Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

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Pluto
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#1891 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Mo 2. Nov 2015, 09:36

closs hat geschrieben:Wenn damit ALLEN klar ist, dass sich Erkenntnis-Theorie nicht mit ontologischen Fragen ("Was ist Sein - was ist Wahrnehmung") beschäftigt UND lediglich mit dem Teil der Wahrnehmung, der nach der Methodik der Erkenntnis-Theorie qualifizierbar ist, ist ja alles in Butter.
Moment...
Ganz so einfach ist das nicht, denn Ontologie wird von Vielen für "lauwarme Luft" gehalten — voller Scheinargumente und inhaltslosem Gebrabbel.
Mit anderen Worten, es gibt in der gesamten Ontologie nichts was greifbar wäre.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#1892 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Mo 2. Nov 2015, 10:05

Pluto hat geschrieben:Mit anderen Worten, es gibt in der gesamten Ontologie nichts was greifbar wäre.
Eigentlich ist Ontologie etwas ganz Einfaches: Sie beschäftigt sich mit den kategorialen Unterschieden zwischen dem, was "ist", und dem, was und wie man das, was "ist", wahrnimmt. - Man kann Ontologie nur dann für "warme Luft" halten, wenn man meint, Subjekt-Wahrnehmung und Objekt seien 100% identisch.

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Savonlinna
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#1893 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » Mo 2. Nov 2015, 10:36

Der Punkt scheint mir zu sein, dass der Begriff Ontologie hier missbraucht wird für Fragestellungen, die keine Ontoloige überhaupt hat.

Keine Ontologie stellt Kategorien auf über Sein und Wahrnehmung.
Das ist das Privatinteresse von closs, aber mitnichten eine philosophische Fragestellung, die von irgendeinem Philosophen abgehandelt wird.

Man kann sich - wenn man Langeweile hat und einen satten Bauch - sich ständig darüber Gedanken machen, was wäre, wenn alles ganz anders wäre nd wir das nicht erkennen können.

Ja, dann wäre eben alles ganz anders, und wir könnten es nicht erkennen.
Dann gäbe es also ein Sein um uns herum, dass von keinem von uns je wahrnehmbar wäre.

Jetzt ist der Wunsch noch da, dass man das, was theoretisch als ewig unerkannt um uns herumschwirren könnte, einem Urheber zuschreibt, der als Gott bezeichnet wird.
Dann bezeichnen wir das eben als Gott. Dann hat die liebe Seele Ruh.

Gott wäre dann also als der bezeichnet, der vielleicht ein Sein kreiiert hat, das keiner von uns erkennt.
Dieses Sein hätte dann also nichts mit "Seiendem" zu tun - wie bei den Philosophen der Ontologie -, sondern wäre ein unabhängiges Sein an sich.

Dieses Möglichkeitsspiel kann ich mittragen, weil ich verstehen kann, dass Leute, die gerne gedanklich herumspielen, so etwas brauchen.

Nur hat das für mich - und meines Wissens für keinen mir bekannten Philsoophen - irgend einen Nährwert. Es ist das Gedankenspiel gelangweilter Bürger.

Der Gott, der in allen mir bekannten Religionen vorkommt, hat etwas Existentielles mit dem Menschen zu tun und nicht mit Gedankenspielereien.
Dieser Gott, auf den closs soviel Wert legt - also der, der alles Mögliche erfinden kann, von dem keiner auch nur etwas ahnt - ist für die Menschen ganz belanglos.
Meister Eckehart, der vielleicht am ehesten die Tiefe Gottes verstanden hat, geht von dem Gott aus, der für das aktuelle Leben des Menschen von Relevanz ist. Er ist nie auf die Idee gekommen, sich auszumalen, was alles wäre, wenn lauter Sachen von uns unerkannt um uns herumschwirren würden.

Mir liegt vor allem daran zu erwähnen, dass kein Philosoph sich mit solchen Dingen abgibt.
Die erwähnten Fragestellungen kommen in der Ontologie nicht vor, weil es keine philosophischen Fragestellungen sind.

closs
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#1894 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Mo 2. Nov 2015, 11:13

Savonlinna hat geschrieben:Keine Ontologie stellt Kategorien auf über Sein und Wahrnehmung.
Protest: Was macht Heidegger anders, wenn er zwischen "Sein" und "Seiendem" unterscheidet? - Und nicht erst Heidegger - auch Descartes unterscheidet zwischen "Res extensa" ("Objekt") und "Res cogitans" ("Subjekt"). - Zudem: Für diese Unterscheidungen braucht man weder Descartes und HEidegger - das müsste man doch auch ohne diese beiden Herren unterscheiden können.

Savonlinna hat geschrieben:Dann gäbe es also ein Sein um uns herum, dass von keinem von uns je wahrnehmbar wäre.
Denkbar - es reicht schon, wenn man weiss, dass es so sein könnte. - Dazu muss man nicht religiös sein - das müsste auch erkenntnis-theoretisch rauskommen.

Savonlinna hat geschrieben:Dieses Sein hätte dann also nichts mit "Seiendem" zu tun -
Doch: Es ist thematisierbar durch das Seiende und vor allem: Es SOLL thematisiert werden.

Savonlinna hat geschrieben:Der Gott, der in allen mir bekannten Religionen vorkommt, hat etwas Existentielles mit dem Menschen zu tun
Eben - und das geht nur durch Thematisierung dieses Gottes, der sonst fern wäre.

Savonlinna hat geschrieben:Dieser Gott, auf den closs soviel Wert legt - also der, der alles Mögliche erfinden kann, von dem keiner auch nur etwas ahnt - ist für die Menschen ganz belanglos.
Das ist auch überhaupt nicht mein Ansatz - im Gegenteil: Gott soll für den Menschen von Relevanz sein - aber das geht eben nur dadurch, dass man ihn reinlässt. - Wo ist hier ein Gegensatz zu Meister Eckart.

Savonlinna hat geschrieben:Dieses Sein hätte dann also nichts mit "Seiendem" zu tun - wie bei den Philosophen der Ontologie -, sondern wäre ein unabhängiges Sein an sich.
Grandioses Missverständnis. - Das Sein WILL etwas mit dem Seienden zu tun haben, existiert aber auch dann, wenn es NICHT thematisiert wird - das ist eine ganz andere Aussage. - Du scheinst mich die ganze Zeit fulminant missverstanden zu haben.

Savonlinna hat geschrieben:Mir liegt vor allem daran zu erwähnen, dass kein Philosoph sich mit solchen Dingen abgibt.
Vollkommene Verkennung der Philosophie-Geschichte: Spätestens seit Plato bis mindestens hinein ins 19. Jh. war die Annäherung des "Seienden" ans "Sein", das man einmal "Idee", ein anderes Mal "Gott" genannt hat, DAS große Thema.

Dass es seit dem 19./20. Jh. anders sein kann, bestreite ich nicht. - Meinst Du, dies sei ein Fortschritt?

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Opa Klaus
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#1895 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Opa Klaus » Mo 2. Nov 2015, 11:58

In 39 Tagen fast 1.900 Beträge! Heftig, alle Achtung. Das Thema Fantasie scheint ja richtig die Fantasie anzuregen.
Statt "Sein und Wahrnehmung" hätte man auch "Wahn und Wirklichkeit" titeln können, oder "Realität und Irrsinn".

Bei der Annahme, dass evtl. unser Dasein nur allein in unserer Vorstellungskraft abläuft, bleiben Fragen offen:

Warum beschert uns dann die Vorstellungskraft einen Zyklus von Geburt bis Alter und Tod?
Warum geht die Vorstellungskraft kaum auf unsere Wünsche ein und erfüllt sie mühelos?
Wofür brauchen wir überhaupt dann 5 Sinne?
Warum sehen wir in einer Wüste eine "Fata Morgana"
Warum bekommen einige überhaupt Nachkommen?
Welchen Sinn haben Leid und Schmerz, sowie Invalidität?
Wozu Nahrung, Kleidung, Obdach?
Warum müssen wir uns für den Lebensunterhalt so plagen?
Warum die aufwendige "Leinwand, Fläche" für reine Projektion?
Wer oder was steuert unsere Vorstellungskraft derart?
Warum haben wir so wenig eigenen Einfluss darauf?
usw....

Da hier kaum jemand 1.900 Beiträge durchforstet, dürften manche Wiederholungen dabei sein, vielleicht "Schattenboxen"?

Ist denn geklärt, wie man Realität und Fantasie unterscheidet? Mir liegt viel daran.

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Savonlinna
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#1896 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » Mo 2. Nov 2015, 12:22

Opa Klaus hat geschrieben: Ist denn geklärt, wie man Realität und Fantasie unterscheidet? Mir liegt viel daran.
Versucht und begonnen habe ich es. Aber closs hat das abgeblockt, weil das nur anthropozentrisch gewesen sei.
Aus der Perspektive eines Gottes, der alle möglichen undenkbaren Welten schaffen kann, kann das hier aber keiner bieten.

Aber Deine Frage ist interessant, Klaus, und sie ist für unser reales Leben notwendig.
Man sollte zumindest Dir zuliebe diesen Versuch noch einmal starten, trotz aller "Störmanöver" ;).

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#1897 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von JackSparrow » Mo 2. Nov 2015, 12:28

Opa Klaus hat geschrieben:Ist denn geklärt, wie man Realität und Fantasie unterscheidet?
Man läuft gegen die nächstgelegene Hauswand. Sollte sich die Wand als ein festes Objekt herausstellen, ist die Wand mindestens genauso real wie derjenige, der gegen die Wand lief.

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#1898 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » Mo 2. Nov 2015, 13:01

JackSparrow hat geschrieben:
Opa Klaus hat geschrieben:Ist denn geklärt, wie man Realität und Fantasie unterscheidet?
Man läuft gegen die nächstgelegene Hauswand. Sollte sich die Wand als ein festes Objekt herausstellen, ist die Wand mindestens genauso real wie derjenige, der gegen die Wand lief.
Man schreibe ein Theaterstück (erst nur im Kopf). Man schmeiße das Theaterstück (das man im Kopf hat) gegen die nächstgelegene Hauswand. Wenn die Wand festbleibt, dann ist das Theaterstück (im Kopf) genauso real wie die Hauswand.

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#1899 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von JackSparrow » Mo 2. Nov 2015, 13:41

Savonlinna hat geschrieben:Man schmeiße das Theaterstück (das man im Kopf hat) gegen die nächstgelegene Hauswand.
Sollte dir das gelingen, ist das Theaterstück real. Sollte es dir nicht gelingen, muss man darauf schließen, dass es sich bei dem Theaterstück um eine Fantasie handelt.

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#1900 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » Mo 2. Nov 2015, 14:18

JackSparrow hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Man schmeiße das Theaterstück (das man im Kopf hat) gegen die nächstgelegene Hauswand.
Sollte dir das gelingen, ist das Theaterstück real. Sollte es dir nicht gelingen, muss man darauf schließen, dass es sich bei dem Theaterstück um eine Fantasie handelt.
Ich habe es eben gegen die Wand geworfen. Es ist heil geblieben, die Wand auch.

Ähm, sorry.
Jetzt noch mal schön logisch, Savonlinna:
Alles, was man nach der Logik von Jack nicht an die Wand schmeißen kann, sei Phantasie und habe keinerlei Realität.
Unser Grundgesetz kann man nicht an die Wand werfen, ist reine Phantasie, hat keine Realität, ist reine Einbildung und kann getrost ignoriert werden.

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