Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
SilverBullet
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#2121 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von SilverBullet » Mo 9. Nov 2015, 22:20

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Der Begriff „Existenz“ bedeutet „das, was vom Wahrnehmungssystem als vorhanden eingeschätzt wird“
Es könnte also Realität geben, die nicht als Existenz bezeichnet werden darf. - Findest Du das befriedigend?
Nun, es gibt aber keinen Anspruch auf Suggestionserfolg.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Dies zeigt sich auch, wenn du die Erscheinung von „Harvey“ klar als nicht existent einschätzt, während du die Erscheinung der „2000 Jahre alten Jungfrau Maria“ für möglich hältst.
Das sind Glaubensfragen - nach dem Muster: Welche formal mögliche Existenz/Realität könnte tatsächlich Exstenz/Realität sein?
„Glaube“ bedeutet also, dass man vernünftige Grenzlinien im Umgang mit dem Existenzverständnis ausser Acht lässt, auf Suggestion reagiert und sich danach entlang der eigenen Wünsche „durchschlägt“.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Da du dich nicht von Wahrnehmung trennen kannst, kannst du damit keinerlei unabhängige Existenzaussagen machen.
Also wäre Nicht-Wahrnehmbares automatisch nicht-existent? - Wären alle Menschen blind: Wäre dann der Mond nicht-existent?
Es tut mir leid, aber ein Wahrnehmungssystem begeht einen Kardinalfehler, wenn es sich, aus seiner nicht-sinnlichen Verarbeitung (Denken) heraus, einen Verdacht auf unsichtbare, unerreichbare, nicht-nachweisbare und dazu noch unvollständige Zusammenhänge erschliesst, die sich genau dieses Wahrnehmung niemals vorstellen kann.

Wenn dieses Wahrnehmungssystem dann auch noch anfängt, sein Leben nach den „Wünschen des Unsichtbaren“ auszurichten, weil dies von einer Uraltkultur, aus einer Pulverfassregion, festgelegt wurde, dann wirkt das Häschen „Harvey“ plötzlich unglaublich sympathisch, weil es total harmlos ist.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Du kannst nur Kriterien für den Umgang mit Wahrnehmung aufstellen, mehr nicht.
Ja und? - Und was ist mit dem, wofür ich keine Kriterien aufstellen kann, das aber real ist?
Das hört sich ein wenig psychologisch an: sozusagen „Angst etwas zu versäumen“.
Dabei sollte man nicht vergessen, dass dieses „nicht vorstellbare Etwas“ auf „Suggestions-Ideen“ zurückgeht, die von anderen Menschen (auch aus alten Texten) entnommen wurden.

Wenn man noch mehr Angst bekommen möchte, etwas zu verpassen, dann sollte man in die Fantasy-Abteilung einer Bücherei gehen – ganze Welten werden wir wohl nie erreichen können – schade.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Korrekt, denn anstatt eines „Ich“ kann man nur ein aktives Gehirn beobachten
Wenn ich bei Dir vorbei kommen würde und sagen würde "Ich bin Closs". - Würdest Du mich dann erst mal zur Sicherheit in ein Forschungszentrum zwecks Nachprüfung meiner Aussage "Ich" schicken?
Nein, ich denke, der Bedeutungsentwurf des „Ich“ vertritt (innerhalb der Wahrnehmungsauswertung) die Stellung des Körpers zur Umwelt. Das Gehirn baut damit ein Verständnis der aktuellen Körpersituation auf.
Interessant dabei ist: wir können nicht nur als „Ich“ denken, sondern auch als „Gruppe“.
Gibt es schon einen Philosophen, der einen "existierenden Gruppengeist" logisch „schweben“ lässt?

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Aus meiner Sicht ja, denn das „Ich“ soll etwas anderes sein, als der materielle/physikalische Körper (die berühmte Nicht-XXXX-Strategie).
"Anderes" ist falsch. - Es geht bei Descartes darum, dass das "Ich" prinzipiell nicht wissen kann, ob sein Körper real ist oder Täuschung.
Lies dir deinen Text noch mal durch:
Das „ich“ soll nichts „Anderes“ als der Körper sein, aber es soll entweder einen Körper haben oder sich diesbezüglich täuschen.
Soll das „Ich“ tatsächlich ein Körper sein, der einen Körper haben kann?

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:denn die Anhänger dieser Idee kümmern sich offenbar nicht um einen Nachweis und auch nicht um das Gehirn, das nachgewiesen ist.
Ist das nicht eine logische Frage und keine wissenschaftliche? - Was hat das mit "Nachweis" zu tun?
Das aktive Gehirn ist nachgewiesen.
Warum sollte man es gewissen „Ideen-Gebern“ erlauben, sich nicht exakt dazu zu positionieren?
Was sagt die Philosophie aus, was das Gehirn im Einzelnen macht?

closs hat geschrieben:Falsifiziere, dass Du mit Dir wahrnimmst.
Es ist das alte Spiel:
Da es deine Behauptung ist, musst du sagen, was das „Ich“ sein soll, das wahrnimmt.
Sobald eine Vorstellung vorhanden ist, kann man Tests und Experimente dazu entwerfen.
Beispiel:
„Kleines Männchen im Kopf (Homunkulus)“ -> Falsifiziert -> Entsorgt
„Zentrum im Gehirn, bei dem alle Daten landen“ -> Falsifiziert -> Entsorgt

Werde konkret und du wirst sehen, dass die Falsifizierungsversuche „aus dem Boden spriessen“ werden.

closs hat geschrieben:Wenn man DEIN Gehirn vorfindet: Wer außer Dir könnte damit wahrnehmen?
Woher kennst du diesen Fall?
Hast du dich schon mal im Gehirn geirrt und dann ging nichts mehr?

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Ich kann keine Vorstellung aufbauen.
Das ist ein methodisches Problem. - Meinst Du, dass sich Realität darum schert, ob wir methodische Probleme haben?
Fühlst du dich von unsichtbarer Realität bedrängt?
(„Harvey“ würde so etwas niemals tun)

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Ich habe keine Vorstellung von dem, was du „Geist“ nennst. Ich habe keine Vorstellung welche „Kategorie“ du „Geist“ zuordnest.
Und Du sagst mir, Descartes sei ego-orientiert.
Wieso, du verlangst von mir eine Vorstellungsleistung, die ich nicht bringen kann.
Descartes hat seine „Ich-Mittelpunktsorgie“ selbst inszeniert.

closs hat geschrieben:Aber wahrscheinlich kommen wir hier auf dem Punkt. - Ich Christlichen (ich transponiere es einmalö dorthin) geht es NICHT darum, ob jemand einem nachweisen kann oder einer erkennen kann, was "Ich" bin oder geistig erkenne, sondern es geht darum, dass man es selber erkennt.
Genau, wobei das Ergebnis des „Erkennens“ prima durch Suggestion „begleitet“ wird.

closs hat geschrieben:Streng genommen ist das Christentum eine Veranstaltung zwischen Mensch und Gott
Ich vermute da ist man aber ganz arg streng, denn die Erzählungen durch andere Menschen, die ständigen Treffen und Monologe, die Rituale, die grossen Gebäude, das Glockengeläut, die Symbole auf jeder Bergspitze, die Musik, die Gemälde, die „Schulsausbildung“, die Machtstrukturen, die Besitztümer, das Geld, das Mitspracherecht im öffentlichen Leben und natürlich das alte Buch treten dabei etwas in den Hintergrund.

Aus meiner Sicht hat „Gott“ nicht allzu viel Anteil an diesen Abläufen – vielleicht, weil keiner weiss, was „Gott“ sein soll?

closs hat geschrieben:Der Materialismus ist eher primär "publikums-orientiert": "Wie kann dieses oder jenes intersubjektiv nachweisen?".
Ich weiss nicht, ob es sich dabei um „Materialismus“ handelt, aber das, was du beschreibst, klingt nach Wahrnehmung – aus meiner Sicht passt das irgendwie zu Wahrnehmungssystemen.

closs hat geschrieben:Insofern kommen ich aufgrund Deiner Anregungen tatsächlich zum Schluss: Es ist buchstäblich DEIN Problem, ob Du Vorstellungen hast oder nicht. - In dem Moment, wo es "da" ist, hat sich diese Frage eh erledigt.
Was soll „es“ sein?

closs hat geschrieben:Entsteht das Gehirn, weil es einen Geist gibt - oder entstecht der Geist, weil es ein Gehirn gibt.
Warum fällt ein Apfel nach unten?
Sitzt vielleicht ein Kobold drauf, schiebt ihn an und wir Dummköpfe machen Experimente rund um das lustige Wort „Gravitation“?
„Siehst du, ab jetzt sind Kobolde möglich“.

Genau für solche Zusammenhänge ist die Grenzziehung im Existenzverständnis da.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Wenn jemand eine Vorstellung von „Harvey“ hat, kann es dann „Harvey“ geben?
Es kann ihn auch ohne Vorstellung geben, weil die Vorstellung eine Wahrnehmungs-Größe und die Existenz eine Seins-Größe ist. - Dasselbe gilt für Gott.
Und warum hast du dann die „Nähe zu Harvey“ mit Krankheit in Verbindung gebracht?

„Existenz“ ist und bleibt ein Wahrnehmungsbegriff. Wir wissen nicht, was „Existenz“ ist, wir können uns nur damit beschäftigen, was sie für uns sein soll, damit wir uns vernünftig verhalten. (Stichwort: Grenzziehung)

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#2122 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Mo 9. Nov 2015, 22:33

Anton B. hat geschrieben:Bitte tu' uns den kleinen Gefallen und begründe vernünftig die Existenz von "Realität"!
Synonym: Ich soll die Realität von Realität begründen - das macht mich schon etwas ratlos. - Ich versuche es einmal, weiss aber nicht, was Du eigentlich erwartest:
* Gäbe es keine Realität, wäre alles nichts. :o
* Wenn nicht alles nichts ist, gibt es folglich Realität. :lol:
* Es sei denn, man würde Realität als "Nichts" definieren: Dann wäre "Nichts" gleichbedeutend mit "Realität" :lol: :lol:

Ich will mich nicht lustig machen - aber wahrscheinlich ist es in der Tat reine Definitionssache. - So könnte man DAS, was modellhaft begründet ist, definitorisch als "Realität" bezeichnen. - Allerdings um den Preis, dass etwas anderes, was genau so der Fall ist, NICHT als "Realität" bezeichnet werden darf. - Das widerspricht aber dem allgemeinen Verständnis des Wortes "Realität".

Demnach wäre die Gravitation erst ab dem Zeitpunkt eine "Realität", an dem Gravitation physikalisch benannt wurde. - Trotzdem sind die Leute vorher nicht übers Land geschwebt - die SChwerkraft hat also bereits vorher gewirkt. - Hätte aber nicht als "Realität" bezeichnet werden dürfen - die Beule aber schon, die durch die SChwerkraft entstand, weil man hingefallen ist.

Vielleicht ist das eine Lösung, die Dir gefällig ist: "Realität" ist das, was wirkt/wirken kann - also auch das, was nicht oder noch nicht als wirkend erkannt ist.

Und jetzt sagst Du mir, worauf Du raus willst.

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#2123 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Mo 9. Nov 2015, 22:41

SilverBullet hat geschrieben:Nun, es gibt aber keinen Anspruch auf Suggestionserfolg.
Ist das eine Antwort auf meine Frage?

SilverBullet hat geschrieben:„Glaube“ bedeutet also, dass man vernünftige Grenzlinien im Umgang mit dem Existenzverständnis ausser Acht lässt
Nein. :lol: - Du schmuggelst hier ein, dass Deine Ansicht "vernünftig" ist und andere Ansichten es nicht sind.

SilverBullet hat geschrieben:Es tut mir leid, aber ein Wahrnehmungssystem begeht einen Kardinalfehler, wenn es sich, aus seiner nicht-sinnlichen Verarbeitung (Denken) heraus, einen Verdacht auf unsichtbare, unerreichbare, nicht-nachweisbare und dazu noch unvollständige Zusammenhänge erschliesst
Aus materialistischer Sicht ist Dein Urteil und Deine Darstellungsweise nachvollziehbar. - Du kannst Dír anscheinend nicht vorstellen, dass der Mensch in sich etwas findet, das über das Materielle hinausgeht.

SilverBullet hat geschrieben:Das hört sich ein wenig psychologisch an
Auch das ist keine Antwort auf meine Frage.

SilverBullet hat geschrieben:Gibt es schon einen Philosophen, der einen "existierenden Gruppengeist" logisch „schweben“ lässt?
Keine Ahnung - die gegenwärtigen Trends sind mir nicht bekannt. - Wenn man glaubt, aus Computern Menschen zu machen, wird man wohl auch das glauben, schaffen zu können.

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#2124 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Mo 9. Nov 2015, 23:02

Sorry - habe zu früh auf "send" gedrückt.

SilverBullet hat geschrieben:Lies dir deinen Text noch mal durch
Lassen wir es - Du hast Dir etwas zusammengebastelt, was entweder zum Ärgern oder aus Unverständnis so gemacht ist.

SilverBullet hat geschrieben:Was sagt die Philosophie aus, was das Gehirn im Einzelnen macht?
Das ist Sache der Neurowissenschaft. - Die Philosophie benutzt das Gehirn, erklärt es aber (normalerweise) nicht.

SilverBullet hat geschrieben:Es ist das alte Spiel
Es ist zeitweise aber auch wirklich albern - jetzt soll man auch noch begründen, warum der Mensch mit seinem und nicht mit einem anderen Gehirn denkt. :o

SilverBullet hat geschrieben:Hast du dich schon mal im Gehirn geirrt und dann ging nichts mehr?
Solche Sachen meine ich damit.

SilverBullet hat geschrieben:Fühlst du dich von unsichtbarer Realität bedrängt?
Du neigst dazu, auf grundlegende Fragen keine Antworten zu geben oder eine völlig irrelevante Gegenfrage zu stellen.

SilverBullet hat geschrieben: wobei das Ergebnis des „Erkennens“ prima durch Suggestion „begleitet“ wird.
Woher willst Du das wissen?

SilverBullet hat geschrieben:Aus meiner Sicht hat „Gott“ nicht allzu viel Anteil an diesen Abläufen
Auch hier wieder: Eine Aussage, die aus Deinem Status heraus nachvollziehbar ist.

SilverBullet hat geschrieben:Ich weiss nicht, ob es sich dabei um „Materialismus“ handelt, aber das, was du beschreibst, klingt nach Wahrnehmung
Eben nicht - persönliche Wahrnehmung sollte in erster Linie NICHT "publikums-orientiert" sein, sondern erkenntnis-orientiert sein.

SilverBullet hat geschrieben:Was soll „es“ sein?
Eine Erkenntnis - wenn sie da ist, wirst Du wissen, welche.

SilverBullet hat geschrieben:Warum fällt ein Apfel nach unten?
Deine Gegenfrage hat überhaupt nichts mit meiner Frage zu tun. - Bei beiden Antworten würde der Apfel gemäß der Naturgesetze nach unten fallen.

SilverBullet hat geschrieben:Und warum hast du dann die „Nähe zu Harvey“ mit Krankheit in Verbindung gebracht?
Dito - kein Bezug zur Frage.

SilverBullet hat geschrieben:„Existenz“ ist und bleibt ein Wahrnehmungsbegriff.
Das ist mal eine klare Aussage. - Du würdest also meinen, dass in Deiner Definition "Existenz" eine Teilmenge dessen ist, was "ist". - Ich definiere es anders - aber Deine Definition ist nachvollziehbar.

Anton B.
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#2125 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Anton B. » Di 10. Nov 2015, 00:17

closs hat geschrieben:Ich soll die Realität von Realität begründen - das macht mich schon etwas ratlos. - Ich versuche es einmal, weiss aber nicht, was Du eigentlich erwartest:
* Gäbe es keine Realität, wäre alles nichts. :o
* Wenn nicht alles nichts ist, gibt es folglich Realität. :lol:
* Es sei denn, man würde Realität als "Nichts" definieren: Dann wäre "Nichts" gleichbedeutend mit "Realität" :lol: :lol:
Na, wenigstens kannst Du noch drüber schmunzeln.

Aber ernsthaft: Du baust immer wieder den Bezug zu einer von Dir postulierten unabhängigen Realität auf, und versuchst das "Wissen" daran zu messen.

Dagegen versucht die philosophische Zunft überhaupt erst die Ergründung, inwieweit Annahmen über die Entitäten und Eigenschaften der Realität von den Leistungen des Erkenntnissubjekts abhängig, bzw. unabhängig sind (Sandkühler in Sandkühler, Enzyklopädie Philosophie: Lemma "Realismus").

Deshalb referenziert Wissenschaft, insbesondere Naturwissenschaft, gar nicht auf Deinen naiv-ontologischen Realismus.

"Wissenschaft will uns Theorien geben, die empirisch adäquat sind; und die Akzeptierung einer Theorie impliziert nichts als die Überzeugung, dass sie empirisch adäquat ist." (Sandkühler in Sandkühler, Enzyklopädie Philosophie: Lemma "Realismus")

Das bringt es ganz fein auf den Punkt. Und entlädt Wissenschaft als auch das mittels Wissenschaft generierte Wissen von hochtrabenden Ansprüchen -- auch und gerade von einem closs -- die nicht einlösbar sind.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#2126 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Di 10. Nov 2015, 00:38

Anton B. hat geschrieben:Du baust immer wieder den Bezug zu einer von Dir postulierten unabhängigen Realität auf, und versuchst das "Wissen" daran zu messen.
Ja - die Gravitation ist als Realität unabhängig davon, was man davon weiss (bzw. früher wusste). - Das wäre jetzt mal ein Beispiel aus der Physik.

Anton B. hat geschrieben:Deshalb referenziert Wissenschaft, insbesondere Naturwissenschaft, gar nicht auf Deinen naiv-ontologischen Realismus.
Das ist nicht naiv - bzw. so einfach und offensichtlich, dass es vielleicht doch wieder naiv ist.

Wie kann man überhaupt draufkommen, dass Realität erst von Wahrnehmung "zertifiziert" werden muss. - Das wäre DANN angebracht, wenn die Leute bis in die Neuzeit schwerelos gewesen wären und erst runtergefallen wären, als jemand die Gravitation beschreiben konnte ("So - wir wissen es jetzt - ab sofort seid Ihr nicht mehr schwerelos").

Ich weiss, dass das keiner ernsthaft meint - aber es wird so argumentiert.

Anton B. hat geschrieben:"Wissenschaft will uns Theorien geben, die empirisch adäquat sind"
Wissenschaft hat eine ganz andere Aufgabe - ich verweise erneut auf Popper, der am Anfang seines Hauptwerks in kurzen Worten sinngemäß sagt: "Ich nehme DIE Welt zugrunde, von der wir meinen, sie sei die reale Welt".

Das Problem entsteht doch erst, wenn Weltanschauungen aus dem Kritischen Rationalismus entstehen bzw. mit ihm verbunden sind (siehe: "Analytische Phantasie"), die den Pragmatismus der Wissenschaft übernehmen. - Dann brauchen wir keine Philosophie.

Als Wissenschaftler würde ich ganz anders reden als mit philosophischer Perspektive. - Als Metzger würde ich anders reden als als Juwelier. - Ein Fleischermesser ist nicht verwendbar, wenn man Pullover stricken will.

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#2127 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Di 10. Nov 2015, 09:47

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:"Wissenschaft will uns Theorien geben, die empirisch adäquat sind"
Wissenschaft hat eine ganz andere Aufgabe - ich verweise erneut auf Popper, der am Anfang seines Hauptwerks in kurzen Worten sinngemäß sagt: "Ich nehme DIE Welt zugrunde, von der wir meinen, sie sei die reale Welt".
Interessanterweise hat sich hier Popper geirrt. Es ist nicht notwendig, anzunehmen, dass die Welt existiert, denn es gibt hinreichend Falsifizierbares, dass dies so ist (da helfen auch keine Vermutungen, alles könnte durch eine Matrix gesteuert sein).

closs hat geschrieben:Das Problem entsteht doch erst, wenn Weltanschauungen aus dem Kritischen Rationalismus entstehen bzw. mit ihm verbunden sind (siehe: "Analytische Phantasie"), die den Pragmatismus der Wissenschaft übernehmen.
Was bitte ist "Analytische Phantasie"?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#2128 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Di 10. Nov 2015, 10:25

Pluto hat geschrieben:Was bitte ist "Analytische Phantasie"?
Sorry - das war ein echter Freud'scher. - Es sollte "Analytische Philosophie" heißen. :oops: :lol: :lol: :lol:

Pluto hat geschrieben:Interessanterweise hat sich hier Popper geirrt. Es ist nicht notwendig, anzunehmen, dass die Welt existiert, denn es gibt hinreichend Falsifizierbares, dass dies so ist
Aber dieses Falsifizierbare gilt doch erst, NACHDEM man seine Wahrnehmung nicht als Täuschung festgelegt hat - Descartes ist hierin nicht widerlegbar. - Du ziehst Dich ständig mit den eigenen Haaren aus dem Sumpf.

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#2129 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Anton B. » Di 10. Nov 2015, 12:30

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Deshalb referenziert Wissenschaft, insbesondere Naturwissenschaft, gar nicht auf Deinen naiv-ontologischen Realismus.
Das ist nicht naiv - bzw. so einfach und offensichtlich, dass es vielleicht doch wieder naiv ist.
Und wieder mal der Rückgriff auf eine angenommene Trivialität. Die den closs von der Aufgabe enthebt, dies vernünftig zu begründen.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:"Wissenschaft will uns Theorien geben, die empirisch adäquat sind"
Wissenschaft hat eine ganz andere Aufgabe - ich verweise erneut auf Popper, der am Anfang seines Hauptwerks in kurzen Worten sinngemäß sagt: "Ich nehme DIE Welt zugrunde, von der wir meinen, sie sei die reale Welt".
Pluto ist darauf schon eingegangen. Und Popper hat auch gesagt, man könne sich der Realität annähern. Beides sind Aussagen, die von der Philosophengilde nicht weiter begründet werden konnten. Und interessanterweise wurde gefunden, dass -- ob wir die Welt nun im Popper'schen Sinne als "real" betrachten oder nicht -- dies für die Anwendung der von Popper vorgeschlagenen Methode völlig unerheblich ist.

Und was mich mittlerweise ärgert, ist, wie kritiklos Du Deinen eigenen Vorstellungen gegenüber stehst. Da ist nichts mit "Hinterfragung". Stattdessen benutzt Du diese nicht begründeten Positionen für genau das, was Du anderen vorwirfst.

Die zeitgenössische Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie sind dagegen Ergebnis einer dauernden Hinterfragung. Und stellen sich im Gegensatz zu Dir in Bezug auf das, was Wissen ist, sehr zurückhaltend auf. Aber das interessiert Dich gar nicht. Du zitierst Wissenschaftstheorie falsch, veraltet oder sonstwie krumm, um jetzt auch noch Ansprüche der Wissenschaft zu begründen, die in der Wissenschaftstheorie gar nicht vertreten werden.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#2130 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Di 10. Nov 2015, 12:55

closs hat geschrieben:Aber dieses Falsifizierbare gilt doch erst, NACHDEM man seine Wahrnehmung nicht als Täuschung festgelegt hat- Descartes ist hierin nicht widerlegbar. - Du ziehst Dich ständig mit den eigenen Haaren aus dem Sumpf.
Unsinn. Auch Descartes kann sich irren.

Die Welt ist voller falsifizierbarer robuster Dinge die keinerlei Setzungen bedürfen.
Vor allem aber funktioniert Wissenschaft in der Wirklichkeit und ermöglicht zivilisatorischen Fortschritt.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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