closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Ich habe nie unreflektiert jegliches Empfinden als "Sein" bezeichnet - also gilt das nicht als Ausrede.
Du erweckst manchmal den Eindruck, als sei
"Realität" ein PRodukt von Ich und Sprache. - Ich sage nicht, dass Du das sagst, sondern dass es so rüberkommt. - Man hat also als Leser das Problem, einen wirklichen Anker zu finden, an dem Wahrnehmung hängt.
Was ich meinte: Die Sprache dient der Kommunikation. Sie benennt die eine Wasserquelle als "Brunnen", die andere als "Teich", damit man sie
unterscheiden kann. 'Hol Wasser aus dem Brunnen und nicht aus dem Teich.'
Das Wort 'Brunnen' ist also erfunden, um es vom 'Teich' zu
unterscheiden, und nicht, um das Wesen von 'Brunnen' zu ergründen.
Dem Kleinkind sagt man: 'Das ist ein Wauwau, das ist eine Miau.'
Auch hier dient das nur der Kommunikation, nicht der philosophischen Auslotung. Das Kleinkind soll nur wissen, dass Hund und Katze verschiedene Bezeichnungen haben, nicht aber, was ein Hund im philosophischen Sinne ist bzw. ob er nur ein Matrix-Produkt ist.
Das Kind also soll sinnvoll kommunizieren können, soll fragen können: "Wo ist der Hund?", damit die Mutter antworten kann: 'Der Hund ist auf dem Hof. Aber spiel doch mit der Katze, sie ist nebenan im Zimmer.'
Wenn das Kind in das Nebenzimmer läuft und mit der Katze spielt, ist der Beweis gegeben, dass das Kind "Hund und Katze" unterscheiden kann.
Die Sprache also will nur ein Minimum an Kommunikation ermöglichen. Sie sagt letztlich gar nichs über die Realität aus, Sprache beschreibt gar keine Realität. Sie dient nur dem menschlichen Miteinander.
Nur durch Gewöhnung kann es dann passeren, dass man vergisst, dass Sprache nur ein Hilfsgerüst ist und nicht das Wesen von etwas auslotet.
Genauso mit dem Verb "sein". Das Kleinkind fragt: "Was
ist das?" und deutet auf eine Fliege. Die Mutter sagt: "Das ist eine Fliege", und das Kind ist zufrieden, weil es nun ständig Fliegen wiedererkennen kann. "Fliege", sagt es begeistert, wenn da wieder so was kleines Schwarzes rumsurrt.
Dieses "ist" bezeichnet auch hier nur die Möglichkeit, Fliege von Biene oder anderem fliegenden Zeuch abzugrenzen - nicht aber, um das Wesen der Fliege bezüglich "Sein" auszuloten. "Sein" heißt nur: dat Dingen flattert da rum, und ich kann es von anderem Flatternden unterscheiden.
Sprache also benennt Sachen nur, damit wir uns zurechtfinden, nicht aber, um sie philosophisch auszuloten.
Die natürlichste Frage von der Welt für einen Philosophen aber ist: Was ist das Ding,
bevor ich es sprachlich benenne?
Das Benennen dient einem Zweck, dem Zweck der Unterscheidung.
Was aber ist der Teich, wenn ich von dieser Benennung gedanklich abstrahiere?
Wenn ich also davon abstrahiere, dass der Begriff "Teich" nur der Unterscheidung zu anderen Gewässern dient.
Zunächst war mir dann klar geworden, dass ich gedanklich immer auf die Sprache gehe. Ich müsste also auch mein "Denken", die ratio also, auf Null herabschrauben, damit ich erfassen kann, was "Teich" ist, bevor die ratio es zu einem Sprachding gemacht hat.
Kann ich das als Mensch überhaupt?
Gerade durch Descartes' "cogito, ergo sum" hatte ich begriffen - das ist rund vierzig Jahre her - , dass in dem Fall alles davon abhängt, ob es gelingen kann, die zur Gewöhnung gewordene Sprache wieder mir ungewohnt zu machen und damit auch das "in Sprache Denken" wieder ungewohnt zu machen.
Noch einmal, was ich damit meine:
Sprache nennt etwas "Fliege", damit es von "Biene" unterschieden werden kann, benennt damit aber nicht das philosophische Wesen von Fliege.
Die Gewohnheit kann einen aber dazu verführen, diesen Ursprung zu vergessen und stattdessen zu glauben, dass "Fliege" die Realität beschreibt, also die Fliege philosophisch auslotet.
Erinnert man sich aber wieder daran, dass diese Wörter nur dazu da sind, Sachen zu
unterscheiden, löst sich einem dieser "Film", der aus der Sprache besteht, von dem ab, was hinter der Sprache sein könnte. Oder unterhalb oder vor der Sprache.
So ist es mir irgendwann ergangen. Wörter dienen der Kommunkation, aber sie beschreiben kein Wesen. Mit diesem Bewusstsein laufe ich ständig rum.
Das Wort "Realität" kommt da eigentlich bei mir gar nicht vor. Auch dieses Wort dient ja nur der Kommunikation, hat keinen anderen Wert, sagt nichts über irgend etwas aus.
Bei mir hat sich zwar "der Film Sprache" abgelöst von meinen Augen, ich sehe ihn nur als Behelfsmittel, das nichts an sich beschreibt: aber was alles das, was ich ohne Sprache wahrnehme, ist, habe ich nicht ergründet.
Sprache hat nie den Anspruch gehabt, irgend eine "Wirklichkeit" zu beschreiben. Aber was jenseits der Bezeichnung ist, weiß ich nicht, obwohl ich jeden Tag darin lebe - so wie jeder andere Mensch auch darin lebt.
Wenn ich das als "Gott" bezeichnen würde, in dem ich jeden Tag lebe, aber sprachlich nicht erfassbar ist, hätte ich wieder einen Rückfall in die Sprache, die mir ja gar nicht vermitteln kann, in
was ich lebe jeden Tag. Also wäre die Benennung "Gott" ein Versuch, dem Sprachlosen zu entkommen.
Ich will dem aber nicht entkommen. Ich möchte im Gegenteil mehr davon wahrnehmen.
Mit "wahrnehmen" meine ich: das, was ständig wirkt, also ständig jenseits der Sprache vorhanden ist, bewusster zu bekommen.
Das Einzige, was ich davon weiß, ist: dass es schöpferisch ist. Thaddäus hat es angedeutet: es kann uns neue Räume eröffnen.