Warum fordern Atheisten Beweise?

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closs
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#91 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?

Beitrag von closs » Do 3. Sep 2015, 20:52

Savonlinna hat geschrieben:Das verstehe ich jetzt allerdings nicht.
Gerade habe ich darüber mit Pluto gesprochen - ich kopiere meine Aussage einmal rüber:

Pluto hat geschrieben:
Du führst einen neuen Begriff ein? Was verstehst du unter historisch-kritischer Hermeneutik?

Kurt hat geantwortet: Eine historisch-kritische Haltung, die nicht nur historisch-kritisch forscht (das tun Kanoniker auch), sondern auch historisch-kritisch interpretiert.

Ich gestehe, dass mir der Übergang zwischen Exegese und Hermeneutik in der Praxis nicht klar genug ist - deshalb interpretiere ich den Unterschied so , wie wir es gelernt haben - nämlich mit den Zuordnungen "Exegese = ergebnis-offene Forschung" und "Hermeneutik = weltanschauliche Interpretation".

Der Satz "Jesus hatte eine/keine Naherwartung" ist in beiden Fällen KEINE exegetische Aussage, sondern eine hermeneutische Aussage. - Gerne lasse ich mich eines Besseren belehren von jemandem, der nicht nur zitiert, sondern selber diesbezüglich einen Plan hat. - Für mich ist dieser wissenschafts-theoretische Komplex in Teilen noch undurchsichtig.


Vielleicht kannst Du dazu mehr sagen - mir geht es vor allem den Unterschied zwischen sachlich wissenschaftlicher Arbeit ("Das ist kein Basalt, sondern Kalkstein"/"Dieser Text entstand nicht im 1. Jh. vor Christus, sondern im 1.Jh. nach Christus" - also pfurz-trockene analytische Aussagen) und Interpretation ("Hier meint Jesus, dass ...").

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Münek
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#92 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?

Beitrag von Münek » Do 3. Sep 2015, 20:52

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Dabei steht die Rezeptionsfrage gar nicht im Raum, sondern die Authentizität und Echtheit der dokumentierten Botschaft Jesu.
Die Echtheit kann doch nur über die Rezeption ("Stille Post") unserer Quellen-Verfasser ("SChreiber") rekonstruiert werden. - Es gibt keine überlieferte Authentizität - das ist ein Oxymoron, wenn keine Autographen vorliegen..

Du scheinst es immer noch nicht verstanden zu haben.

Es ist doch ein Unterschied, ob ich z.B. sage: "X glaubt an Geister." oder: "X hat zu mir gesagt: "Ich
glaube an Geister." Der erste Satz wäre eine Rezeption, der zweite nicht - weil wörtliches Zitat.

Samantha

#93 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?

Beitrag von Samantha » Do 3. Sep 2015, 21:02

Münek hat geschrieben:Du meinst wirklich, Christen seien nicht ergebnisoffen? ;)
Wer etwas verdreht, fühlt sich wohl angesprochen.

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Savonlinna
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#94 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?

Beitrag von Savonlinna » Do 3. Sep 2015, 21:05

Andreas hat geschrieben: Ihr stellt es immer so dar, als würde sich das "Historisch" in HKM auf die Wirklichkeit der beschriebenen Inhalte beziehen und das "Kritisch" in HKM diese Wirklichkeit kritisch untersuchen.
Ja, dieses Missverständnis ist irgendwie nicht ausräumbar.

Andreas hat geschrieben:Das Gleiche macht ihr mit den Begriffen "Wissenschaft" und "Forschung", wenn ihr vom Konsens in der "wissenschaftlichen NT-Forschung" redet, um zu suggerieren, dass dabei selbstverständlich herauskommen würde, dass "Gott" ein "wissenschaftliches" Spaghettimonster sei und Jesus sich geirrt haben müsste, weil die Welt nicht mit Pauken und Trompeten an ihr Ende gekommen ist.
Ja, auch hier das ständige Missverständnis.

Andreas hat geschrieben:Falls sich jemand geirrt hätte, wären es maximal die Autoren
Eben. Und darum untersucht die HKM, welches Jesusbild die Autoren zu vermitteln suchen.
Einen Konsens kann es schon darum nicht geben, weil jeder theologische Wissenschaftler darüber informiert ist, dass es mehrere Jesusbilder im Neuen Testament gibt. Er kann also gar nicht sagen, dass alle biblischen Autoren dasselbe Jesus-Bild haben.

Es sind erst die Kanoniker, die diesen Unterschied der HKM außen vorlassen - ihn nicht leugnen, aber außen vorlassen - und sagen:
"Wir wollen in uns selber ein einheitliches Jesusbild herstellen und beziehen damit die zweitausendjährige Geschichte des Christentums mit ein."

Andreas hat geschrieben:Auch bei der wissenschaftlichen Exegese kommt ein "Gottesbild" heraus
Das hast Du wirklich gut erkannt.

Andreas hat geschrieben:Die HKM klammert bei ihrer Arbeit "Mephisto" und "Gott" nicht aus, nur weil beide nicht als historische Personen nachweisbar sind.
Richtig. Es wird untersucht, wie sie in der jeweiligen Erzählung oder dem jeweiligen Brief gesehen, gewichtet, gewertet werden.
Deren Existenz wird weder angezweifelt noch nicht angezweifelt - Halman hat das so ähnlich vorhin irgendwo zitiert -, sondern in ihrer Funktion innerhalb des Textes untersucht.

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#95 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?

Beitrag von Savonlinna » Do 3. Sep 2015, 21:07

Halman hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:
Andreas hat geschrieben:Falls sich jemand geirrt hätte, wären es maximal die Autoren - falls man sie so und nur so interpretieren müsste. Da gibt es aber weite Spielräume und deswegen mit Sicherheit keinen Konsens.
Also... was einige Bibelstellen betrifft gibt es keine Spielräume. Mt. 10,23 oder Mk. 13,30 sind da ziemlich eindeutig, in der Berichterstattung.
Also sind meine Argumente Deiner Meinung nach für die Tonne? Aber was weist ich schon.
Pluto glaubt in diesem Fall an die Verbalinspiration, weil die Vordenker hier das auch tun.
Da hat man keine Chance, Halman.

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#96 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?

Beitrag von Münek » Do 3. Sep 2015, 21:14

Andreas hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Er scheint davon auszugehen, dass Jesus von seinen Zeitgenossen falsch verstanden worden ist.
Auch die HKM kann nicht herausbringen, was Jesus wirklich gesagt hat. Keiner weiß das.
Münek hat geschrieben:Dabei steht die Rezeptionsfrage gar nicht im Raum, sondern die Authentizität und Echtheit der dokumentierten Botschaft Jesu.
Das NT ist keine Dokumentation. Das müsste jetzt aber langsam mal klar sein.

Da rennst Du bei mir offene Türen ein. :thumbup:

Die Evangelientexte stellen keine Biografie Jesu und keine Dokumentation über sein kurzzeitiges Wirken als Wanderprediger dar.
Was Jesus wirklich verkündigt hat, weiß niemand. Da hast Du völlig recht. Die Wissenschaftler sind da auf die Quellen angewie-
sen und können allenfalls zu dem Ergebnis kommen, "höchstwahrscheinlich ist es historisch so oder so gewesen oder auch
nicht gewesen.
"

Es geht hier immer nur um Wahrscheinlichkeiten, nie um historische Sicherheiten. Ich denke, da sind wir uns einig.

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#97 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?

Beitrag von Savonlinna » Do 3. Sep 2015, 21:35

Andreas hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Dabei steht die Rezeptionsfrage gar nicht im Raum, sondern die Authentizität und Echtheit der dokumentierten Botschaft Jesu.
Das NT ist keine Dokumentation. Das müsste jetzt aber langsam mal klar sein.
:thumbup:

Wo Münek das sogar selber mal mit Fettdruck betont hat.
Langsam kenne ich alle eure Aussagen auswendig und kann sie gegen euch verwenden. :o

WENN ich nicht wüsste, dass der Mensch ein schwankendes Wesen ist und spürt:
"Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern. Hauptsache, man kriegt die Abende rum."

Andreas hat geschrieben:Die Evangelien geben wieder, was die jeweiligen unbekannten Autoren über diverse Erzählungen von Anderen mitbekommen haben.
Und nicht nur das.
Die unbekannten Autoren haben nicht einfach passiv die überlieferten Erzählungen und Texte aufgenommen, sondern sie in NEUEM Geist und Verstehen aufgeschrieben. Sie haben neue Bilder für das gefunden, was in ihnen lebte.

Man vergleiche mal ein Grimmsches Märchen - mit seiner hohen literarischen Qualität - mit dem Märchen, das man ihnen mündlich erzählt hat.
Die Grimms haben den Märchenton ERFUNDEN, das ist längst nachgewiesen, die authentischen mündlichen Erzählungen hätten es nie zur zweiten Auflage gebracht.
Aber der erfundene Märchenton wurde als authentisches Märchen rezipiert.
Bis heute wirkt er tief in die Herzen von Kindern und Erwachsenen.

Und so scheint es mir auch mit den Erzählungen der Evangelisten zu sein:
Der Ton der Erzählungen, deren Struktur und Schlichtheit - ebenfalls von hoher literarischer Qualität - hat die lange Tradition begründet, NICHT das, was mündlich tradiert wurde.

Da ich den Lutherton ÜBERHAUPT nicht ertragen kann, was bei anderen Übersetzungen auch nicht viel besser ist, ist mir der literarische Wert der Erzählungen erst aufgegangen, als mir der Text mal auf Latein begegnet ist: schnörkellos, prägnant, hieb- und stichfest.

Sowas ist nicht Volkes Mund, sondern bewusstes Produkt eines überlegen schreibenden Dichters.

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#98 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?

Beitrag von Münek » Do 3. Sep 2015, 21:36

closs hat geschrieben:Gott als Glaubensgröße wird erst dann relevant, wenn die rein wissenschaftliche HKM-Arbeit gemacht ist - dann erst prüft man, was aus diesen wissenschaftlichen Ergebnissen weltanschaulich (beim Kanoniker: christlich) daraus interpretiert werden kann. - Auf reiner HKM-Ebene sind Ratzinger und Kubitza absolut gleich - wenn beide gute Wissenschaftler sind, was ich Kubitza ganz und gar nicht absprechen will. - Die Unterschiede ergeben sich erst in der Interpretations-Phase.

Die Unterschiede ergeben sich erst in der Interpretationsphase, soso.

Der war gut, Kurt. :lol: :lol: :lol:

Hast Du nicht erst kürzlich behauptet, beide Exegese-Methoden seien wissenschaftlich!?
Hast Du nicht bemerkt, dass Du mit Deiner Aussage - schwups - in den dogmatischen Sand-
kasten, in das Spinnennetz der kirchlichen Glaubenslehren gehüpft bist!?

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#99 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?

Beitrag von Münek » Do 3. Sep 2015, 21:59

closs hat geschrieben:Vielleicht kannst Du dazu mehr sagen - mir geht es vor allem den Unterschied zwischen sachlich wissenschaftlicher Arbeit ("Das ist kein Basalt, sondern Kalkstein"/"Dieser Text entstand nicht im 1. Jh. vor Christus, sondern im 1.Jh. nach Christus" - also pfurz-trockene analytische Aussagen) und Interpretation ("Hier meint Jesus, dass ...").

Du hast eine völlig verkehrte Sicht von der historisch-kritischen Methode und den Ergebnissen der neutestamentlichen Wissenschaft.

Allein das theologische Lehrbuch "Der historische Jesus" von Theißen/Merz umfasst weit über 500
Seiten. Da geht es nicht um "furz-trockene analytische Aussagen, wie wann ein Text entstanden ist".

Schau Dir nur mal das umfangreiche Inhaltsverzeichnis an (kannste googeln). Da würden Dir die Augen übergehen...

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#100 Re: Warum fordern Atheisten Beweise?

Beitrag von closs » Do 3. Sep 2015, 22:11

Münek hat geschrieben:Die Unterschiede ergeben sich erst in der Interpretationsphase, soso.
Im Normalfall ja - die rein sachliche Analyse ("Wann wurde welcher Text verfasst?"/"Welche Bedeutung konnte das Wort x zur Zeit der Textverfassung haben?"/etc.) ist im Normalfall ziemlich homogen.

Münek hat geschrieben:Hast Du nicht erst kürzlich behauptet, beide Exegese-Methoden seien wissenschaftlich!?
Ja - weil ich unter "Exegese" rein sachliche Arbeit verstehe.

Ist aus Deiner Sicht der Satz "Jesus hatte eine Naherwartung" eine exegetische oder eine hermeneutische Aussage? - Ich meine, es sei eine hermeneutische Aussage. - Falls meine Meinung unzutreffend wäre, hieße dies, dass bereits in der Exegese die Weltanschauung stattfinden würde - dies würde ich gerne vermeiden.

Münek hat geschrieben:Hast Du nicht bemerkt, dass Du mit Deiner Aussage - schwups - in den dogmatischen Sandkasten, in das Spinnennetz der kirchlichen Glaubenslehren gehüpft bist!?
Gerade das will ich mit meinem Verständnis des Unterschieds von Exegese und Hermeneutik vermeiden.

Münek hat geschrieben:Da geht es nicht um "furz-trockene analytische Aussagen, wie wann ein Text entstanden ist".
Das ist Basisarbeit. - Meine Frage an Merz/Theißen wäre: "Wie grenzt Ihr Exegese und Hermeneutik ab?". - Mein eigenes Verständnis habe ich Dir ja vermittelt - ich würde jetzt gerne mal von Profis wie Merz/Theißen wissen, wie sie dies in konkreten Fällen tun (irgendwelche wiki-Zitate zum theoretischen Unterschied helfen hier wenig weiter).

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