Eine Überzeugung zu haben und sie auch argumentativ zu vetreten, muss tatsächlich nicht automatisch Unbelehrbarkeit bedeuten. Bei religiösen Überzeugungen ist genau dies aber zumeist der Fall. Dies liegt daran, weil sich ein fester und starker Glaube genau darüber definiert, dass er eben unerschütterlich ist. Genau das wird dann sogar als Ideal des Glaubens angesehen!Samantha hat geschrieben:Wer sich abbringen lässt, vertritt keine sichere Überzeugung und würde nur lügen und sich wichtig tun. Eine Überzeugung hat nichts mit Unbelehrbarkeit zu tun, ...Thaddäus hat geschrieben:Im Grunde ist die Sache sehr einfach, lieber Hemul.Hemul hat geschrieben: Verstehe nur Bahnhof-werde bitte konkreter. Danke im Voraus für Deine Antwort.
Du solltest dir selbst folgende Frage beantworten:
Gibt es irgend etwas, dass Thaddäus (oder ein beliebiger Anderer) schreiben könnte, das dich von einer oder mehrerer deiner Glaubensüberzeugungen abbringen könnte?
Wenn du das verneinst - wenn es also unmöglich ist, dass jemand etwas sagen könnte, so plausibel es auch ist - das dich trotzdem nicht von einer deiner Glaubensüberzeugung abbringen könnte; - dann bist du verloren. Dann bist du - unbelehrbar.
Dies meint nicht nur Unerschütterlichkeit gegenüber schlimmen Schicksalsschlägen z.B., sondern in aller Regel auch gegen jede Art von (mehr oder weniger gut begründeter) rationaler Kritik. So führen religiöse Überzeugungen meistens zu einer Immunisierungsstrategie beim Gläubigen, mit der er sich gerade auch gegenüber sehr guten kritischen Argumenten seinem Glauben gegenüber schützt.
Deshalb ist meine obige Frage eine Art Prüfungsfrage zum Grad der bereits stattgefundenen habenden Immunisierung eines gläubigen Menschen gegenüber jeder Form von Kritik. Jeder Gläubige muss sich diese Frage selbst beantworten. Gibt es aber nichts mehr, kein noch so gutes Argument, das der Gläubige als vernünftiges und starkes Argument durchaus erkennen kann, welches ihn aber trotzdem nicht von einer seiner Glaubensüberzeugungen abbringen könnte, dann ist er im Zustand vollständiger Immunisierung und er lebt nur noch einen Dogmatismus (weil er eben gegen jede Kritik immun geworden ist).
In der katholischen Kirche stellt das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes in Lehrfragen sogar eine sogenannte doppelt verschanzte Immunsierung dar.
Ein Philosoph z.B., der in eine solche Immunisierungsstrategie verfällt, ist damit gerade kein Philosoph mehr, denn in der Philosophie muss stets dem besten, also dem plausiblesten und einsichtigsten Argument gefolgt werden, auch dann, wenn dadurch zentrale und lieb gewonnene eigene Überzeugungen zusammenbrechen. Genau dies bedeutet intellektuelle Redlichkeit in der Philosophie, - aber auch in allen Wissenschaften, denn jeder Wissenschaftler ist verpflichtet, Falsifizierungen seiner Überzeugungen und besseren Argumenten gegen seine wissenschaftlichen Überzeugungen zu folgen, selbst dann, wenn sie dessen gesamtes Lebenswerk zerstören.
So ist es dem Philosophen Gottlob Frege gegangen, der mit mit seinen Die Grundlagen der Arithmetik nachzuweisen versuchte, dass sich die gesamte Mathematik auf logische Grundlagen zurückführen lässt. Bertrand Russell konnte Frege aber nachweisen, dass er einen fundamentalen logischen Fehler begangen hatte. Frege gestand ein, dass die Kritik Russels korrekt war, was bedeutete, dass 20 Jahre Arbeit an diesem Werk zunichte waren. Ähnlich erging es dem genialen Mathematiker David Hilbert.
Es geht nicht um Manipulation. Es geht wirklich um die Überzeugungskraft des besseren Arguments. Auch Gläubige besitzen Vernunft, weshalb auch sie erkennen können müssen, wann jemand ein wirklich gutes Argument vorbringt. Es sei denn, die Immunisierung ist bereits so stark fortgeschritten, dass er nicht mehr bereit ist, seiner Vernunft zu folgen.Samantha hat geschrieben: denn auch ein Wissenschaftler kann überzeugt sein, ohne unbelehrbar zu sein. Wer sich sicher ist, darf nicht manipulierbar sein.