Andreas hat geschrieben:Ja schon, aber nicht mehr auf der Ebene der Menschheitsgeschichte, weil ich glaube, dass Glaube immer nur eine individuelle, persönliche Angelegenheit sein kann. Was nützt der Entwicklung des Einzelnen im Sinne Gottes zu seiner Vollendung dieser Apokalyptik-Kram, den niemand bis jetzt je erlebt hat?
Nehmen wir mal die ersten 11 Kapitel der Genesis heraus denke ich sehr wohl, dass es da historische Hintergründe gibt, indem was in der Hl. Schrift steht. Das ist ja gerade das Geniale, das nur Gott kann: Konkretes in allgemeines, individuelles vermitteln und umgekehrt. Verschiedene Ebenen ergänzen sich zu einem Gesamtbild und egal, auf was man den Fokus der Betrachtung setzt, es zeigen sich verschiedene Bilder dergleichen Wahrheit.
Ich denke, dass diese Bilder, wie der Rest der Bibel auch, nach Innen in unser Herz weisen. Jeder Mensch erlebt seine eigene Apokalypse, seinen letzten Posaunenstoß, seine Verfinsterung der Sonne wenn er wieder zu Staub wird. Ich denke, in diese Richtung weist die Apokalyptik. Sicher bin ich mir da noch nicht. So recht trau ich mich da noch nicht ran. Ich bin noch zu sehr mit den Basics beschäftigt.
Ich bleibe auch hier meinem Grundsatz treu, dass zukünftiges auch schon jetzt konkret werden kann in meinem Leben und in der Kirche, obwohl es geschichtlich noch aussteht. Deshalb ist mir dieser Apokalypse-Kram samt drohender Weissagung stets suspekt, ich muss es nicht wissen, denn es wird gut, dies zu wissen genügt mir.
Savonlinna hat geschrieben:WENN das Christentum also auf "Mund-zu-Mund-Beatmung" beruht - Entschuldigung, das soll nicht respektlos sein -, dann kann man auch die, die ich vorhin erwähnt habe - die, die die Bibel kaum kennen und sich trotzdem plötzlich Christen nennen wollen, weil irgend ein Funke gezündet hat - auch nicht auf die Bibel verpflichten. Man kann sie auf gar nichts verpflichten.
Man kann sie auf ihr Gewissen verpflichten, das ihnen zum Gesetz wird. Deshalb findet sich natürlich auch im Buddhisten der göttliche Funke, ebenso im Animisten oder Muslim.
Bevor ich gläubig wurde, hatte ich nichts mit der Hl. Schrift am Hut. Erst nach meiner Gotteserfahrung, die ich nicht erwartete, befasste ich mich mit der Hl. Schrift. Und so geht es gerade heutzutage viele.
Insgesamt hat das, was Du da schreibst, ziemlich immense Folgen: nämlich das, was Luther mit "die Freiheit eines Christenmenschen" bezeichnet.
Die Freiheit eines Christenmenschen war nie ein ökumenisches Problem. Das hatte Luther aus seiner Zeit als Augustinermönch und heute stimmen dem immer noch Katholiken wie Protestanten zu. Die Freiheit erlangt ein Christ ja nicht durch eine Konfession, sondern durch Jesus Christus im Menschen. Diese Gnade ist ein Geschenk an jeden Menschen, der es annehmen will, und nicht auf eine Denomination beschränkt.
Das, was Du in christlichen Termini ausdrückst, kann ich auch in anthropologische Termini übersetzen, werde ich jetzt allerdings im Einzelnen nicht tun.
Höchstens Analogien kann ich bringen: dass manche Epochen in unserer Historie in Untiefen geführt haben, weil das Pendel oft weit ausschlägt, bevor es das Zentrum findet.
Auch das Ringen um die Demokratie hat zeitweise in ganz Gegenteiliges geführt, weil man vielleicht erst durch diese Untiefen durchmusste, um diesen Gedanken zur Reife bringen zu können. Und wir sind da noch nicht am Ende.
Als Christ sehe ich all diese Pendelbewegungen in Gottes Ratschluss. Tatsächlich kann man gänzlich anthropologische Termini benützen, wenn da nicht die persönlichen Gotteserfahrungen wären, die über Jahrtausende Menschen veränderten. Oft sind es einzelne Menschen oder eine kleine Gruppe, die epochale Veränderungen, zum guten oder schlechten, herbeiführten. Man muss schon tief in die psychologische Trickkiste greifen, um manche Wendungen in der Gesinnung von Menschen ohne Gott erklären zu können. Zumal ich ja ähnliche Erfahrungen machte.
Diese Veränderungen in Denken und Fühlen allein psychologisch zu erklären, erscheint mir unvollständig, zumal ja manchmal Menschen plötzlich auch Kraft, Weisheit, Fähigkeiten zufallen, die sie selbst nicht erklären können. Hier erfahren Christen/Menschen eine Wirkung, die nicht rein mit anthropologischen Termini besetzt werden können.
Wenn ich in meinem Inneren spüre, dass letztlich ständig heilende Kräfte am Werk sind, dann kann ich darauf bauen, dass auch in völlig kaputten Zeiten die Hoffnung zu Recht besteht, dass diese kaputten Zeiten schon den Keim des Umschlags in sich tragen.
Wenn ich das nicht in mir spüre, dann kann das zu einem destruktiven Weltbild führen, und dann hat man mögllicherweise kein Vertrauen in insgesamt heilende Kräfte.
Das beleuchtet eine Aspekt von dem, was ich in diesem Thread zuvor einmal geschrieben habe: Das, was der Mensch in sich unvollständig lässt, teilt, abtrennt, verbleibt auch so, wenn er daran festhält. Das bestimmt auch sein Gottesbild.
In der Hl. Schrift wird oft das Wort Sanftmut verwendet. Menschen mit einer solchen Charaktereigenschaft nehmen für sie übles, angreifendes geduldig auf und an, trennen es nicht von sich ab, was zu Zorn, Verbitterung oder gar Gewalt führen würde. Dies gelingt einem Christen (wie es ein Nichtchrist macht, sei mal dahingestellt) deshalb, weil er weiß, dass er es dem Herrn geben kann, der es für ihn trägt und ausgleicht. So bleibt man Heil, im Ganzen, vollständig, was zuviel ist, kann abgegeben werden, was zuwenig ist, wird von Gott geschenkt (als Tugend).
Ich weiß, dass klingt nun bereits allzu psychologisch und philosophisch, aber es ist für Menschen allgemein gültig.
Servus
