Hexerei, Zauber bzw. schwarzes Magie.

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sven23
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#321 Re: Hexerei, Zauber bzw. schwarzes Magie.

Beitrag von sven23 » Fr 20. Nov 2015, 16:31

closs hat geschrieben:Wenn im Namen der Wissenschaft (!!) gesagt wird, Jesus habe eine Naherwartung gehabt - also nicht in Bezug auf Text-Quellen, sondern in Bezug auf Jesus selbst - ist das ein weltanschaulicher Eingriff. - Nicht, dass man das nicht dürfte - aber man darf es nicht im Namen der Wissenschaft.
Die neutestamentliche Forschung bezieht sich doch auf die Text-Quellen, weil was anderes gar nicht zur Verfügung steht. Und der Jesus der Textquellen hatte eine Naherwartung, davon geht die Mehrheit in der Forschung aus.
Wenn du sagst, der "echte" Jesus, der im Gegensatz zu den Textquellen steht, habe aber keine Naherwartung gehabt, dann mußt du auch erklären, worauf du diese Behauptung stützen willst.

closs hat geschrieben: Es gibt innerhalb der Theologie (nach dem, was ich höre) keinen Konflikt zwischen Wissenschaft und geistiger Deutung - es kracht nur dann, wenn es vermischt wird.
Der Konflikt ergibt sich zwangsläufig, wenn die geistige Deutung auf Fälschungen beruht.
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closs
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#322 Re: Hexerei, Zauber bzw. schwarzes Magie.

Beitrag von closs » Fr 20. Nov 2015, 16:41

sven23 hat geschrieben:Und der Jesus der Textquellen hatte eine Naherwartung, davon geht die Mehrheit in der Forschung aus.
Wenn man jetzt mal alle Missverständnisse und möglichen Fehldeutungen weglässt: Da sind wir uns einig.

sven23 hat geschrieben:Wenn du sagst, der "echte" Jesus, der im Gegensatz zu den Textquellen steht, habe aber keine Naherwartung gehabt, dann mußt du auch erklären, worauf du diese Behauptung stützen willst.
Erstens auf vollständig unterschiedliche Deutungen vieler Text-Stellen (es blieben bei mir ca. ein Hand voll Text-Stellen übrig, die wirklich eindeutig in Deinem Sinne sind). - Zweitens auf gesamt-biblische Zusammenhänge (einige Motive hatte ich genannt).

Und genau so scheint die kanonische Exegese zu funktionieren: Wir stellen das alles in einen größeren Lichtkegel - et voilà. - Dieses Vorgehen wird von der einen wissenschaftlichen Richtung als Ablenkung o.ä. interpretiert - umgekehrt sagt die die andere wissenschaftliche Richtung: "Nur so geht's"

Das ist ein weltanschaulicher Kampf innerhalt der Wissenschaft und führt weit hinein in wissenschafts-theoretische Fragestellungen. - Also alles nicht so einfach.

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sven23
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#323 Re: Hexerei, Zauber bzw. schwarzes Magie.

Beitrag von sven23 » Fr 20. Nov 2015, 16:50

closs hat geschrieben:Wenn man jetzt mal alle Missverständnisse und möglichen Fehldeutungen weglässt: Da sind wir uns einig.
Super :thumbup:

closs hat geschrieben: Und genau so scheint die kanonische Exegese zu funktionieren: Wir stellen das alles in einen größeren Lichtkegel - et voilà. - Dieses Vorgehen wird von der einen wissenschaftlichen Richtung als Ablenkung o.ä. interpretiert - umgekehrt sagt die die andere wissenschaftliche Richtung: "Nur so geht's"

Das ist ein weltanschaulicher Kampf innerhalt der Wissenschaft und führt weit hinein in wissenschafts-theoretische Fragestellungen. - Also alles nicht so einfach.
Die kanonische Exegese wurde als Gegenmodell zu HKM eingeführt, weil konservative Theologen zu ihrem Leidwesen mit ansehen mußten, wie die historisch kritische Methode das Jesusbild Stück für Stück demontierte. Es blieb nicht mehr viel übrig vom biblischen Gottessohn.
Also entwarf man ein reines Glaubensmodell, das zudem noch in Dogmen verpackt wird. Vereinfacht ausgedrückt sagen Kanoniker: ganz egal, was die HKM noch alles aufdeckt: wir glauben, weil wir glauben wollen. Daß man damit den Boden wissenschaftlicher Arbeitsweise verläßt, braucht nicht sonderlich erwähnt zu werden.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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Pluto
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#324 Re: Hexerei, Zauber bzw. schwarzes Magie.

Beitrag von Pluto » Fr 20. Nov 2015, 17:11

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Siehst du. Und genau dasselbe könnte man von der Hermeneutik und den Glaubensdogmen sagen. Nur das dies die größte Kontamination der letzten 2000 Jahre war.
Ja - ganz richtig. - Da schlägt das Pendel mal dahin und mal dorthin.
Erst kam die vorgeschichtliche Zeit wo jeder Baum, Berg und Fluss seinen eigenen Gott hatte. Dann kam die Zeit des Polytheismus (Ägypten, Griechenland, Rom). Auch die Bibel spricht von der Zeit der Elohim (Götter). Danach kam der Pseudo-Monotheismus, wo man einen der Götter über die anderen erhob, wie Ra, Zeus oder Jupiter oder auch Jahwe. Von dort zum einzigen allmächtigen Herrn war es nur ein kleiner weiterer Schritt.

Heute sind wir so weit, dass wir die Kultur der 10'000 Götter hinter uns lassen können.

Wo siehst du da einen Pendel?

Das ist bloß Fortschritt in eine Richtung. Einige Wenige wie Herr Ratzinger wollen es nur noch nicht so Recht wahrhaben.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Selbstverständlich befasst sich die Philosophie der Moderne und Postmoderne mit geistigen Fragen (ist doch der Sinn der Philosophie).
Das ist wieder mal eine Frage der Definition von "Geist".
Sagte ich das nicht auch schon?
  • Nur... das Verständnis von Geist wurde in den letzten 100 Jahren entmystifiziert.
    Es ist nicht mehr das mysteriöse und nebulöse metaphysische "Etwas".

closs hat geschrieben:Wenn man, was man zu vermuten hat, "Geist" als etwas Materiell-Kognitives versteht, hast Du recht - aber es ist etwas anderes, als was man früher darunter verstanden hat ("Transzendenz-Fähigkeit").
Das Schlüsselwort lautet "Entmystifizierung".

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Dass diese Erkenntnis auf Widerstand von spirituell denkenden Menschen wie bspw. Ratzinger stößt, ist verständlich
Ja - weil damit Verschiedenes unter gleicher Flagge läuft.
Nein. Durch die Arbeit der Philosophie wurde das alte Verständnis von "Geist" entmystifiziert. Das nennt man Paradigmenwechsel.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Könnte der Grund nicht darin liegen, dass man heute endlich richtig liegt, so wie es im alten Lied aus den 60-er Jahren besungen wird?
Nicht falsifizierbar.
Ich fragte lediglich ob so ein solcher Grund vorliegen könnte.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Warum sollte es unterschiedliche Regeln für den Alltag geben?
Nein, das nicht. - Die Aussage ist: Das, was ins Materielle gehört, kann man getrost im Sinne der naturwissenschaftlichen Wahrnehmung verstehen.
Das Problem ist, wie begründet man, dass es mehr gibt?

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Es ist ein Denken wie beim kleinen Jungen, der sowohl den Weggen als auch den Groschen für sich beansprucht.
Wenn man es so handhaben würde - ja. - Dem gegenüber steht der Junge, der die Hand vor die Augen hält und fragt: "Mama - siehst Du mich?".
Und die Mutter bejaht.
Du scheinst immer noch an der Illusion zu hängen, dass der Mond nur dann existiert wenn man hinschaut.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#325 Re: Hexerei, Zauber bzw. schwarzes Magie.

Beitrag von closs » Fr 20. Nov 2015, 18:09

sven23 hat geschrieben: Vereinfacht ausgedrückt sagen Kanoniker: ganz egal, was die HKM noch alles aufdeckt: wir glauben, weil wir glauben wollen.
Was hat denn die HKM aufgedeckt? - Natürlich hat sie Rezeptions-Irrtümer der Vergangenheit aufgedeckt. - Aber wo hat sie was substantiell aufgedeckt?

Das Problem aus meiner Sicht: Dem, was die HKM wissenschaftlich beobachtet, wird zu stark weltanschaulich verwertet. - Insofern sagt der Kanoniker: "Liebe HKM, wir brauchen Euch als Wissenschaftler und nicht als Ausleger". - Problem: "Auslegung" und "Exegese" wird gelegentlich synonym verwendet - da scheint es einiges Durcheinander zu geben.

sven23 hat geschrieben: Daß man damit den Boden wissenschaftlicher Arbeitsweise verläßt, braucht nicht sonderlich erwähnt zu werden.
Da gibt es zwei völlig unterschiedliche Antworten:
1) Auslegung KANN gar nicht wissenschaftlich sein - hat dann also gar nichts bei der HKM zu suchen. - Oder ganz anders:
2) Nach heutigem wissenschafts-theoretischen Standard sind sowohl HKM-Auslegung und kanonische Auslegung wissenschaftlich.

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#326 Re: Hexerei, Zauber bzw. schwarzes Magie.

Beitrag von sven23 » Fr 20. Nov 2015, 18:17

closs hat geschrieben:Was hat denn die HKM aufgedeckt? - Natürlich hat sie Rezeptions-Irrtümer der Vergangenheit aufgedeckt. - Aber wo hat sie was substantiell aufgedeckt?
Es geht nicht nur um Rezeption. Der biblische Jesus als Gottessohn und Erlöser ist eine mythologische Fiktion. Wenn das nicht substantiell genug ist, dann weiß ich auch nicht, was substantiell sein soll.

closs hat geschrieben: 2) Nach heutigem wissenschafts-theoretischen Standard sind sowohl HKM-Auslegung und kanonische Auslegung wissenschaftlich.
Da kanonische Exegese nicht ohne Glaubensdogmen auskommt, kann sie gar nicht wissenschaftlich sein.
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#327 Re: Hexerei, Zauber bzw. schwarzes Magie.

Beitrag von closs » Fr 20. Nov 2015, 18:21

Pluto hat geschrieben:Das ist bloß Fortschritt in eine Richtung. Einige Wenige wie Herr Ratzinger wollen es nur noch nicht so Recht wahrhaben.
Im nicht-naturwissenschaftlichen Bereich gibt es eher Rückschritt - was aber aus der vorherrschenden Denkweise nicht verstanden wird. - Und wenn mir dieses Forum etwas gebracht hat, dann das, dass ich jetzt verstehe, warum das so ist.

Pluto hat geschrieben:Sagte ich das nicht auch schon?
Ja - eben: Der moderne Geist-Begriff ist etwas ganz anderes als der notwendig mit Transzendenz-Fähigkeit verbundene vorherige Geist-Begriff. - Das ist so, als würde man ein Pferd "Kamel" nennen und daraus schließen, dass ein Kamel keine Höcker hat.

Pluto hat geschrieben:Das Schlüsselwort lautet "Entmystifizierung".
Genau. - Das ist exakt das, was ich eben beschrieben habe.

Pluto hat geschrieben:Durch die Arbeit der Philosophie wurde das alte Verständnis von "Geist" entmystifiziert.
Man hat einen neuen Begriff nach eigener Weltanschauung eingeführt - aber der alte ist doch nicht weg. - Kamele mit Höcker gibt es selbst dann, wenn man Pferde "Kamel" nennt.

Pluto hat geschrieben:Ich fragte lediglich ob so ein solcher Grund vorliegen könnte.
Da nicht falsifizierbar, kann man es nicht ausschließen. - Persönlich gehe ich NICHT davon aus.

Pluto hat geschrieben:Das Problem ist, wie begründet man, dass es mehr gibt?
"Geben KANN", ist erst mal die logische Aussage. - Dann bringt man Begründungen geistiger Natur (wie das halt in den letzten Jahrtausenden auch immer begründet wurde), die im besten Fall sehr plausibel, aber nie kritisch-rationalistisch nachweisbar sind. - So weit reicht Popper nicht.

Pluto hat geschrieben:Du scheinst immer noch an der Illusion zu hängen, dass der Mond nur dann existiert wenn man hinschaut.
Das war MEIN Argument denen gegenüber, die "Sein" als nicht-eigenständige Größe für möglich halten. - Hast Du die Seiten gewechselt? ;)

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#328 Re: Hexerei, Zauber bzw. schwarzes Magie.

Beitrag von closs » Fr 20. Nov 2015, 18:24

sven23 hat geschrieben:Der biblische Jesus als Gottessohn und Erlöser ist eine mythologische Fiktion.
Genau das meine ich damit: Weltanschauliche Aussagen aufgrund von Quellen-Untersuchungen - ohne direkten Kontakt mit dem Objekt der Untersuchung.

sven23 hat geschrieben:Da kanonische Exegese nicht ohne Glaubensdogmen auskommt, kann sie gar nicht wissenschaftlich sein.
Da such' Dir nochmal den Vortrag von Prof. "Hoy ...irgendwas", den Halman hier eingestellt hat.

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#329 Re: Hexerei, Zauber bzw. schwarzes Magie.

Beitrag von sven23 » Fr 20. Nov 2015, 18:30

closs hat geschrieben:Genau das meine ich damit: Weltanschauliche Aussagen aufgrund von Quellen-Untersuchungen - ohne direkten Kontakt mit dem Objekt der Untersuchung.
Wenn die HKM die Befundlage hat, daß das meiste an dem biblischen Jesus konstruiert ist, dann hat das nichts mit Weltanschauung zu tun, sondern ist ein Fakt. Das Negieren dieser Fakten wäre dagegen in höchstem Maße weltanschaulich geprägt.
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#330 Re: Hexerei, Zauber bzw. schwarzes Magie.

Beitrag von Münek » Fr 20. Nov 2015, 19:23

closs hat geschrieben:Das Problem aus meiner Sicht: Dem, was die HKM wissenschaftlich beobachtet, wird zu stark weltanschaulich verwertet. - Insofern sagt der Kanoniker: "Liebe HKM, wir brauchen Euch als Wissenschaftler und nicht als Ausleger". - Problem: "Auslegung" und "Exegese" wird gelegentlich synonym verwendet - da scheint es einiges Durcheinander zu geben.

Das Problem ist aus meiner Sicht Deine Unkenntnis:

Exegese (altgriechisch "exegesis") IST die Auslegung bzw. Interpretation von Texten. Deswegen ist die
synonyme Verwendung beider Begriffe korrekt. Exegeten sind Text-Ausleger.

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