Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Säkularismus
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Savonlinna
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#231 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » Mi 30. Sep 2015, 10:29

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Von wem ist das so gemeint? Da bräuchte ich jetzt eine Herleitung.
Hast Du nicht schon selber die Antwort zitiert? "Er <der Fachbegriff ousia> bezeichnete damit das ontologisch Stabile, Unveränderliche und Wesentliche". - Glaubst Du, dass "Unveränderliches" in Zeit und Raum sein kann?
Bitte, antworte auf meine Frage!!!!

Das hier hast Du behauptet:
closs hat geschrieben:Mit "wesen" ist gemeint, dass etwas unabhängig davon "ist", ob es in Raum und Zeit wahrgenommen wird oder nicht.
Und ich wollte die Herleitung für Dein "ist gemeint".
Es könnte nämlich sein, dass nur Du alleine das so meinst.


closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Es fällt mir schwer, meine Denkmuster in ein übliches Verständnis zu übersetzen - da habe ich wirklich Probleme. - Wie verstehst Du meine Heidegger-Zitate? - Für mich sind sie glasklar - selbst wenn es meine eigene Klarheit sein sollte und er nicht das selbe meint, was ich verstehe.
Geht es in diesem Thread nur um Deine eigene Klarheit?

Macht es überhaupt einen Sinn, Heidegger oder Plato in diesem Thread zu erläutern, ohne dass Du diese sofort in closs'sches Denken umdeutest?

JackSparrow
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#232 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von JackSparrow » Mi 30. Sep 2015, 11:28

closs hat geschrieben:Du nennst also Utopien als "existent" - demnach gäbe es Existenz, die nicht real (in Deinem Sinne) ist?
Eine Utopie beschreibt Dinge, die nicht existieren. Deshalb heißt es Utopie. Würde sie existente Dinge beschreiben, würde man es Theorie nennen.

Dir scheint der Gedanke fremd zu sein, dass man nicht nur er-finden, sondern auch finden könnte, nicht wahr?
Mir ist der Gedanke fremd, dass man für Dinge, welche sich ausschließlich im Kopf oder meinetwegen im Geist eines Menschen abspielen, irgendein anderes Wort außer "Utopie" gebrauchen sollte. Das Wort ist nicht nur treffend, sondern verhindert auch eventuelle Verwechslungen mit Dingen, welche sich außerhalb dieses Kopfes befinden.

Wir haben sogar Wörter für Utopien, die sich erst zu einem späteren Zeitpunkt als real herausstellen. Man nennt es dann "Präkognition", "Hellsehen" oder "Telepathie".

closs
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#233 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Mi 30. Sep 2015, 11:37

Savonlinna hat geschrieben:Und wollte damit sagen, dass ich bisher immer geglaubt habe, Dein Spruch beziehe sich auf Erkenntnis, in Deiner Sprache: "geistige" Erkenntnis.
Verstehe - wir haben ja immer meistens über "Geistiges" gesprochen - aber natürlich gilt es auch für Naturalistisches. - Nur dass es im Naturalistischen relativ einfach zu trennen ist. - Im Geistigen ist es schwieriger.

Ich geb's ja zu: Sprachlich ist das alles schwer zu fassen - wahrscheinlich muss man Sprachvereinbarungen treffen. - Das Problem: Wenn man traditionell von "Geist" spricht, meint man vorwiegend den spirituellen Aspekt (Metaphysik). - Ein heutiger Neurowissenschaftler würde das Wort "Geist" eventuell ebenfalls verwenden, meint aber damit etwas ganz anderes (eher als Synomym für Kognition - anders kann es naturwissenschaftlich nicht gemeint sein).

Und so schwirren verschiedene Bedeutungen fürs selbe Wort rum. - Da nützt es nichts, irgendwo nachzuschlagen, weil da ja dann nicht steht, was Geist "ist", sondern was man je nach Kultur oder Methodik darunter verstanden hat (das kann dann von Wein-"Geist" über Gespenster bis zum Heiligen Geist führen). - Mit anderen Worten: WIR müssen definieren, was wir meinen, wenn wir das Wort "Geist" (gilt auch für andere Worte) verwenden.

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#234 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Mi 30. Sep 2015, 11:49

Savonlinna hat geschrieben:Und ich wollte die Herleitung für Dein "ist gemeint".
Das ist meines Erachtens von Platon so gemeint - beim späten Heidegger meines Erachtens auch. Aber das mit deren Texten hieb- und stichfest zu machen, schaffe ich nicht mehr. - EIN Zitat fällt mir ein, das das Verhältnis von Wahrnehmungs-Ebene zur Seins-Ebene ("Unveränderlichkeit") gut darstellen könnte:
„Solange das Dasein als Seiendes ‚ist‘, hat es seine ‚Gänze‘ nie erreicht. Gewinnt es sie aber, dann wird der Gewinn zum Verlust des In-der-Welt-Seins schlechthin. Als Seiendes wird es dann nie mehr erfahrbar.“
Ich habe ja einige Heidegger-Zitate im logischen Zusammenhang (wie ich hoffe) gebracht - bringt es DIR etwas? - Und trotzdem: Es soll Hilfe sein für UNSER Erkennen, und nicht eine Untersuchung Heideggers sein.

Savonlinna hat geschrieben:Macht es überhaupt einen Sinn, Heidegger oder Plato in diesem Thread zu erläutern, ohne dass Du diese sofort in closs'sches Denken umdeutest?
Moment - es geht hier nicht primär um Plato und Heidegger, sondern um UNSER (möglicherweise unterschiedliches) Verständnis der Beziehung von "Sein" und "Wahrnehmung". - Plato und Heidegger und sonstwer sind Menschen, die dabei behilflich sein können.

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#235 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Mi 30. Sep 2015, 11:54

JackSparrow hat geschrieben:Eine Utopie beschreibt Dinge, die nicht existieren.
Also war die Vorlage "existierende Utopien" nicht ganz ernst zu nehmen.

JackSparrow hat geschrieben:Mir ist der Gedanke fremd, dass man für Dinge, welche sich ausschließlich im Kopf oder meinetwegen im Geist eines Menschen abspielen, irgendein anderes Wort außer "Utopie" gebrauchen sollte.
Hier geht es um etwas anderes - es geht darum, zwischen "Finden" und "Erfinden" zu unterscheiden (was nicht immer leicht sein wird - aber dass man wenigstens mal grundsätzlich unterscheiden kann).

JackSparrow hat geschrieben:Wir haben sogar Wörter
Das "Wir" (egal ob es von Dir oder von mir kommt) bezieht sich immer auf EINE Gruppe und EINE Perspektive, die aus ihren weltanschaulichen Setzungen heraus zu entsprechenden Wortgebräuchen kommt. - Quantitativ ist hier von Bedeutung, was in einer kulturellen Epoche gerade angesagt ist - qualitativ sagt das erstmal nichts.

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Savonlinna
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#236 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » Mi 30. Sep 2015, 12:25

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Und wollte damit sagen, dass ich bisher immer geglaubt habe, Dein Spruch beziehe sich auf Erkenntnis, in Deiner Sprache: "geistige" Erkenntnis.
Verstehe - wir haben ja immer meistens über "Geistiges" gesprochen - aber natürlich gilt es auch für Naturalistisches. - Nur dass es im Naturalistischen relativ einfach zu trennen ist. - Im Geistigen ist es schwieriger.
Ja, im Geistigen ist es schwieriger.
Wenn Du eine geistige Erkenntnis ablehnst, weil sie im naturalistischen Analagon nicht funktioniert, dann könnte das heißen, dass diese geistige Erkenntnis Dir fremd ist.

Dass Finden und Erfinden im dichterischen Schreiben ineinanderfällt, würden Dir viele Künstler bestätigen.
Dein Gegenargument, dass es im naturalistischen Bereich nicht stattfindet, also auch im geistigen nicht stattfinden könne, würden sie dann nicht so schlimm finden, weil man das eben nur im praktischen Dichten oder Schreiben erfährt.

Es gibt eben - um konkret auf das Threadthema zurückzukommen - auch "geistige Wahrnehmung".
Wir hatten ursprünglich nur von sinnlicher Wahrnehmung gesprochen und auch da schon festgestellt - Du hast das jedenfalls bestätigt -, dass die Beurteilung, welche Wahrnehmung "stimmt", davon abhängt, was man im jeweiligen Kulturraum als Norm für "richtig" hält.
Der naturwissenschaftliche Aspekt ist dabei richtungsweisend. Die Krümmung des Astes im Wasser wird dementsprechend als "Illusion" bezeichnet.

Bei der sogenannten geistigen Wahrnehmung hat unsere Kultur keinen Maßstab ausgebildet. Da findet Wildwuchs statt.
Aber auch da wird es die Unterscheidung "Illusion" und "Wirklichkeit" geben, wenn man einmal entschieden hat, welche Art der geistigen Wahrnehmung man als "normal" setzt.


closs hat geschrieben:Mit anderen Worten: WIR müssen definieren, was wir meinen, wenn wir das Wort "Geist" (gilt auch für andere Worte) verwenden.
Jeder allerdings für sich.

Also Du solltest definieren, was Du in Satz A unter "Geist" verstehst, wenn Du den Begriff da benutzt.
Und ich müsste das in meinem Satz B tun.

Wenn wir beide keine Mogeler sind, sondern wirklich wissen, wovon wir sprechen, es also wirklich wahrgenommen haben, dann findet man unter den unterschiedlichen Definitonen das Gleiche.
Denn wenn "Geist" nicht intersubjektiv erkennbar ist, dann ist er hier im Thread ohnehin falsch.

Pluto
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#237 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Mi 30. Sep 2015, 12:33

closs hat geschrieben:Moooment: DIE Griechen gibt es erst mal gar nicht.
Es geht doch darum, dass man schon 2500 Jahren wusste, dass nichts in der Welt unveränderlich ist.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ich kann seine Texte noch so oft lesen; sie ergeben für mich überhaupt keinen Sinn.
Man muss sich in sein System einlesen - das ist richtig. - Aber was ich da von ihm zitiert habe, ging mir beim ersten Lesen wie Öl runter. - Da steht mehr drin, als wir hier auf die Reihe kriegen wollen.
Genau das bezweifle ich. Wenn man das Wort "Sein" durch das Wort "Pumuckl" ersetzt, so sagen seine Texte noch immer genau dasselbe aus, nämlich nichts.
Es genügt eben nicht, schöne Worte im Brustton der Überzeugung auszusprechen, wenn sie inhaltlich nichts bedeuten.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#238 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Mi 30. Sep 2015, 12:35

Savonlinna hat geschrieben:Der naturwissenschaftliche Aspekt ist dabei richtungsweisend.
Keine Widerrede meinerseits - aber man muss sich immer wieder mal dran erinnert, dass "richtungsweisend" Ausdruck für Konvention ist, also inhaltlich erst mal nichts bedeutet.

Savonlinna hat geschrieben:Bei der sogenannten geistigen Wahrnehmung hat unsere Kultur keinen Maßstab ausgebildet.
Deine "UNSERE Kultur" ist dabei wichtig.

Savonlinna hat geschrieben:Aber auch da wird es die Unterscheidung "Illusion" und "Wirklichkeit" geben, wenn man einmal entschieden hat, welche Art der geistigen Wahrnehmung man als "normal" setzt.
Rein inhaltlich wäre im geistigen Sinn "Illusion" das an Wahrnehmung, was nicht authentisch ist zum "Sein". - Deshalb mag ich die Unterscheidung von "Wahr-Nehmung" und "Falsch-Nehmung" - lässt sich aber wohl nicht durchsetzen.

Savonlinna hat geschrieben:Wenn wir beide keine Mogeler sind, sondern wirklich wissen, wovon wir sprechen, es also wirklich wahrgenommen haben, dann findet man unter den unterschiedlichen Definitonen das Gleiche.
Das vermute ich auch.

Savonlinna hat geschrieben:Also Du solltest definieren, was Du in Satz A unter "Geist" verstehst, wenn Du den Begriff da benutzt.
OK - ein Versuch: "Geistiges Denken ist der Versuch, über die naturalistische Welt hinaus 'Sein' zu erkennen". - Innerhalb der naturalistische Weltanschauung würde ich das Wort "Geist" generell streichen (täte es da nicht auch - je nach Zusammenhang - "Intellektualität" oder "Kognition"?) - einfach um Sprachklarheit zu ermöglichen.

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#239 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Mi 30. Sep 2015, 12:42

Pluto hat geschrieben:Es geht doch darum, dass man schon 2500 Jahren wusste, dass nichts in der Welt unveränderlich ist.
Aber wir reden hier doch von dem, aus dem "die <naturalistische> Welt" ist. - Und da sagt eben Plato, dass - um es sehr verkürzt zu interpretieren - die Veränderlichkeit der naturalistischen Welt aus etwas kommt, das selbst nicht veränderlich ist.

Pluto hat geschrieben: Wenn man das Wort "Sein" durch das Wort "Pumuckl" ersetzt, so sagen seine Texte noch immer genau dasselbe aus, nämlich nichts.
Das zeigt mir, wie unterschiedlich Aufnahme-Fähigkeiten des Menschen ausgerichtet sind. Du scheinst so stark naturalistisch formatiert zu sein, dass Dir diese ontologische Perspektive genauso fremd ist wie mir das Chinesische.

Und damit kämen wir zum Punkt, dass kulturelle Formatierung zu speziellen Denkkorridoren im Einzelmenschen führen kann. - So wie man im Mittelalter sich nicht vorstellen KONNTE, dass die Welt nicht aus Gott kommt, kann man sich heute nicht vorstellen, was Heidegger sagt.

Erstaunlich ist, dass die jeweils frischeste Zeit (jeweilige Gegenwart) meint, ihr Korridor sei der fortschrittlichste.

Pluto
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#240 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Mi 30. Sep 2015, 12:59

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Es geht doch darum, dass man schon 2500 Jahren wusste, dass nichts in der Welt unveränderlich ist.
Aber wir reden hier doch von dem, aus dem "die <naturalistische> Welt" ist.
Nein. Deine Wortwahl, "naturalistische Welt" ist dein persönliches Konstrukt. Damit flüchtest du lediglich in deine private Welt.

closs hat geschrieben:Du scheinst so stark naturalistisch formatiert zu sein, dass Dir diese ontologische Perspektive genauso fremd ist wie mir das Chinesische.
Das mag ja sein.

Dennoch erinnert mich Heidegger allzu sehr an Shakespeares Worte...

Macbeth, Akt V., 5. Szene
Ein armer Komödiant, der spreizt und knirscht
Sein Stündchen auf der Bühn' und dann nicht mehr
Vernommen wird; ein Märchen ists, erzählt
Von einem Blödling, voller Klang und Wut,
Das nichts bedeutet.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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