Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
Pluto
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#2171 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Fr 13. Nov 2015, 12:53

Anton B. hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ich bekomme immer mehr den Eindruck, dass es irgendwie anrüchig sein soll, als Naturwissenschaftler spirituelle Setzungen zu hinterfragen. Wenn man es dann doch tut, wird es als Einmischung in Angelegenheiten gehalten, in denen die Wissenschaft nichts zu suchen hat.
Hatte das Savonnlina denn sagen wollen?
Nein, aber closs.

Anton B. hat geschrieben:Also ich kann darauf nur antworten, zumindest die Naturwissenschaft hinterfragt da gar nichts, sondern liefert "einfach nur" der Wahrnehmung entsprechende Modelle.
Sehe ich anders. Ein Großteil der wissenschaftlichen Arbeit besteht darin, Modelle zu untersuchen, zu bestätigen oder zu widerlegen.Korrigiere mich, wenn ich das falsch sehe, aber darunter verstehe ich schon "hinterfragen".
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#2172 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Fr 13. Nov 2015, 13:42

Pluto hat geschrieben:Nein, aber closs.
Stimmt. - Naturwissenschaft ist methodisch-atheistisch.

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#2173 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Fr 13. Nov 2015, 13:51

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Nein, aber closs.
Stimmt. - Naturwissenschaft ist methodisch-atheistisch.
Kann man akzeptieren wenn man die Gewissheit hat, dass spirituelle Setzungen methodisch hinterfragt werden. Die Praxis sieht aber anders aus.

Es herrscht die Willkür der jeweiligen Machthaber. Da werden dann Setzungen von oben zu nicht mehr hinterfragbaren Dogmen erklärt.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Savonlinna
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#2174 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » Fr 13. Nov 2015, 14:39

Anton B. hat geschrieben: Naturalismus und Materialismus sind aber Positionen, die eingenommen werden können oder nicht. Die Naturwissenschaft hat von sich aus gar keinen Bezug dazu. Und die Erkenntnis, Naturwissenschaft könne übernatürliches Wirken nicht erkennen, ist nicht identisch mit dem, was der "Naturalismus" formuliert.
Genauso ist es. Diese Verwechslung machen hier einige.
Das gilt im übrigen auch für die anderen Wissenschaften. Auch die Geisteswissenaften haben nicht den Auftrag, "übernatürliches Wirken" zu erkennen, falls damit "geistige Vorgänge" gemeint sind, die ich an dieser Stelle nicht weiter aufliste.

Anton B. hat geschrieben:In dem generellen Bestreben, Positionen wie Naturalismus und Materialismus zu identifizieren, wo vorgeblich nur von "der" Wissenschaft gesprochen wird, kann ich closs ja auch nur unterstützen. Dafür muss ihm der fachliche Inhalt der drei Termini natürlich klar sein.
Ich unterstütze das ebenfalls, sofern damit gemeint ist, dass die Naturwissenschaft keine Positionen wie Naturalismus und Materialismus "generiert".
Die Naturwissenschaft könnte genauso gut Christen und Buddhisten "generieren".
Da besteht kein Zusammenhang, nicht der geringste.

Darum ist es ein Denkfehler, zu glauben, die Naturwissenschaft könne Christentum widerlegen. Genauso kann ich behaupten, Naturwissenchaft könne den Materialismus widerlegen.
Beides ist gleichermaßen ein massiver Denkfehler.
Und solange der hier rumschwirrt, wird closs keine Ruhe geben.

Da ich selber aber der Meinung bin, dass Dummheit niemals ausstirbt, kann ich mich damit anfreunden, dass dieser dumme Denkfehler hier permanent gemacht wird, wenn die Leute, die ihn machen, sonst in Ordnung sind.

Anton B. hat geschrieben:Eine andere Sache ist die, dass der closs -- insbesondere in der Beziehung zu dem, "was der Fall ist" -- Anforderungen an die "Wissenschaft" stellt, die Wissenschaft nach unserem heutigen Kenntnistand gar nicht erfüllen kann. Das heißt, von diesen Ansprüchen ist Wissenschaft schon längst entlastet.
Hier kommt nun das große Fragezeichen.
Meiner Meinung nach hast Du, Anton, - möglicherweise - hier etwas falsch verstanden.
Noch mehr hat allerdings closs etwas falsch verstanden, und das hatte ich in meinem vorigen post zu diesem Thema zu erklären versucht, möglicherweise noch immer nicht von mir klar genug hingekriegt bzw. nicht selber klar genug auf den Punkt genau erfasst.

Es sind zwei Dinge:
1.
Alles, was im Universum abläuft, könnte Selbsttäuschung sein. Stichwort: Matrix.

2.
Jede Einzelwissenschaft hat ihre internen Setzungen.
Die Literaturwissenschaft setzt zum Beispiel - es ist eine mögliche Prämisse -, dass die angewandten literarischen Untersuchungsmethoden gültig sind - zum Beispiel, weil sie Tradition haben und bisher nicht grundlegend angezweifelt wurden.
Unabhängig von solcher Art Setzung ist eine methodisch angewandte literaturwissenschaftliche Untersuchung nichts wert. Die Gemeinschaft der als maßgeblich anerkannten Literaturwissenschaftler sind zu einem gewissen Prozentsatz intersubjektiv der Meinung, dass solche Untersuchungen wertvoll und sinnvoll seien.
Ein Literaturwissenschaftler, der auf der Basis des chinesischen "Tao" einen Roman literaturwissenschaftlich untersuchen will, macht dann eben diese Setzung: 'Meine Prämisse ist, dass das "Tao" geeignet ist, einen Roman sinnvoll und ergebnisinteressant zu untersuchen.

Diese beiden Punkte 1. und 2. verwechselt closs neuerdings andauernd.
Er verlangt von der Naturwissenschaft, dass sie "setzt", dass sie Punkt 1 so beantwortet: wir tun mal so, als ob alles keine Selbsttäuschung sei.

Punkt 1 wird aber niemals von einer Wissenschaft behandelt; höchstens von der Philosophie, sofern sie keine Wissenschaft ist (es gibt Bereiche, in denen auch sie Wissenschaft ist).

closs kritisiert letztlich nur die Verletzung von Punkt 2.
Er kritisiert zu Recht, wenn Natrualismus mit der Naturwissenschaft verwechselt wird.
Er kritisiert zu Untrecht, dass die Naturwissenschaft unterlasse, Punkt 1 als Prämisse zu setzen.

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#2175 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » Fr 13. Nov 2015, 14:42

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Nein, aber closs.
Stimmt. - Naturwissenschaft ist methodisch-atheistisch.
Nein, ist sie nicht. Das wäre schon ein Zugeständnis an ideologisches Deuten.

Wissenschaften haben rein gar nichts mit Weltanschauungen zu tun, also können sie auch nicht "methodisch-atheistisch" sein.
Wer das anders sieht, reicht dem Naturalismus schon neun Finger.

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#2176 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Fr 13. Nov 2015, 15:13

Pluto hat geschrieben:Kann man akzeptieren wenn man die Gewissheit hat, dass spirituelle Setzungen methodisch hinterfragt werden.
Sie können nicht im Sinne naturwissenschaftlicher Methodik hinterfragt werden. - Andererseits wirst Du bei der Lektüre von richtig guten Theologen/Philosophen sehr wohl methodisches Denken erkennen.

Pluto hat geschrieben: Da werden dann Setzungen von oben zu nicht mehr hinterfragbaren Dogmen erklärt.
Das ist an sich nicht das Problem - verstehe es als "Modell".

Savonlinna hat geschrieben:Wissenschaften haben rein gar nichts mit Weltanschauungen zu tun, also können sie auch nicht "methodisch-atheistisch" sein.
Genau das ist aber gemeint, wenn man vom "methodischen Atheismus" spricht: Weltanschauungs-Freiheit.

Das tatsächliche Problem sehe ich in der in der Praxis unklaren Abgrenzung zwischen Wissenschaft und Naturalismus/Materialismus.

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#2177 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Fr 13. Nov 2015, 15:29

Savonlinna hat geschrieben:Er kritisiert zu Untrecht, dass die Naturwissenschaft unterlasse, Punkt 1 als Prämisse zu setzen.
Da könnten wir uns einig werden - und ich meine sogar, dass ich dies auch schon so gesagt habe.

Wenn ein Naturwissenschaftler einen konkreten Forschungs-Auftrag in Angriff nimmt, ist es selbstverständlich NICHT nötig, solche philosophischen Fragestellungen zu aktivieren. - Man geht methodisch in die Arbeit hinein, wie man es gelernt hat - und gut ist. - Insofern Zustimmung.

Erkenntnis-Theoretiker - und ich erlaube mir, Popper dazu zu zählen, müssen das schon - und Popper tut es mindestens indirekt, wenn er am Anfang seiner Methodik-Ausführungen sinngemäß sagt: "Leute - mein Gegenstand ist das, was wir gemeinhin so als 'Realität' bezeichnen. - Sonne, Mond ud Sterne und Mikrokosmos usw. - Mit philosophischen Fragestellungen könnt Ihr mir gestohlen bleiben. - Mit anderen Worten: Ich setze, dass unsere Wahrnehmungen/Messungen 'real' sind. - Und übrigens: Ich bin kein Philosoph, sondern Methodiker".

Das war jetzt sehr salopp, kommt aber nach dem, was ich über Popper gelesen habe, recht gut hin. - Fein - schlauer Kerl - er macht's genau richtig.

Das eigentliche Problem ist die De-facto-Unschärfe zwischen "Naturwissenschaft" und "Naturalismus"/"Materialismus", die sich darin äußert, dass man immer wieder hört: "Ja WENN an einer spirituellen Welt etwas dran ist, dann muss sie irgendwie auch naturwissenschaftlich/kritisch-rational nachweisbar sein. - Dieser Ansatz ist genau so falsch wie unausrottbar.

Und dann kommt der Nächste Irrtum, der eigentlich der Grund für diesen Thread ist: "Wenn etwas nicht naturwissenschaftlich/kritisch-rational nachweisbar ist, dann ist es nicht "Sein"/"Realität", sondern "Fantasie"/"Erfindung" - also nicht "echt", sondern "Kopf-Kino". - Damit erstickt jegliche Diskussion zwischen Naturalismus und Spiritualismus im Keim, weil sie dogmatisch (und damit meine ich Naturalismus/Materialismus) abgewürgt wird.

Das ist das Problem, mit dem wir im Grunde seit Jahren zu kämpfen haben.

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#2178 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Fr 13. Nov 2015, 17:35

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Kann man akzeptieren wenn man die Gewissheit hat, dass spirituelle Setzungen methodisch hinterfragt werden.
Sie können nicht im Sinne naturwissenschaftlicher Methodik hinterfragt werden.
Das Problem ist ein anderes . Ich vermute spirituelle Setzungen werden überhaupt nicht hinterfragt, sondern basieren lediglich auf alten Überlieferungen

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Da werden dann Setzungen von oben zu nicht mehr hinterfragbaren Dogmen erklärt.
Das ist an sich nicht das Problem - verstehe es als "Modell".
ICH verstehe z. Bsp. das Postulat der Existenz Gottes als Modell.
Das Problem ist, die Theologie wird ermuntert, dies als Fakt zu akzeptieren und nicht zu hinterfragen.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Wissenschaften haben rein gar nichts mit Weltanschauungen zu tun, also können sie auch nicht "methodisch-atheistisch" sein.
Genau das ist aber gemeint, wenn man vom "methodischen Atheismus" spricht: Weltanschauungs-Freiheit.
  • Der methodologische Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt existiert und was nicht. - [Robert Pennock]
Will heißen, ein Wissenschaftler ist der Ergebnisoffenheit verpflichtet.

closs hat geschrieben:Das tatsächliche Problem sehe ich in der in der Praxis unklaren Abgrenzung zwischen Wissenschaft und Naturalismus/Materialismus.
Nein. Das tatsächliche Problem liegt ganz woanders, nämlich in der Weigerung vieler spiritueller Menschen, ihre eigenen naiv-romantischen Visionen methodisch zu hinterfragen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#2179 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » Fr 13. Nov 2015, 17:49

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Wissenschaften haben rein gar nichts mit Weltanschauungen zu tun, also können sie auch nicht "methodisch-atheistisch" sein.
Genau das ist aber gemeint, wenn man vom "methodischen Atheismus" spricht: Weltanschauungs-Freiheit.
Sehe ich deutlich anders. Aber ich kann das offenbar nicht vermitteln.
Es handelt sich um Nuancen, die aber verheerede Wirkung haben.

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#2180 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Fr 13. Nov 2015, 18:05

Savonlinna hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Wissenschaften haben rein gar nichts mit Weltanschauungen zu tun, also können sie auch nicht "methodisch-atheistisch" sein.
Genau das ist aber gemeint, wenn man vom "methodischen Atheismus" spricht: Weltanschauungs-Freiheit.
Sehe ich deutlich anders. Aber ich kann das offenbar nicht vermitteln.
Aus meiner Sicht...
In dem Schlagwort "methodisch-atheistisch" bezieht sich der Atheismus auf die Methode. Will heißen, man folgt der Methode, egal wohin sie führt.
Nur so kann man Ergebnisoffenheit gewährleisten.

Wie siehst DU es denn, Savonlinna?
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