Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
Pluto
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#1921 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Mi 4. Nov 2015, 21:53

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wie dem auch sei... die eigentliche Falsifizierung seines Dualismus wurde durch physikalische Argumente erwiesen.
Es ist schlechthin nicht möglich, Descartes physikalisch zu widerlegen - man könnte ihn allenfalls geistig widerlegen.
Ja, ja...
Was nicht sein darf, kann auch nicht sein, nicht war?

Weltanschaulich lässt sich so was nicht widersprechen.
Wichtig ist: Die Hypothese wurde schlicht und einfach widerlegt und von der Fachwelt akzeptiert.
Der Dualismus ist tot. — Ende der Diskussion.

closs hat geschrieben:Was Du wahrscheinlich meinst: Die cartesianischen Vorstellungen über die Verbindung von Geist und Körper sind falsch/falsifizierbar/falsifiziert - das glaube ich genauso.
Na, also... :D
closs hat geschrieben:Aber darum geht es in dem Vortrag nicht - hier geht es um pure Ontologie: Was "ist" Ich? - Was "ist" Wahrnehmung? - Was "ist" Wahrgenommenes? ---- Ganz andere Fragestellungen.
Ja. Halten wir fest, der Vortrag ist gut, hat aber mit Dualismus nichts zu tun.
Davon abgesehen bietet Ontologie ohnehin nichts handfestes.

closs hat geschrieben:Mich würde wirklich interessieren, wie man seine geistigen Aussagen widerlegen könnte. - Durch Physik??????
Es sind zwei ganz unterschiedliche "Baustellen"...
Das cogito ergo sum lebt weiter, der Dualismus hingegen ist tot.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#1922 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Mi 4. Nov 2015, 22:17

Pluto hat geschrieben: Halten wir fest, der Vortrag ist gut, hat aber mit Dualismus nichts zu tun.
Ich meine eh, dass die Kernaussagen von Descartes nichts mit Dualismus zu tun haben - oder anders gesagt: Ich habe nie kapiert, welcher Dualismus widerlegt sein soll.

Wie interpretierst Du die beiden Kategorien "Ich bin " und "Anders andere könnte Täuschung sein". ---- Fällt das für Dich unter "Dualismus"?

Pluto hat geschrieben:Das cogito ergo sum lebt weiter, der Dualismus hingegen ist tot.
Wie gesagt: Ich verstehe immer weniger, WAS eigentlich diejenigen widerlegen, wenn sie von der Falsifizierung des Dualismus sprechen.

Pluto
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#1923 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Mi 4. Nov 2015, 23:21

closs hat geschrieben:Wie gesagt: Ich verstehe immer weniger, WAS eigentlich diejenigen widerlegen, wenn sie von der Falsifizierung des Dualismus sprechen.
Das überrascht mich.
Der cartesianische Dualismus ist eine der Kernthesen von Descartes — die andere ist sein cogito ergo sum, welches immer noch aktuell ist.
Aber sein Dualismus ist eindeutig die wichtigere These, weil sie postulierte, dass Körper und Geist unterschiedliche Entitäten sind. Dieses Postulat ist nun gefallen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#1924 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » Do 5. Nov 2015, 07:43

Pluto hat geschrieben: Der cartesianische Dualismus ist eine der Kernthesen von Descartes — die andere ist sein cogito ergo sum, welches immer noch aktuell ist.
Aber sein Dualismus ist eindeutig die wichtigere These, weil sie postulierte, dass Körper und Geist unterschiedliche Entitäten sind. Dieses Postulat ist nun gefallen.
Durch was?

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#1925 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Do 5. Nov 2015, 07:44

Pluto hat geschrieben:Der cartesianische Dualismus ist eine der Kernthesen von Descartes — die andere ist sein cogito ergo sum, welches immer noch aktuell ist.
Aber sein Dualismus ist eindeutig die wichtigere These, weil sie postulierte, dass Körper und Geist unterschiedliche Entitäten sind. Dieses Postulat ist nun gefallen.
Schon klar. - Aber ist es WIRKLICH ein Dualismus?

"Dualismus" klingt so, als handele es sich hierbei um zwei unabhängige Instanzen - genau das ist aber nicht der Fall. - Die körperliche Welt wird vielmehr als Ableitung des Geistes verstanden - so wie Qark eine Ableitung von Milch ist. - Gibt es einen Dualismus aus Milch und Quark? (NIcht ganz ernst gemeint, sondern um ein Bild zu haben)

Das Postulat, dass Körper und Geist voneinander unabhängige Instanzen sind, war immer falsch - und mir ist nicht bekannt, wer diese Postulat jemals vertreten hätte.

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#1926 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Münek » Do 5. Nov 2015, 08:40

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Der cartesianische Dualismus ist eine der Kernthesen von Descartes — die andere ist sein cogito ergo sum, welches immer noch aktuell ist.
Aber sein Dualismus ist eindeutig die wichtigere These, weil sie postulierte, dass Körper und Geist unterschiedliche Entitäten sind. Dieses Postulat ist nun gefallen.
Schon klar. - Aber ist es WIRKLICH ein Dualismus?

"Dualismus" klingt so, als handele es sich hierbei um zwei unabhängige Instanzen - genau das ist aber nicht der Fall. - Die körperliche Welt wird vielmehr als Ableitung des Geistes verstanden - so wie Qark eine Ableitung von Milch ist. - Gibt es einen Dualismus aus Milch und Quark? (NIcht ganz ernst gemeint, sondern um ein Bild zu haben)

Das Postulat, dass Körper und Geist voneinander unabhängige Instanzen sind, war immer falsch - und mir ist nicht bekannt, wer diese Postulat jemals vertreten hätte.

Das klassische Argument für den DUALISMUS ist von DESCARTES in den "Mediationes de prima philosophia" formuliert worden.

Descartes argumentierte, dass er sich klar und deutlich vorstellen könne, dass Geist und Körper voneinander getrennt seien. Laut Descartes bedeute die Tatsache, dass dies vorstellbar ist, jedoch auch, dass dies prinzipiell möglich ist. Wenn es jedoch auch nur prinzipiell möglich ist, dass der Geist und der Körper getrennt voneinander existieren, so können sie nicht identisch sein. Also muss es einen immateriellen Geist geben.

(Quelle: Wiki "Dualismus (Ontologie)")

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#1927 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Do 5. Nov 2015, 10:15

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Der cartesianische Dualismus ist eine der Kernthesen von Descartes — die andere ist sein cogito ergo sum, welches immer noch aktuell ist.
Aber sein Dualismus ist eindeutig die wichtigere These, weil sie postulierte, dass Körper und Geist unterschiedliche Entitäten sind. Dieses Postulat ist nun gefallen.
Schon klar. - Aber ist es WIRKLICH ein Dualismus?
Aber sicher doch.
Dass Körper und Geist eingene Entitäten sind, war die Kernaussage von Descartes — siehe Müneks Beitrag.

closs hat geschrieben:"Dualismus" klingt so, als handele es sich hierbei um zwei unabhängige Instanzen...
Genau das war aber die Kernaussage von Descartes.

closs hat geschrieben:- genau das ist aber nicht der Fall.
Aus heutiger Sicht nicht, da hast du vollkommen Recht. Es ging ja nur darum zu erklären, warum der cartesianische Dualismus nicht fuktioniert — nicht funktionieren kann, Also ist auch das ganze Gerede um die res cogitans und res extensa nichts weiter als ein großer Irrtum der unermessliches Leid auf abertausende psychiatrische Patienten brachte.

closs hat geschrieben:Die körperliche Welt wird vielmehr als Ableitung des Geistes verstanden...
Nein. Allgemein wird sie so NICHT Verstanden. Das ist deine ganz private Meinung (sie sei dir gegönnt).

closs hat geschrieben:Das Postulat, dass Körper und Geist voneinander unabhängige Instanzen sind, war immer falsch - und mir ist nicht bekannt, wer diese Postulat jemals vertreten hätte.
Du irrst, denn wie schon Münek schrieb, ist das die zentrale These von Descartes in seinen Mediationes de prima philosophia.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#1928 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Do 5. Nov 2015, 10:38

Münek hat geschrieben:Wenn es jedoch auch nur prinzipiell möglich ist, dass der Geist und der Körper getrennt voneinander existieren, so können sie nicht identisch sein. Also muss es einen immateriellen Geist geben.
Pluto hat geschrieben:Du irrst, denn wie schon Münek schrieb, ist das die zentrale These von Descartes in seinen Mediationes de prima philosophia.
Ich glaube nicht, dass Descartes meint, dass der Körper ohne Geist leben kann.

Es wird hier so dargestellt, als könne - salopp formuliert - ein Körper leben ---- und dann könne auch noch ein Geist leben. - Das widerspricht jeglicher christlicher Tradition, in der Descartes ja steht.

Nach meinem Verständnis meint Descartes folgendes:
Man muss die "Res cogitans" (das denkende Ich) dualistisch getrennt sehen von dem, was sie zurecht oder zu unrecht glaubt wahrzunehmen ("Res extensa"). - Insofern ist die "Res cogitans" sicher ("Cogito"), aber bereits das nicht sicher, was man sieht, wenn man an sich runter-guckt und seinen Bauch, Arme und Beine wahrnimmt. - Die körperliche Welt könne also "Illusion" sein, weil sie Produkt des "Cogito" ("Geist") ist.

DA ist die Trennung zwischen Körper und Geist. - Aber sicherlich nicht darin, dass der Körper unabhängig vom Geist lebensfähig sein könnte. - Meint Ihr, dass Descartes so verstanden wird? - Münek, Pluto und Closs laufen als Körper rum .... dann kommt lang nichts .... und dann "Ach so - sie könnten auch noch Geist sein - aber das juckt die körperlich Existenz nicht". ---- Meint Ihr wirklich, die Rezeption versteht Descartes SO?

WENN das so wäre, dass man es so sieht (was aus meiner Sicht hochgradig albern wäre), dann verwunderte es nicht, dass es falsifizierbar ist. - Es wäre aber ein Spiegelgefecht, weil dies weder mit Christentum noch mit Descartes zu tun hätte (es sei denn, er hätte einen Ultra-Aussetzer gehabt, was ich mir in BEtracht seiner sonstigen SChriften - siehe den eingestellten Vortrag - nicht vorstellen kann).

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#1929 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von JackSparrow » Do 5. Nov 2015, 11:26

closs hat geschrieben:Hätte man Descartes heute nicht vergessen, stünden wir erkenntnis-theoretisch woanders.
Weil man inzwischen gemerkt hätte, dass er mit jedem anderem Verb zu dem gleichen Schluss hätte kommen können und sein sogenannter Dualismus somit nicht nur kein Dualismus, sondern auch noch völlig willkürlich ist:

in latrina sedeo, ergo sum
ich sitze auf der Toilette, also bin ich

hier geht es um pure Ontologie: Was "ist" Ich?
"Ich" ist ein Personalpronomen. Damit meint der Sprecher sich selbst, im Gegensatz zum Personalpronomen "du", bei welchem der Sprecher die angesprochene Person meint.

Es gibt auch Sprachen ohne Personalpronomen. Zum Beispiel Japanisch. Da spricht man die Leute einfach mit ihrem Verwandtschaftsgrad oder mit ihrem Beruf an.

Mich würde wirklich interessieren, wie man seine geistigen Aussagen widerlegen könnte.
Mich würde interessieren, wie man eine geistige Aussage von einer nicht geistigen Aussage unterscheidet.

closs
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#1930 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Do 5. Nov 2015, 11:33

JackSparrow hat geschrieben:Weil man inzwischen gemerkt hätte, dass er mit jedem anderem Verb zu dem gleichen Schluss hätte kommen können und sein sogenannter Dualismus somit nicht nur kein Dualismus, sondern auch noch völlig willkürlich ist
Du vertrittst damit möglicherweise unsere Zeit.

Frage (ganz ernsthaft gemeint): Warum bemüht man denn überhaupt noch Begriffe wie "Geist" oder "Philosophie"? - Ausschließlich als Chiffren für nicht mehr Nötiges? - Weil man heute fortschrittlicher ist?

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