Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Säkularismus
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Anton B.
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#2071 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Anton B. » So 8. Nov 2015, 14:01

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Doch, er ist Philosoph und wird allgemein als solcher betrachtet.
Das ist wieder mal das Problem "Original - Rezeption". - Meines Wissens (und auch aus inhaltlichen Gründen) ist Popper (zumindestens mit seinem Kritischen Rationalismus KEIN Philosoph - da kann ich sogar mal auf Pluto verweisen, der gelegentlich gesagt hat, Popper habe sich von der Bezeichnung "Philosoph" aktiv distanziert.
Können wir uns darauf einigen, Popper habe sich als Philosoph mit dem Wesen der Ermittlung von "Wissen" zu empirisch zugänglichen Untersuchungsgegenständen beschäftigt? Als solcher hat er bis heute gültig nachgewiesen (ja richtig: nachgewiesen), dass in diesem Feld die positivistisch-induktive Art der Erkenntnisgewinnung nicht funktioniert. Darauf hin hat der liebe Mann die hypothetisch-deduktive Methode als strenge methodische Antwort auf diesen Sachverhalt hin entwickelt.

Und da sagst Du, Popper wäre Methodiker und kein Philosoph. Mit dem starken Hinweis, unser Pluto hätte das auch gesagt.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Daher ist auch die Realität "unbestimmt".
An sich "ist" sie ganz und gar nicht unbestimmt (lassen wir für einen Moment QM-Sachen weg), sondern sehr bestimmt. - Es ist unsere Wahrnehmung, die sie nicht genau bestimmen lässt - diese Erkenntnis würde Descartes wahrscheinlich gefallen.
Dass Du es nicht merkst: Du postulierst, Du setzt eine bestimmte Realität. Mehr ist da erstmal nicht. Deine Aussage ist nicht mehr als Dein persönliches Statement.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:kannst den Weg, der zu dem zeitgenössischem Wissen -- gerade auch über die Erkenntnisgewinnung -- geführt hat, nicht nachvollziehen?
Soweit auf diesem Weg beschrieben wird, WIE man physiologisch zu Wahrnehmungs-Erkenntnis kommt, kann ich das prinzipiell sehr wohl nachvollziehen (das Einzelwissen fehlt mir, aber da glaube ich Ergebnisse unbesehen). - Nur: Das ist eine ganz andere Fragestellung als die meinige (siehe auch Plato, Descartes und Heidegger - und ganz sicher viele andere auch).

Mein Eindruck ist (ich lasse mich gerne korrigieren), dass das zeitgenössische Wissen so gut wie ausschließlich aufsetzt auf einem naturalistischen Weltbild und/oder sich mit der Frage beschäftigt: "Wie können wir UNSERE Wahrnehmung beschreiben". - Descartes & Co. fragen dagegen (eine Übersetzung in heutige Sprache): "Was ist sicheres Wissen, was ist Vereinbarung?". - Und kommt zum Ergebnis, dass alles außer dem "Cogito, er(g)o sum" so etwas wie "Vereinbarung" (er sagt dazu "Glaube") ist.

Aus meiner Sicht sind bzw. wären solche Erkenntnisse eminent wichtig als Grundlage der DANN erst folgenden Frage nach "zeitgenössischem Wissen". - Meinem Eindruck nach wird heute diese Grundlage vernachlässigt - zumindestens in der Rezeption (Foren, Medien, etc.)
Der Punkt ist der, dass philosophische Erkenntnisse auf einem wiederum anderen philosophischen Fundament aufsetzen. Deshalb sind alle philosophischen Konzepte, sei es Ontologie, Positivismus, Empirismus, aber auch der kritische Rationalismus immer an andere zeitgenössische Konzepte gebunden, aus denen sie vielleicht abgeleitet, vielleicht aber auch als Ergänzung oder als Alternative, als Kontrapunkt beigeordnet sind.

Was Du leider überhaupt nicht inhaliert hast, ist der Wechsel von einem positivistischen zu einem "kritischen" Verständnis der Gewinnung von Wissen via Wahrnehmung.

Wenn Du die Begründungen und den historischen Weg dazu nicht kennst, kannst Du die "Vernachlässigung" der Dir am Herzen liegenden Konzepte eigentlich nur als mehr oder weniger willkürlichen Akt verstehen. Klar, dass Du dann auf die Suche nach Setzungen, möglichst materialistischer und naturalistischer Art, gehst, Meine Diagnose dagegen ist, dem closs fehlt es einfach an Wissen um die "modernen" Diskussionen in der Philosophie.
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#2072 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von NIS » So 8. Nov 2015, 14:04

Anton B. hat geschrieben:Klar, dass Du dann auf die Suche nach Setzungen, möglichst materialistischer und naturalistischer Art, gehst, Meine Diagnose dagegen ist, dem closs fehlt es einfach an Wissen um die "modernen" Diskussionen in der Philosophie.
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#2073 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » So 8. Nov 2015, 14:09

Anton B. hat geschrieben:Und da sagst Du, Popper wäre Methodiker und kein Philosoph. Mit dem starken Hinweis, unser Pluto hätte das auch gesagt.
Was ich gesagt hatte, ist, dass Popper sich sein ganzes Leben lang das Image eines Philosophen versuchte abzulehnen (mit wenig Erfolg).

Wenn man unserem Freund closs Glauben schenkt, gibt es seit Beginn des 20. Jahrhunderts keine Philosophen mehr (mit Ausnahme vielleicht von Heidegger).
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#2074 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » So 8. Nov 2015, 16:02

sven23 hat geschrieben:Ach komm schon, das eine ist überprüfbar, das andere nicht. Das ist doch der entscheidende Unterschied.
NACHDEM man gesetzt hat, dass die "Res extensa" keine Täuschung sind.

sven23 hat geschrieben:Ich habe den Verdacht, daß er das aus ideologischen Gründen nicht sehen wollte.
Das ist sauberste Logik und hat nichts mit Ideologie zu tun.

sven23 hat geschrieben:Das würde bedeuten, daß man grundsätzlich nichts überprüfen kann.
Doch - der Kritische Rationalismus ist voll intakt, NACHDEM man - wie es Popper tut - glaubt/voraussetzt, dass die Natur keine Täuschung ist. - Das tut Descartes auch, aber er weiss, dass es kein Wissens-Akt, sondern ein Glaubens-Akt ist.

sven23 hat geschrieben: Dann könnte auch das cogito nur Täuschung sein.
Eben NICHT - weil das Bewusstsein "Cogito" entweder da ist oder nicht. - Das Ich kann nicht sagen "Ich bin NICHT".

Savonlinna hat geschrieben:Ihr kennt beide Descartes nicht und redet so, als ob Ihr ihn kennt.
Dann interpretiere doch mal die Worte Descartes', die Halman per Link eingestellt hat.

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#2075 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » So 8. Nov 2015, 16:10

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das würde bedeuten, daß man grundsätzlich nichts überprüfen kann.
Doch - der Kritische Rationalismus ist voll intakt, NACHDEM man - wie es Popper tut - glaubt/voraussetzt, dass die Natur keine Täuschung ist. - Das tut Descartes auch, aber er weiss, dass es kein Wissens-Akt, sondern ein Glaubens-Akt ist.
Wenn Descartes meint, dass sei nur eine Frage des Glaubens, dann irrt er: Es ist Wissen.

Wenn du einen dir bekannten Pilz in der Natur siehst, und seinen Namen kennst, glaubst du das nur, oder weißt du es?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#2076 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » So 8. Nov 2015, 16:30

Anton B. hat geschrieben:Als solcher hat er bis heute gültig nachgewiesen (ja richtig: nachgewiesen), dass in diesem Feld die positivistisch-induktive Art der Erkenntnisgewinnung nicht funktioniert.
Das ist ein logischer Nachweis innerhalb der Methodologie - einverstanden?

Anton B. hat geschrieben:Und da sagst Du, Popper wäre Methodiker und kein Philosoph. Mit dem starken Hinweis, unser Pluto hätte das auch gesagt.
RIchtig. - Wobei man - das wäre die Einschränkung - Philosophie so definieren kann, dass Methodologie Teil der Philosophie ist. - Dann geht alles.

Anton B. hat geschrieben:Dass Du es nicht merkst: Du postulierst, Du setzt eine bestimmte Realität. Mehr ist da erstmal nicht. Deine Aussage ist nicht mehr als Dein persönliches Statement.
Wirklich falsch. - Ich unterscheide lediglich kategorial zwischen "Realität"/"Sein und "Wahrnehmung" - ansonsten halte ich mich an Descartes, dass Wissen nur per Setzung möglich ist ("System-Wissen"). - Mein Kampf geht dahin, "Realität"/"Sein" nicht zu einer von der Wahrnehmung abhängige Größe werden zu lassen. - Das ist eigentlich alles.

Anton B. hat geschrieben:Was Du leider überhaupt nicht inhaliert hast, ist der Wechsel von einem positivistischen zu einem "kritischen" Verständnis der Gewinnung von Wissen via Wahrnehmung.
Ich glaube nicht, dass das hier eine Rolle spielt. - Dass der Kritische Rationalismus als Wahrnehmungs-Methodik unübertroffen ist, steht hier (aus meiner Sicht) nicht zur Debatte.

Anton B. hat geschrieben:Meine Diagnose dagegen ist, dem closs fehlt es einfach an Wissen um die "modernen" Diskussionen in der Philosophie.
Leicht gesagt, wenn man Dingen nicht auf den Grund gehen will.

Meine Diskussion betrifft das Feld, BEVOR der Kritische Rationalismus und anscheinend auch die "modernen Diskussionen in der Philosophie" überhaupt erst einsetzen. - "Anscheinend" deshalb, weil ich diese Diskussionen tatsächlich nur rudimentär kenne und mich deshalb an das halten muss, wie sie hier verkauft werden.

In anderen Worten: Deine mehrfache Aufforderung, moderne erkenntnis-theoretische Schriften zu lesen, macht erst dann Sinn, wenn das "Vorher" überhaupt ausdiskutiert ist. - Und das scheint nicht möglich zu sein, weil - mein Eindruck - "Sein"/"Realität" in der modernen Erkenntnis-Theorie als Folge von Wahrnehmung verstanden wird - so kommt es zumindest rüber.

Ist dieser Eindruck jedoch zutreffend ("Sein"/"Realität" "ist" das, was wir mit dieser oder jener Methodik/diesem oder jenem Modell "nachweisen" können), ist dies zwar nicht falsch, aber eben nur eine Teilaussage.

Richtig wäre (überm Daumen):
"Es gibt Methodik/Modelle, die uns eine Vorstellung von "Sein"/"Realität" vermitteln können. - Ob wir damit Vorstellungen über jegliches "Sein"/jegliche "Realität" vermitteln können, wissen wir schlicht und ergreifend nicht. - Somit kann es "Sein"/"Realität" geben, das/die wir noch nicht oder prinzipiell nicht methodisch wahrnehmen können".

Könntest Du dem widersprechen?

Und sieh bitte den Kontext dieser Diskussion: Es wird hier im Forum ständig schwadroniert, der Hinweis auf methodisch nicht "nachweisbare/s" "Realität/"Sein sei "Fantasie" - als wisse man, dass kritisch-rational nicht "Nachgewiesenes" nur eine Projektion des Menschen sei und es nicht möglich wäre, dass ein "Sein"/eine "Realität" dahinter stünde. - Bestes Beispiel: "Gott".

Und wenn nun die moderne Erkenntnis-Theorie genau diese Haltung übernimmt (ob es so ist, weiss ich nicht - es wird hier so dargestellt) - wo wäre da ein Fortschritt?

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#2077 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von sven23 » So 8. Nov 2015, 16:32

closs hat geschrieben:Doch - der Kritische Rationalismus ist voll intakt, NACHDEM man - wie es Popper tut - glaubt/voraussetzt, dass die Natur keine Täuschung ist. - Das tut Descartes auch, aber er weiss, dass es kein Wissens-Akt, sondern ein Glaubens-Akt ist.
Für komplexe Theorien wie der Stringtheorie mag der Begriff Glauben noch zutreffen. Aber ob ich einen Körper habe, kann ich durchaus wissen, das hat nichts mit Glauben zu tun.
Die Annahme eines Gottes ist Glaubenssache. Descartes stellt beide Annahmen auf eine Stufe. Das ist absurd.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#2078 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » So 8. Nov 2015, 16:35

Pluto hat geschrieben:Wenn du einen dir bekannten Pilz in der Natur siehst, und seinen Namen kennst, glaubst du das nur, oder weißt du es?
NACHDEM ich glaube, dass meine Wahrnehmung des Pilzes keine Täuschung ist - was ich eben prinzipiell NICHT wissen kann, - ist es Wissen.

Das heisst: Wenn wir von "Wissen" sprechen, gilt das erst ab der "zweiten Ebene" (ich nenne es "System-Wissen). - Selbstverständlich glaube (!!!!!!) ich genauso wie Du, dass meine Wahrnehmung keine Täuschung ist. - Deshalb weiss ich, dass dieser Pilz der "Perlpilz" ist und lateinisch "Amanita rubesncens" heisst.

Aber dieser zweiten Ebene bin ich vollkommen konform mit Dir. - Aber Descartes fängt eben VORHER an - auf der "ersten Ebene". - Frage in die Runde: Wo fängt die moderne Erkenntnis-Theorie an?

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#2079 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » So 8. Nov 2015, 16:35

sven23 hat geschrieben:Aber ob ich einen Körper habe, kann ich durchaus wissen, das hat nichts mit Glauben zu tun.
Siehe oben meine Antwort an Pluto.

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#2080 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von NIS » So 8. Nov 2015, 16:41

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Aber ob ich einen Körper habe, kann ich durchaus wissen, das hat nichts mit Glauben zu tun.
Siehe oben meine Antwort an Pluto.
Du bist so Selbstherrlich, Closs!
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