Da würde mir sicherlich eine Auffrischung gut tun - wie auch immer: Eckart hatte keinen Zweifel, dass "Gott" eine Realität und keine Illusion des Menschen ist. - Er hat also im Sinne des Threads zwischen "Sein" und "Wahrnehmung" unterschieden.Savonlinna hat geschrieben:Ich wünschte, Du würdest ein bisschen von Eckhart lernen. Dann könnten wir beide uns viel besser verständigen.
Die zweite Aussage ist nichts anderes als eine Umschreibung der ersten - semantisch als identisch gemeint.Savonlinna hat geschrieben:Du tauschst Deine obige Ausssage aus gegen eine andere und fragst, wieso diese andere ideologisch sei. Warum tust Du so etwas?
Seiendes ohne Sein ist aus (nicht nur) meiner Sicht nicht möglich.
Dann wären Glaubens-Wahrnehmungen intersubjektiv - was naturwissenschaftlicher-seits bestritten wird. - Davon abgesehen stimme ich Dir zu.Savonlinna hat geschrieben:Nein. Sondern was von vielen gleich wahrgenommen wird.
Aber der Expressionist könnte den Baum nicht malen, gäbe es nicht das "Urbild" des Baums (= "Sein" des Baums) - Meister Eckart nennt das „ideae“ oder „rationes (ideales)“, wobei er ausdrücklich auf Platon Bezug nimmt. Diese "Urbilder" existieren in Gott, aber dort nicht als Einzeldinge ("DIESER Baum")(siehe auch wik).Savonlinna hat geschrieben: Nicht nur der Blinde sieht keinen Baum innerhalb der Norm, sondern auch der den Baum expressionistisch malende Künstler nicht.
Umgekehrt heisst das: "Bäume" im Seienden (egal ob naturalistisch oder expressionistisch) sind Einzel-Ableitungen dieses Urbildes in Gott (das heisst übrigens nicht, dass sich Bäume nicht evolutionär verändern können - auch dann bleiben sie Ableger eines Urbilds).
Mir ist nach wie vor nicht klar, ob das mit "Realität" bezeichnet werden darf, zu dem es eine ausreichend große Wahrnehmungs-Zustimmung gibt ("intersubjektiv"), oder nur das, was unabhängig von welcher Wahrnehmung auch immer "ist". - Spielt diese Unterscheidung in Deinem Ansatz eine Rolle?Savonlinna hat geschrieben:Ich sagte doch gerade, dass das, was intersubjektiv wahrnehmbar oder erkennbar ist, als eine Realitätsebene verstanden werden kann.
Was ist der Unterschied? - Was sind Überzeugungen anderes als Wahrnehmungen?Savonlinna hat geschrieben:Jetzt redest Du aber von Überzeugungen und nicht mehr von intersubjektiven Wahrnehmungen.
Natürlich - deshalb würde ich gerne die Unterscheidung zwischen "Wahr-Nehmung" und "Falsch-Nehmung" einführen, weil damit semantisch markiert wäre, welche Perzeption authentisch zur "Wahrheit" (ich würde es "Sein" nennen - Meister Eckart wurde es "ideae" buw. "rationes ideales" nennen) sind oder NICHT-authentisch dazu stehen - für letzteres gibt es im Christlichen die Chiffre der satanischen Brillanz, also die Macht der Irrung und Wirrung.Savonlinna hat geschrieben:Was lehrt uns das? Dass Menschen suggestibel sind und sich gerne etwas einreden lassen
Wenn man, wie Du, "intersubjetiv" definiert über "viele", stimme ich Dir zu.Savonlinna hat geschrieben:Ja, falls Dein Glaube wirklich von vielen so geäußert wird, dann ist das ein intersubjektiver Satz.
Die Überzeugung, dass es keinen Gott gibt, ist ebenfalls ein intersubjektiver Satz.
So ist es: Fragen wie diese werden wahr oder falsch beantwortet - falsifizierbar sind die Antworten (normalerweise) nicht.Savonlinna hat geschrieben:Insofern ist man so schlau wie vorher. Man weiß nicht, auf welche Wahrnehmungen und Erkenntnisse sich der Gläubige stützt.
Das glaube ich auch. - Da jeder Mensch aus dem gleichen "Kessel" kommt, sind alle Menschen von ihrer Anlage potentiell gleich und verhalten sich dementsprechend. - Aus meiner Sicht liegt der Unterschied zwischen einem Gott-Gläubigen und einem Agnostiker NICHT darin, dass der eine "besser" ist als der andere, sondern dass der eine etwas benennt, was der andere unbenannt lässt.Savonlinna hat geschrieben:Der Agnostiker könnte genau das wahrnehmen, was Du wahrnimmst, und könnte da täglich mit umgehen.
Nur dass er das nicht als "Gott" bezeichnet.
Deshalb gefällt mir Römer 2,13ff so gut:
13 Denn vor Gott sind nicht gerecht, die das Gesetz "hören," sondern die das Gesetz "tun," werden gerecht sein.
14 Denn wenn Heiden, die das Gesetz nicht haben, doch von Natur tun, was das Gesetz fordert, so sind sie, obwohl sie das Gesetz nicht haben, sich selbst Gesetz.
15 Sie beweisen damit, dass in ihr Herz geschrieben ist, was das Gesetz fordert, zumal ihr Gewissen es ihnen bezeugt
Aus meiner Sicht gibt es zwischen "Wahrnehmung" und "Für-wahr-halten" keinen Unterschied - insofern, dass es keine Wahrnehmung gibt, die nicht bewertend verarbeitet wird.Savonlinna hat geschrieben:Beide Überzeugungen sind daher in meinen Augen uninteressant für das Thema hier:
denn bei dem Thema geht es ja darum, was man wahrnimmt, und nicht, was man für wahr hält.
Umgekehrt gesagt: Ist eine Wahrnehmung möglich, die nicht gleichzeitig bewusst reflektiert, also bewertet wird? - Das mag es dann geben, wenn man unbewusst wahrnimmt - aber dann nimmt man nicht wahr, dass man wahrnimmt.
Stimmt - da muss man vor Tautologien aufpassen.Savonlinna hat geschrieben:Du hast ja "geistige Anlagen" als Erklärung für Geist" benutzt. Das wäre ja so, als würde ich "Tisch" definieren mit": Das, was ich als Tisch verstehe.
Ableitung von dem, von dem es "ist". - Ein Kreisschatten ist Ableitung/Ebenbild der Kugel - die authentische Abbildung auf niederer Ebene.Savonlinna hat geschrieben:Kein Mensch kann also auf Grund Deines Satzes verstehen, was Du unter "Geist" verstehst, weil er Ebenbild nicht versteht.
Wie definierst Du "Ebenbild"?
Doch - das ist der einzige Weg, weil man solche Fragen nur deduktiv beantworten kann (top-down). - Es geht gar nicht anders.Savonlinna hat geschrieben:Ob Materie überhaupt einen Ursprung hat, kann man nicht setzen und nicht als Definition behaupten.
Es gibt logisch (mindestens) zwei Möglichkeiten:
1) Materie erschafft sich selbst.
2) Materie wird geschaffen.
Eine dieser beiden Möglichkeiten muss man setzen, weil keine dieser Möglichkeiten falsifizierbar ist.
In Bezug auf Eigenschaften und Funktionen von "Geist" habe ich nun wirklich genug gebracht - insofern würde ich sagen: "Das, was diesen Eigenschaften und Funktionen entspricht, ist Geist".Savonlinna hat geschrieben:Vielleicht spürst Du etwas, was Du als "Geist" wahrnimmst, aber das wird man ja wohl noch in Worte kriegen können. - Definieren kann man es nämlich tatsächlich nicht, weil man erst herausfinden muss, was Leute damit meinen.
Was "Leute" meinen, ist ein schwieriges Kapitel. - Denn wir haben hier den Fall, dass das Wort "Geist" Bestandteil der Allgemeinsprache ist ("Kräutergeist"/"Schlossgeist"/"Heiliger Geist"/etc - sogar die Neurowissenschaft benutzt dieses Wort im Kontext mit Kognition) - somit wird dieses Wort für unterschiedlichste Inhalte verwendet.
Ich sehe nur die Möglichkeit zu definieren, was "Geist" im vorgetragenen Kontext zu bedeuten hat. - Das ist übrigens nicht unüblich - es gibt gerade in der Wissenschaft sehr oft die Wendung "x im Sinne von y" - eben damit es keine Missverständnisse gibt.