Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
Pluto
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#191 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Di 29. Sep 2015, 10:45

ThomasM hat geschrieben:Altes Thema: Wie definierst du Wirklichkeit und Illusion?
Ganz einfach, in dem ich Modelle von meinen Ideen erstelle und diese überprüfe. Stellt es sich heraus, dass die Ergebnisse dieser Überprüfung immer wieder richtig sind, wächst mein Vertrauen in sie, bis sie zur de facto Wirklichkeit werden.
Die Aerodynamik ist so ein Modell. Das geht so weit, dass ich ein Flugzeug besteige, ohne Angst zu haben, dass die Theorien versagen könnten.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#192 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Di 29. Sep 2015, 11:13

JackSparrow hat geschrieben:Neurowissenschafltich benutzt man auch nicht zwei verschiedene Namen für die gleiche Beobachtung.
Weil man methodisch begründet nur eine Perspektive haben kann - Wissenschaft ist für die naturalistische Welt zuständig.

JackSparrow
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#193 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von JackSparrow » Di 29. Sep 2015, 11:23

Savonlinna hat geschrieben:lat. existo gehe auf griech. existemi (ek-histemi) zurück und bedeute „auslegen, aufstellen, herausstehen“, also „räumlich vorhanden sein“.
Der nächste Verwandte im Deutschen ist das Wort "stehen". Mit neuer Vorsilbe wird daraus "System", "Substanz" und "Histologie".

Hyparxis wiederum stehe im Altgriechischen dem griechischen Ousia gegenüber, was wörtlich übersetzt "Seiendheit" übersetzt.
hypo = unten, arxe = der Anfang, arxes = des Anfangs, hypo-arxes = unterhalb des Anfangs.


closs hat geschrieben:Weil man methodisch begründet nur eine Perspektive haben kann - Wissenschaft ist für die naturalistische Welt zuständig.
Und jetzt hätte die Philosophie gern noch eine zweite Welt, wo sich die ganzen Sachen unterbringen lassen (Götter, Geister, Äther, Erdstrahlen), die die Wissenschaft auch nach intensivsten Bemühen bisher nicht entdecken konnte, deren Fehlen aber bedauerlicherweise die Philosophen arbeitslos machen würde.

closs
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#194 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Di 29. Sep 2015, 11:29

Savonlinna hat geschrieben:Bei letzterem kann man schon sehen, wie der Wandel von Plato zum Rationalismus des Mittelelters vollzogen wurde:
"Seiendheit" sei die Gattungszugehörigkeit. Damit wird die Naturwissenschaft mit ihren Gattungsbegriffen bereits auf den Thron gesetzt, und sie entscheidet, was das Seiende eines Einzeldinges sei.
Aus meiner Sicht treffend analysiert.

Savonlinna hat geschrieben:Interessant wäre dann, zu Plato selber zurückzukehren, was ER mit dem Wort "ousia" gemeint hat, denn er habe den Fachbegriff "ousia" in die Philosophie eingeführt.
Nach meinem Verständnis tut Platon etwas, was auch im sogenannten "Universalienstreit" eine Rolle spielt: Er versteht das "Seiende" als Ableitung des "Seins". - Savonlinna ist die "seiende Ableitung" des Seins "Mensch" resp. "Frau".

Dieser "Ableitungs-Geber" nennt Platon "Idee" - Ideen als eigenständige, dem Bereich der sinnlich wahrnehmbaren Objekte ontologisch übergeordnete Entitäten. - Diese "Ideen" nennt man im Universalienstreit als "Realien" - also das, dem man eine ontologische Existenz beimessen kann (Realismus) - Im Gegensatz dazu rein verstandesmäßige Begriffsbildungen (Nominalismus). - Achtung: Damit ist der ontologische Realismus so ziemlich das Gegenteil dessen, was man heute als Realismus bezeichnet.

Diese "Realien" und deren authentischen Ableitungen sind in meinem Sprachgebrauch beide "Sein" - somit ist Savonlinna als Seiende ein "Sein" (sie "ist") wie auch der Ursprung dieser Ableitung (die Idee, die Realie) "Sein" ist (der Ursprung "ist"). - Das Problem: Das Sein des Ursprungs kann nur über die Thematisierung durch die Ableitung offenbart werden (das sagt bspw. auch Heidegger - aber um den geht es hier nicht).

Allerdings müssen wir hier begrifflich sehr wohlwollend miteinander umgehen, da die hier verwendeten Begriffe woanders ganz andere Bedeutungen haben können.

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#195 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Di 29. Sep 2015, 11:32

JackSparrow hat geschrieben:Und jetzt hätte die Philosophie gern noch eine zweite Welt, wo sich die ganzen Sachen unterbringen lassen
Auf GLEICHER Ebene sollte Philosophie nicht in Wettstreit treten mit Naturwissenschaft - es gibt hier keine Konkurrenz. - Die Naturwissenschaft möge bei der naturalistischen Welt diszipliniert bleiben, und es ist schon viel gewonnen.

JackSparrow hat geschrieben:die die Wissenschaft auch nach intensivsten Bemühen bisher nicht entdecken konnte
Sie wird es NIE entdecken, soweit es nicht Teil des Naturalistischen ist. - Die Naturwissenschaft sollte für möglich halten, dass es "Sein" gibt, das naturalistisch nicht greifbar ist und gar nicht erst suchen, wo es für sie nichts zu finden gibt.

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#196 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Di 29. Sep 2015, 11:44

Pluto hat geschrieben: Mehr als vage Vermutungen sind das nicht, deshalb könnte der Korridor genauso gut in einen Abgrund führen.
Theoretisch ja - die Welt könnte eine einzige Täuschung sein. - Es gibt Gründe anzunehmen, dass dem nicht so ist - beweisen kann man es nicht.

Pluto hat geschrieben:Wie kann man da von Erkenntnis reden, wenn keine Möglichkeit der Überprüfung besteht?
Intersubjektive Erkenntnis im naturwissenschaftlichen Sinne gibt es NICHT - es gibt "nur" persönliche Erkenntnisse, die unter Gleichen teilbar sind.

Pluto hat geschrieben:Siehst du... Nur eine Wissenschaft die in Fakten gründet, kann hier helfen Erkenntnisse zu erlangen, die auch alltagstauglich sind.
Die Wissenschaft beschränkt sich auf das Terrain, das den methodischen Ansprüchen der Wissenschaft gerecht wird - das ist gut so und muss auch so sein. - Das heisst nicht, dass es nicht auch andere Terrains gäbe.

Das ist ja das Thread-Thema: Kann der Mensch glauben, dass "Sein", das wissenschaftlich-methodisch nicht greifbar ist, DESHALB nicht sein kann?

Pluto hat geschrieben:Wie willst du Wirklichkeit von Illusion unterscheiden?
Ob das Objekt unabhängig vom Subjekt ist ("Wirklichkeit") oder Produkt des Subjekts ist ("Illusion"), ist nicht objektiv unterscheidbar - die Beobachtungen sind dieselben. - Deshalb: Nicht falsifizierbar.

Pluto hat geschrieben:Wieso unterstellst du es dann?
Ich unterstelle, dass aus wissenschaftlicher Arbeit weltanschauliche Konstrukte gemacht werden - egal von wem, aber nichtsdestoweniger wirksam.

Pluto hat geschrieben:Der einzige Grund, den du hast, wissenschaftliche Tätigkeit derart einzuengen
Das hat nichts mit "einengen" zu tun - ein Schuster backt ja auch keine Brötchen. - Das Beobachtungsfeld der Wissenschaft ist doch definiert (siehe Popper) - wollen wir es nicht dabei belassen?

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#197 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Di 29. Sep 2015, 11:46

JackSparrow hat geschrieben:Und jetzt hätte die Philosophie gern noch eine zweite Welt, wo sich die ganzen Sachen unterbringen lassen (Götter, Geister, ...)
Naturwissenschaft und Philosophie beackern unterschiedliche Felder - die Naturwissenschaft ist gut bedient, wenn sie sich in der Popper-Welt aufhält - dort gibt es wahrlich genug zu tun.

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#198 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » Di 29. Sep 2015, 12:03

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Bei letzterem kann man schon sehen, wie der Wandel von Plato zum Rationalismus des Mittelelters vollzogen wurde:
"Seiendheit" sei die Gattungszugehörigkeit. Damit wird die Naturwissenschaft mit ihren Gattungsbegriffen bereits auf den Thron gesetzt, und sie entscheidet, was das Seiende eines Einzeldinges sei.
Aus meiner Sicht treffend analysiert.

Savonlinna hat geschrieben:Interessant wäre dann, zu Plato selber zurückzukehren, was ER mit dem Wort "ousia" gemeint hat, denn er habe den Fachbegriff "ousia" in die Philosophie eingeführt.
Nach meinem Verständnis tut Platon etwas, was auch im sogenannten "Universalienstreit" eine Rolle spielt: Er versteht das "Seiende" als Ableitung des "Seins". - Savonlinna ist die "seiende Ableitung" des Seins "Mensch" resp. "Frau".
Das wollen wir erst mal schauen. ;)

Du sprichst immer von "Sein", aber bisher habe ich das nirgendwo sonst gefunden. Es handelte sich bisher immer um "Seiendes".
Wie von mir schon geschrieben:
Eventuell musst Du das auf Deine eigene Kappe nehmen, dass Du ein "Sein" konstruierst, das keiner Deiner Vorläufer so benutzt hat.

Anton B.
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#199 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Anton B. » Di 29. Sep 2015, 12:18

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wie kann man da von Erkenntnis reden, wenn keine Möglichkeit der Überprüfung besteht?
Intersubjektive Erkenntnis im naturwissenschaftlichen Sinne gibt es NICHT - es gibt "nur" persönliche Erkenntnisse, die unter Gleichen teilbar sind.
Der Begriff der "Intersubjektivität" ist aber für die Wissenschaften allgemein und für die Naturwissenschaften im Besonderen essentiell. "Persönliche Erkenntnisse", also subjektive Erkenntnisse: Ja! Die zwischen Subjekten teibar sind: Ja! "Unter Gleichen" bedeutet dann eine Einengung innerhalb der Subjekte. Und ja, auch das ist richtig, denn die Wissenschaft setzt auf einen Begründungskontext, für den Rationalität Bedingung ist.

Und damit ist alles zusammen, was den Terminus "Intersubjektivität" der Wissenschaftstheorie definiert.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#200 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Di 29. Sep 2015, 13:50

Anton B. hat geschrieben:Der Begriff der "Intersubjektivität" ist aber für die Wissenschaften allgemein und für die Naturwissenschaften im Besonderen essentiell.
Richtig - deshalb ist es doch so schwierig, Geistiges (im spirituellen Sinne) wissenschaftlich zu fassen.

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