit dem „Sehen von Blau“ umgehen. Zweifel oder gar eine Alternative (z.B. Blau als Ton zu verstehen) sind nicht möglich.
Genauso wenig ist es möglich „Blau“ zu analysieren.

Dieser „Zwang“ innerhalb der „Bedeutungsabläufe“ wird wiederum über das Existenzverständnis vertreten - Motto:
„da ist, hier und jetzt, etwas Konkretes, das auf mich einwirkt“. Durch das Existenzverständnis wird dieser „Zwang“ sozusagen gleich „erklärt“.
Es handelt sich (aus meiner Sicht) insgesamt um ein abgeschlossenes Konstrukt aus Bedeutungsmöglichkeiten.

Die Nicht-Analysierbarkeit der Bewusstseinsinhalte deutet exakt auf eine Festlegung durch das Gehirn hin.

Ich vermute: das Gehirn berechnet das Verstehen.

Thaddäus hat geschrieben:Dann vermag deine Theorie offenbar ein sehr bedeutsamens Faktum nicht zu erklären: nämlich das Vorhandensein von Bewusstsein und Selbst-Bewusstsein. Dann hat deine Theorie offenbar Lücken.
Wo spielt das „Vorhandensein von Bewusstsein“ eine Rolle? => „nur im Bewusstsein“
Stichwort: „Überzeugung von Etwas“

Ich erhebe keinen Anspruch philosophische Fantasien zu erfüllen.
Mir reicht es, wenn es am Schluss funktioniert.

Thaddäus hat geschrieben:Als transzendentales Subjekt bezeichnet man die Instanz, die vorausgesetzt werden muss, damit man von einem Subjekt sinnvoll sprechen kann. …das transzendentale Subjekt ist kein Ding, sondern eine Aktivitäts-Instanz, die vorausgesetzt werden muss, weil es Bewusstsein und Selbst-Bewusstsein gibt.
Das ist philosophisch so verklausuliert, dass es alles sein könnte.
Das aktive Gehirn siehst du aber offenbar nicht als diese „Aktivitäts-Instanz“ an.
Was dann die „Aktivitäts-Instanz“ sein soll, kannst du vermutlich nicht sagen, sonst hättest du es schon lange getan.

(Teil 2 folgt...)

SilverBullet
Beiträge: 2414
Registriert: Mo 17. Aug 2015, 19:04

#74 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von SilverBullet » So 22. Nov 2015, 09:46

Thaddäus hat geschrieben:Transzendental bedeutet: Was vorausgesetzt werden muss, als Bedingung für Erkenntnis.
Von wem vorausgesetzt?
Von den Philosophen, also von denen, die nicht wissen, wie es funktioniert?

Thaddäus hat geschrieben:Das Gehirn ist eine graue, weiche ca. 1500g schwere Masse bestehend aus Milliarden miteinander verschalteten Neuronen. Eine graue, weiche Masse kann nicht agieren.
Diese „graue Masse“ hat ein gigantisches Bedeutungszusammenhangspotential (Schaltabläufe).

Dass du es mit einer Waschmaschine und einem Staubsaugeroboter in Bezug setzt, deutet auf eine gewisse Oberflächlichkeit im Umgang mit den Möglichkeiten einer derartigen Wahrnehmungstechnik hin.

Bereits Konstellationen von wenigen Neuronen können erstaunliche Fähigkeiten abdecken. Ca. 300 Neuronen können ein Lebewesen mit mehreren Sinnesleistungen, einer komplizierten Muskelsteuerung (Stichwort Berechnungen – siehe oben) und einem Lernverhalten ausstatten.

Das menschliche Gehirn hat gigantisch mehr als 300 Neuronen.

Thaddäus hat geschrieben:Auch, wenn es kein Ich/Bewusstein/Selbst-Bewusstsein/Subjekt/Person/Selbst usw. ohne Gehirn gibt, so kann man nicht sinnvoll davon sprechen, dass Gehirn wolle dies oder das. Etwas wollen, kann nur Etwas, welches etwas wollen kann.
Ich sehe es so:
Im Gehirn kommt es zu Aktivitätssituationen, die ins Bewusstsein als ein „Wollen“-Verständnis eingerechnet werden.
Die Aktivität ist aber nur im Gehirn vorhanden.

Der sprachliche Umgang ist im Grunde immer problematisch, weil man entweder dem Bewusstsein eine ungerechtfertigte Eigenexistenz zuschreibt oder Bewusstseinszusammenhänge auf das Gehirn abbildet, wobei sie nur zu den Funktionen gehören, die das Gehirn durchführt und nicht zum Objekt selbst.

Thaddäus hat geschrieben:Nein. Ich bin kein Anhänger eines Begriffs. Wie sollte man Anhänger eines Begriffs sein können?
Ich halte aber die These, dass es emergente Phänomene der komplexen Hirnaktivität gibt, für nicht ganz unplausibel.
„Emergenz“ ist ein inhaltsleerer Begriff – übersetzbar mit „Schwupps, jetzt ist es für mich passiert“.
Ich kann nicht erkennen, auf welchem Fundament du deine Plausibilitätsprüfung aufbaust.
Ich kann auch nicht erkennen, wo dieses „Etwas“ sein soll, was durch das aktive Gehirn „emergieren“ soll. Wie sieht die Wechselbeziehung aus?

Thaddäus hat geschrieben:Nein, das ist Unsinn. Existenzdualismus gibt es zudem nicht, nur Substanzdualismus. Emergenz behauptet keine geistigen Substanzen.
Na ja, „Emergenz“ behauptet das „Andere, das keine Substanz sein soll“.
Es muss also etwas existieren (du sprichst von „Entstehen“), das nicht „nur“ dem entspricht, was da ist.
Da du keinen Inhalt liefern kannst, verwende ich den spärlichen Rest:
die behauptete Existenz, also eine andere Existenz -> Existenzdualismus.

Thaddäus hat geschrieben:Du kannst doch nicht einmal erklären, wie es zu Wahrnehmung überhaupt kommen kann!
Wie ich gesagt habe: jede Datenverarbeitung ist eine Form von Wahrnehmung.
Das Zustandekommen von Wahrnehmung ist kein Problem.

Die „Überzeugung von Etwas“ ist der unbekannte Bereich. Da es sich aber in einem Wahrnehmungssystem (Datenverarbeitung) abspielt, ist es vernünftig von reinen Bedeutungszusammenhängen auszugehen. Damit hat man einen Rahmen abgesteckt, der nur explizit verlassen werden kann – dieses Verlassen wurde noch nicht festgestellt.

Angenommen man könnte 10 Sekunden des Bewusstseins „aufzeichnen“, minuziös analysieren und in einzelne Bedeutungszusammenhänge aufteilen, dann wären diese Abläufe über eine Datenverarbeitung darstellbar.

Das Rätsel des Bewusstseins besteht (aus meiner Sicht) in der Aufspaltung in Einzelbedeutungszusammenhänge.
Exakt dies macht ein neuronales Netz, wenn es lernt.
Somit ist es sehr plausibel, dass das Gehirn mit Bedeutungszusammenhängen „arbeitet“, die nicht ins Bewusstsein eingerechnet werden und somit in unserem Verständnis und unserer Sprach keine Rolle spielen.
Bereits bei künstlichen neuronalen Netzen mit wenigen Innen-Neuronenschichten können die Fachleute nicht nachvollziehen auf welchen Bedeutungszusammenhängen sich die resultierende Funktion ergibt.
Das Bewusstsein kann vor diesem Hintergrund als eine einfache (notwendige) Koordinationsfunktion, sozusagen als eine kleine Teilmenge der genutzten Bedeutungszusammenhänge, betrachtet werden.

Ich denke, das Problem „das Bewusstsein zu durchschauen“ entsteht nur dadurch, dass es im Bewusstsein zur Überzeugung kommt, „Etwas“ zu sein. Das ist aber nicht weiter verwunderlich, denn es ist der Grundmechanismus, der Bedeutungszusammenhänge, die vom Gehirn berechnet werden.

Thaddäus hat geschrieben:Und wie weiß das Gehirn, dass es selbst es ist, das etwas vearbeitet? Wie kommt das gehirn dazu, die Bedeutung dessen zu erkennen, was es da verarbeitet?
Das Gehirn weiss es nicht.
Ich sage ja gerade, dass sich Wahrnehmung nicht selbst über die Inhalte analysieren kann.

Nie in der Gehirnentwicklung (640Mio Jahre) hatte das Gehirn einen Überblick über die physikalische Umwelt.
Allein aus den Zusammenhängen in den Sinnesdaten haben sich die Verstehabläufe gebildet. Die Mustererkennung ist eine (weitere) zentrale Fähigkeit von neuronalen Netzen (und damit auch von uns).
Bedeutung wird nicht „erkannt“, sie wird vergeben, in dem es zu neuronalen Schaltabläufen kommt.
Sehr viel davon sind „vererbte Strukturen“, aber das neuronales Netz teilt Datenzusammenhänge beim Lernen automatisch in Einzelbedeutungen auf (neue Neuronenschwellenwerte und Verschaltungen -> Plastizität).

Bei 640 Mio. Jahren, Vererbungs- und Mutationsmöglichkeiten (die vermutlich „oberhalb“ von normalen Körperzellen liegen) und evolutionären Zusammenhängen, haben sich viele Fähigkeiten gebildet (sogar sehr viele – ein ganzes Welt-Verstehkonstrukt).

Thaddäus hat geschrieben:Das Innere von Wahrnehmung?!
Bei der menschlichen Wahrnehmung ist das die „erste Person-Perspektive“ samt der "dortigen" Verstehkonstrukte (Farben, Töne, Gedanken, Emotionen, Schmerzen, usw.).

Thaddäus hat geschrieben:Neuronen werden nicht gewichtet
Ich spreche von der Gewichtung in den Neuronen, nicht von der „Gewichtung von Neuronen“. Hierbei ziele ich auf die Schwellenwerte ab.

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#75 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Pluto » So 22. Nov 2015, 10:31

Thaddäus hat geschrieben:Der Leinwand-Vergleich mag nicht glücklich gewählt sein, aber er suggeriert gerade keinen Humunculus im Gehirn.
Eine Leinwand ist natürlich eine sehr verführerische Analogie. Aber was nützt eine Leinwand, wenn Niemand hinschaut? Deshalb suggeriert jede Vorstellung einer Leinwand im Gehirn auch einen Betrachter, eben eine Art Homunculus am Steuerpult einer Maschine.
Doch seziert man das Gehirn wird man vergeblich nach Beidem suchen.

Thaddäus hat geschrieben:Phänomenologisch können wir den eigenen Bewusstseinsstrom beobachten(!). Das nennt man Selbst-Bewusstheit.
Das stimmt. Alle Erlebnisse laufen in der ICH Form ab. Das macht ja die Leinwand-Analogie so verführerisch.

Thaddäus hat geschrieben:Also muss es eine Instanz geben, die diese Selbst-Beobachtung ermöglicht. Es ist absurd, sie bestreiten zu wollen. Sie zu bestreiten ist ungefähr so realitätsfremd, wie zu bestreiten, dass ich sinnvoll davon sprechen kann, Kopfschmerzen zu haben.
Es ist aber genauso absurd eine Leinwand-Analogie zu errichten, wenn KEINER hinschaut.
Das ist es gerade, was das Gehirn zu so einem faszinierenden Studienobjekt macht: Selbst wenn der Gedanke in deinen Ohren noch so verführerisch klingen mag...
ES GIBT KEINE LEINWAND. :P

Thaddäus hat geschrieben:Unser komplexes Gehirn bringt bringt zweifellos am Ende unser Bewusstein und Selbstbeswusstein hervor. Alle Instanzen, von denen ich oben gesprochen habe, auch das transzendentale Subjekt, Ich oder Ego. Daran besteht kein Zweifel, wenn man nicht zu letztlich mystischen Erklärungen greifen will. Dennoch ist es ausgesprochen schwierig, die emergenten Eigenschaften des Gehirns zu erklären.
Das faszinierende ist doch gerade, dass die synchron schwingenden neuronalen Netzwerke ganz ohne Hilfsmittel wie Leinwände auskommen und dennoch Gedanken und Bewusstsein erzeugen können.

Thaddäus hat geschrieben:Du Pluto, scheinst mir jemand zu sein, der seine Hoffnungen ganz in die Neurowissenschaften steckt. Richtig hieran ist, dass philosophische Erklärungen neurowissenschaftlichen Forschungsergebnissen nicht widersprechen sollten. Richtig ist aber auch, dass die Neurowissenschaften bislang eigentlch gar nichts erklären können, zumindest nichts, was das Rätsel des Bewusstseins lüften könnte.
Ja. Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut.
Dennoch bin ich davon überzeugt, dass über kurz oder lang, die Neurowissenschaft die Mechanismen (Algorithmen?) die zum Denken und sogar dem Bewusstsein führen, entschlüsseln wird.

Thaddäus hat geschrieben:Ich habe in diesem Zusammenhang gerade das Buch des Starphysikers Michio Kaku Die Physik des Bewusstseins - Über die Zukunft des Geistes gelesen. Philosophisch ein eher naives Buch und voller Enthusiasmus für die kommenden technischen Möglichkeiten. Aber gut, der Mann ist ja auch Physiker, - man kann nicht alles können. ;)
Stimmt. Michio Kaku ist genial. Aber er macht den Fehler, alles (selbst die Physik) so weit vereinfachen zu wollen, dass seine Bücher und Filme naiv wirken.

Thaddäus hat geschrieben:Der slice and dice-Ansatz ist der aufwändigste, denn er kartiert jedes einzelne Neuron und alle seine Verschaltungen. Dabei wird das Gehirn in superdünne Scheibchen geschnitten, dann fotografiert und ein Computer analysiert das Bild und wertet es vollständig aus.
Das ist so, als würde man eine tote Hummel betrachten, und fragen, wie sie es jemals schafft zu fliegen.
So was geht nun mal am toten Objekt nicht.

Thaddäus hat geschrieben:Die Speicherung der Daten, die das Mikroskop liefert, ist logistisch ebenfalls bemerkenswert. Die größte kommerziell verfügbare Festplatte kann rund 1 Billion Byte (oder 1000 Gigabyte) an Information speichern. Sobald sein Projekt läuft, hofft Rubin, bei einer einzigen Taufliege pro Tag rund 1 Million Gigabyte an Daten einzuscannen; daher erwartet er, große Lagerräume mit Festplatten zu füllen. Da jedes Taufliegenhirn ein wenig anders ist, muss er zudem einige hundert solcher Gehirne scannen, um ein typisches Taufliegenhirn darstellen zu können. Wenn man vom Taufliegenhirn ausgeht, wie lange wird es dann wohl dauern, das menschliche Gehirn zu schneiden und auszuwerten? «In 100 Jahren wüsste ich gern, wie das menschliche Bewusstsein funktioniert. Das 10- bis 20-Jahre-Ziel ist es, das Taufliegen-Gehirn zu verstehen», meint Rubin."[/i]
Soweit ich es verstehe, besteht Rubins Ansatz darin, in naher Zukunft einen Computer mit der Intelligenz und Reaktionsfähigkeit einer Taufliege, zu bauen.
Man muss das positiv sehen, denn es wäre schon mal ein Anfang. ;)

Nebenbei bemerkt... Das ist schon einige Jahre her... 1000 Gigabyte Festplatten gibts bei Amazon für unter 50 Euro. Der heutige Standard in der Industrie liegt eher beim 10-50 fachen.

Thaddäus hat geschrieben:Tja, es wird wohl noch etwas dauern mit der Kartierung des menschlichen Gehirns. Und hat man es geschafft, dereinst in ferner Zukunft, ist es damit ja noch längst nicht getan. Es genügt keineswegs, nur ein Gehirn nachzubauen. Im Grunde muss man einen Menschen nachbauen.
Das ist mir viel zu linear gedacht.

Computer wurden in den 40-er und 50-er Jahren als Arbeiserleichterung in der Buchhaltung entwickelt. Sie sind nichts weiter als schnelle Rechenkünstler. Selbst die modernsten Smartphones und Tablets arbeiten immer noch mit derselben alten Technik von damals, nur dass man Chips mit 4 (oder mehr) CPUs verbaut.
Das ist aber das falsche Paradigma, weil es nicht mehr den Anforderungen unserer modernen meist auf Bildern gebauten Erkenntnisse gerecht wird. (Versuch mal bei YouTube einen Song zu finden, von dem du nur die Melodie im Kopf hast.)

Selbst Computer die aus vielen parallel geschalteten CPUs gebaut werden, werden niemals in der Lage sein, das menschliche Gehirn zu simulieren. Dazu muss ein ganz neuer technischer Ansatz her, der den Anforderungen von Morgen gerecht wird, und sich von der heute noch verwendeten alten Bus-Technologie (CPU und Speicher) völlig loslöst.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#76 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von closs » So 22. Nov 2015, 12:40

Materialistischer Agnostizismus contra spiritueller Agnostizismus.

Benutzeravatar
NIS
Beiträge: 2677
Registriert: Sa 2. Aug 2014, 15:01
Kontaktdaten:

#77 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von NIS » So 22. Nov 2015, 12:42

closs hat geschrieben:Materialistischer Agnostizismus contra spiritueller Agnostizismus.
GEIL! :lol:
Der Heilige Geist (Hauke)

WISSEN VON MACHT

Benutzeravatar
Thaddäus
Beiträge: 1231
Registriert: Sa 14. Sep 2013, 18:47

#78 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Thaddäus » So 22. Nov 2015, 19:42

@ SilverBullet

Ich erlaube mir im Folgenden unsere Diskussion kurz auf die Punkte zusammenzufassen, bei denen wir Konsens haben und bei denen unsere Ansichten abweichen. Falls du mit etwas nicht einverstanden bist, kannst du ja intervenieren und richtig stellen. Ich erlaube mir auch, nur eine Auswahl deiner Antworten herauszupicken und sie zu kommentieren: nicht, weil mir die übrigen egal wären, sondern weil ich etwas straffen möchte, um größere Übersichtlichkeit zu erreichen.

Konsens:
1. Konsens scheint mir grundsätzlich vorzuliegen bei der sehr wichtigen Frage, welche Rolle das Gehirn für die mentalen Fähigkeiten (inkl. Bewusstsein und Selbst-Bewusstsein) des Menschen spielt. Soweit ich sehen kann, sind wir beide der Auffassung, dass alle mentalen Fähigkeiten letztlich auf Aktivitäten des Gehirns zurückgeführt werden können (und also keine metaphysischen Zusatzannahmen gemacht werden müssen).
2. Wenn ich das richtig beurteile, gibt es kein 2.

Dissens:
1. Dissens scheint mir vorzuliegen bei der Frage, wie das Gehirn genau arbeitet.

2. Desgleichen scheint mir Dissens vorzuliegen bei der Frage, ob es Bewusstsein und Selbstbewusststein überhaupt gibt.

3. Dissens liegt weiterhin vor bei der Frage, wie die beobachtbaren Phänomene, die ich Bewusstein und Selbstbewusstsein nenne, genau zu umschreiben und wie sie zu erklären sind.

4. Wir haben offenbar unterschiedliche Auffassungen davon, was (der Begriff) Wahrnehmung genau bedeutet und was genau geschieht, wenn etwas (von einem Menschen) wahrgenommen wird.

5. Weiterhin haben wir unterschiedliche Auffassungen darüber, ob man einem Gehirn bestimmte Eigenschaften zuschreiben kann oder ob man diese Eigenschaften nur einer Person zuschreiben kann.

6. Dissens besteht auch in der Frage, was es bedeutet, dass ein Mensch seinen eigenen Bewusstseinsstrom beobachten kann. Es ist also strittig, was unter Beobachtung zu verstehen ist.

Vermutlich ist es sinnvoll, im Folgenden, diese unterschiedlichen Dissense auseinanderzuhalten und die Antworten jeweils einen dieser Punkte zuzuordnen, um die Diskussion nicht zu chaotisch werden zu lassen.

Unser Konsenspunkt macht klar, dass wir letztlich nie auf der ganz grundsätzlichen Ebene Dissens haben, welche Rolle das Gehirn spielt. Der wichtigste Dissenz besteht allerdings - so meine ich jedenfalls - in dem grundsätzlichen Punkt, ob es so etwas wie Bewusstsein und Selbstbewusstsein überhaupt gibt. Phänomenologisch gehe ich davon aus, dass es sie selbstverständlich gibt und nicht geleugnet werden können. Du scheinst mir das Vorhandensein von Bewusstsein und Selbstbewusstsein leugnen zu wollen.


SilverBullet hat geschrieben: Ein Neuron sammelt Eingangspotentiale und gibt diese bei Überschreiten einer Grenzschwelle weiter („Alles oder Nichts“–Prinzip). Bereits das ist eine Berechnung, aber es geht natürlich erst so richtig los, wenn dies in einer Schaltung mit einer raffinierten Vernetzung durchgeführt wird.
Neuronen sind - nach allem, was ich weiß - keine bloßen Ein-/Aus-Schalter. Wenn man überhaupt zu der Analogie elektronischer Bauteile greifen möchte, dann funktioniert ein Neuron mindestens so komplex wie ein Transistor, - vielleicht sogar wie ein integrierter Schaltkreis (was daran liegt, dass ein Dendrit im Menschenhirn nie bloß mit einem weiteren Dendriten verknüpft ist, sondern mit zahlreichen). Ich halte aber die Analogie zu elektronischen Bauteilen schon für problematisch.
Den Informatikern ist es gelungen, die neuronale Vernetzung des Gehirns irgend einer Nacktschnecke grundsätzlich nachzubauen. Das Ergebnis war, soweit ich weiß, dass die nachgebaute Schnecke sich so verhielt, wie die biologische Schnecke.
Das Problem besteht meiner Ansicht nach darin, dass so zwar vielleicht ein Schneckenhirn simuliert werden kann, die Komplexität eines Menschenhirns aber nicht, weil es jede Schaltplankonstruktion schlicht sprengt und Phänomene entstehen, die in einem Schaltplan auch gar nicht abgebildet werden können.

SilverBullet hat geschrieben: Ich bin der Meinung, wir können froh sein, dass wir dem Gehirn eine Rechenleistung unterstellen können – alles andere wäre „Voodoo-Zauberei“.
Ich bestreite keineswegs, dass das Gehirn zu ganz erstaunlichen Leistungen in der Lage ist.
Ich bestreite allerdings, dass das Gehirn in klassischer Weise rechnet.
Meiner Ansicht nach arbeitet das Gehirn eher nach bestimmten logischen Prinzipien, die über reine Rechenmodelle hinausgehen. Rechenmodelle suggerieren stets eindeutige Lösungen. Wendet man lediglich Rechenmodelle an, berechnet das Gehirn z.B. Differenzialgleichungen, wenn ein Mensch auf einem Schwebebalken balanciert. Zumindest sind wir versucht, diese Leistung des Gehirns so zu interpretieren. Meiner Ansicht nach ist das ein Fehlansatz.
Logische Sprachen dagegen können unter Umständen besser beschreiben, wie ein Hirn funktionieren könnte.

So könnte es eine grundsätzliche Erkenntnisgrenze geben, wenn ein Gehirn versucht, sich selbst vollständig - modellhaft - mathematisch zu verstehen. Diese Grenze bildet dann Gödels Unvollständigkeitsbeweis (wobei man hier mit Schlussfolgerungen sehr vorsichtig sein muss).
Gödel hat nachgewiesen, dass in einem hinreichend komplexen System (wie z.B. die Prädikatenlogik oder die Arithmetik) stets Aussagen ableitbar sind, über dessen Wahrheit oder Falscheit man innerhalb dieses Systems nicht entscheiden kann.

Das bedeutet: in keinem hinreichend komplexen System können alle wahren Aussagen über das System und alle falschen Aussagen über es zwingend abgleitet werden. Und das bedeutet letztlich, dass sich kein hinreichend komplexes System (wie es das Gehirn mit seinen Verschaltungen zweifellos ist) jemals selbst vollständig begreifen kann.

Um diesen Beweis zu erbringen hat Gödel ein Verfahren angewendet, das man Gödelisierung nennt. Dieses Verfahren ist ein rekursives Verfahren, bei dem aufgestellte Sätze auf sich selbst angewendet werden. Möglicherweise ist dieses rekursive Verfahren ein Anhaltspunkt darauf, warum ein Gehirn seinen eigenen Bewusstseinsstrom beobachten kann.

SilverBullet hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Es ist recht albern, etwas infrage stellen zu wollen, was offensichtlich ist. Es ist nicht problematisch, im Zusammenhang mit Bewusstsein und Selbst-Bewusstsein von einem Beobachter zu sprechen. Es ist vielmehr hochgradig absurd, das Selbst-Bewusstein nicht als eine beobachtende Instanz ansehen zu wollen.
Nichts ist so absurd, wie die Behauptung einer Konstellation, die man nicht mit dem, was vorhanden ist, erklären kann.
Dass man etwas nicht erklären kann, bedeutet aber nicht, dass es nicht existiert.


SilverBullet hat geschrieben: Welchen Trick soll das Gehirn durchführen, um einen Beobachter entstehen zu lassen?
Das weiß ich nicht, aber offenbar kann es das!
Jeder Mensch kann selbst überprüfen, dass er einen Bewusstseinsstrom hat. Er kann beobachten, was er selbst gerade tut oder denkt, ja er kann sogar beobachten, wie er sich selbst dabei beobachtet, wie er etwas tut oder denkt.
Wir können andere Menschen auch danach fragen, was sie gerade tun und ob sie sich bewusst darüber sind, was sie tun. Ganz offensichtlich können Menschen diesbezüglich rekursive Beobachtungen anstellen und sie anderen Menschen auch mitteilen, wenn man sie danach fragt.

Jedes Erklärungsmodell, welches dieser Fähigkeit des Menschen/seines Gehirns nicht gerecht wird, hat offensichtlich ein Defizit.

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#79 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Pluto » So 22. Nov 2015, 20:28

Thaddäus hat geschrieben:Ich bestreite keineswegs, dass das Gehirn zu ganz erstaunlichen Leistungen in der Lage ist.
Ich bestreite allerdings, dass das Gehirn in klassischer Weise rechnet.
Meiner Ansicht nach arbeitet das Gehirn eher nach bestimmten logischen Prinzipien, die über reine Rechenmodelle hinausgehen.
Was unterscheidet denn deiner Meinung nach, das Gehrin von einer "Turing-Maschine"? Konkret, welche Vorgänge bringt das Gehirn hervor, die eine Turing-Maschine, wäre sie komplex genug, nicht ebenfalls hervorbringen könnte?

Thaddäus hat geschrieben:Rechenmodelle suggerieren stets eindeutige Lösungen.
Das war einmal... Heute rechnen die meisten Rechner mit "Fuzzy-Logic". Wie sonst könnte deine Handy-Kamera Gesichter erkennen und sie einrahmen?

Thaddäus hat geschrieben:So könnte es eine grundsätzliche Erkenntnisgrenze geben, wenn ein Gehirn versucht, sich selbst vollständig - modellhaft - mathematisch zu verstehen.
Das ist auch nicht Zweck des Gehirns. Das Gehirn ist als Organ entstanden und seine Funktionen dienen dem Erhalt der Homöostase des Körpers. Wie der holländische Hirnforscher Dick in Wir sind unser Gehirn sinngemäß schreibt, ist das Gehirn ein Organ wie die Niere. Die Aufgabe der Niere ist, Schad- und Abfallstoffe auszuscheiden; Aufgabe des Gehirns ist es die Prozesse des Körpers zu steuern.

Dass beim Menschen diese Fähigkeiten weit über die emotionalen Grundfunktionen einer Nacktschnecke hinaus gehen, und sogar Sprache, Kunst, Musik und Literatur hervorzubringen in der Lage ist, ist meine Erachtens ein Nebenprodukt der planerischen Fähigkeiten dieses komplexen Organs.
Planung war eines der alles entscheidenden Merkmale des Gehirns.
Einmal erfunden, war die Fähigkeit Aktionen zu planen (nebeb dem symbolhaften Denken), zu einem einzigartigen Erfolgsmerkmal, weil es dem Menschen ermöglichte, diverse Alternativen (in Flucht und Angriff) im Gehirn durchzuspielen, ohne sich vom Fleck zu rühren. Der konsequente Einsatz der Symbolik in der Kommunikation mit anderen Wesen der eigenen Art führte nicht nur zur Sprache, sondern machte uns auch zu den sozialsten Lebewesen überhaupt — nur der Mensch ist in der Lage, sowohl im Familien- als auch im Sippenverbund zu leben.

Thaddäus hat geschrieben:Diese Grenze bildet dann Gödels Unvollständigkeitsbeweis (wobei man hier mit Schlussfolgerungen sehr vorsichtig sein muss).
E-ben... ;)

Thaddäus hat geschrieben:Das bedeutet: in keinem hinreichend komplexen System können alle wahren Aussagen über das System und alle falschen Aussagen über es zwingend abgleitet werden. Und das bedeutet letztlich, dass sich kein hinreichend komplexes System (wie es das Gehirn mit seinen Verschaltungen zweifellos ist) jemals selbst vollständig begreifen kann.
Nochmals... Gödels Unvollständigkeitsbeweis muss man wirklich sehr vorsichtig anwenden.

Ich vermag nicht zu erkennen wieso hier Gödel zur Anwendung kommen sollte.
Konkret, warum sollte es notwendig sein, um die Funktionsweise des Gehirns im Modell zu verstehen, jede einzelne Aussage des Systems zu verstehen?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Benutzeravatar
Thaddäus
Beiträge: 1231
Registriert: Sa 14. Sep 2013, 18:47

#80 Re: Sein und Wahrnehmung II

Beitrag von Thaddäus » So 22. Nov 2015, 21:24

Pluto hat geschrieben: Was unterscheidet denn deiner Meinung nach, das Gehrin von einer "Turing-Maschine"? Konkret, welche Vorgänge bringt das Gehirn hervor, die eine Turing-Maschine, wäre sie komplex genug, nicht ebenfalls hervorbringen könnte?
Nun, die Turing-Maschine ist zunächst keine wirkliche Maschine, sondern ein mathematisches Konstrukt. Turing selbst hat dankenswerter Weise gleich selbst die Grenzen einer Turing-Maschine mit beschrieben: so kann eine Turing-Maschine das Entscheidungsproblem nicht lösen und nicht einmal das Halteproblem. Ein Gehirn verfängt sich nicht in endlos rekursiven Schleifen und es kann in der Regel auch klare Entscheidungen treffen. Man könnte sich allenfalls darüber unterhalten, ob nicht bestimmte Formen von Geisteskrankheit hier Ähnlichkeiten aufweisen.
Eine Turing-Maschine kann dabei helfen, gewisse Hirnfunktionen besser zu verstehen (und auch die philosophische Beschreibung des Leib-Seele-Problems zu präzisieren). Sie hilft aber nicht dabei, das Gehirn in allen seinen Eigenschaften zu verstehen.

Pluto hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Rechenmodelle suggerieren stets eindeutige Lösungen.
Das war einmal... Heute rechnen die meisten Rechner mit "Fuzzy-Logic". Wie sonst könnte deine Handy-Kamera Gesichter erkennen und sie einrahmen?
Eben, das meine ich ja gegenüber Silverbullet: gewisse logische Modelle können Hirnfunktionen weitaus besser beschreiben als mathematische (weil etwas nicht konkret mathematisch fassbar ist).
Fuzzy-Logic ist geeignet, zu Ergebnissen zu führen, wenn keine klaren mathematischen Beschreibungen des Sachverhaltes möglich sind. Ob das Gehirn mit so etwas wie Fuzzy-Logic arbeitet, wissen wir nicht. Immerhin können mit ihr adäquate Beschreibungen gewisser Phänomene geliefert werden, die wir beim Menschen beobachten können.

Pluto hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:So könnte es eine grundsätzliche Erkenntnisgrenze geben, wenn ein Gehirn versucht, sich selbst vollständig - modellhaft - mathematisch zu verstehen.
Das ist auch nicht Zweck des Gehirns. Das Gehirn ist als Organ entstanden und seine Funktionen dienen dem Erhalt der Homöostase des Körpers. Wie der holländische Hirnforscher Dick in Wir sind unser Gehirn sinngemäß schreibt, ist das Gehirn ein Organ wie die Niere. Die Aufgabe der Niere ist, Schad- und Abfallstoffe auszuscheiden; Aufgabe des Gehirns ist es die Prozesse des Körpers zu steuern.
Wenn das so stimmen würde, brauchte der Mensch nur sein Stammhirn. Offensichtlich findet alles wirklich Interessante im menschlichen Hirn aber im Großhirn statt. Will sagen: Dick ist ein Idiot, der die Komplexität des Gehirns maßgeblich unterschätzt. ;)

Pluto hat geschrieben: Dass beim Menschen diese Fähigkeiten weit über die emotionalen Grundfunktionen einer Nacktschnecke hinaus gehen, und sogar Sprache, Kunst, Musik und Literatur hervorzubringen in der Lage ist, ist meine Erachtens ein Nebenprodukt der planerischen Fähigkeiten dieses komplexen Organs.
Planung war eines der alles entscheidenden Merkmale des Gehirns.
Ich stimme mit dir insoweit überein, als Planungsaufgaben sicherlich wesentlich zum evolutionären Erfolg des Gehirns/des Homo Sapiens beigetragen haben. Es ist aber die Frage, ob das, was du als Nebenprodukte bezeichnest, nicht viel mehr zum Erfolg des Menschen/seines Gehirns beigetragen haben. So z.B. der Umstand, dass er sich Geschichten über Helden erzählt, seit er das lagerfeuer und die Sprache erfunden hat. Auf diese Weise kann der Mensch nämlich gewisse evolutionär relevante Verhaltensweisen fiktional und imaginativ vorwegnehmen bzw. beschreiben und vor allem anderen Gehirnen/Menschen mitteilen. Beispielsweise die Bedeutung von Tapferkeit und Mut im Kampf oder bei der Jagd.
Die Bedeutung von etwas (vor allem von sprachlichen Ausrücken) zu erfassen ist z.B. etwas, das mathematisch nicht erfassbar ist. Dies führt schließlich zur Diskussion über Qualia. Frege hat in diesem Zusammenhang die sehr wichtige Unterscheidung zwischen Sinn und Bedeutung getroffen.
Die Bedeutung der beiden Ausdrücke Morgen- und Abendstern ist der Planet Venus. Dennoch sind die Ausdrücke Morgenstern und Abendstern offensichtlich nicht identisch. Vielmehr unterscheiden sie sich in ihrem Sinn.

Pluto hat geschrieben: Einmal erfunden, war die Fähigkeit Aktionen zu planen (neben dem symbolhaften Denken),
Das von mir fett Gesetzte dürfte in diesem Satz das Wichtigste sein: symbolhaftes Denken.

Pluto hat geschrieben: Ich vermag nicht zu erkennen, wieso hier Gödel zur Anwendung kommen sollte.
Konkret, warum sollte es notwendig sein, um die Funktionsweise des Gehirns im Modell zu verstehen, jede einzelne Aussage des Systems zu verstehen?
Weil die Neurowissenschaft z.B. versucht das Gehirn auf neurologischer Grundlage wissenschaftlich zu verstehen. Das bedeutet im Idealfalle, dass sie nur wahre Aussagen über das Gehirn macht. Heraus kommen sollte im Idealfall eine vollständige Beschreibung der Funktionsweise des Gehirns mit einer endlichen Anzahl von wahren Aussagen. Dies ist nach Gödel nicht möglich.

Antworten