Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

closs
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#861 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » Mi 5. Aug 2015, 23:47

Halman hat geschrieben:Die Bibelkritik entwickelte sich in der Zeit der Aufklärung und wurde höchstwahrscheinlich auch vom Positivismus beeinflusst (jedenfalls laut Berger und ich stimme ihm zu, weil es mir plausibel erscheint).
Ja - mir auch.

Halman hat geschrieben:Sicher ist, dass die Naherwartung von Anfang an ein brisantes Thema in den urchristlichen Gemeinden war
Das sieht auch die kirchliche Theologie so.

Halman hat geschrieben:In der Fachwelt wird man da sicher differenzierter formulieren, doch ganz allgmein - und insbesondere im Bereich der Religions- und Bibelkritik - werden in der populärwissenschaftlichen Aufbereitung aus Hypthesen Theorien und aus Theorien Fakten.
Um so schlimmer, wenn ein Wissenschaftler sein Buch "Der Jesuswahn" nennt - damit wird genau dieser Prozess vom Seriösen ins Vulgäre gefördert.

Halman hat geschrieben:Dies ist die Exegese auf Basis der historisch-kritischen Methode. Was meinst Du dazu?
Den ersten Satz des Zitats verstehen ich nicht.

Halman hat geschrieben:Aus diesem Grund ist anzunehmen, dass von der Ankunft Christi erst in der nachösterlichen → Gemeinde gesprochen wurde, die ihre Hoffnung im Kontext einer röm.-hell. Umwelt artikulierte.
Sehr plausibel - eine Rezeptionsfrage.

Das ist eine sehr seriöse Auslegung, die auch von einem katholischen oder evangelischen Hermeneutiker stammen könnte.

Halman hat geschrieben:Genau darum geht es aber, um den Anspruch, die korrekte Lehrmeinung unter das Volk zu bringen.
Und so wird der Staffelstab von einem absolutistischen System an das andere weitergereicht.

Halman hat geschrieben:Was meinst Du dazu?
Absolut ok. - Wie es eh ein Irrtum ist, Authentizität haptisch an geschichtlicher Realität festmachen zu wollen.

"Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis", sagt Goethe. - In anderen Worten: Es zählt nicht der Dornenbusch im biologischen Sinne ("Welche Büsche gab es in Ägypten, die brennen können, wie es in der Bibel steht?"), sondern die Gleichnis-Funktion einer Szene. - 2Lena würde hinzufügen: "Es zählt die innere Handlung, die wir in Übersetzungen nicht nachvollziehen können".

closs
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#862 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » Mi 5. Aug 2015, 23:53

Münek hat geschrieben:Aber Dir fehlt sowohl die Berechtigung als auch die fachliche Kompetenz, hier im Forum der HKM ohne Begründung "an den Karren zu pinkeln".
Noch vielmehr fehlt mir das Interesse daran - ganz im Gegenteil: Mir liegt daran, einer Ideologisierung der HKM gegenzusteuern.

Münek hat geschrieben:Wie kann ein Laie wie Du beispielsweise behaupten, die neutestamentlichen Forscher hätten dieses oder jenes berücksichtigen müssen (um zu einem angemessenen Ergebnis zu kommen)
Ich würde es jetzt anders formulieren: Wenn die rein wissenschaftliche HKM-Arbeit abgeschlossen ist, sollte dem Leser erkenntlich gemacht werden, wo Wissenschaft aufhört und Auslegung beginnt.

Münek hat geschrieben: Sooo dooof, wie Du Ratzinger hier darzustellen scheinst, ist dieser hochintelligente und sachkundige (wenn auch doktrinär verknöcherte) Ex-Pontifex nun auch wieder nicht...
Das wäre ein Missverständnis: Ratzingers diesbezüglichen Aussagen sind aus meiner Sicht klar und weitsichtig - eine Wohltat.

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#863 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Hemul » Mi 5. Aug 2015, 23:58

closs hat geschrieben:"Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis", sagt Goethe. - In anderen Worten: Es zählt nicht der Dornenbusch im biologischen Sinne ("Welche Büsche gab es in Ägypten, die brennen können, wie es in der Bibel steht?"), sondern die Gleichnis-Funktion einer Szene.
Kannst Du deine o. Aussage präzisieren? Danke im Voraus.
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

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#864 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Münek » Do 6. Aug 2015, 00:01

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Warum?
Weil die HKM ihre Arbeit mit der wissenschaftlichen Feststellung beendet hat.

Das sollte man ihr nicht unbedingt vorwerfen. Da ist sie halt sehr dizipliniert.:thumbup:

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#865 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » Do 6. Aug 2015, 00:16

Hemul hat geschrieben:Kannst Du deine o. Aussage präzisieren? Danke im Voraus.
Für Dich Du ich alles. ;)

Der "brennende Dornbusch" steht für etwas - ob man dies mit "Jahwe" ("Ich bin der Seiende") verbindet, ob man dies mit der "Sadduzäerfrage" im NT verbindet oder ob man dies als Voraus-Schattung der Gesetzestafeln interpretiert (In dem hebräischen Wort סנה „Dornbusch“ klingt deutlich סיני „Sinai“ an). - Der Busch ist selber uninteressant, er steht "nur" für etwas.

Es ist also ziemlich uninteressant herauszufinden, was dieser Busch botanisch ist - außer dass man damit lokalisieren könnte, wo ein Text entstanden ist (denn Symbole/Chiffren für Inhalte kommen üblicherweise aus dem eigenen Erlebensbereich). - Insofern mag man zur Kenntnis nehmen, dass der „Dornbusch“, der auf dem Gelände des Katharinenklosters wächst, eine Brombeerart ist (wik) - interessant, aber nicht geistig relevant.

Nun gehörst Du möglicherweise zu denen, die die Bibel wörtlich verstehen - sei's drum. - In diesem Fall sei angemerkt, dass es egal ist, ob ein Symbol/eine Chiffre naturalistischer und/oder historischer Natur ist - wichtig ist, dass "alles Vergängliche ein Gleichnis ist" und nur das relevant ist, was geistig mitgeteilt werden soll - und nicht das Transportmittel ("Chiffre"/"Gleichnis")dazu.

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#866 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » Do 6. Aug 2015, 00:18

Münek hat geschrieben:Das sollte man ihr nicht unbedingt vorwerfen. Da ist sie halt sehr dizipliniert.
Das ist kein Vorwurf, sondern eine Feststellung. - Und ja: Als wissenschaftliche Disziplin ist es ihre Pflicht, diszipliniert zu sein. - Deshalb ist Ratzingers Aufteilung in HKM und Hermeneutik doch so wichtig.

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#867 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Hemul » Do 6. Aug 2015, 00:26

closs hat geschrieben: Nun gehörst Du möglicherweise zu denen, die die Bibel wörtlich verstehen - sei's drum. - In diesem Fall sei angemerkt, dass es egal ist, ob ein Symbol/eine Chiffre naturalistischer und/oder historischer Natur ist - wichtig ist, dass "alles Vergängliche ein Gleichnis ist" und nur das relevant ist, was geistig mitgeteilt werden soll - und nicht das Transportmittel ("Chiffre"/"Gleichnis")dazu.
Wertes clösschen!
Nein-ich gehöre nicht zu denen die alles in der Bibel wörtlich verstehen. Aber den brennenden Dornbusch halte ich doch schon
für einen Tatsachenbericht. Nach welchen Kriterien unterscheidest Du denn zwischen Realität und Chiffre? :roll:
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Halman
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#868 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Halman » Do 6. Aug 2015, 00:33

closs hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:In der Fachwelt wird man da sicher differenzierter formulieren, doch ganz allgmein - und insbesondere im Bereich der Religions- und Bibelkritik - werden in der populärwissenschaftlichen Aufbereitung aus Hypthesen Theorien und aus Theorien Fakten.
Um so schlimmer, wenn ein Wissenschaftler sein Buch "Der Jesuswahn" nennt - damit wird genau dieser Prozess vom Seriösen ins Vulgäre gefördert.
Dies ist eben die nassforsche Sprache des Neuen Atheismus (s. Gotteswahn). So wird "Exegse" unter das Volk gebracht und alles "Porzellan zerschlagen", um mit Berger zu sprechen.

closs hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Dies ist die Exegese auf Basis der historisch-kritischen Methode. Was meinst Du dazu?
Den ersten Satz des Zitats verstehen ich nicht.
Der Satz hat es auch insicht. Schauen wir ihn uns nochmal an:
Zitat aus Zur Entstehung der Sprache von einer Parusie Christi im Urchristentum:
Da das Anliegen des 'Historischen Jesus' die personale Vermittlung der gegenwärtig ankommenden Gottesherrschaft für → Israel war (vgl. Lk 11,20; 17,20f), deren geschichtlich wirkmächtiger Anfang (vgl. Mk 4,31.32a) sich trotz seines Todes in Vollendung durchsetzen wird (vgl. Mk 14,25), dürfte ihm die postmortale eschatologische Parusie-Hoffnung seiner Person (vgl. die Parusie des Menschensohn-Christus Mt 24,3ff) fremd gewesen sein.
Hier nimmt Prof. Dr. Ulrich Mell Bezug auf den 'Historischen Jesus' . Münek verwies widerholt auf das Lehrbuch von Annette Merz und Gerd Theißen zu diesem Thema.
Von Logan5 hatte ich gelernt, dass man in der Theologie zwischen den theologischen - und den historischen Jesus unterscheidet. Der historische Jesus ist eine Rekonstruktion, die man bejahen oder anzweifeln kann.
Lk 11,20 wird offenbar i.V.m. Mk 4,31.32a u. Mk 14,25 so gedeutet, dass Jesus eine "Widerherstellung" Israels im Sinne einer religiös-politischen Befreiung von der römischen Knechtschafft anstrebte, der Widerherstellung des "davidischen Israels". Jesu religiöse Botschaft wird zugleich als politische verstanden. Vor diesem Hintergrund wird gefolgert, dass er die Enzeitrede in Mt 24,3ff in dieser Form nicht hielt und einer nachösterlichen Redaktion zugeschrieben werden kann.

Hier noch mal ein Link zu den Methoden der Bibelauslegung. Daraus wird dann im SPIEGEL Die rohe Botschaft. Darin heißt es:
Unzweifelhaft ist, dass Jesu Agitationsfeldzug für das "nahe Himmelreich" eingebettet war in einen breiten Freiheitskampf, der damals im Gelobten Land tobte. Freischärler und Attentäter begehrten gegen die römischen Zwingherren auf. Sie überfielen Handelsstraßen und meuchelten Legionäre.
Aus säkularer Sicht erscheint es logisch, dass auch Jesus ein politische Befreihung anstrebte, untrennbar verwoben mit der Religion. Dies könnte man als säkulare Hermeneutik bezeichnen, die vom Wesen her verschieden zur christologischen Perspektive sein muss. Der wiener Kulturhistoriker Robert Eisler bezeichnet Jesus als "Revolutionär apokalyptischen Gepräges".
Solche Artikel sind sehr selbstbewusst formuliert, obgleich einiges fachlich nicht korrekt ist. Hier ein Beispiel:
Der Vater Joseph arbeitete als "tekton", also Maurer. Luther machte daraus einen Zimmermann.
Dies ist so wie es da steht zumindest ungenau, ich würde sagen fachlich falsch. Wer mag, kann dies nachforschen.

Ferner wird darin gefolgert:
Das vierte Gebot wischt er mit scharfen Worten vom Tisch: "Wenn jemand seinen Vater, Mutter nicht hasst, der kann nicht mein Jünger sein" (Lukas 14,26).
Vermag denn der Autor Matthias Schulz keine Hyperbel zu erkennen? Sehr seltsam.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#869 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » Do 6. Aug 2015, 00:55

Hemul hat geschrieben:Nach welchen Kriterien unterscheidest Du denn zwischen Realität und Chiffre?
Gar nicht - interessant, aber nicht relevant. - Wichtig ist die geistige Substanz - "was wollte uns Gott damit sagen".

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#870 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Münek » Do 6. Aug 2015, 01:01

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Das sollte man ihr nicht unbedingt vorwerfen. Da ist sie halt sehr dizipliniert.
Das ist kein Vorwurf, sondern eine Feststellung. - Und ja: Als wissenschaftliche Disziplin ist es ihre Pflicht, diszipliniert zu sein. - Deshalb ist Ratzingers Aufteilung in HKM und Hermeneutik doch so wichtig.

Du solltest Deine "feststellenden Vorwürfe" bzw. "vorwerfenden Festellungen" sein
lassen
. Sie entsprechen nicht der Wahrheit.

Und: Ganz gewiss unterscheidet Ratzinger NICHT zwischen HKM und Hermeneutik.
Wie kommst Du auf einen solchen Blödsinn?

Wie ich - leider - schon feststellen musste: Deine "sachkundigen Verlautbarungen" sind
von keinerlei Sachkenntnis getrübt...

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