Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
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Münek
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#2211 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Münek » Sa 14. Nov 2015, 12:37

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Durch einen „Geist“(?) wächst ein Körper heran.
"SChöpfung kommt aus Gott", wäre in etwa die gängige Formulierung.

Einschränkung: Es ist eine "gängige Formulierung" nur für denjenigen, der den biblischen Schöpfungs-
mythos der Genesis glaubensmäßig verinnerlicht hat und für bare Münze nimmt.


Übrigens unterscheidet dieser Mythos zwischen Gott und Geist (Gen. 1,2): Nicht Gott schwebte
über dem Wasser, sondern sein Geist. Wenn Gott aber selbst "Geist ist", wozu bedarf es dann ei-
nes weiteren Geistes ?

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Münek
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#2212 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Münek » Sa 14. Nov 2015, 12:45

Savonlinna hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Wenn in der Naturwissenschaft Modelle/Theorien zur Beschreinbung der Wirklichkeit entwickelt werden, so wird diese offenbar als real vorausgesetzt. Ich denke, dies ist es, was closs mit "Setzung" meint.
Er wirft das den Naturalisten vor. Als sei das ein Problem der Naturalisten.
Ich habe mich eben bemüht, zu zeigen, dass die gesamte Wissennschaft davon ausgeht, dass Krebskrankheit real ist, dass Thomas Mann real ist, selbst wenn wir alle in der Matrix sind.

Bingo! :thumbup:

Und genau DAS scheint Kurt augenscheinlich nicht zu kapieren oder erkennen zu wollen.

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#2213 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Sa 14. Nov 2015, 12:54

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Prämisse 1: Alles kann bezweifelt werden.
Diese Prämisse ist ja auch aus Sicht von Descartes (und Augustinus) falsch: "Si enim fallor, sum" - das Ich kann eben NICHT bezweifelt werden.
Nee. Hatten wir schon.
Geht nur wenn man setzt, dass Gott nicht missgünstig ist.

closs hat geschrieben:Und jetzt? - Descartes glaubt (!) nicht an dieses Chaos. - Und wenn er dies fälschlich glaubte? - Was hieße das?
Dass Gott missgünstig ist.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ich könnte auch bei dem Argument ”Ich denke, also bin ich.“ getäuscht werden.
Wie das gehen soll, verstehe ich noch nicht. - Wie kann eine eigen-bewusst getroffene Aussage eine nicht-eigen-bewusst getroffene Aussage sein.
siehe oben.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es gibt kein allmächtiges Wesen, dass nicht will, dass wir getäuscht werden
O.o. - Das ist einer dieser Syllogismen - Du weisst, dass da faule Eier dabei sind.
Woher weißt DU, dass "faule Eier" dabei sind?

closs hat geschrieben:Was ist eine Sinnestäuschung? - Dass man ein Quadrat heller sieht, als es ist, weil dahinter eine dunkle Fläche ist? - Das kann man genauso als geniale Wahrnehmungs-Fähigkeit verstehen, situativ Kontraste zu schaffen, um besser wahrzunehmen. - Außerdem kann es wirklich möglich sein, dass der Mensch nicht perfekt wahrnimmt, um zu erkennen, dass er nicht das Maß ist. - Da gäbe es viele Interpretations-Spielräume - das hat nichts mit Logik zu tun.
Doch, doch, es ist durch und durch logisch. Man muss die Evolution der Wahrnehmung bloß verstehen.
Unsere Wahrnehmung entstand nicht um die Realität (Wahrheit) zu erkennen, sondern um das Überleben möglichst zu sichern.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Man kann also durchaus sagen, daß Descartes schon früh entzaubert wurde
Ach Du lieber Gott - nennst Du DAS entzaubern? -
Yep. Ich auch. :mrgreen:
closs hat geschrieben:Der erste diesbezüglich Ernstzunehmende scheint Putnam zu sein - aber seine 500 Seiten Argumentation werde ich mir in diesem Leben wahrscheinlich nicht mehr antun.
Vielleicht hilft diese Kurzfassung schon, dich von der Existenz der Welt zu überzeugen... In vier Schritten gegen die cartesische Skepsis
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Anton B.
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#2214 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Anton B. » Sa 14. Nov 2015, 13:16

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Induktion (lat. inducere ‚herbeiführen‘, ‚veranlassen‘, ‚einführen‘) bedeutet seit Aristoteles den abstrahierenden Schluss aus beobachteten Phänomenen auf eine allgemeinere Erkenntnis, etwa einen allgemeinen Begriff oder ein Naturgesetz.
Genau so verstehe ich es auch.

Jetzt nochmal meine Frage:
Wenn der Naturwissenschaftler Phänomene beobachtet und daraus auf eine allgemeine Erkenntnis schließt und man dies "Induktion" nennt: Warum nennst Du dann Naturwissenschaft "deduktiv" und nicht "induktiv". - Ich kapiere das wirklich nicht.

Pluto hat geschrieben:Genauer... aus einer Beobachtung entsteht ein allgemeines Modell
Das ist eindeutig "Induktion" - siehe Aristoteles. - Wobei ich korrigieren würde von "einer Beobachtung" in "viele Beobachtungen".

Pluto hat geschrieben: welches anschließend empirisch bestätigt wird: Das nennt man die deduktive Bestätigung des Modells (Theorie).
In zweiter Linie stimmt das dann: Man hat primär induktiv etwas festgestellt, was zu einer Hypothese berechtigt. - Dadurch findet es Eingang in die Methodik, innerhalb derer es deduktiv überprüft wird ("Ich beobachte nun auf meine Hypothese hin, um selbige zu falsifizieren").

Das ist ein inner-methodisches Verfahren - führt aber doch nicht dazu, dass Aristoteles unrecht hat.
Also ich weiß nicht, ob Pluto in einem Punkt es hier nicht auch falsch darstellt, er es zu salopp formuliert oder ich zu kritisch bin. Nämlich da, wo er sagt, aus einer oder auch mehreren bis vielen Beobachtungen "entstehe" ein Modell "induktiv". In nicht salopper Form anders ausgedrückt: Die Beobachtungen bzw. Wahrnehmungen induzieren das Modell. Genau so sei es ja auch, meint der closs dazu. Und genau dieser Fall würde dann auch treffend als "induktive Methode" der Wissenschaft bezeichnet werden.

Induktion meint hier, dass die Wahrnehmungen bzw. die Beobachtungen direkt auf logisch-rationaler Weise zum Modell führen. Gerade das, so hat der Popper philosophisch analysiert, ist eben nicht der Fall. Nicht der Fall, obwohl uns das "naiv" so vorkommt, denn bevor wir ein Modell kreieren, haben wir irgendwelche Wahrnehmungen, die wir rational, am liebsten mit einer Vorhersagequalität, verstehen möchten.

Logisch-rational, also wirklich induktiv, wäre die Methode, mit Hilfe von Statistiken Modelle generieren zu lassen. Übrigens wäre das schöne an der "induktiven Methode", dass wir uns von "Intersubjektivität" ein gutes Stück weiter in Richtung "Objektivität" bewegen könnten.

Alsio summa summarum eine ganz tolle Sache. Nur eben mit dem Nachteil: Es funktioniert nicht. Die logisch-rationale Methode, die von der Wahrnehmung zum Modell führt und sich nach außen auch noch fruchtbar erweist, gibt es nicht. Deshalb hat Wissenschaftstheorie spätestens seit Popper von der Vorstellung induktiver Methodik für Wissenschaften mit "empirischen" Untersuchungsgegenständen gelöst. Seitdem darf jeder, "hypothetisch" ein Modell entwickeln. Danach kommt der deduktive Teil der Ableitung von Beobachtungsvorhersagen und der Versuch der Falsifizierung. Eben die sogenannte hypothetisch-deduktive Methode

Aus gegebenem Anlass deshalb mal wieder:

  1. Modell machen

  2. Beobachtungsvorhersagen an tatsächlichen Beobachtungen prüfen

  3. Wenn tatsächliche Beobachtungen nicht zu den Beobachtungsvorhersagen passen, zurück zu (1)

  4. Beobachtungsvorhersagen zu einem Mittel einer Erwartungshaltung innerhalb einer Gewinnsituation machen

  5. Wenn das Risiko der Erwartungshaltung nicht belohnt wurde, Modell "bäh" finden und erstmal zurück zu (2)

  6. Wenn aus diesem Krimskrams, über alle Modelle hinweg, keine Belohnung resultiert, dann den ganzen Mist (= Naturwissenschaft) in die Tonne drücken
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#2215 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Anton B. » Sa 14. Nov 2015, 13:25

Pluto hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Also ich kann darauf nur antworten, zumindest die Naturwissenschaft hinterfragt da gar nichts, sondern liefert "einfach nur" der Wahrnehmung entsprechende Modelle.
Sehe ich anders. Ein Großteil der wissenschaftlichen Arbeit besteht darin, Modelle zu untersuchen, zu bestätigen oder zu widerlegen.Korrigiere mich, wenn ich das falsch sehe, aber darunter verstehe ich schon "hinterfragen".
Ist alles richtig, sofern es sich auf "naturwissenschaftliche Modelle" bezieht. Ich antwortete mit dem "... hinterfragt da garnichts .." auf die von Dir thematisierten "spirituellen Setzungen". Ich sehe wirklich nicht, inwiefern sich Naturwissenschaft mit "spirituellen Setzungen" auseinander setzt. Vielleicht sehe ich auch den von Dir gemeinten Umfang der "spirituellen Setzungen" falsch.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#2216 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Sa 14. Nov 2015, 13:27

Anton B. hat geschrieben:Also ich weiß nicht, ob Pluto in einem Punkt es hier nicht auch falsch darstellt, er es zu salopp formuliert oder ich zu kritisch bin.
Nein, bist du nicht. Mein Fehler... :oops:
In der Theoriebildung ist Induktion sogar notwendig.


Anton B. hat geschrieben:Aus gegebenem Anlass deshalb mal wieder:

  1. Modell machen

  2. Beobachtungsvorhersagen an tatsächlichen Beobachtungen prüfen

  3. Wenn tatsächliche Beobachtungen nicht zu den Beobachtungsvorhersagen passen, zurück zu (1)

  4. Beobachtungsvorhersagen zu einem Mittel einer Erwartungshaltung innerhalb einer Gewinnsituation machen

  5. Wenn das Risiko der Erwartungshaltung nicht belohnt wurde, Modell "bäh" finden und erstmal zurück zu (2)

  6. Wenn aus diesem Krimskrams, über alle Modelle hinweg, keine Belohnung resultiert, dann den ganzen Mist (= Naturwissenschaft) in die Tonne drücken
Richtig. Induktion wirkt NUR in der Phase der Modellierung. In der Überprüfung der Vorhersagen wird Deduktion angewandt.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#2217 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Anton B. » Sa 14. Nov 2015, 13:30

Savonlinna hat geschrieben:Diese beiden Punkte 1. und 2. verwechselt closs neuerdings andauernd.
Er verlangt von der Naturwissenschaft, dass sie "setzt", dass sie Punkt 1 so beantwortet: wir tun mal so, als ob alles keine Selbsttäuschung sei.

Punkt 1 wird aber niemals von einer Wissenschaft behandelt; höchstens von der Philosophie, sofern sie keine Wissenschaft ist (es gibt Bereiche, in denen auch sie Wissenschaft ist).

closs kritisiert letztlich nur die Verletzung von Punkt 2.
Er kritisiert zu Recht, wenn Natrualismus mit der Naturwissenschaft verwechselt wird.
Er kritisiert zu Untrecht, dass die Naturwissenschaft unterlasse, Punkt 1 als Prämisse zu setzen.
Ganz meine Meinung! Sehr gut formuliert.
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#2218 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Sa 14. Nov 2015, 13:33

Anton B. hat geschrieben:Ich sehe wirklich nicht, inwiefern sich Naturwissenschaft mit "spirituellen Setzungen" auseinander setzt. Vielleicht sehe ich auch den von Dir gemeinten Umfang der "spirituellen Setzungen" falsch.
Ich meine das so...

Wenn Jemand ein Modell erstellt, ist es für den neugierigen Naturwissenschaftler völlig normal dieses zu hinterfragen, in dem er/sie nach überprüfbaren Vorhersagen fragt. Macht das Modell keine solchen Vorhersagen, so gehört es revidiert, bzw. "in die Tonne gedrückt", wie du es formulierst.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#2219 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Anton B. » Sa 14. Nov 2015, 13:49

Halman hat geschrieben:Lass mich dies am Beispiel einer Schneeflocke anreißen: Als gläubiger Christ könnte ich argumentieren, dass die "künstlerische" Schönheit und Einmahligkeit für einen Schöpfer spricht.
Ein Chemiker wird allerdings die Entstehung von Schneeflocken ohne Gott erklären. Dabei wendet er den methodischen Atheismus an. Welche Weltanschauung er vertritt (ob atheistisch, christlich oder sonstwas) wird dabei nicht enthüllt. Ein redlicher christlicher Chemiker wird sich hier von einem atheistischen Chemiker nicht unterscheiden, wenn es darum geht, die Entstehung einer Schneeflocke chemisch zu erklären.
Nein, mit der Darstellung und der Strapazierung des "methodischen Atheismus" in Deinem Beispiel bin ich gar nicht einverstanden.

Der zentrale Schüssel ist wieder einmal der Wissensbegriff. Und der sagt nirgendwo explizit, ein Gott oder auch Übernatürlichkeit" sei auszuschließen. Er verlangt aber gemäß Definition für "Wissen" eine ausgeprägte Begründung und Rechtfertigung. Und wie der Hume gezeigt hat, schließen sich diese Ansprüche und übernatürliches Walten, letzteres dezidiert einbezogen in das Wissen, aus.

Der Chemiker braucht sich überhaupt nicht auf den "methodischen Atheismus" als "gesetzte" Position beziehen, er kann einfach so mit "natürlichen" Erklärungen arbeiten.

Und zur Setzungsdiskussion insgesamt: Ja, aus dem definierten Wissensbegriff, lassen sich Anforderungen an die Wissenschaft extrahieren, die möglicherweise auch als Setzungen gesehen werden können: Nämlich z.B., die Anforderung, das wissenschftlich generierte Wissen habe logisch-rationalen Ansprüchen zu genügen. Hier kann der closs ja mal Witterung aufnehmen.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#2220 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Anton B. » Sa 14. Nov 2015, 13:52

Pluto hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Ich sehe wirklich nicht, inwiefern sich Naturwissenschaft mit "spirituellen Setzungen" auseinander setzt. Vielleicht sehe ich auch den von Dir gemeinten Umfang der "spirituellen Setzungen" falsch.
Ich meine das so...

Wenn Jemand ein Modell erstellt, ist es für den neugierigen Naturwissenschaftler völlig normal dieses zu hinterfragen, in dem er/sie nach überprüfbaren Vorhersagen fragt. Macht das Modell keine solchen Vorhersagen, so gehört es revidiert, bzw. "in die Tonne gedrückt", wie du es formulierst.
Bringe doch mal ein Beispiel für eine solche, von den Naturwissenschaften hinterfragte spirituelle Setzung. Ich kann den Charakter einer solchen Setzung derzeit wirklich nicht einordnen.
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