Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
closs
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#2371 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Di 17. Nov 2015, 11:55

Pluto hat geschrieben:Alle Seins-Vorstellungen sind deshalb vom Menschen gemacht
Das ist IMMER so - auch in der Naturwissenschaft. - Insofern ist alles anthropozentrisch - das sagt im Grunde auch Descartes.

Hier jedoch wird der Begriff für den Fall negativ verwendet, dass man die eigenen Wahrnehmungs-Methodik zum Maßstab dafür macht, ob etwas sein darf oder nicht. - Richtig wäre: "Mit unserem Vorgehen können wir folgendes ... am Sein erkennen - wir behaupten nicht, dass es nicht andere Vorgeben geben könnte, die anderes erkennen". - Das ist dann NICHT anthropozentrisch, weil man das eigene Vorgehen nicht verabsolutiert.

Pluto hat geschrieben:Es wird immer weider behauptet, dass es mehr als die Falsifikation gibt um sich der Wahrheit zu nähern.
Richtig - nimm beispielsweise persönliche Erfahrungen/Erkenntnisse, die nicht falsifizierbar sind und trotzdem nahe der Wahrheit sein können. - Diese Nähe kann man doch nicht dadurch nehmen, dass man sagt: "Ätsch - nicht falsifizierbar".

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#2372 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Di 17. Nov 2015, 11:58

Savonlinna hat geschrieben:"Falsifizierbarkeit" ist doch überhaupt kein Kriterium dafür, ob man den Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge wahrnimmt.
Richtig - individuell ist das irrelevant.

Savonlinna hat geschrieben:Falszifizierbarkeit ist nicht DAS Wunderwort, nachdem alles entschieden wird.
MIR musst Du das nicht sagen. - Es geht hier mehr darum, wie man kritisch-rationalistisch gepolten Menschen klar machen kann, dass es Realitäts-Nähe auch auf nicht falsifizierbarer Ebene geben kann.

Savonlinna hat geschrieben:Da Du "Wahrnehmung" auf das reduzierst, was falsifizierbar ist
Da haben wir uns sehr missverstanden - meine Meinung dazu ist genau andersrum.

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#2373 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » Di 17. Nov 2015, 11:59

Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Es gibt jede Menge Möglichkeiten, Wahrheit und Lüge zu unterscheiden; Falszifizierbarkeit ist nicht DAS Wunderwort, nachdem alles entschieden wird.
Es wird immer weider behauptet, dass es mehr als die Falsifikation gibt um sich der Wahrheit zu nähern. Bisher konnte mir aber keiner erklären wie das gehen soll
Was sind denn diese "Möglichkeiten" von denen du sprichst?

Savonlinna hat geschrieben:Da Du "Wahrnehmung" auf das reduzierst, was falsifizierbar ist
Nochmal... was gibt es für konkrete Alternativen, die nicht in persönliche Willkür enden?
Ich werde demnächst versuchen, das zu erklären.
Dir, so wie ich Dich einschätze, kann man es nicht erklären. Du denkst, wie es aussieht, nicht philosophisch, und das muss man, um zu begreifen, dass man Holz nicht erfasst hat, wenn man es nur als Holz sieht und dass sein Sein nicht selbstverständlich ist.

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#2374 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » Di 17. Nov 2015, 12:01

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Falszifizierbarkeit ist nicht DAS Wunderwort, nachdem alles entschieden wird.
MIR musst Du das nicht sagen. - Es geht hier mehr darum, wie man kritisch-rationalistisch gepolten Menschen klar machen kann, dass es Realitäts-Nähe auch auf nicht falsifizierbarer Ebene geben kann.
Dir muss man aber sehr wohl sagen, dass die Alternative nicht das ist, was Du als Alternative siehst.
Nur darum habe ich diesen Text geschrieben.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Da Du "Wahrnehmung" auf das reduzierst, was falsifizierbar ist
Da haben wir uns sehr missverstanden - meine Meinung dazu ist genau andersrum.
Wie - genau andersherum?

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#2375 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Di 17. Nov 2015, 12:29

Savonlinna hat geschrieben:Wie - genau andersherum?
Seit Monaten erkläre ich hier, dass es auch geistige Wahrnehmung gibt, die NICHT falsifizierbar ist. - Seit Monaten kämpfe ich darum, dass die Falsifizierbarkeit von Wahrnehmung NICHT das Maß dafür ist, ob etwas "richtig" oder "falsch" wahrgenommen wird. - Genauso lang unterstreiche ich immer wieder, dass es unangebrachter Anthropozentrismus ist, wenn man den kritischen Rationalismus (Popper/Falsifizierung) zum Maßstab dafür nimmt, dass etwas "echt" sei - und somit alles andere "Phantasie"/"Illusion"/"Einbildung" (Tillich) sei.

Ich sage also auf verschiedenen Ebenen und ständig, dass die Falsifizierung weder ein notwendiges noch ein hinreichendes Kriterium ist, ob man etwas authentisch (also wahrheits-nah) wahrnimmt. - Dass es natürlich besonders erfreulich ist, wenn eine Wahrnehmung falsifizierbar ist, stimmt ja trotzdem - aber diese Falsifizierung ist nicht entscheidend für die Sache selbst.

Und Du scheinst mich diesbezüglich immer genau andersrum verstanden zu haben - kann ja an mir liegen, aber rätselhaft ist mir das schon.

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#2376 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » Di 17. Nov 2015, 12:43

closs hat geschrieben:
Tillich hat geschrieben: sondern es ist die Frage nach dem, was es bedeutet zu sein
Hier schlägt er den Bogen zur Verwertbarkeit von Sein: Was bedeutet Sein für uns.
Nein, das tut er nicht. Ganz im Gegenteil.
Er zeigt das im zitierten Text ja auf, was er meint.

closs hat geschrieben:- Keine Kritik, sondern lediglich der Hinweis, dass Tillich im Grunde sagt: "Was nützt Sein, wenn es nicht in Bezug zur Wahrnehmung ist". - Aus meiner Sicht ok.
Nein, das ist nicht ok, weil er das Gegenteil sagt.

closs hat geschrieben:
Tillich hat geschrieben:Die Ontologie ist das Zentrum aller Philosophie. Sie ist, wie Aristoteles sagte, "die erste Philosophie"
Ganz meine Meinung. - Ohne das sollte man das Wort "Philosophie" nicht in den Mund nehmen.
closs hat geschrieben:
Tillich hat geschrieben:Dieser Name war und ist unglücklich, weil er das Missverständnis weiterträgt, dass die Ontologie sich mit überempirischen Wirklichkeiten beschöftigt, mit einer Welt hinter der Welt, die nur in spekulativer Einbildung existiert.
Das ist jetzt aber ein Missverständnis.
Das ist aber ein Zitat von Tillich. Du hast das alles als meine Aussage zitiert, ich habe das hier korrigiert.

closs hat geschrieben:Selbstverständlich hat Tillich recht, wenn er sagt, dass man über-empirische Wirklichlichkeit nicht als spekulative Einbildung verstehen soll. -
Das sagt er ja gar nicht.
Sondern er sagt:
Tillich hat geschrieben:Dieser Name [Metaphysik] war und ist unglücklich, weil er das Missverständnis weiterträgt, dass die Ontologie sich mit überempirischen Wirklichkeiten beschaftigt, mit einer Welt hinter der Welt, die nur in spekulativer Einbildung existiert.
Ontologie beschäftige sich also überhaupt nicht mit überempirischen Wirklichkeiten.

closs hat geschrieben: Dass aber die Lehre vom Sein (Ontologie) nur empirischer Natur sein könne, ist auch nicht richtig.
Natürlich nicht. Das sagt er ja auch nirgends.

Man muss sich Zeit nehmen, um den zitierten Text zu verstehen.

closs hat geschrieben:Halt - und noch etwas: Tillich versteht vermutlich unter "empirisch",
Er hat das Wort "empirisch" überhaupt nicht benutzt, und es ist gar nicht sein Thema.

Wir können über den Text weiterreden, wenn Du ihn gelesen hast. ;)

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#2377 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Di 17. Nov 2015, 13:10

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Alle Seins-Vorstellungen sind deshalb vom Menschen gemacht
Das ist IMMER so - auch in der Naturwissenschaft. - Insofern ist alles anthropozentrisch.
Das ist bei Weitem nicht so, denn in der Naturwissenschaft gibt es strenge Methoden, die den Anthropozentrismus ausschließen. In der spirituellen Philosophie, Marke "Eigenbau" beruhen Dinge wie das Sein auf nichts mehr als die eigen Empfindung.

closs hat geschrieben:Hier jedoch wird der Begriff für den Fall negativ verwendet, dass man die eigenen Wahrnehmungs-Methodik zum Maßstab dafür macht, ob etwas sein darf oder nicht.
Nein. Am Sein ist gar nichts zu erkennen: Weder Erkenntnis noch Fakt. Genau das macht es so anthropozentrisch

closs hat geschrieben:Das ist dann NICHT anthropozentrisch, weil man das eigene Vorgehen nicht verabsolutiert.
Wenn man eigene Empfindungen nicht absolutiert, was macht man dann?

closs hat geschrieben:nimm beispielsweise persönliche Erfahrungen/Erkenntnisse, die nicht falsifizierbar sind und trotzdem nahe der Wahrheit sein können.
Inwiefern können sie nahe an der Wahrheit sein? Wie willst du das feststellen?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#2378 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » Di 17. Nov 2015, 13:42

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Wie - genau andersherum?
Seit Monaten erkläre ich hier, dass es auch geistige Wahrnehmung gibt, die NICHT falsifizierbar ist.
Den Begriff "geistige Wahrnehmung" benutzt Du hier seit Monaten?

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#2379 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Di 17. Nov 2015, 13:43

Pluto hat geschrieben:Das ist bei Weitem nicht so, denn in der Naturwissenschaft gibt es strenge Methoden, die den Anthropozentrismus ausschließen.
Den Methoden will niemand ans Leder - diese sind selbstverständlich NICHT anthropozentrisch.

Das Anthropozentrische des Naturalismus (es geht hier gar nicht um Wissenschaft) besteht darin, dass er über selbst-gemachte Methodik hinaus (wie gut diese Methodik aus sein mag) keinen Platz lässt für anderes: "WIR haben das methodisch SO geregelt, alles andere ist irrelevant" - DAS ist der Anthropozentrismus.

Pluto hat geschrieben:Am Sein ist gar nichts zu erkennen: Weder Erkenntnis noch Fakt.
Das ist richtig. - Egal ob das jeweilige Sein "Gott" oder "Gravitation" heisst: In beiden Fällen ist es nur zu erkennen, wenn es vom Menschen wahrgenommen wird - wenn es also anthropozentrisch zur Kenntnis genommen wird. - Darüber hinaus - und jetzt kommt Dein Punkt - gibt es natürlich signifikant unterschiedliche Ansätze, "Gott" oder "Gravitation" zu erkennen. Da hört's dann auf mit der Gleichheit.

Pluto hat geschrieben:Wenn man eigene Empfindungen nicht absolutiert, was macht man dann?
Sie sind der Wahrnehmungs-Zugang - ja. - Aber absolut setzt man sie nicht (siehe Descartes) - und vor allem setzt man die Ergebnisse der Wahrnehmung nicht absolut. - Man sagt nicht "Heuraka", sondern "Ich bin auf dem Weg zum Heureka".

Pluto hat geschrieben:Inwiefern können sie nahe an der Wahrheit sein?
Wenn's so ist, ist es so. - Wenn Du rückwärts an einen Abgrund hinläufst, bist Du nah am Abgrund, ob Du es weißt oder nicht.

Pluto hat geschrieben:Wie willst du das feststellen?
Objektiv nicht - aber welche Rolle spielt das faktisch? - Entweder Du bist nah oder nicht.

Das ist das eine: Das andere ist: Man läuft ja nicht immer rückwärts - insofern gibt es schon ein geistiges Gefühl, ob man halbwegs richtig oder falsch unterwegs ist. - Aber das ist individuell und nicht nethodisch falsifizierbar.

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#2380 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Di 17. Nov 2015, 13:45

Savonlinna hat geschrieben:Den Begriff "geistige Wahrnehmung" benutzt Du hier seit Monaten?
Ja - da wurde ich schon mehrfach zusammen-geschissen, weil "Wahrnehmung" nur physikalisch-sinnlich sein könne. - Ob ich es bei Dir benutzt habe, kann ich jetzt nicht sagen.

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