Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
closs
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#291 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Do 1. Okt 2015, 17:16

Savonlinna hat geschrieben:Ich wünschte, Du würdest ein bisschen von Eckhart lernen. Dann könnten wir beide uns viel besser verständigen.
Da würde mir sicherlich eine Auffrischung gut tun - wie auch immer: Eckart hatte keinen Zweifel, dass "Gott" eine Realität und keine Illusion des Menschen ist. - Er hat also im Sinne des Threads zwischen "Sein" und "Wahrnehmung" unterschieden.

Savonlinna hat geschrieben:Du tauschst Deine obige Ausssage aus gegen eine andere und fragst, wieso diese andere ideologisch sei. Warum tust Du so etwas?
Die zweite Aussage ist nichts anderes als eine Umschreibung der ersten - semantisch als identisch gemeint.

Seiendes ohne Sein ist aus (nicht nur) meiner Sicht nicht möglich.

Savonlinna hat geschrieben:Nein. Sondern was von vielen gleich wahrgenommen wird.
Dann wären Glaubens-Wahrnehmungen intersubjektiv - was naturwissenschaftlicher-seits bestritten wird. - Davon abgesehen stimme ich Dir zu.

Savonlinna hat geschrieben: Nicht nur der Blinde sieht keinen Baum innerhalb der Norm, sondern auch der den Baum expressionistisch malende Künstler nicht.
Aber der Expressionist könnte den Baum nicht malen, gäbe es nicht das "Urbild" des Baums (= "Sein" des Baums) - Meister Eckart nennt das „ideae“ oder „rationes (ideales)“, wobei er ausdrücklich auf Platon Bezug nimmt. Diese "Urbilder" existieren in Gott, aber dort nicht als Einzeldinge ("DIESER Baum")(siehe auch wik).

Umgekehrt heisst das: "Bäume" im Seienden (egal ob naturalistisch oder expressionistisch) sind Einzel-Ableitungen dieses Urbildes in Gott (das heisst übrigens nicht, dass sich Bäume nicht evolutionär verändern können - auch dann bleiben sie Ableger eines Urbilds).

Savonlinna hat geschrieben:Ich sagte doch gerade, dass das, was intersubjektiv wahrnehmbar oder erkennbar ist, als eine Realitätsebene verstanden werden kann.
Mir ist nach wie vor nicht klar, ob das mit "Realität" bezeichnet werden darf, zu dem es eine ausreichend große Wahrnehmungs-Zustimmung gibt ("intersubjektiv"), oder nur das, was unabhängig von welcher Wahrnehmung auch immer "ist". - Spielt diese Unterscheidung in Deinem Ansatz eine Rolle?

Savonlinna hat geschrieben:Jetzt redest Du aber von Überzeugungen und nicht mehr von intersubjektiven Wahrnehmungen.
Was ist der Unterschied? - Was sind Überzeugungen anderes als Wahrnehmungen?

Savonlinna hat geschrieben:Was lehrt uns das? Dass Menschen suggestibel sind und sich gerne etwas einreden lassen
Natürlich - deshalb würde ich gerne die Unterscheidung zwischen "Wahr-Nehmung" und "Falsch-Nehmung" einführen, weil damit semantisch markiert wäre, welche Perzeption authentisch zur "Wahrheit" (ich würde es "Sein" nennen - Meister Eckart wurde es "ideae" buw. "rationes ideales" nennen) sind oder NICHT-authentisch dazu stehen - für letzteres gibt es im Christlichen die Chiffre der satanischen Brillanz, also die Macht der Irrung und Wirrung.

Savonlinna hat geschrieben:Ja, falls Dein Glaube wirklich von vielen so geäußert wird, dann ist das ein intersubjektiver Satz.
Die Überzeugung, dass es keinen Gott gibt, ist ebenfalls ein intersubjektiver Satz.
Wenn man, wie Du, "intersubjetiv" definiert über "viele", stimme ich Dir zu.

Savonlinna hat geschrieben:Insofern ist man so schlau wie vorher. Man weiß nicht, auf welche Wahrnehmungen und Erkenntnisse sich der Gläubige stützt.
So ist es: Fragen wie diese werden wahr oder falsch beantwortet - falsifizierbar sind die Antworten (normalerweise) nicht.

Savonlinna hat geschrieben:Der Agnostiker könnte genau das wahrnehmen, was Du wahrnimmst, und könnte da täglich mit umgehen.
Nur dass er das nicht als "Gott" bezeichnet.
Das glaube ich auch. - Da jeder Mensch aus dem gleichen "Kessel" kommt, sind alle Menschen von ihrer Anlage potentiell gleich und verhalten sich dementsprechend. - Aus meiner Sicht liegt der Unterschied zwischen einem Gott-Gläubigen und einem Agnostiker NICHT darin, dass der eine "besser" ist als der andere, sondern dass der eine etwas benennt, was der andere unbenannt lässt.

Deshalb gefällt mir Römer 2,13ff so gut:
13 Denn vor Gott sind nicht gerecht, die das Gesetz "hören," sondern die das Gesetz "tun," werden gerecht sein.
14 Denn wenn Heiden, die das Gesetz nicht haben, doch von Natur tun, was das Gesetz fordert, so sind sie, obwohl sie das Gesetz nicht haben, sich selbst Gesetz.
15 Sie beweisen damit, dass in ihr Herz geschrieben ist, was das Gesetz fordert, zumal ihr Gewissen es ihnen bezeugt


Savonlinna hat geschrieben:Beide Überzeugungen sind daher in meinen Augen uninteressant für das Thema hier:
denn bei dem Thema geht es ja darum, was man wahrnimmt, und nicht, was man für wahr hält.
Aus meiner Sicht gibt es zwischen "Wahrnehmung" und "Für-wahr-halten" keinen Unterschied - insofern, dass es keine Wahrnehmung gibt, die nicht bewertend verarbeitet wird.

Umgekehrt gesagt: Ist eine Wahrnehmung möglich, die nicht gleichzeitig bewusst reflektiert, also bewertet wird? - Das mag es dann geben, wenn man unbewusst wahrnimmt - aber dann nimmt man nicht wahr, dass man wahrnimmt.

Savonlinna hat geschrieben:Du hast ja "geistige Anlagen" als Erklärung für Geist" benutzt. Das wäre ja so, als würde ich "Tisch" definieren mit": Das, was ich als Tisch verstehe.
Stimmt - da muss man vor Tautologien aufpassen.

Savonlinna hat geschrieben:Kein Mensch kann also auf Grund Deines Satzes verstehen, was Du unter "Geist" verstehst, weil er Ebenbild nicht versteht.
Wie definierst Du "Ebenbild"?
Ableitung von dem, von dem es "ist". - Ein Kreisschatten ist Ableitung/Ebenbild der Kugel - die authentische Abbildung auf niederer Ebene.

Savonlinna hat geschrieben:Ob Materie überhaupt einen Ursprung hat, kann man nicht setzen und nicht als Definition behaupten.
Doch - das ist der einzige Weg, weil man solche Fragen nur deduktiv beantworten kann (top-down). - Es geht gar nicht anders.

Es gibt logisch (mindestens) zwei Möglichkeiten:
1) Materie erschafft sich selbst.
2) Materie wird geschaffen.
Eine dieser beiden Möglichkeiten muss man setzen, weil keine dieser Möglichkeiten falsifizierbar ist.

Savonlinna hat geschrieben:Vielleicht spürst Du etwas, was Du als "Geist" wahrnimmst, aber das wird man ja wohl noch in Worte kriegen können. - Definieren kann man es nämlich tatsächlich nicht, weil man erst herausfinden muss, was Leute damit meinen.
In Bezug auf Eigenschaften und Funktionen von "Geist" habe ich nun wirklich genug gebracht - insofern würde ich sagen: "Das, was diesen Eigenschaften und Funktionen entspricht, ist Geist".

Was "Leute" meinen, ist ein schwieriges Kapitel. - Denn wir haben hier den Fall, dass das Wort "Geist" Bestandteil der Allgemeinsprache ist ("Kräutergeist"/"Schlossgeist"/"Heiliger Geist"/etc - sogar die Neurowissenschaft benutzt dieses Wort im Kontext mit Kognition) - somit wird dieses Wort für unterschiedlichste Inhalte verwendet.

Ich sehe nur die Möglichkeit zu definieren, was "Geist" im vorgetragenen Kontext zu bedeuten hat. - Das ist übrigens nicht unüblich - es gibt gerade in der Wissenschaft sehr oft die Wendung "x im Sinne von y" - eben damit es keine Missverständnisse gibt.

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#292 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Do 1. Okt 2015, 18:04

closs hat geschrieben:Mein Ansatz ist ein anderer: Ich glaube, dass "Geist" gerade im Unterschied zwischen Tier und Mensch begründet ist (reine Definitionssache)
Das ist ein reines Glaubensbekenntnis und man könnte es so stehen lassen, wäre es nicht eine ungeheuerliche Anmaßung: der Versuch den Mensch auf eine moralisch höhere Ebene als Tiere zu erheben.
Dein Modell widerspricht in allen Belangen dem modernen Verständnis von Evolution: Es gibt dafür keinerlei stützende Hinweise in der Natur.
Im Gegenteil, alles spricht dafür, dass wir Menschen zur Gattung der Menschenaffen gehören; auch wenn klar ist, dass uns die Evolution eine besondere Rolle "zugebilligt" hat.

Es bestreitet Niemand, dass wir Menschen einen ganz besonderen Platz in der Evolution haben.
Anscheinend ist unsere Entwicklung nicht nur den Weg extremer kognitiver Fähigkeiten gegangen, sondern es entstand ein Wesen mit überdurchschnittlicher Kooperationsfähigkeit, nie dagewesener Selbstdisziplin, sowie die Fähigkeit sich anderen Menschen zu unterordnen.

Das erkennt man am Beispiel des modernen Verkehrs besonders gut. Schau mal wie mehrere hundert Menschen ein Flugzeug besteigen, und sich den Anordnungen des Personals fügen, ihren Platz einnehmen und mehrere Stunden lang ruhig und geordnet auf ihren Plätzen bleiben, bis sie am Zielort gehorsam aussteigen.

Versuch das mal mit einer Horde Affen — das wäre undenkbar, nicht wahr?

Diese Kooperation und Selbstdisziplin vor zehntausenden von Jahren (man glaubt heute, dass der moderne Mensch vor rund 200'000 Jahren entstand) zusammen mit der technologische Fähigkeit zur Herstellung von "Fernlenkwaffen" (am Anfang waren es Speere mit vergifteten Steinspitzen) führten dazu unsere Feinde zu überwältigen. Es gab uns (zum ersten Mal in der Erdgeschichte) die Fähigkeit zum unaufhaltbaren Vormarsch in der Eroberung der Erde umzusetzen. Überall wo er hin kam, veränderte der Mensch seine Umwelt und nutzte sie für seine Zwecke. Es ist diese Fähigkeit zur Umweltveränderung die den Menschen letztlich zum Herrscher der Erde machten. Natürlich ging dieser Vormarsch nicht ohne eine gewisse Brutalität gegenüber Außenseiter von Statten.

Ich gebe gerne zu, dass in dieser Theorie eine Menge Spekulation steckt. Dennoch erklärt sie Vieles was auf andere Weise unerklärt bleibt.

Wenn du nicht glauben magst, dass es diese Fähigkeit war, Freund von Feind sehr genau abzugrenzen (Sozialwissenschaftler nennen das "in-group vs. out-group morality") dann solltest du in der Lage sein, zu erklären warum die "Ureinwohner" Eurasiens ("Homo neadertalensis, Homo erectus) oder die Mammuts und Säbelzahntiger alle aussterben mussten, um Platz zu schaffen für das Vordringen einer neuen Art. Wo sind sie geblieben, wenn sie nicht Opfer einer gnadenlose Jagd durch den Homo sapiens wurden?

Davon übrig geblieben ist unserem Verhalten gegenüber Andersdenkende die wir problemlos zum Feind deklarieren können. Dabei fühlen wir uns noch "edel" oder gar "heilig" wenn wir im Interesse unserer Gemeinschaft handeln und Andersdenkende ausgrenzen oder angreifen. Dabei denken wir für die "Unseren" etwas Gutes getan zu haben.

Woher sonst kommen die vielen Kriege auf der Welt?
Woher kommt die Vorliebe für Fernlenkwaffen aller Art?

PS: Es gab einen interessanten Bericht im TV über die moralischen Bedenken, ob Drohnen in Zukunft selbstständig entscheiden können ob sie den Feind töten oder nicht. Werden in Zukunft Roboter über Krieg und Frieden auf der Welt entscheiden?
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#293 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Do 1. Okt 2015, 19:12

Pluto hat geschrieben:der Versuch den Mensch auf eine moralisch höhere Ebene als Tiere zu erheben.
"Moralisch" würde ich nicht sagen - ich würde es als unterschiedliche Bewusstseins-Stufen verstehen.

Pluto hat geschrieben:Dein Modell widerspricht in allen Belangen dem modernen Verständnis von Evolution: Es gibt dafür keinerlei stützende Hinweise in der Natur.
Das glaube ich Dir aufs Wort. - Allerdings verstehe ich neurowissenschaftliche Erkenntnisse nicht als Hinweis auf eine Klärung unserer Frage hier - denn wenn man den neurologischen Apparat als "Hardware"/"Gefäß" dessen versteht, was drin ist (hier "Geist" oder nicht), muss diese/s "Hardware"/"Gefäß" nur komplex genug sein, um in ihm geistige Dinge (im spirituellen Sinn) verarbeiten zu können.

Pluto hat geschrieben:Woher sonst kommen die vielen Kriege auf der Welt?
Woher kommt die Vorliebe für Fernlenkwaffen aller Art?
Das kann sehr wohl per Evolutions-Theorie erklärt werden (wenn ich Dich recht verstehe, dass Du es so meinst). - Das Geistige wäre etwas, was damit umgeht - wobei mit "geistig" hier auch das gemeint ist, was man christlich "Widergeist" nennt.

Unterm Strich:
Deinen Ausführungen kann ich voll uns ganz folgen und glaube Dir (mangels eigener Spezial-Kompetenz), dass Du recht hast. - Aber es ist nur sehr bedingt relevant für die Frage "Geist ja oder nein".

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#294 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Do 1. Okt 2015, 19:40

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:der Versuch den Mensch auf eine moralisch höhere Ebene als Tiere zu erheben.
"Moralisch" würde ich nicht sagen - ich würde es als unterschiedliche Bewusstseins-Stufen verstehen.
Die Taten der Menschen sprechen eine ganz ndere Sprache... Tierfabriken und zoologische Gärten...

Durch solche fiktiven Unterschiede in den Bewusstseinsstufen, wie du sie postulierst, findet eine de facto moralische Abgrenzung statt. Wir akzeptieren diese "Einrichtungen" für Tiere, ohne uns um die Moral dessen was wir tun Gedanken zu machen (trifft auf die Meisten von uns zu).

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Dein Modell widerspricht in allen Belangen dem modernen Verständnis von Evolution: Es gibt dafür keinerlei stützende Hinweise in der Natur.
Das glaube ich Dir aufs Wort. - Allerdings verstehe ich neurowissenschaftliche Erkenntnisse nicht als Hinweis auf eine Klärung unserer Frage hier
Es sind keineswegs neurowissenschaftliche Erkenntnisse, sondern Solche aus der Paläoanthropologie und der evolutionsbiologischen Entwicklung.

closs hat geschrieben:denn wenn man den neurologischen Apparat als "Hardware"/"Gefäß" dessen versteht, was drin ist (hier "Geist" oder nicht), muss diese/s "Hardware"/"Gefäß" nur komplex genug sein, um in ihm geistige Dinge (im spirituellen Sinn) verarbeiten zu können.
So ist es; wenn der Apparat komplex genug ist, können Gefühle und selbst Gedanken entstehen. Ich sehe nicht wie dies zu widerlegen ist.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Woher sonst kommen die vielen Kriege auf der Welt?
Woher kommt die Vorliebe für Fernlenkwaffen aller Art?
Das kann sehr wohl per Evolutions-Theorie erklärt werden (wenn ich Dich recht verstehe, dass Du es so meinst). - Das Geistige wäre etwas, was damit umgeht - wobei mit "geistig" hier auch das gemeint ist, was man christlich "Widergeist" nennt.
Wie würdest du denn die Vormachtstellung des Menschen anhand deiner "Materie isi Folge von Geist" -Hypothese erklären?

closs hat geschrieben:Unterm Strich:
Deinen Ausführungen kann ich voll uns ganz folgen und glaube Dir (mangels eigener Spezial-Kompetenz), dass Du recht hast. - Aber es ist nur sehr bedingt relevant für die Frage "Geist ja oder nein".
Im Gegenteil, es trifft den Kern der Diskussion über den Ursprung des menschlichen Geistes.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#295 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Do 1. Okt 2015, 21:21

Pluto hat geschrieben:Durch solche fiktiven Unterschiede in den Bewusstseinsstufen, wie du sie postulierst, findet eine de facto moralische Abgrenzung statt.
Wieso "moralisch"? - Keiner behauptet, dass Menschen moralischer als Tiere sind - eher ganz anders: Menschen sind im Gegensatz zu Tieren zu Moral und Unmoral überhaupt erst fähig (soweit man "Moral" als geistige Bewusstseins-Größe versteht).

Pluto hat geschrieben:Es sind keineswegs neurowissenschaftliche Erkenntnisse, sondern Solche aus der Paläoanthropologie und der evolutionsbiologischen Entwicklung.
Aber das sind doch NATUR-wissenschaftliche Erkenntnisse!

Pluto hat geschrieben:So ist es; wenn der Apparat komplex genug ist, können Gefühle und selbst Gedanken entstehen. Ich sehe nicht wie dies zu widerlegen ist.
Ich auch nicht - ist doch meine Rede. - Aber OB ein Gehirn dafür vorgesehen ist, ist damit nicht geklärt.

Pluto hat geschrieben:Wie würdest du denn die Vormachtstellung des Menschen anhand deiner "Materie isi Folge von Geist" -Hypothese erklären?
Das geistiges Bewusstsein immer auch wider-geistiges Bewusstsein ist (biblisch gesehen wäre dies ein Synonym für "göttlich-orientiert" oder "satanisch-orientiert"). - Der Mensch als kognitiv entwickelstes Lebewesen kann die damit verbundenen Fähigkeiten somit so oder so einsetzen.

Pluto hat geschrieben:Im Gegenteil, es trifft den Kern der Diskussion über den Ursprung des menschlichen Geistes.
Das ist eben der Streitpunkt: Wo kommt "Geist" in seinem Wesen ("Sein") her? - Hierin sind Naturalismus (als Weltanschauung) und (die meisten) Religionen diametraler Auffassung - es sind zwei entgegengesetzte Glaubens-Aussagen.

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#296 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Do 1. Okt 2015, 22:23

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Durch solche fiktiven Unterschiede in den Bewusstseinsstufen, wie du sie postulierst, findet eine de facto moralische Abgrenzung statt.
Wieso "moralisch"?
Schau dir die Tatsachen an. In dem wir die Tiere einsperren, tun wir so als wären wir was Besseres als sie. Das ist zutiefst unmoralisches Denken.

closs hat geschrieben:Keiner behauptet, dass Menschen moralischer als Tiere sind - eher ganz anders: Menschen sind im Gegensatz zu Tieren zu Moral und Unmoral überhaupt erst fähig (soweit man "Moral" als geistige Bewusstseins-Größe versteht).
Das verwerfliche am Menschen ist, dass er in der Lage ist, Artgenossen zu Teufel zu wünschen — im wahrsten Sinn des Wortes.

closs hat geschrieben:Aber das sind doch NATUR-wissenschaftliche Erkenntnisse!
Ja und?
Es sind hinreichend bestätigte Erkenntnisse.

closs hat geschrieben:Der Mensch als kognitiv entwickelstes Lebewesen kann die damit verbundenen Fähigkeiten somit so oder so einsetzen.
Ja. Aber warum und unter welchen Umständen tut er das Eine oder das Andere?

closs hat geschrieben:Wo kommt "Geist" in seinem Wesen ("Sein") her? - Hierin sind Naturalismus (als Weltanschauung) und (die meisten) Religionen diametraler Auffassung - es sind zwei entgegengesetzte Glaubens-Aussagen.
Dann sage mir warum die Religionen es diametral anders sehen, und begründe es bitte. Auf welchen Fakten stützten sie ihre Aussagen, oder sind es ideologische Dogmen?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#297 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Do 1. Okt 2015, 22:31

Pluto hat geschrieben: In dem wir die Tiere einsperren, tun wir so als wären wir was Besseres als sie. Das ist zutiefst unmoralisches Denken.
Natürlich ist es das - deshalb sage ich doch: Die Befähigung zur moralischen Reflexion ist gleichzeitig der Öffnung hin zur Un-Moral - Tiere sind weder moralisch noch unmoralisch.

Pluto hat geschrieben:Es sind hinreichend bestätigte Erkenntnisse.
Natürlich sind sie das - aber diese Erkenntnisse berühren nicht die Frage, ob Geist ein "Sein" ist, das sich im Gehirn breit macht, oder etwas durch das Gehirn Geschaffenes ist - beides nicht falsifizierbar.

Pluto hat geschrieben: Aber warum und unter welchen Umständen tut er das Eine oder das Andere?
Die kürzeste und mit großer Wahrscheinlichkeit zu kurze Antwort wäre: Weil der Mensch im dialektischen Raum aus "gut" und "böse" ist - er ist also immer dazwischen.

Pluto hat geschrieben:Dann sage mir warum die Religionen es diametral anders sehen, und begründe es bitte. Auf welchen Fakten stützten sie ihre Aussagen, oder sind es ideologische Dogmen?
Beides sind Setzungen. - Die Naturwissenschaft setzt, dass es nichts über das von ihr Beobachtbare hinausgeht - die Religionen, dass es etwas über das Beobachtbare hinaus gibt.

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#298 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Do 1. Okt 2015, 22:44

closs hat geschrieben:Tiere sind weder moralisch noch unmoralisch.
Wie erklärst du dann, die vielen beobachtbaren Beispiele von moralischem Verhalten in der Tierwelt?

closs hat geschrieben:aber diese Erkenntnisse berühren nicht die Frage, ob Geist ein "Sein" ist, das sich im Gehirn breit macht, oder etwas durch das Gehirn Geschaffenes ist - beides nicht falsifizierbar.
Naja... Es gibt nachweislich moralische und unmoralisches Verhalten in der Tierwelt, auch wenn die Regeln etwas anders sind als bei uns.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Aber warum und unter welchen Umständen tut er das Eine oder das Andere?
Die kürzeste und mit großer Wahrscheinlichkeit zu kurze Antwort wäre: Weil der Mensch im dialektischen Raum aus "gut" und "böse" ist - er ist also immer dazwischen.
Was ist eigentlich ein "dialektischer Raum", wenn man davon ausgehen kann, dass Gut und Böse immer relativ zum jeweiligen Betrachter sind.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Dann sage mir warum die Religionen es diametral anders sehen, und begründe es bitte. Auf welchen Fakten stützten sie ihre Aussagen, oder sind es ideologische Dogmen?
Beides sind Setzungen. - Die Naturwissenschaft setzt, dass es nichts über das von ihr Beobachtbare hinausgeht - die Religionen, dass es etwas über das Beobachtbare hinaus gibt.
Das ist aber keine Antwort auf die Frage: auf welche Fakten sich die Annahmen der Religionen stützen?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

JackSparrow
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#299 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von JackSparrow » Do 1. Okt 2015, 23:21

closs hat geschrieben:Eckart hatte keinen Zweifel, dass "Gott" eine Realität und keine Illusion des Menschen ist.
Inwiefern sind antike Philosophen vertrauenswürdiger als moderne Neurowissenschaftler? Woher haben die ihre Kompetenzen? Wer prüfte ihre Qualifikation?

Er hat also im Sinne des Threads zwischen "Sein" und "Wahrnehmung" unterschieden.
Wer über sich selbst sagt, dass er Gott wahrnimmt, ist meines Erachtens einfach bloß zu faul, seine Wahrnehmungen in verständlichem Deutsch auszudrücken. Bei vielen wäre es wohl auch etwas geschäftsschädigend, wenn sie zu sehr ins Detail gehen würden. Aber das dürfte auf reine Hobbygläubige ja eher nicht zutreffen.

Umgekehrt heisst das: "Bäume" im Seienden
Umgekehrt heißt es, dass das Gehirn Formen erkennt und wir als Kleinkinder irgendwann mal gelernt haben, dass manche dieser Formen als "Baum" zu bezeichnen sind.

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#300 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Do 1. Okt 2015, 23:39

Pluto hat geschrieben:Wie erklärst du dann, die vielen beobachtbaren Beispiele von moralischem Verhalten in der Tierwelt?
Das liegt an unterschiedlichen Definitionen von "moralisch". - Dass es auch aus Selbsterhaltungsgründen Gruppenverhalten bei Tieren gibt, ist unbestritten - aber das würde man unter geistiger Definition nicht als "moralisch" bezeichnen. - Hier besetzt das Wort "moralisch" unterschiedliche Inhalte.

Pluto hat geschrieben: Es gibt nachweislich moralische und unmoralisches Verhalten in der Tierwelt
S.o. - nur, wenn man "moralisch" dementsprechend definiert.

Pluto hat geschrieben:Was ist eigentlich ein "dialektischer Raum", wenn man davon ausgehen kann, dass Gut und Böse immer relativ zum jeweiligen Betrachter sind.
Selbst dann gäbe es eine Dialektik zwischen "gut" und "böse" - davon abgesehen, dass Dein Satz (wie ein dementsprechender Satz meinerseits) eine Glaubens-Aussage ist.

Pluto hat geschrieben:Das ist aber keine Antwort auf die Frage: auf welche Fakten sich die Annahmen der Religionen stützen?
Wenn man "Faktum" naturalistisch definiert, sind mir beim ersten Nachdenken keine bekannt. - Definiert man das Wort "Faktum" auch auf Logik (auf Basis - wie immer - einer Setzung), dann gibt es dazu genug Begründungen seit Jahrtausenden. - Unterm Strich ist BEIDES eine Glaubensaussage.

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